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Samstag, 20. November 2021

Die rechtsmissbräuchliche Eigenbedarfskündigung

Die Klägerin zu 1, eine Aktengesellschaft, deren Anteile überwiegend von der Familie P. gehalten werden, der auch die Klägerin zu 2 angehörte, erwarb 2015 eine Eigentumswohnung. Eine auf Eigenbedarf gestützte Räumungsklage mit der Begründung, der Vater der Klägerin zu 1, Vorstandsmitglied der Klägerin zu 1, wolle dort einziehen, wurde zurückgewiesen. Danach schenkte die Klägerin zu 1 der Klägerin zu 2 einen 5/100 Miteigentumsanteil an die Klägerin zu 2 und die Kläger kündigten wegen Eigenbedarfs. Die Räumungsklage wurde zurückgewiesen. Der BGH wies darauf hin, dass er die Revision nicht annehmen würde, woraufhin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision zurückgenommen wurde.

Das Landgericht hatte als Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 1 als juristische Person keinen Eigenbedarf geltend machen könne und mit der Übertragung des 5/100 Miteigentumsanteils an die Klägerin zu 2 als natürliche Person nur ein völlig unbedeutender Miteigentumsanteil übertragen worden sei, um das Hindernis der fehlenden Berechtigung der juristischen Person zu umgehen; dies sei rechtsmissbräuchlich.

Der BGH wies darauf hin, dass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch eine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert sei (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung hänge von der Beantwortung der Frage ab, ob ein Verhalten treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich sei (§ 242 BGB), was von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhänge und sich daher einer Grundsatzentscheidung entziehe.

Zudem habe die Revision aber auch in der Sache keinen Erfolg. Ersichtlich habe die Übertragung des minimalen Miteigentumsanteils auf die Tochter des Vorstandsmitgliedes der Aktiengesellschaft nur dem Ziel gegolten, die der Gesellschaft nicht mögliche Eigenbedarfskündigung durchzusetzen, ohne dass mit der Übertragung von Miteigentumsanteilen eine nennenswerte Änderung der Eigentumsverhältnisse oder wirtschaftlichen Verhältnisse verbunden gewesen sei. Die Würdigung durch das Landgericht halte sich damit im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung.

BGH, Beschluss vom 30.03.2021 - VIII ZR 221/19 -

Freitag, 29. Oktober 2021

WEG-Verwalter: Umwandlung in GmbH und Frage nach Alternativangeboten bei Wiederwahl

Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) hatte S.P. für die Zeit von November 2014 bis zum 30.06.2018 zur Verwalterin bestellt, Am 31.08.2017 gliederte S.P. ihr als Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragene Unternehmen zur Neugründung der K. GmbH aus, deren Geschäftsführerin S.P. neben einem weiteren Geschäftsführer wurde. Ein Beschluss der Eigentümerversammlung vom 18.05.2018, wonach der „bestehende Verwaltervertrag und die Verwalterbestellung der K. GmbH bis zum 30.06.2021 verlängert“ würde, wurde angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten (K. GmbH) blieb erfolglos. Auf die zugelassene Revision wurde das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Soweit das Berufungsgericht darauf verwiesen habe, dass bei der Neubestellung eines Verwalters jeweils Alternativangebote einzuholen seien, sei dies bei der Wiederbestellung eines Verwalters nur geboten, wenn sich seit seiner Erstbestellung der Sachverhalt geändert habe (BGH, Urteil vom 01.04.2011 - V ZR 96/10 -). Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen der Ausgliederung das gesamte Hausverwaltungsunternehmen von S.P. erfasst worden sei: Ob das Verwalteramt und der Verwaltervertrag bei Umwandlungsvorgängen auf die übernehmende Gesellschaft übergehe sei nicht nach den Regelungen des BGB oder des Wohnungseigentumsgesetzes, sondern auf der Grundlage des Umwandlungsgesetzes zu beantworten. Hier würde die Ausgliederung des Einzelunternehmens auf die Kapitalgesellschaft in § 152 S. 1 UmwG geregelt, mit der Folge, dass mit der Eintragung im Handelsregister das gesamte Vermögen (Aktiva und Passiva) des Einzelunternehmens erfasst würden, zu dem auch die Veraltung des hier streitbefangenen Wohnungseigentums gehöre.

Damit käme es entscheidend darauf an, ob das Verwalteramt und der Verwaltervertrag höchstpersönliche Rechtsverhältnisse seien. Dies sei auch dann zu verneinen, wenn der Verwalter eine natürliche Person sei. Ebenso wenig würde die Rechtsstellung des Verwalters einer WEG die generelle Annahme eines höchstpersönlichen Rechtsverhältnisses rechtfertigen. Das Vertrauen in den Verwalter sei nicht darauf ausgerichtet, dass dieser alle Leistungen höchstpersönlich erbringe, weshalb es auch nicht enttäuscht würde, wenn er aus einer Kapitalgesellschaft heraus tätig würde. Zwar sei bei der Kapitalgesellschaft nun ein Organwechsel (Geschäftsführerwechsel) möglich, wie auch im Gesellschafterbestand und beides könne von einer WEG nicht verhindert werden. Allerdings würde dem in diesem Fall der Umwandlung des Einzelkaufmanns in eine Kapitalgesellschaft und nachfolgendem Auswechseln der Personen dadurch Rechnung getragen, dass das Recht der Abberufung und außerordentlichen Kündigung bestünde. Mithin könnten die Wohnungseigentümer (zumal nach § 26 Abs. 3 S.  1 WEG n.F.) ohnehin jederzeit den Verwalter abberufen können und der Verwaltervertrag dann nach 6 Monaten endet (§ 26 Abs. 3 S. 2 WEG n.F.).  

Zudem sei nicht davon auszugehen, dass, wie das Berufungsgericht meine, stets eine Höchstpersönlichkeit des Rechtsverhältnisses bei der Bestellung einer natürlichen Person vorliege. Allerdings könnte dies auch nicht den Übergang auf die Gesellschaft hindern, da ein Ausschluss nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nicht möglich sei (§ 399 Alt. 2 BGB sei durch den Zwang zur Gesamtrechtsnachfolge in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ausgeschlossen). Auch käme keine ergänzende Vertragsauslegung wegen einer Regelungslücke im Verwaltervertrag nicht in Betracht, da es schon in Ansehung der Regelungen in § 158 iVm. §§ 153ff UmwG sowie §§ 123ff UmwG an einer Regelungslücke ermangele, da dort die Rechtsnachfolge geregelt sei.

Zudem würde es weder dem Interesse des Verwalters noch der WEG entsprechen, wenn mit der Ausgliederung des Einzelunternehmens auf die GmbH das Einzelunternehmen untergehen würde. Der Verwalter habe natürlich ein Interesse am Übergang auf die neue Gesellschaft. Die WEG habe aber ein Interesse an der weiteren Verwaltung, die – würde es nicht zum Übergang kommen – entfallen würde. Mit der Ausgliederung würde die WEG verwalterlos oder das Verwalteramt und der -vertrag verblieben bei dem bisherigen Verwalter (es würde nur die im Handelsregister eingetragene Firma erlöschen), doch deren bisheriger Rechtsträger (die natürliche Person) könnte nicht mehr tätig werden, da sein Geschäftsbetrieb auf die GmbH übergegangen wäre. In beiden Fällen würde die WEG schlechter dastehen, als wenn die Verwaltung nebst Vertrag übergehen würden.

Ebenso wenig könnten Haftungsgesichtspunkte gegen den Übergang sprechen, auch wenn die GmbH, anders als die natürliche Person / der eingetragene Kaufmann unbeschränkt persönlich haften: Der die Ausgliederung betreibende Kaufmann unterläge gemäß §§ 156f UmwG für fünf Jahre einer Nachhaftung für Verbindlichkeiten, die auf die juristische Person übergehen; während dieser Zeit könnten die Wohnungseigentümer einen anderen Verwalter bestellen.

Vorliegend hätte auch für die Wiederbestellung keine Alternativangebote eingeholt werden müssen, da sich der Sachverhalt geändert habe. Für die Notwendigkeit der Einholung von Alternativangeboten wäre bei einer Wiederwahl erforderlich, dass sich bei der Verwaltung relevante Veränderungen (wie Qualitätsdefizite oder eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Wohnungseigentümern) ergeben hätten (BGH, Urteil vom 01.04.2011 - V ZR 96/10 -). Der Wechsel des Rechtsträgers durch die Umwandlung vom Einzelkaufmann auf die GmbH bei weiterer Tätigkeit der bisher handelnden Personen würde Alternativangebote nicht bedingen (entgegen LG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 26.03.2018 - 2-13 S 27/18 -).

Hinweis: Der Verwalter als natürliche Person kann in der Konsequenz im Wege der Umwandlung sein Unternehmen nur in die GmbH ausgliedern, wenn er eingetragener Kaufmann ist. Jeder Kaufmann kann sein Unternehmen als eingetragener Kaufmann weiterführen, wenn er eine Handelsregisteranmeldung vornimmt. Dies würde (ebenfalls) nicht den Bestand des Verwaltervertrages tangieren können, auch wenn dies in Vorbereitung der Ausgliederung durch Umwandlung in eine GmbH nach den Grundsätzen des Umwandlungsgesetzes (UmwG) erfolgt.

BGH, Urteil vom 02.07.2021 - V ZR 201/20 -

Montag, 11. November 2019

WEG: Wer darf die GmbH als Sondereigentümerin auf einer Eigentümerversammlung vertreten ?


Die Klägerin, eine GmbH,  war Eigentümerin von 22 Wohnungen, die Beklagten Eigentümer der restlichen 21 Wohnungen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach § 9 der Teilungserklärung (TE) war bestimmt, dass sich ein Wohnungseigentümer „nur durch seinen Ehegatten, einen anderen Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft oder den Verwalter in der Versammlung vertraten lassen“ könne. Die Klägerin selbst war die nahezu 100%-ige Tochtergesellschaft einer Holdinggesellschaft, zu deren Konzern auch deren Tochterunternehmen TA GmbH gehörte, welche die Funktion der konzernweiten einheitlichen Verwaltungsgesellschaft des Konzern inne hatte. Alle Gesellschaften des Konzerns, so auch die Klägerin, hatten der TA GmbH eine Vollmacht für die Verwaltung ihrer Sondereigentumseinheiten erteilt, die auch den gesamten Schriftverkehr der Klägerin mit der Verwalterin abwickelte. Für die Eigentümerversammlung vom 12.12.2016, bei der u.a. die Wiederbestellung der Verwalterin auf der Tagesordnung stand, hatte die die TA GmbH einer ihrer Mitarbeiterinnen eine schriftliche Stimmrechtsvollmacht erteilt mit der Berechtigung, Untervollmachten zu erteilen. Der Versammlungsleiter wies zu Beginn der Versammlung  die Vollmacht der Mitarbeiterin zurück. Er wies auch (unter Hinweis auf einen Interessenskonflikt) eine Untervollmacht auf sich zurück. Die Wiederbestellung der Verwalterin wurde mit 14 Stimmen (ohne Berücksichtigung der Stimmen der Klägerin) wiederbestellt. Die dagegen von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage wies das Amtsgericht zurück. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Landgericht das Urteil ab und erklärte den Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin für unwirksam. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.


Entscheidend war, ob der Ausschluss der Klägerin zur Stimmabgabe rechtmäßig war. Dabei hatte das Amtsgericht noch auf die Regelung in der TE verwiesen, nach der nicht geregelt war, dass eine GmbH nicht durch ihr Organ sondern auch durch einen Mitarbeiter, gar einem Mitarbeiter eines konzernzugehörigen Unternehmens vertreten werden könnte. Dies sah das Landgericht anders, dessen Rechtsansicht sich der BGH anschloss.

Der BGH stellte auf den Grundsatz ab, dass sich ein Wohnungseigentümer durch eine beliebig andere Person vertreten lassen könne. Dieser Grundsatz habe in § 9 TE eine Einschränkung gefunden. Gegen diese Einschränkung hatte der BGH keine Bedenken (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11.11.1986 - V ZB 1/86 -). Allerdings sei die Vertretungsbeschränkung in § 9 TE ergänzend auszulegen. Sie sei nach dem Wortlaut auf natürliche Personen zugeschnitten, nicht auf eine juristische Person, bei der eine Vertretung durch einen Ehegatten bereits begrifflich nicht in Betracht kommen könne. Damit weise die TE eine unbeabsichtigte Regelungslücke auf, da offenbar nicht n den Fall einer Beteiligung einer juristischen Person gedacht worden sei.  Zweck der Vertretungsklauseln der vorliegenden Art sei, die Gemeinschaft von  gemeinschaftsfremden Einwirkungen freizuhalten, weshalb sich die Wohnungseigentümer nur durch Personen vertreten lassen sollen, die dem eigenen Kreis nahestehen würden (BGH, Beschluss vom 29.01.1993 - V ZB 24/92 -).  Der Zweck bestünde auch gegenüber Wohnungseigentümern in der Form juristischer Personen, da kein Grund für eine Privilegierung dieser Wohnungseigentümer ersichtlich sei. Es wäre daher eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, soweit eine Vertretung der juristischen Person (außer durch ihr Organ) völlig ausgeschlossen werde, weshalb eine Vertretung durch Mitarbeiter der juristischen Person zulässig sei.

Durch die Teilnahme eines aufgrund seiner Zugehörigkeit des Vertreters zu dem Unternehmen der juristischen Person mit den  Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft vertrauten Mitarbeiters würde Zweck der Vertretungsklausel Rechnung getragen, Einflüsse Dritter weitgehend auszuschließen.  Es sei vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt, dass nur das Organ der Gesellschaft teilnehmen dürfe, wenn diese ihre Interessensvertretung nicht in die Hand eines anderen Wohnungseigentümers oder des Verwalters legen wolle (OLG Frankfurt OLGZ 1979, 134, 136; LG München I ZMR 2015, 152). .

Auch soweit sich die Klägerin nicht durch einen eigenen Mitarbeiter vertreten ließ konnte dies nach Ansicht des BGH nicht zum Stimmrechtsausschluss führen. Auch hier sei die Vertretungsklausel dahingehend ergänzend auszulegen, dass die Vertretung nicht notwendig durch einen unternehmenseigenen Mitarbeiter erfolgen müsse. Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens des teilenden Eigentümers sei drauf abzustellen, welche Regelung er bei einer angemessenen Abwägung der berührten Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise getroffen hätte, wenn er den von ihm nicht geregelten Fall bedacht hätte. Da die Vertretungsregelung in der TE als eine Einschränkung des Rechts darstelle, eine beliebige Person zu bevollmächtigen, dürfe bei der ergänzenden Auslegung der Klausel kein zu enger Maßstab angesetzt werden. Zu berücksichtigen seien das berechtigte Interesse zur Abwehr fremder Einflüsse auf der einen Seite und die Bedeutung des Stimmrechts als Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte auf der anderen Seite (BGH, Urteil vom 18.01.2019 – V ZR 72/18 -). Daher sei eine Vertretungsklausel regelmäßig, so auch hier, dahingehend auszulegen, dass sich eine juristische Person in der Eigentümerversammlung auch von einem Mitarbeiter eines konzernzugehörigen Unternehmens vertreten lassen könne, wenn diese für die Verwaltung des Sondereigentums zuständig sei (entgegen LG München I ZMR 2015, 152 für den Fall der Beschränkung auf die Vertretung durch Verwandte in gerader Linie).

Die Vertretungsklausel beschränke zwar den berechtigten Kreis von Vertretern auf den eigenen Kreis nahestehender Personen, damit diese Meinungsverschiedenheiten möglichst unter sich austragen können (BGH, Beschluss vom 29.01.1993 - V ZB 24/92 -). Damit könne insbesondere auch nicht ein Sondereigentumsverwalter, der von einem Sondereigentümer mit der Verwaltung seines gesamten Sondereigentums beauftragt sei, Bevollmächtigter sein. Dies gelte auch für juristische Personen. Wenn es sich aber um einen Mitarbeiter eines Unternehmens handele, das ebenso wie die Wohnungseigentümerin selbst als Tochterunternehmen mit derselben Muttergesellschaft verbunden sei (§ 290 Abs. 1 HGB), und dieses Tochterunternehmen nach der konzerninternen Aufgabenteilung für die Verwaltung der Wohnungseinheiten zuständig sei, handele es sich bei deren Mitarbeiter nicht um einen außenstehenden Dritten. Es käme nach Sinn und Zweck der Vertretungsregelung nicht darauf an, ob die mit der Verwaltung betraute Person bei der Wohnungseigentümerin selbst beschäftigt sei oder bei einem konzernverbundenen Unternehmen, welches die Verwaltung übernommen habe. In beiden Fällen würde die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gemeinschaftsfremden Einflüssen ausgesetzt. Sei dies aber auszuschließen, käme es auf das formale Kriterium des Bestehens eines unmittelbaren Arbeitsverhältnisses nicht an, da in beiden Fällen eine Selbststeuerung der Eigentümergemeinschaft gewährleistet sei.

BGH, Urteil vom 28.06.2019 - V ZR 250/18 -

Freitag, 23. Juni 2017

Ordnungsgeld nicht gegen gesetzlichen Vertreter der Partei bei Nichterscheinen zur Verhandlung in Zivilsachen trotz Ladung

Der Fall ist beinahe alltäglich: Das Gericht lädt zur mündlichen Verhandlung und ordnet das persönliche Erscheinen der Parteien an. Da es sich bei der einen Partei um eine juristische Person (hier: GmbH) handelt, wurde deren Geschäftsführer (der Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens) geladen. Dieser erschien allerdings zum Termin nicht und der von dieser Partei beauftragte Anwalt hatte kein Mandat zum Vergleichsschluss. Vor diesem Hintergrund erließ das Amtsgericht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld von € 200,00, ersatzweise vier Tage Ordnungshaft, und die Pflicht zur Übernahme der durch sein Nichterscheinen entstandenen Mehrkosten. Das OLG änderte den Beschluss des Amtsgerichts auf die Beschwerde insoweit ab, als es den Beschluss in Bezug auf die ersatzweise Ordnungshaft und die Übernahme der durch das Nichterscheinen entstandenen Kosten aufhob; im Übrigen würde die Beschwerde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH den Ordnungsgeldbeschluss insgesamt auf.

Das OLG hatte die in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Auffassung vertreten, dass das Ordnungsgeld gem. § 141 Abs., 3 S. 1 ZPO im Hinblick auf den Zweck und die Strafähnlichkeit der Sanktion nicht gegen die juristische Person (die Partei des Verfahrens), sondern gegen den nicht erschienenen, aber geladenen gesetzlichen Vertreter ergeht.

Die herrschende Meinung, der sich der BGH in seiner Entscheidung anschloss, geht allerdings vom Wortlaut des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO aus. Zweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO sei nicht, wie etwa §§ 177, 178 GVG das Ergreifen sitzungspolizeilichere Maßnahmen wegen Missachtung des Gerichts, die sich natürlich auch gegen den erschienenen (gesetzlichen) Vertreter richten könnten, sondern die Förderung der Aufklärung des Sachverhalts.

Die Erwägung des OLG, der Sanktionszweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO ließe sich nur durch Verhängung des Ordnungsgeldes gegen den nicht erschienenen gesetzlichen Vertreter der Partei erreichen, ist nach Auffassung des BGH auch falsch. Der BGH verweist darauf, dass die juristische Person bei einem pflichtwidrigen Verhalten dem gesetzlichen Vertreters diesen auch in Regress nehmen könne, so dass er doch ein Interesse daran habe, die die juristische Person treffenden Pflichten zu erfüllen.   

Kosten werden nicht erstattet; es handelt sich nicht um ein kontradiktorische Verfahren.

Anmerkungen

1. Die Entscheidung ist in der Sache richtig. Gegen den klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung spricht nichts. Gerade auch die vom BGH angesprochenen Regelungen zu sitzungspolizeilichen Maßnahmen verdeutlichen, dass der Gesetzgeber sehr wohl einen Unterschied macht und kennt zwischen der anwesenden Person und der Partei als solcher.

2. Bitter wird es hier dem Beschwerdeführer aufstoßen, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden. Denn er benötigte schon für das Verfahren vor dem BGH jedenfalls einen dort zugelassenen Anwalt. Und dessen Kosten sind bei weitem höher als die nun ersparten € 200,00 für das Ordnungsgeld. Damit erweist sich das Rechtssystem als löchrig und schief: Es kann nicht sein, dass hier der Geschäftsführer zu einer berechtigten Beschwerde veranlasst wird, da ein Gericht eine Mindermeinung propagiert, um für sein recht nachher mit erheblichen Kosten belegt zu werden, die in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zur Ursache stehen. Wenn auf diese Weise entsprechende Rechtsmittel (als Ausdruck rechtsstaatlicher Ordnung und Verständnisses) verhindert werden sollen, ist dies im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip wohl durch das Bundesverfassungsgericht (übrigens: kein Anwaltszwang) oder den Gesetzgeber zu lösen.

3. Im Übrigen sollte jede geladene Partei prüfen, ob die Ladung in der Sache überhaupt ordnungsgemäß ist. Wird z.B. die juristische Person geladen, kann weder ihr gegenüber noch gegenüber dem Organ (gesetzlichen Vertreter) ein Ordnungsgeld bei Nichterscheinen ergehen. Wird nicht angegeben, weshalb geladen wird (zur Aufklärung des Sachverhalts und/oder zum Zwecke des Vergleichsschlusses), darf auch kein Ordnungsgeld verhangen werden. Erklärt die geladene Partei von vornherein, dass sie keinen Vergleich schließen wird, kann jedenfalls dann kein Ordnungsgeld ergehen, wenn nur zu diesem Zweck die Ladung erfolgte. Wird zur Aufklärung des Sachverhalts geladen, mag sich zwar der gesetzliche Vertreter bei seinen Mitarbeitern informieren müssen; ist aber der Partei der Vorgang nicht selbst bekannt, allenfalls aktenmäßig wie vorgetragen (z.B. bei dem Versicherer, der einen Verkehrsunfall bearbeitet), dürfte regelmäßig auch eine Sachverhaltsaufklärung nicht anzunehmen sein und kann dann mangels einer Verzögerung des Rechtsstreits auch kein Ordnungsgeld verhangen werden.


BGH, Beschluss vom 30.03.2017 - BLw 3/16 -

Samstag, 5. Dezember 2015

Zeugnisverweigerungsrecht des geschiedenen Ehegatten eines gesetzlichen Vertreters

Bild: pixabay
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des weiteren Beteiligten  verklagte die Beklagte auf Herausgabe von Maschinen und die Beklagte, ebenfalls eine juristische Person, erhob Widerklage. Beide Parteien haben sich auf das Zeugnis des weiteren Beteiligten berufen, bei dem es sich um den geschiedenen Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten handelt. Er hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zu Recht, so das Landgericht. Gegen das entsprechende Zwischenurteil des Landgerichts legte die Beklagte Beschwerde ein, die ebenso erfolglos blieb wie die zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH.

Der BGH verweist auf § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Danach hat der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, ein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Vorschrift gilt entsprechend wenn Partei wie hier eine juristische Person ist  und der Ehegatte gesetzlicher Vertreter (hier: Geschäftsführer) derselben.

Nicht entscheidend sei, ob der Zeuge tatsächlich bei einer Aussage in einen Konflikt gerät, wie er hier durch § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verhindert werden soll.


BGH, Beschluss vom 29.09.2015 – XI ZB 6/15 -

Freitag, 21. August 2015

Dienstbarkeit für im Handelsregister gelöschte juristische Person

Häufig belasten Dienstbarkeiten Grundbücher. Sie werden eingetragen, um Dritten  - aus welchen Gründen auch immer -  bestimmte Rechte einzuräumen. Ihre Löschung bedarf grundsätzlich der Bewilligung des Berechtigten. Was aber ist, wenn dieser Berechtigte nicht mehr existiert, wie bei einer im Handelsregister gelöschten Gesellschaft ? In dem vom OLG München zu beurteilenden Fall war für die A-AG eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Außerhalb des Grundbuchs trat die B-AG die Gesamtrechtsnachfolge der A-AG an und wollte, nachdem die A-AG bereits im Jahr 2010 im Handelsregister gelöscht war, eine Berichtigung auch im Grundbuch bewirken. Demgegenüber wollte der Eigentümer die Löschung mit der Begründung, die A-AG sei nicht mehr existent.

Die Eintragung wurde auf die B-AG umgeschrieben. Der Eigentümer unterlag. Das OLG München wies darauf hin, dass mit Löschung des Berechtigten das Recht nicht untergegangen sei. Es stelle sich unabhängig von der Frage eines Vermögenswertes als eine formale Rechtsposition dar, weshalb es zur Löschung einer solchen in Ansehung der Bewilligung des Berechtigten insoweit einer Nachtragsliquidation bedürfe. Die nachgewiesene Löschung stelle mithin nicht den Nachweis dar, dass die Gesellschaft nicht mehr existiere  und das Recht deshalb untergegangen sei.

Die Dienstbarkeit kann auch (noch) auf den jetzigen Berechtigten (infolge der Gesamtrechtsnachfolge) umgeschrieben werden. Der (hier vom Eigentümer eingewandten) Verjährung unterlägen nur Ansprüche, § 194 BGB. Dabei handelt es sich um das Recht (die Befugnis) von einem anderen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Die Dienstbarkeit als absolutes dingliches Recht (hier Nutzung des Grundstücks für eine Transformatorenstation) verlangt aber kein Tun oder Unterlassen eines Dritten, sondern sichert nur eine bestehende Rechtsposition, die übertragbar ist und nicht der Verjährung unterliegt. 

OLG München, Beschluss vom 10.03.2015 - 34 Wx 467/14 -