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Samstag, 13. August 2022

Immobilienkaufvertrag: Zeitpunkt der Kenntnis von Mängeln bei vollmachtloser Vertretung

In dem notariellen Kaufvertrag war ein Ausschluss für Sachmängelhaftung vereinbart worden. Der Beklagte, der Käufer war, wurde von dem Makler (Kläger), der von der Verkäuferin (Drittwiderbeklagten) auf Zahlung der Maklergebühren verklagt. Vom Beklagten wurde gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagte Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz erhoben.

Bei dem Vertragsabschluss sind sowohl der Käufer wie auch die Verkäuferin durch vollmachtlose Vertreter vertreten worden. Die Verkäuferin ließ ihre Genehmigungserklärung durch ihren Geschäftsführer am 15.04.2019 notariell beglaubigen.  Am 06.05.2019 erfuhr der Käufer spätestens, dass die vermietete Wohnfläche statt 1.703,41 m², wie im Exposé angegeben, nur 1.412,41 m² beträgt, die Fläche eines Hinterhofgebäudes statt 153 m² nur 55,27 m². Mit Schreiben vom 29.05.2019 sandte der Käufer dem Notar die am 15.04.2019 beglaubigte Genehmigungserklärung mit der Angabe im Anschreiben, die Überlassung erfolge „ohne Präjudiz und unbeschadet etwaiger Ansprüche gegenüber dem Verkäufer und/oder Makler u.a. wegen unzutreffender Angaben zum Kaufgegenstand“ erfolge. Mit der Widerklage begehrte der Käufer Schadensersatz, da die Wohnfläche geringer sei als im Exposé angegeben.  

Der Klage des Maklers wurde stattgegeben, die Widerklage zurückgewiesen. Die vom Käufer eingelegte Berufung wurde vom OLG im Beschlussweg nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Der BGH wies mit Urteil die vom Käufer eingelegte Revision zurück. Ein Schadensersatzanspruch des Käufers gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB bestünde nicht.

Da das OLG offen ließ, ob die vorhandene Wohnfläche im Hinblick auf die Angaben im Exposé einen Mangel darstelle, unterstellte dies der BGH im Sinne des noch bis zum 3.12.2021 anwendbaren § 434 Abs. 1 BGB (Art, 229 § 58 EGBGB), da für den Käufer günstig, als gegeben, ebenso, dass der Käufer bis zur Beurkundung des Kaufvertrages keine Kenntnis von der geringeren Wohnfläche hatte. Der Wirksamkeit des Kaufvertrages stünde auch die Erklärung des Käufers gegenüber dem Notar nicht entgegen, mit der dieser diesem die Genehmigungserklärung überließ, da er sich nicht gegen den Kaufvertrag als solchen wandte, sondern sich nur seine Rechte habe vorbehalten wollen. Allerdings scheitere der Anspruch des Käufers daran, dass er vor der Übersendung der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung Kenntnis von der Flächenabweichung gehabt habe; dies ergäbe sich aus § 442 Abs. 1 S. 1 BGB.

§ 442 Abs. 1 S. 1 BGB schließe Rechte des Käufers wegen eines Mangels, der er bei Vertragsschluss kenne, aus. Zu Stande gekommen sei der Kaufvertrag noch nicht mit dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages, da der Käufer und die Verkäuferin durch vollmachtlose Vertreter handelten und damit nach § 177 Abs. 1 BGB und den ergänzend getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Kaufvertrag erst mit dem Zugang der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung des Käufers bei dem Notar zu Stande gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt aber kannte der Käufer den Mangel. Zwar habe der Käufer bereits zuvor über einen Messengerdienst dem Notar eine Ablichtung der Genehmigung überlassen; im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte öffentlich beglaubigte Form der Genehmigungserklärung habe dies aber für eine wirksame Genehmigung nicht ausgereicht. Ein konkludenter Formverzicht, wenn er überhaupt möglich sein sollte, wäre nicht gegeben, da diese Korrespondenz nur zwischen dem Käufer und dem Makler geführt worden sei, nicht zwischen den Kaufvertragsparteien.

Allerdings komme es für das endgültige Wirksamwerden des schwebend unwirksamen Vertrages bei einer Genehmigung der Erklärung eines vollmachtlosen Vertreters nicht an. Es sei eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Maßgeblich sei bei einem so zustande gekommenen Vertrag die Kenntnis des Käufers zum Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung. Werden das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages und dessen Annahme zeitlich versetzt beurkundet, sei § 442 Abs. 1 S. 1 BGB einschränkend dahingehend auszulegen, dass dem Käufer nur die Kenntnis von einem Sachmangel im Zeitpunkt der Beurkundung seines Angebots schade, es auf den Zeitpunkt dessen Annahme durch den Käufer nicht ankomme. Dem läge der Gedanke zugrunde, dass der Käufer nicht in seinen berechtigten Erwartungen enttäuscht würde, wenn er den Kauf trotz des Mangels gewollt habe (BGH, urteil vom 15.06.2012 - V ZR 198/11 -). In diesem Fall sei er nicht schutzwürdig, da er sich mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechte in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten stellen würde, das Angebot trotz Kenntnis von dem Mangel anzunehmen.

Würde wie hier der Käufer durch einen vollmachtlosen Vertreter bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages vertreten, komme es für seine Kenntnis vom Mangel iSv. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an. Er sei in gleicher Weise schutzwürdig wie im Falle eines gestreckten Vertragsabschlusses, wenn ihm die Mängel erst nach Abgabe der Genehmigungserklärung bekannt würden. Die Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB sei dabei unbeachtlich, da es der Käufer bis zur Genehmigung in der Hand habe, den Vertrag abzuschließen. Abgegeben sei die empfangsbedürftige Willenserklärung nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sie mit dem Willen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gebracht worden sei. Solange dies nicht erfolge, müsse er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen.

Der Fall sei auch nicht vergleichbar mit der Konstellation, bei der der Käufer erst nach Vertragsabschluss von Mängeln erfährt und gleichwohl bei der Heilung eines formnichtigen Vertrages mitwirkt bzw. dies nicht verhindert, da er damit nur verdeutliche, dass er sich nicht auf einen Formmangel berufen möchte.

Der Käufer, der a, 15.04.2019 die Genehmigungserklärung notariell habe beurkunden lassen, dies aber erst am 28.05.2019 absandte, hatte damit jedenfalls Kenntnis von dem Mangel vor Übersendung der Genehmigungserklärung und müsse dies gegen sich gelten lassen.

Die Widerklage gegen den Makler sei abzuweisen, da der Käufer nicht hätte nachweisen können, dass er den Kaufvertrag nicht zu denselben Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn ihm die Flächenabweichungen bekannt gewesen wären. Hier sei für die Kausalität auf die Absendung der Genehmigungserklärung abzustellen, die erst zur Wirksamkeit des Kaufvertrages geführt habe.

Die Maklercourtage sei vom Käufer zu zahlen, da er den Vertragsabschluss trotz Kenntnis aller Umstände herbeigeführt habe.

BGH, Urteil vom 06.05.2022 - V ZR 282/20 -