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Donnerstag, 2. November 2023

Mietrecht: Fiktiver Schadensersatz des Vermieters für Schönheitsrenovierung, Rückbau und Schäden

Der Kläger forderte als Vermieter nach Mietende und Auszug der ehemaligen Mieter (Beklagte) diese zur Durchführung von Schönheitsreparaturen und Rückbauarbeiten auf, dem die Beklagten nicht nachkamen. Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag ein, ließ Teile der geforderten Maßnahmen durch Dritte durchführen, und verklagte dann die Beklagten auf Zahlung gemäß dem Kostenvoranschlag. Die Klage wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen; das Berufungsgericht ließ allerdings zur Frage, ob im Mietrecht Schadensersatz fiktiv geltend gemacht werden könne (von ihm verneint) die Revision zu. Die insoweit beschränkt zugelassene und zu entscheidende Revision hatte Erfolg.

Bei seiner Entscheidung stellte das Berufungsgericht u.a. auf die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Schadensabrechnung im Werkvertragsrecht ab. Dem folgte der für Wohnraummietrecht zustände Senat des BGH für das Mietercht nicht. Sowohl im Hinblick auf den Ersatz von Kosten für die mieterseits nicht ausgeführten Schönheitsreparaturen (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) als auch für den Rückbau durch Austausch von Wandfliesen und für die Malerarbeiten an der Wand des Treppenhauses (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), ferner im Hinblick auf weiter durch die Beklagten verursachten Schäden am Mietgegenstand (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), könne der Kläger nach dem Ende des Vertragsverhältnisses seinen Schaden fiktiv berechnen und diese fiktiven Kosten geltend machen.

D.h., der Vermieter könne wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Rückbaukosten vom Mieter anhand der voraussichtlich erforderlichen Kosten, aber (noch) nicht aufgewendeten (mithin fiktiven) Kosten seine Schadensersatzansprüche bemessen. Auch soweit der Kläger Teile der Arbeiten, für die er Ersatz begehre, bereits ausgeführt habe, könne er hier den gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags (und damit fiktiv) abrechnen (BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21 -).  

Es sei in ständiger Rechtsprechung vom BGH anerkannt, dass Schadensersatzansprüche statt der Leistung mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder den für den Rückbau der Mietsache erforderlichen aber noch nicht aufgewendeten (also fiktiven) Kosten bemessen werden könnten /BGH, Urteile vom 3.03.2021 -XII ZR 42/20 -, 12.03.2014 - XII ZR 108/13 -, 05.03.2014 - VIII ZR 205/13 -. 20.10.2004 - VIII ZR 378/03 -). Daran sei auch nach der Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - zur Begründung seiner gegenteiligen Rechtsansicht im Rahmen des Werkvertragsrechts festzuhalten. Die Erwägungen des VII. Zivilsenats würden - auch nach dessen Ansicht - auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruhen und ließen sich auf andere Vertragstypen nicht übertragen (BGH, Beschlüsse vom 08.10.2020 - VII AZR 1/20 -, 26.04.2022 – VIII ZR 364/20 -).  Zwar gäbe es, anders als im Kaufrecht, im Mietrecht einen mit dem werkvertraglichen Anspruch gem. § 637 Abs. 3 BGB (der vom VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Auffassung herangezogen wurde) vergleichbaren Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die (beabsichtigte) Selbstvornahme (Anm.: was nach Ansicht des VII. Zivilsenats eine fiktive Abrechnung ausschließt). Denn nach der Rechtsprechung des hier zur Entscheidung berufenen Senats (für Wohnraummietrecht) im laufenden (also nicht beendeten) Mietverhältnis unter den Voraussetzungen § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei Mietmängeln bestehen und könne auch der Vermieter einen Vorschuss in Höhe erforderlicher Renovierungskosten verlangt werden, wenn sich der Mieter mit der Durchführung der Renovierung in Verzug befände (BGH, Urteil vom 1403.2006 - VIII ZR 123/05 -, Beschluss vom 25.04.2022 - VIII ZR 364/20 -). Allerdings würden sich hier die Ansprüche nur zum Teil auf solche Ansprüche (Renovierung) beziehen, zum anderen sämtliche Ansprüche auf ein beendetes Mietverhältnis.

Das Berufungsgericht hatte seine Ansicht auch damit begründet, dass bei einer fiktiven Abrechnung die Gefahr einer Überkompensation bestehen würde. Doch könne der Geschädigte nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen (Anm.: die er im Bestreitensfall darlegen und beweisen muss, wobei ggf. vom Gericht auch Sachverständigengutachten einzuholen ist). Auch sei zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bilde (BGH, Urteil vom 08.07.2020 - VIII ZR 163/18 -).

Ebenso wie den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3m § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) könne der Kläger auch seinen das Integritätsinteresse betreffenden Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen der Beschädigung der der Mietsache (hier bezüglich von Wandfliesen der Küche und des Flurs im Treppenhaus) auf der Grundlage voraussichtlicher (also fiktiver) Kosten bemessen. Anders als bei einem Schadenersatzanspruch statt der Leistung, der von vornherein nur auf Geldersatz gerichtet sei (§ 281 Abs. 4 BGB), könne der geschädigte Vermieter bezüglich des Schadensersatzanspruchs neben der Leistung wahlweise Naturalrestitution  oder Geldersatz begehren (BGH, Urteil vom 19.11.2014 - VIII ZR 191/13 -). Aufgrund der nach § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten gewährten Ersetzungsbefugnis könne der Kläger auch hier die fiktiven Kosten gelten machen (BGH, Beschluss vom 08.10.2020 – VII ARZ 1/20 -). Dass dies ebenfalls vom VII. Zivilsenat im Hinblick auf das Werkvertragsrecht hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB) verneint wurde (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VIII ZR 46/17 -), sei dies auf andere Vertragstypen nicht übertragbar (zudem sei der Fall auch nicht vergleichbar, als es dort eine Ersetzungsbefugnis des Bestellers im Hinblick auf den dortigen Überwachungsfehler des Architekten nicht gegeben habe).

Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben und der BGH hob es, soweit es mit der Revision angefochten werden konnte, unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht auf.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - VIII ZR 280/21 -

Sonntag, 21. August 2022

Kaufrecht: Anspruch des Gewährleistungsschuldners auf Ausgleichung von „neu für alt“ ?

Die Beklagten verkauften unter Ausschluss der Sachmängelhaftung an die Kläger ein 1979 gebautes Reihenhaus. Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens im Jahr 2022 erfuhren die Beklagten, dass Feuchtigkeit in den Kellerwänden bestand, vornehmlich beruhend auf einer unzureichenden Abdichtung der Wände.  Die Kläger stellten 2013 eine Durchfeuchtung der Kellerwände fest und forderten von den Beklagten die Kosten für eine neue Kellerabdichtung. Das Landgericht hat der Klage nur in einem kleinem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung beider Parteien wies das OLG die Klage insgesamt ab. Die Revision der Kläger war im Wesentlichen erfolgreich, dem Erstattungsanspruch auf die Mängelbeseitigungskosten hätte stattgegeben werden müssen.

Die Kläger könnten dem Grunde nach von den Beklagten Schadensersatz statt der Leistung nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3m § 281 Abs. 1 und 2 BGB wegen einer erforderlichen Neuabdichtung verlangen. Die Feuchtigkeit und die nicht ordnungsgemäß angebrachte Kellerabdichtung würden sich als Sachmangel darstellen. Der im notariellen Kaufvertrag enthaltene Haftungsausschluss der Beklagten reife nicht, da sie selbst Kenntnis von dem Mangel im Rahmen des Beweisverfahrens 2002 erhalten und diesen arglistig (§ 444 BGB) den Klägern gegenüber verschwiegen hätten. 

Die Höhe des Schadens könnten die Kläger anhand der zur Herstellung einer mangelfreien Herstellung der Kellerwandabdichtung erforderlichen Kosten berechnen, auch wenn die Arbeiten noch nicht ausgeführt worden seine. Der  Schadensersatzanspruch statt der Leistung (sogen. Kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB könne anhand der voraussichtlich erforderlichen fiktiven Mängelbeseitigungskoste geltend gemacht werden. 

Fehlerhaft sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Kläger könnten wegen eines notwendigen Abzugs „neu für alt“ keinen Schaden geltend machen, wobei das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, dass die Haltbarkeit einer Mauerabdichtung 40 Jahre betrage und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bereits mehr als 40 Jahre vergangen seien. Zwar sei grundsätzlich ein Vermögensvorteil, der erst durch die Ersatzleistung des Schädigers entstünde, nach den Regeln „neu für alt“ auszugleichen. Stünde dabei im Fall des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung der Anspruchsberechtigte besser, als er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte, sei grundsätzlich die Differenz vom Anspruchsberechtigten auszugleichen, da der Schadensersatz den Berechtigten nicht bereichern soll. Diese Grundsätze könnten aber nicht auf einen kaufvertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach dem seit dem 01.01.2022 geltenden Recht nicht ohne weiteres übertragen werden. Die Mangelfreiheit der Kaufsache gehöre jetzt zur Leistungspflicht des Verkäufers (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Es müsse bei der Prüfung, ob ein Abzug „neu für alt“ gerechtfertigt sei, berücksichtigt werden, dass der Verkäufer zunächst der Pflicht zur Nacherfüllung unterliege. Der primär auf die Lieferung einer mangelfreien Sache gerichtete Erfüllungsanspruch setze sich im in modifizierter Form in dem Nacherfüllungsanspruch fort, an dessen Stelle der Schadenersatzanspruch nach den §§ 437 Nr. 3, 289, 281 BGB trete. Er richte sich danach, was der Käufer erhalten hätte, wenn der Verkäufer seiner Pflicht zur Nacherfüllung ordnungsgemäß nachgekommen wäre (BGH, Beschluss vom 13.03.2020 - V ZR 33/19 -). 

In Ansehung des Zusammenhangs zwischen dem Schadensersatz statt der Leistung und dem (Nach-) Erfüllungsanspruch müsse der Käufer, wenn er sich unter Berücksichtigung von „neu für alt“ auch bei der Nacherfüllung an den Kosten zu beteiligen hätte, einen entsprechenden Abzug am Schadensersatz hinnehmen. Müsse sich der Käufer nicht an den Kosten der Nacherfüllung beteiligen, müsse dies auch entsprechende Auswirkungen auf den Schadensersatz haben. Diese Frage würde in der Literatur kontrovers erörtert. Darauf käme es aber nicht an, da jedenfalls dann eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung an einer (gebrauchten) Kaufsache nach den Grundsätzen „neu für alt“ ausscheide, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpfe, dass die Kaufsache durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfahre oder der Käufer durch die dadurch bedingte längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspare. Dass die Kläger darüberhinausgehende Vorteile hätten, sei von den Beklagten nicht eingewandt worden. 

Bei der Nachbesserung käme der Verkäufer nur seiner vertraglichen Pflicht nach. Hierfür könne er keinen Ausgleich verlangen (BGH, Urteil vom 17.05.1984 - VII ZR 169/82 -). Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer u.U. eine Leistung erbringen müsse, die eine andere Qualität aufweise als jene, die er bei mangelfreier Leistung zur erbringen gehabt hätte. Da infolge der mangelhaften Leistung des Verkäufers der Vertrag nicht wie vorgesehen abgewickelt werden könne, habe sich die Nacherfüllung an dieser veränderten Situation auszurichten (BGH, Urteil vom 21.07.2021 - VIII ZR 254/20 -). Dies gelte auch bei gebrauchten Sachen. Der regelmäßige Vorteil eines Wertzuwachs der Sache sei ebenso wie der Umstand, dass der Käufer durch eine längere Lebensdauer Aufwendungen erspare, eine unvermeidliche Folge des dem Käufer vom Gesetzgeber eingeräumten Nacherfüllungsanspruchs (zur Abgrenzung zur Anrechnung von Aufwendungen, die der Käufer ohnehin plante BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 275/12 -).   

Der Umstand, dass eine Nachbesserung wegen arglisten Verschweigens des Mangels nicht angeboten werden müsse, führe zu keiner anderen Betrachtung. 

Die Grenze für den Nacherfüllungsanspruch und dem folgend für den auf Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigung gerichteten Schadensersatzanspruch ergäbe sich bei einer Unverhältnismäßigkeit, abgeleitet aus § 439 Abs. 4 S. 2 BGB.  Sie verhindere eine Überkompensation des Käufers. Könne der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern, da sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, beschränke sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den mängelbedingten Minderwert. Dieser Fall wurde hier vom BGH nicht angenommen. 

BGH, Urteil vom 13.05.2022 - V ZR 231/20 -

Sonntag, 7. April 2019

Werkvertrag: Abgrenzung von Schadensersatz neben der Leistung (bei Mangelfolgeschäden) und Schadensersatz statt der Leistung (bei Mangel der geschuldeten Leistung)


Der Beklagte, der eine Kfz-Werkstatt betrieb, war vom Kläger mit der Wartung seines PKW beauftragt worden. Im Zuge der Wartung wurden vom Beklagten u.a. Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen ausgetauscht worden und die entsprechende Rechnung vom Kläger gezahlt. Kurze Zeit später stellte der Kläger Probleme mit der Lenkung fest. Im Hinblick auf Betriebsferien des Beklagten verbrachte der Kläger sein Fahrzeug in die Werkstatt L., die feststellte, dass der Keilriemen nicht richtig gespannt worden sei. Dieser sei deshalb gerissen und habe sich um die Welle und das Gehäuse des Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Überreste des Riemens hätten sich um die Riemenscheibe der Servolenkungspumpe gewickelt und diese beschädigt, da die Riemenscheibe brach und die Servolenkungspumpe beschädigt habe. Der Kläger ließ den Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine von der Werkstatt L. reparieren. Die Reparaturkosten in Höhe von € 1.715,57 forderte er vom Beklagten. Seine Klage und die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurden abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung zwecks Feststellung, ob die gerügten Mängel auf mangelhafte Arbeiten des Beklagten zurückzuführen sind.

Das Landgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 3, 280, 281 BGB oder auf Erstattung der Kosten der Selbstvornahme gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB kämen nur in Betracht, wenn vorher eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erfolge. Gleiches gelte, soweit der Kläger Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB fordere; auch wenn der Mangel zu einem Folgeschaden geführt habe, sei der beauftragte Unternehmer zur Nacherfüllung dieser Folgeschäden verpflichtet, die in einem unmittelbaren Zusammenhang stünden.

Dem folgte der BGH nicht. Auszugehen sei für das Revisionsverfahren von der Unterstellung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte im Rahmen der Wartung den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt habe und dies zu Schäden an der Lichtmaschine, der Servolenkungspumpe, dem Zahnriemen sowie dem Keilrippenriemen und dem Riemenspanner gekommen sei und deshalb eine Reparatur erforderlich geworden sei, bei der Teile hätten ausgetauscht werden müssen. Dass unter solchen unterstellten Umständen dem Kläger kein Schadensersatz für die Schäden an der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe zustehen würden, da es an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung fehle, sei allerdings unzutreffend.

Schadensersatz neben der Leistung könne gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB für Schäden begehrt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden seien und durch eine Nacherfüllung nicht beseitigt werden könnten. Erfasst seien mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtgütern des Bestellers oder seinem Vermögen eintreten. Nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sei zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. § 634 Nr. 4, 280, 281 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 zu unterscheiden. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung trete an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfordere (vorbehaltlich im Gesetz genannter Ausnahmen) eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, um so den Unternehmer die letzte Gelegenheit zur Erbringung der geschuldeten Werkleistung zu geben.  Demgegenüber handele es sich bei dem Schadenersatzanspruch neben der Leistung um solche, die über das Leistungsinteresse hinausgehende Vermögensnachteile beinhalten würden, also insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern. Für derartige Folgeschäden käme eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht in Betracht, da die Fristsetzung lediglich dazu diene, dem Unternehmer zu ermöglichen, die geschuldete Werkleistung zu erbringen und diene nicht dazu, die weiteren Schäden (Folgeschäden) zu beseitigen.

Zur Feststellung, welche Schäden Folgeschäden sein können, müsse im Wege der Vertragsauslegung die geschuldete Werkleistung (ggf. durch Vertragsauslegung) festgestellt werden. Hier handelte es sich um einen Wartungsvertrag über ein Kraftfahrzeug, bei dem regelmäßig dessen Überprüfung auf Funktions- und Verkehrstüchtigkeit und damit zur Aufdeckung möglicher Schäden der zu überprüfenden Bereiche im Vordergrund stünde, wobei auch der Austausch von Verschleißteilen gehören könne. Die Reparatur von im Rahmen der Wartung festgestellten Schäden sei nicht umfasst und sei daher nur bei gesonderter Vereinbarung durchzuführen. Vorliegend würden auch der Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens vom Vertrag erfasst, unabhängig davon, ob dies regelmäßig von Wartungsarbeiten umfasst sei, da jedenfalls diese Arbeiten konkludent durch Abholung des Fahrzeuges und Ausgleichung der Rechnung abgenommen und damit zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung der Parteien gemacht worden seien.

Demgegenüber würde es sich bei den Schäden an der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe um Folgeschäden handeln, verursacht durch mangelhafte Werkleistungen des Beklagten. Diese könnten durch die Nacherfüllung der eigentlich geschuldeten Werkleistung nicht behoben werden; sie beträfen vielmehr zuvor unbeschädigte Bestandteile des Kraftfahrzeuges und nicht das geschuldete Werk. Das Berufungsgericht habe allerdings nicht hinreichend erwogen, ob vorliegend eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erforderlich gewesen sei. Solche Umstände nahm der BGH an, weshalb auch insoweit er einen Schadensersatzanspruch trotz fehlender Fristsetzung bejahte. Es habe, so der BGH, ein besonderes Interesse des Klägers an einer einheitlichen Reparatur bestanden, bei der die erforderlichen Austauscharbeiten im Zuge der Beseitigung der wirtschaftlich im Vordergrund stehenden Folgeschäden an Lichtmaschine und Servolenkung miterledigt würden. Das Interesse des Beklagten an der Möglichkeit einer Nacherfüllung würde dahinter zurückstehen, wobei auch das aufwendige Verbringen des Fahrzeuges zum Beklagten im Anschluss an die Reparatur alleine der Folgeschäden zu berücksichtigen sei. Offen bleiben könne, ob bereits im Hinblick auf die Betriebsferien des Beklagten eine Fristsetzung zur Nacherfüllung  entbehrlich sein könnte.

BGH, Urteil vom 07.02.2019 - VII ZR 63/18 -

Montag, 21. August 2017

Schadensersatz statt Nachbesserung der Kaufsache bei Nichtzahlung eines Transportkostenvorschusses

Die in Schleswig-Holstein wohnhafte Klägerin kaufte am 14.05.2015 von der in Berlin geschäftsansässigen Beklagten über deren Internetportal zum Preis von € 2.700,00 einen gebrauchten PKW. Am 10. Und neuerlich am 12.05.2015 wandte sich die Klägerin an die Beklagte wegen eines von ihr behaupteten Motordefekts, um die Vorgehensweise zur Schadensbehebung im Rahmen der Gewährleistung zu klären. Nachdem die Beklagte nicht reagierte, forderte die Klägerin am 19.05.2015 unter Fristsetzung zum 30,05.2015 die Beklagte zur Nachbesserung auf. Daraufhin bot die Beklagte der Klägerin die Mängelbeseitigung an ihrem Sitz in Berlin an. Hierfür forderte die Klägerin unter Aufrechterhaltung der von ihr gesetzten Frist mit Schreiben vom 21.05.2015 einen Transportkostenvorschuss von € 280,00 zwecks Transports des nach ihrer Behauptung nicht fahrbereiten PKW bzw. dessen Abholung durch die Beklagte auf deren Kosten. Da sich die Beklagte neuerlich nicht meldete, setzte die Klägerin der Beklagten unter dem 02.06.2015 eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung zum 10.06.2015. Da sich die Beklagte neuerlich nicht meldete, machte die Klägerin am 17.06.2015 Schadensersatzansprüche für eine von ihr selbst zu veranlassende Reparatur dem Grunde nach geltend. Nach einer Reparatur durch die Klägerin bei einem Unternehmen in Kassel forderte sie von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von € 2.332,32 nebst Zinsen; der betrag setzte sich aus den Reparaturkosten sowie Verbringungskosten nach Kassel (Transport- und Reisekosten) zusammen.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Auf die zugelassene Revision wurde das Urteil aufgehoben und zur neuen Entscheidung zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob ein Mangel vorlag. Die Klägerin habe kein wirksames Nacherfüllungsverlangen gestellt. Die Nacherfüllung habe am Geschäftsort der Beklagten in Berlin stattzufinden, § 269 BGB, weshalb sie keinen Anspruch auf Übernahme der Transportkosten durch die Beklagte, wie von ihr geltend gemacht, habe. Auch aus Art. 3 Abs. 2, 3 der Richtlinie 1999/44/EG lasse sich ein Nacherfüllungsort am Wohnsitz der Klägerin nicht herleiten.

Dem folgt der BGH nicht. Richtig sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass  - bei unterstellten Mangel -  der Schadensersatzanspruch nur unter den Voraussetzungen der §§ 281, 440 BGB zustehe. Dies erfordere entweder eine angemessene Frist für die Nacherfüllung oder ausnahmsweise eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung.

Anders als vom Berufungsgericht angenommen, sei allerdings für die Wirksamkeit der Nachfristsetzung eine vorbehaltlose Bereitschaft zur Übernahme der Transportkosten des Fahrzeuges nicht erforderlich gewesen. Es wäre hier ausreichend gewesen, dass die Klägerin zeitnah (wenn auch erfolglos) einen ersichtlich nicht unangemessenen Transportkostenvorschuss anfordert und alternativ die Abholung auf eigene Kosten der Beklagten durch diese anbiete. Der Rechtsansicht, die Richtlinie 1999/44/EG verlagere bei Verbrauchsgütern den Erfüllungsort an den Ort des Käufers, sei nicht zu folgen. Der nationale Gesetzgeber in Deutschland habe die Richtlinie dergestalt umgesetzt, dass er dem Käufer im Falle der Unzumutbarkeit gem. § 430 S. 1 3. Alt. BGB sogleich Sekundärrechte (Rücktritt, Minderung und Schadensersatz) an die Hand gegeben habe, um sich nicht auf eine unerwünschte Form der Nacherfüllung einlassen zu müssen, die für ihr, da mit Unannehmlichkeiten verbunden, unzumutbar sei. Die Unentgeltlichkeit der Nachbesserung sei urch § 439 Ans. 2 BGB sichergestellt, die zum Schutzzweck des Verbrauchers einen Vorschussanspruch einschließe. Dies entspräche auch der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 16.06.2011 C-65/09 – und Urteil vom 17.04.2008 –C404/06 -).

Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen umfasse die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Sache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrüge zur Verfügung zu stellen. Dadurch solle dem Verkäufer die Möglichkeit gegeben werden, festzustellen, ob ein Mangel bestünde, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestanden habe, auf welcher Ursache er beruht und auf welcher Weise er beseitigt werden könne. Vor der Ermöglichung der entsprechenden Prüfung müsse sich der Verkäufer nicht auf ein Nacherfüllungsverlangen einlassen.

Dagegen habe aber die Klägerin nicht verstoßen. Sie sei, ohne Nachteile für ihr Nachbesserungsverlangen befürchten zu müssen, nicht gehalten gewesen, das Fahrzeug der Beklagten an deren Geschäftssitz ohne vorherige Zahlung des (abrechenbaren) Transportkostenvorschusses zur Verfügung zu stellen.

Nicht entschieden werden müsse vorliegend, ob sich bei einem fahrtüchtigen PKW dies anders dargestellt hätte, auch nicht, ob sich dies dann anders dargestellt hätte, wenn Aufwand und Risiko sich in einem Rahmen gehalten hätten, die einem Käufer üblicherweise nicht von einer sofortigen Vorstellung seines Fahrzeugs zwecks Geltendmachung von Nacherfüllungsrechten abgehalten hätten (BGH, Urteil vom 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 -).

Nach der Zurückverweisung müsse nun das Berufungsgericht das Vorliegen des Mangels und die Höhe des Schadens prüfen.


BGH, Urteil vom 19.07.2017 - VIII ZR 278/16 -