Die Klägerin zu 1, eine Aktengesellschaft, deren Anteile überwiegend von der Familie P. gehalten werden, der auch die Klägerin zu 2 angehörte, erwarb 2015 eine Eigentumswohnung. Eine auf Eigenbedarf gestützte Räumungsklage mit der Begründung, der Vater der Klägerin zu 1, Vorstandsmitglied der Klägerin zu 1, wolle dort einziehen, wurde zurückgewiesen. Danach schenkte die Klägerin zu 1 der Klägerin zu 2 einen 5/100 Miteigentumsanteil an die Klägerin zu 2 und die Kläger kündigten wegen Eigenbedarfs. Die Räumungsklage wurde zurückgewiesen. Der BGH wies darauf hin, dass er die Revision nicht annehmen würde, woraufhin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision zurückgenommen wurde.
Das Landgericht hatte als Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 1 als juristische Person keinen Eigenbedarf geltend machen könne und mit der Übertragung des 5/100 Miteigentumsanteils an die Klägerin zu 2 als natürliche Person nur ein völlig unbedeutender Miteigentumsanteil übertragen worden sei, um das Hindernis der fehlenden Berechtigung der juristischen Person zu umgehen; dies sei rechtsmissbräuchlich.
Der BGH wies darauf hin, dass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch eine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert sei (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung hänge von der Beantwortung der Frage ab, ob ein Verhalten treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich sei (§ 242 BGB), was von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhänge und sich daher einer Grundsatzentscheidung entziehe.
Zudem habe die Revision aber auch in der Sache keinen Erfolg. Ersichtlich habe die Übertragung des minimalen Miteigentumsanteils auf die Tochter des Vorstandsmitgliedes der Aktiengesellschaft nur dem Ziel gegolten, die der Gesellschaft nicht mögliche Eigenbedarfskündigung durchzusetzen, ohne dass mit der Übertragung von Miteigentumsanteilen eine nennenswerte Änderung der Eigentumsverhältnisse oder wirtschaftlichen Verhältnisse verbunden gewesen sei. Die Würdigung durch das Landgericht halte sich damit im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung.
BGH, Beschluss vom 30.03.2021 - VIII ZR 221/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der Senat
beabsichtigt, die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil der 14. Zivilkammer
des Landgerichts München I vom 10. Juli 2019 durch einstimmigen Beschluss nach
§ 552a ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die Parteien
streiten im Anschluss an eine Eigenbedarfskündigung um die Räumung und
Herausgabe einer in München gelegenen 2,5-Zimmer-Wohnung, die die Beklagte seit
dem Jahr 2004 aufgrund eines noch mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1
abgeschlossenen Mietvertrages bewohnt.
Die Klägerin zu
1 ist eine Aktiengesellschaft, die Klägerin zu 2 ist die Tochter eines der
Vorstände und Mehrheitsgesellschafters der Klägerin zu 1. Die Anteile an der
Klägerin zu 1 werden ganz überwiegend von der Familie P.
gehalten, der
auch die Klägerin zu 2 und ihr Vater angehören. Die Klägerin zu 1 erwarb die
streitgegenständliche Wohnung im Jahr 2015. Eine erste Kündigung begründete sie
kurz nach der Grundbucheintragung mit dem Wunsch des Vorstands H.P., selbst in
die Wohnung einziehen zu wollen. Nach Rücknahme der hierauf gestützten ersten
Räumungsklage übertrug die Klägerin zu 1 einen 5/100 Miteigentumsanteil an der
Wohnung schenkweise der damals gerade volljährig gewordenen Klägerin zu 2, um
auf diese Weise - entsprechend anwaltlicher Beratung - eine
Kündigungsmöglichkeit wegen Eigenbedarfs zu schaffen.
Nach Eintragung
des Bruchteilseigentums der Klägerin zu 2 im Grundbuch erklärten die
Klägerinnen mit Anwaltsschreiben vom 25. Juli 2019 die Kündigung wegen
Eigenbedarfs der Klägerin zu 2.
Die auf Räumung
und Herausgabe der Wohnung sowie auf Ersatz vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage der Klägerinnen hat in den Vorinstanzen
keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass die
Eigenbedarfskündigung unter Würdigung der Gesamtumstände rechtsmissbräuchlich
sei, weil die Klägerin zu 1 als juristische Person keinen Eigenbedarf geltend
machen könne und dies durch die schenkweise Übertragung eines völlig unbedeutenden
Miteigentumsanteils an die Klägerin zu 2 lediglich umgangen werden sollte. Mit
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr
Klagebegehren weiter.
II.
1. Die
Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 552a Satz 1, § 543
Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.
a) Das
Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, es sei zwar
geklärt, dass eine Aktiengesellschaft einen Eigenbedarf nicht geltend machen
könne; es fehle aber bislang an einer hinreichenden Klärung diesbezüglicher
Umgehungstatbestände.
b) Diese
Erwägung trägt jedoch keinen der im Gesetz genannten Zulassungsgründe
(§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche
Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des
Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert.
Vielmehr hängt
die Beantwortung der Frage, ob ein Verhalten als treuwidrig oder
rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) zu bewerten ist, von den besonderen
Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb einer
allgemeinen Betrachtung im Sinne einer mit der Zulassung erstrebten
Grundsatzentscheidung (Senatsbeschluss vom 14. September 2010 - VIII ZR 83/10,
WuM 2010, 680 Rn. 4; Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - VIII ZR 182/17, NJW 2019,
2475 Rn. 21 f.; vom 8. Juli 2020 - VIII ZR 163/18, NJW 2020, 3517 Rn. 42).
Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts eine (Leit-)Entscheidung des
Senats zu der hier vorliegenden Konstellation oder ist sonst ein Bedürfnis
erkennbar, die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 242 BGB
um eine weitere Fallgruppe zu ergänzen.
2. Die
Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage
auf Räumung und Herausgabe der Wohnung (§ 546 Abs. 1 BGB) sowie auf
Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (§ 280 Abs. 1, 2,
§ 286 BGB) - mit Rücksicht auf ein den Klägerinnen zur Last fallendes
rechtsmissbräuchliches Verhalten - rechtsfehlerfrei abgewiesen.
Die
Vorgehensweise der Klägerinnen zeichnete sich hier dadurch aus, dass der
Klägerin zu 2 mit der schenkweisen Übertragung eines 5/100 Miteigentumsanteils
formal eine "minimale" Miteigentümerstellung und Mitvermieterstellung
verschafft wurde, mit der ersichtlich allein das Ziel verfolgt wurde, eine der
Klägerin zu 1 als juristischer Person nicht mögliche Eigenbedarfskündigung
zugunsten der Tochter eines Vorstandsmitglieds zu verwirklichen, ohne dass mit
der Übertragung eine nennenswerte Änderung der Eigentums- beziehungsweise der
wirtschaftlichen Verhältnisse an der Immobilie verbunden war. Die Beurteilung
dieser Vorgehensweise als rechtsmissbräuchlich durch das Berufungsgericht hält
sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung.
Ob das
Berufungsgericht - wie die Revision meint - in seinen weiteren Ausführungen
§ 573 BGB zu Recht als "Kernstück" des mietrechtlichen
Bestandsschutzes bezeichnet hat und in diesem Zusammenhang den Regelungszweck
des Kündigungstatbestandes des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB mit der
Zielsetzung der in § 577a BGB normierten Kündigungsbeschränkungen vermengt
hat, kann dahinstehen. Denn es handelt sich bei den diesbezüglichen
Ausführungen des Berufungsgerichts um ergänzende Überlegungen, denen für die
Würdigung des klägerischen Verhaltens als rechtsmissbräuchlich ersichtlich
keine entscheidende Bedeutung zukommt.
3. Es
besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses
Beschlusses.
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