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Sonntag, 28. Mai 2023

Parteiberichtigung auf Beklagtenseite bei der Beschlussmängelklage und Fristwahrung (§ 45 WEG)

Die Kläger, Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GsWE), erhoben eine Klage gegen Beschlüsse einer Eigentümerversammlung vom 14.12.2020 zu TOP 1 und TOP 2, die die geänderte Ausführung einer Geländerkonstruktion im Zusammenhang mit einer zu einem früheren Zeitpunkt beschlossenen Instandsetzung zusammenhängender Dachterrassenflächen zum Gegenstand hatten. In der am 13.01.2021 bei Gericht eingegangenen Klageschrift benannten sie die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte und die Verwalterin als Zustellungsbevollmächtigte. Auf Hinweis des zuständigen Amtsgerichts auf die neue Rechtslage seit dem 01.12.2020 haben sie noch mit am 11.02.2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz das Beklagtenrubrum dahingehend geändert, dass Beklagte die GsWE sei, „mit Ausnahme der Kläger“. In der Verhandlung wurde von den Klägern erklärt, die Klage richte sich ohne Ausnahme gegen die GdWE. Die Klage wurde von Amts- und Landgericht zurückgewiesen.

Das Landgericht hatte die Zulassung der Revision auf die für die Anfechtungsfrist des § 45 S. 1 WEG entscheidende Frage, ob die Frist gewahrt sei, beschränkt. Diese Beschränkung sah der BGH als unwirksam an. Eine Beschränkung der Revisionszulassung sei nur auf rechtlich und tatsächlich abtrennbare Teile des Gesamtstreitstoffs zulässig. Danach müsste der zugelassene Streitstoff unabhängig von dem übrigen Streitstoff bewertet werden können. Auf einzelne Rechtsfragen könne die Zulassung nicht beschränkt werden. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen seien materiellrechtlich auf das gleiche Rechtsschutzziel, Klärung der Gültigkeit der angegriffenen Beschlüsse, gerichtet. Es läge keine Klagehäufung vor. Infolge der Identität wären auch die Auswirkungen der Rechtskraft dieselben. Nach dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz zum 01.12.2020 habe sich daran nichts geändert. Eine rechtserhebliche Unterscheidung gäbe es zwischen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage lediglich dann, wenn es auf eine der Fristen des § 45 S. 1 WEG (Frist für Anfechtungsklage 1 Monat nach Beschlussfassung, für Klagebegründung 2 Monate nach Beschlussfassung) ankäme. Bei Versäumung dieser Fristen könne die Klage nur Erfolg haben, wenn der angefochtene Beschluss nichtig sei.

Allerdings wurde die Revision zurückgewiesen, da die Beschlussklagen gem. § 44 Abs. 2 S. 1 WEG gegen die GdWE und nicht mehr (wie nach § 46 Abs. 1 S. 1 WEG) ein Klage auf Erklärung der Ungültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer  gegen die weiteren Wohnungseigentümer zu richten sei. Eine gegen die Wohnungseigentümer gerichtete Klage könne damit auch die Frist des § 45 WEG (für die Anfechtungsklage) nicht wahren.

Innerhalb der Frist des § 45 WEG sei die Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer bei Gericht eingegangen. Wer Partei ist, ergäbe sich aus der in der Klageschrift anzugebenden Parteibezeichnung, § 253 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Diese sei zwar als Prozesshandlung auslegungsfähig. Maßgeblich sei dabei auf den Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaig beigefügter Anlagen aus objektiver Deutung aus Sicht des Empfängers abzustellen. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung sei grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar betroffen sein soll. Zu unterscheiden sei dies von einer irrtümlichen Benennung der falschen, materiell am Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei, die Partei würde. Danach würden die übrigen Wohnungseigentümer Parte auf Beklagtenseite, wenn eine Beschlussklage wie hier gegen sie gerichtet wird.  

Eine Auslegung, dass sich die Klage entgegen der Parteibezeichnung gegen die GdWE richte, sei nur ausnahmsweise möglich. Dafür müssten konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Wenn  die Wohnungseigentümer als Partei bezeichnet würden, müsste sich für die Annahme, die Klage richte sich gegen die GdWE entsprechende Anhaltspunkte aus dem übrigen Inhalt der Klageschrift (und Anlagen) ergeben. Die Benennung des Verwalters genüge dazu nicht; dieser sei als Organ der Gemeinschaft (§ 9a Abs. 1 S. 1 WEG) auch nach § 44 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 WEG a.F. zu benennen gewesen. Die irrtümliche Benennung der falschen Partei sei daher damit gerade nicht auszuschließen.

In seinem späteren Urteil vom 24.02.2023 - V ZR 152/22 - wies der BGH auch darauf hin, dass die Klage gegen die nicht namentlich benannten übrigen Wohnungseigentümer diese als Partei darstellen würde, nicht die GdWE, da nach bisherigen Recht (gültig bis 30.11.2020) nicht notwendig die Wohnungseigentümer bereits in der Klage benannt werden mussten und der Verwalter (als Zustellungsvertreter) benannt wurde, es ausreichend gewesen sei, wenn die Benennung bis zum Schluss der Verhandlung erfolgt, § 44 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. Diese Regelungen habe der BGH auch herangezogen, um eine fristwahrenden Parteiwechsel von den übrigen Wohnungseigentümern auf den Verband zu rechtfertigen. Dies sei auf die jetzige Rechtslage (seit dem 01.12.2020) nicht übertragbar. Die Regelungen in den bisherigen §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG a.F., und damit die Anknüpfung für den bisher angenommenen fristwahrenden Parteiwechsel, seien ersatzlos entfallen.

Damit sei hier zum Zeitpunkt der Änderung (Richtigstellung) der Parteibezeichnung mit Schriftsatz vom 11.02.2021 die Frist des § 41 S. 1 WEG zur Erhebung der Anfechtungsklage abgelaufen. Die Klage gegen die richtige Beklaget wurde (mit dem Schriftsatz vom 11.02.2021 qua Berichtigung der Parteibezeichnung) verspätet gewesen. Eine Beschlussanfechtungsklage, die nach dem 30.11.2021 bei Gericht eingehe und sich gegen die übrigen Wohnungseigentümer richte, wahre die Klagefrist nicht.

Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 45 S. 2 WEG iVm. §§ 233 ZPO scheide aus, da dies ein fehlendes Verschulden an der Versäumung der Frist voraussetze.  Dies könne bei der Benennung der übrigen Wohnungseigentümer statt der GdWE als Beklagte bei der (hier) anwaltlich vertretenen Partei nicht in Betracht kommen.

Damit scheide eine Anfechtung der Beschlüsse aus. Ein Nichtigkeitsgrund wurde vom BGH verneint.

BGH, Urteil vom 13.01.2023 - V ZR 43/22 -

Freitag, 26. Mai 2023

AGB-Kontrolle der Reservierungsgebühr zu Immobilienmaklerverträgen

Die Beklagte (Immobilienmaklerin) wies den Klägern ein Einfamilienhaus nach. Die Maklerprovision sollte nach dem Maklervertrag 6,69% des Kaufpreises betragen. Da die Kläger sich um die Finanzierung bemühen mussten, schlossen sie einige Monate später mit der Beklagten den von dieser vorgelegten Reservierungsvertrag, in dem es u.a. hieß, dass mit Zahlung einer Reservierungsgebühr (die bei kauf auf die Maklerprovision angerechnet werden sollte) von € 4.200,00 das Objekt exklusiv nur den Klägern angeboten und verkauft würde. Käme es während der Reservierungszeit nicht zu einem Kaufvertrag, hätten die Kläger keinen Erstattungsanspruch. Der Kaufvertrag wurde, da die Kläger keine Finanzierung erhielten, nicht abgeschlossen. Die Klage auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Ihre Berufung blieb erfolglos. Auf die vom Landgericht (Berufungsgericht) zugelassene Revision wurden die Urteile vom BGH aufgehoben und der Klage stattgegeben.   

Das Landgericht ging von einer Wirksamkeit der Reservierungsvereinbarung aus. Eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB käme nicht in Betracht, da es sich bei der Vereinbarung nicht um eine Nebenabrede zum Maklervertrag handele, sondern um eine eigenständige Vereinbarung. Dem folgte der BGH nicht. Vielmehr sah der BGH den Reservierungsvertrag als unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 Nr. 1 BGB an, weshalb die Reservierungsgebühr ohne Rechtsgrund geleistet worden sei und zurückzuzahlen sei, § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB.

Wie auch das Landgericht sah der BGH in dem Reservierungsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB), mithin um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden und von der Beklagten den Klägern gestellt wurden. Zwar könne eine einseitige Vertragsgestaltungsfreiheit dann noch vorliegen (und gegen die Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 305 ff BGB sprechen), wenn sich der Inhalt dieser vorformulierten Bestimmungen als Ergebnis einer freien Entscheidung des mit dem Vorschlag Konfrontierten darstelle, was aber voraussetze, dass der Konfrontierte, wenn er schon keine Möglichkeit hat, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen, in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere alternative Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit der Durchsetzung einbringen kann (BGH, Urteil vom 15.02.2017 - IV ZR 91/16 -); derartiges sei aber weder behauptet noch festgestellt worden.

Unzutreffend sei die Annahme des Landgerichts, bei dem Reservierungsvertrag würde es sich um eine vom Maklervertrag zu trennende eigenständige Vereinbarung handeln. § 307 Abs. 2 S. 1 BGB zur Inhaltskontrolle von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen fände auf Abreden nicht Anwendung, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und die hierfür vorgesehene Vergütung unmittelbar regeln (BGH, Urteil vom 05.10.2017 - III ZR 56/17 -); hier greife die Privatautonomie, derzufolge es den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt sei, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen. Dies gelte aber mir für Abreden, die den unmittelbaren Leistungsgegenstand betreffen, nicht für solche Regelungen, die die Leistungspflicht der Parteien einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren (BGH, Urteil vom 05.10.2017 aaO.). Pflichten die die Hauptleistungspflicht charakterisieren, seien durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln. Anders als individuelle Vertragsbestimmungen seien Allgemeine Geschäftsbedingungen objektiv und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls und des Willens der Parteien auszulegen, wobei besondere Bedeutung dem Wortlaut der Klausel und ihrem Verständnis des typischerweise beteiligten redlichen  Verkehrskreises unter Berücksichtigung von deren Interessen zukomme.

Danach könne der Reservierungsvertrag nicht als eine gegenüber dem Maklervertrag eigenständige Vereinbarung angesehen werden; er handele sich bei diesem um eine ergänzende Regelung zum Maklervertrag. Hauptleistung sei die Verschaffung der Möglichkeit des Abschlusses eines Kaufvertrages durch die Kläger. Dazu stelle sich die Reservierungsvereinbarung nur eine Nebenabrede dar. Deutlich würde dies schon an der Einleitung, in der die Parteien als „Makler“ und „Kaufinteressent“ bezeichnet würden; zudem würde festgehalten, dass der Kaufinteressent mit der Reservierungsgebühr eine bestimmte Leistung des Maklers (nämlich das exklusive Vorhalten der Immobilie) honoriere. Das wäre ohne einen Maklervertrag zwischen den Parteien nicht sinnvoll möglich. Zudem würde sich der Zusammenhang auch daraus ergeben, dass die Reservierungsgebühr auf die Maklerprovision angerechnet werden soll.

Dem würde nicht entgegen stehen, dass die Vereinbarungen in zwei Dokumenten aufgenommen seien. Auch der Umstand, dass die Reservierungsvereinbarung erst 13 Monate nach dem Maklervertrag abgeschlossen worden sei, stünde dem nicht entgegen. Eine andere Sichtweise würde es Maklern durch die Wahl der Vertragsgestaltung ermöglichen, sich der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zu entziehen. Ebensowenig käme es darauf an, dass es der freien Entscheidung des Kaufinteressenten unterlag, die Reservierungsvereinbarung abzuschließen (sollte sich aus der Entscheidung BGH im Urteil vom 10.02.1988 - Iva ZR 268/86 - ein anderes Verständnis ergeben, würde daran nicht mehr festgehalten).

Nach § 207 Abs. 1 S. 1 BGB seien Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche Benachteiligung sei im Zweifel anzunehmen, wenn die Regelung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen würde, nicht zu vereinbaren sei oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus dem Vertrag ergeben, so einschränke. Dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei.

Eine unangemessene Benachteiligung läge vor, wenn der Verwender der AGB missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners versuche durchzusetzen, ohne auch die Belange des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen. Zur Feststellung sei eine umfassende Würdigung des Vertrages erforderlich. Die Reservierungsvereinbarung stelle den Versuch der Beklagten dar, sich für den Fall des Scheiterns ihrer Vermittlungsbemühungen gleichwohl eine Vergütung zu sichern, ohne dass gewährleistet sei, dass sich für den Kunden nennenswerte Vorteile ergeben würden. Auch wenn die Beklagten ein gewisses Interesse daran haben konnten, dass die Klägerin das Objekt Dritten nicht anbietet, sei zu berücksichtigen, dass der Verkaufsinteressent nicht gebunden würde; er könne seine Verkaufsabsicht aufgeben oder das Objekt ohne die Beklagte an einen Dritten veräußern. Auch in diesen Fällen hätte die Kaufinteressenten einen nicht unerheblichen betrag zu zahlen, ohne Gewähr zu haben, dass sie das Objekt auch tatsächlich erwerben können. Zudem würde ein derartiges Entgelt regelmäßig geeignet sein, Einfluss auf die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit im Sinne einer Förderung des Kaufentschlusses zu nehmen, um nicht die bereist erfolgte Zahlung verfallen zu lassen. Auch erbringe die Beklaget keine relevante Gegenleitung; davon könne allenfalls gesprochen werden, wenn die Reservierungszeit so lang wäre, dass die Gefahr bestünde, dass das Objekt nicht mehr zu dem ins Auge gefassten Kaufpreis veräußert werden könnte, was bei einer Reservierungsdauer hier von einem Monat nicht der Falls sei. Hinzu käme hier zudem noch, dass nach der Vereinbarung die reservierungsgebühr auch dann nicht zurückgezahlt werden müsse, wenn nicht der Kaufinteressent das Nichtzustandekommen des Kaufvertrages zu vertreten habe, sondern die Beklagte oder ein Dritter.

Zudem würde der Reservierungsvertrag auch dem Leitbild der gesetzlichen Regelung widersprechen, da die Kaufinteressenten, da das Reservierungsgeld unabhängig davon geschuldet würde, ob sie die Immobilie erwerben oder nicht. Dies käme einer erfolgsunabhängigen (Teil-) Provision gleich, die nach allgemeiner Ansicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugunsten von Maklern unwirksam sei (BGH, Urteil vom 18.12.1974 - IV ZR 89/73 -).

Offen bleiben könne vor diesem Hintergrund der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, ob der Reservierungsvertrag auch nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB (notarielle Beurkundung) formunwirksam und damit nach § 125 S. 1 BGB nichtig sei. 

BGH, Urteil vom 20.04.2023 - I ZR 113/22 -

Freitag, 2. September 2022

Nachtragsliquidation nach Löschung der GmbH: Eintragung des Liquidators im Handelsregister

Die GmbH wurde 2006 gem. § 141a FGG wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. In 2019 bestellte das Amtsgericht K. gem. § 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG zum Liquidator mit dem Wirkungskreis des Nachtragsliquidators zur Vertretung der Gesellschaft hinsichtlich deren Eigentum an im Grundbuch verzeichneten Teileigentum. Im Hai 2021 beantragte K. seine Eintragung als Nachtragsliquidator im Handelsregister mit Hinweis darauf, dass das Grundbuch für Eintragungen ein Hindernis daran sähe, dass seine Vertretungsberechtigung nicht nach § 32 GBO nachgewiesen sei. Der Antrags wurde zurückgewiesen, ebenso die dagegen erhobene Beschwerde. Die zugelassene Rechtsbeschwerde führte aber zum Erfolg in der Sache.

In Literatur und Schrifttum sei umstritten, ob bei einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft Liquidatoren ins Handelsregister eingetragen werden müssten. Hierzu vertrat der BGH die Ansicht, dass auch bei einer gelöschten GmbH nach § 67 Abs. 4 GmbHG die Liquidatoren von Amts wegen einzutragen seien, wenn sie vom Gericht ernannt worden seien und sich nach der Löschung herausstelle, dass Vermögen vorhanden sei, welches der Verteilung unterliege (§ 66 Abs. 5 GmbHG). § 67 Abs. 4 GmbHG erfasse auch die nach § 66 Abs. 5 GmbHG ernannten Liquidatoren und das Gesetz biete auch keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung. Der BGH wies aber auch darauf hin, dass es auch um die Publizierung des Liquidators gehen würde; schweige das Handelsregister, würde sich vielfach ein Gläubiger nicht veranlasst sehen ihre Forderungen geltend zu machen, die im Rahmen der Nachtragsliquidation befriedigt werden könnten.

Gegen die Eintragung könnten nur verfahrensökonomische Gründe sprechen. Vorliegend handele es sich um fünf Teileigentumsrechten mit einem Wert von 700.000,00 bis 750.000.000 Euro.  Es könne bei diesem Vermögen nicht die Rede davon sein, dass nur noch einzelne, schnell zu erledigende Abwicklungsmaßnahmen notwendig seien, die verfahrensökonomisch der Eintragung entgegenstehen könnten. Es würden gem. § 66 Abs. 5 GmbHG die §§ 68ff GmbHG grundsätzlich Anwendung finden, wonach der Liquidator zur Rechnungslegung (§ 71 Abs. 1, § 74 Abs. 1 S. 1 GmbHG) und zur Umsetzung der Teileigentumsrechte in Geld (§ 70 Abs. 1 GmbHG) verpflichtet sei. Er dürfe dazu auch neue Geschäfte eingehen (z.B. Beauftragung von Renovierungsarbeiten, Bestellung von Grundpfandrechten zur Kaufpreisfinanzierung). Die erforderliche Vertretungsmacht könne der Liquidator gegenüber dem Grundbuchamt nach § 32 GBO durch den Handelsregistereintrag nachweisem. Da ihm § 32 GBO die Möglichkeit zu dem entsprechenden Nachweis eröffne, käme es nicht darauf an, ob er (wie das Beschwerdegericht meinte) seine Vertretungsberechtigung auch durch eine Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses nachweisen könne.

Auch käme es nicht darauf an, dass die Eintragung eine überschießende Vertretungsmacht gegenüber dem Bestellungsbeschluss darstellen könne. Denn die Eintragung nach § 67 Abs. 4 GmbHG habe nur deklaratorische Wirkung und seine Befugnis ergäbe sich aus dem Gesetz, wonach seine Vertretungsbefugnis nach § 71 Abs. 4, § 37 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar sei.  

BGH, Beschluss vom 26.07.2022 - II ZB 20/21 -

Sonntag, 21. August 2022

Kaufrecht: Anspruch des Gewährleistungsschuldners auf Ausgleichung von „neu für alt“ ?

Die Beklagten verkauften unter Ausschluss der Sachmängelhaftung an die Kläger ein 1979 gebautes Reihenhaus. Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens im Jahr 2022 erfuhren die Beklagten, dass Feuchtigkeit in den Kellerwänden bestand, vornehmlich beruhend auf einer unzureichenden Abdichtung der Wände.  Die Kläger stellten 2013 eine Durchfeuchtung der Kellerwände fest und forderten von den Beklagten die Kosten für eine neue Kellerabdichtung. Das Landgericht hat der Klage nur in einem kleinem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung beider Parteien wies das OLG die Klage insgesamt ab. Die Revision der Kläger war im Wesentlichen erfolgreich, dem Erstattungsanspruch auf die Mängelbeseitigungskosten hätte stattgegeben werden müssen.

Die Kläger könnten dem Grunde nach von den Beklagten Schadensersatz statt der Leistung nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3m § 281 Abs. 1 und 2 BGB wegen einer erforderlichen Neuabdichtung verlangen. Die Feuchtigkeit und die nicht ordnungsgemäß angebrachte Kellerabdichtung würden sich als Sachmangel darstellen. Der im notariellen Kaufvertrag enthaltene Haftungsausschluss der Beklagten reife nicht, da sie selbst Kenntnis von dem Mangel im Rahmen des Beweisverfahrens 2002 erhalten und diesen arglistig (§ 444 BGB) den Klägern gegenüber verschwiegen hätten. 

Die Höhe des Schadens könnten die Kläger anhand der zur Herstellung einer mangelfreien Herstellung der Kellerwandabdichtung erforderlichen Kosten berechnen, auch wenn die Arbeiten noch nicht ausgeführt worden seine. Der  Schadensersatzanspruch statt der Leistung (sogen. Kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB könne anhand der voraussichtlich erforderlichen fiktiven Mängelbeseitigungskoste geltend gemacht werden. 

Fehlerhaft sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Kläger könnten wegen eines notwendigen Abzugs „neu für alt“ keinen Schaden geltend machen, wobei das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, dass die Haltbarkeit einer Mauerabdichtung 40 Jahre betrage und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bereits mehr als 40 Jahre vergangen seien. Zwar sei grundsätzlich ein Vermögensvorteil, der erst durch die Ersatzleistung des Schädigers entstünde, nach den Regeln „neu für alt“ auszugleichen. Stünde dabei im Fall des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung der Anspruchsberechtigte besser, als er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte, sei grundsätzlich die Differenz vom Anspruchsberechtigten auszugleichen, da der Schadensersatz den Berechtigten nicht bereichern soll. Diese Grundsätze könnten aber nicht auf einen kaufvertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach dem seit dem 01.01.2022 geltenden Recht nicht ohne weiteres übertragen werden. Die Mangelfreiheit der Kaufsache gehöre jetzt zur Leistungspflicht des Verkäufers (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Es müsse bei der Prüfung, ob ein Abzug „neu für alt“ gerechtfertigt sei, berücksichtigt werden, dass der Verkäufer zunächst der Pflicht zur Nacherfüllung unterliege. Der primär auf die Lieferung einer mangelfreien Sache gerichtete Erfüllungsanspruch setze sich im in modifizierter Form in dem Nacherfüllungsanspruch fort, an dessen Stelle der Schadenersatzanspruch nach den §§ 437 Nr. 3, 289, 281 BGB trete. Er richte sich danach, was der Käufer erhalten hätte, wenn der Verkäufer seiner Pflicht zur Nacherfüllung ordnungsgemäß nachgekommen wäre (BGH, Beschluss vom 13.03.2020 - V ZR 33/19 -). 

In Ansehung des Zusammenhangs zwischen dem Schadensersatz statt der Leistung und dem (Nach-) Erfüllungsanspruch müsse der Käufer, wenn er sich unter Berücksichtigung von „neu für alt“ auch bei der Nacherfüllung an den Kosten zu beteiligen hätte, einen entsprechenden Abzug am Schadensersatz hinnehmen. Müsse sich der Käufer nicht an den Kosten der Nacherfüllung beteiligen, müsse dies auch entsprechende Auswirkungen auf den Schadensersatz haben. Diese Frage würde in der Literatur kontrovers erörtert. Darauf käme es aber nicht an, da jedenfalls dann eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung an einer (gebrauchten) Kaufsache nach den Grundsätzen „neu für alt“ ausscheide, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpfe, dass die Kaufsache durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfahre oder der Käufer durch die dadurch bedingte längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspare. Dass die Kläger darüberhinausgehende Vorteile hätten, sei von den Beklagten nicht eingewandt worden. 

Bei der Nachbesserung käme der Verkäufer nur seiner vertraglichen Pflicht nach. Hierfür könne er keinen Ausgleich verlangen (BGH, Urteil vom 17.05.1984 - VII ZR 169/82 -). Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer u.U. eine Leistung erbringen müsse, die eine andere Qualität aufweise als jene, die er bei mangelfreier Leistung zur erbringen gehabt hätte. Da infolge der mangelhaften Leistung des Verkäufers der Vertrag nicht wie vorgesehen abgewickelt werden könne, habe sich die Nacherfüllung an dieser veränderten Situation auszurichten (BGH, Urteil vom 21.07.2021 - VIII ZR 254/20 -). Dies gelte auch bei gebrauchten Sachen. Der regelmäßige Vorteil eines Wertzuwachs der Sache sei ebenso wie der Umstand, dass der Käufer durch eine längere Lebensdauer Aufwendungen erspare, eine unvermeidliche Folge des dem Käufer vom Gesetzgeber eingeräumten Nacherfüllungsanspruchs (zur Abgrenzung zur Anrechnung von Aufwendungen, die der Käufer ohnehin plante BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 275/12 -).   

Der Umstand, dass eine Nachbesserung wegen arglisten Verschweigens des Mangels nicht angeboten werden müsse, führe zu keiner anderen Betrachtung. 

Die Grenze für den Nacherfüllungsanspruch und dem folgend für den auf Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigung gerichteten Schadensersatzanspruch ergäbe sich bei einer Unverhältnismäßigkeit, abgeleitet aus § 439 Abs. 4 S. 2 BGB.  Sie verhindere eine Überkompensation des Käufers. Könne der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern, da sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, beschränke sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den mängelbedingten Minderwert. Dieser Fall wurde hier vom BGH nicht angenommen. 

BGH, Urteil vom 13.05.2022 - V ZR 231/20 -