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Montag, 3. Januar 2022

Rechtliches Gehör und Kündigung wegen geringer Mietdifferenz über längere Zeit

Die Parteien (Brüder) hatten einen schriftlichen Mietvertrag mit einer Bruttomiete von € 562,42 vereinbart. Nach Darstellung des Beklagten soll die Miethöhe mündlich reduziert worden sein. Der Kläger kündigte fristlos wegen einer Mietdifferenz von € 162,42/Monat für den Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2018 und machte die offene Mietdifferenz von € 9.709,54 geltend. Die Klage wurde - auch im Berufungsverfahren vor dem Landgericht - diesbezüglich abgewiesen, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass eine Mietreduzierung vereinbart worden sei. . Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts zurück, § 544 Abs. 9 ZPO.

Der BGH sah eine verfahrenserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) darin, dass das Landgericht das Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt habe, dass auch bei Zugrundelegung der Zeugenaussagen eine monatliche Mietdifferenz von € 12,42 vorliege. Es läge daher eine nach seiner Ansicht ein nach § 573 Abs. 1 Nr. 2 BGB relevanter Mietrückstand von (mehr als) einer Monatsmiete seit März 2017 vor, der auch bei Ausspruch der Kündigung bestanden habe und bis zu diesem Zeitpunkt noch angestiegen sei. 

Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordere vom erkennenden Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, ohne dass es allerdings gehalten sei, sich ausdrücklich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu befassen. Wenn allerdings im Einzelfall besondere Umstände vorlägen, aus denen sich ergebe, dass tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden seien, sei ein Verstoß gegen die Pflicht aus Art. 103 Abs. 1 GG gegeben. Hier habe das Landgericht nicht den vom Kläger geltend gemachten Umstand berücksichtigt, dass sich bei der Berechnung der Mietreduzierung von € 562,42 um € 300,00 noch ein Betrag von € 312,42 ergäbe, nicht lediglich von € 300,00, wie vom Beklagten gezahlt. Zudem wurde vom Kläger auf ein Schreiben des Beklagtenvertreters verwiesen, demzufolge der Beklagtenvertreter in einem Schreiben vom 17.09.2009 (unstreitig) eine geschuldete Miete von € 312,00 benannt habe und weder dort noch im Rahmen der Verhandlung vor dem Amtsgericht erklärt hätte, warum er, wenn sich die Miete um € 250,00/Monat reduziert habe, nicht den Differenzbetrag von € 312,42 sondern nur € 300,00 zahle. Zudem habe er geltend gemacht, dass ausgehend von einer Miete in Höhe von € 312,00 im Zeitraum von Januar 2015 bis Januar 2018 ein Mietrückstand von € 444,00 bestünde und damit die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung gerechtfertigt sei. Damit und mithin mit der Kernfrage des Rechtsstreits für die (noch) rechtshängigen Ansprüche auf Räumung und Herausgabe und Zahlung von rückständiger Miete) habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt, also mit der Frage, welche konkrete Miete letztlich geschuldet würde. Es habe das Vorbringen des Klägers ausgeblendet.  Es habe damit einen wesentlichen Punkt des Berufungsvorbringens des Klägers nicht nur im Kern, sondern vollständig übergangen. 

Dies sei aber sowohl für die Berechnung des Zahlungsanspruchs für die Miete als auch für die am 23.01.2018 erklärte (ordentliche) Kündigung von Relevanz gewesen. Bei Beachtung dieses Vorbringens hätte das Berufungsgericht nicht zur vollständigen Abweisung der Berufung gelangen können. Ausgehend von einer Miete in Höhe von € 312,42 hätte sich ein Mietrückstand für die Zeit Januar 2015 bis Januar 2018 von € 459,54 ergeben, was zwar für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a und b BGB nicht ausreichend gewesen wäre, allerdings die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt hätte, die hilfsweise ausgesprochen worden war, da bis zum Zugang der Kündigungserklärung vom 23.01.2018 ab März 2017 ununterbrochen mehr als € 312,42 an Miete offen gestanden habe (BGH, Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12 -). Damit hätte das Mietverhältnis mit Ablauf des 31.10.2019 geendet. 

Der BGH ging auch auf die Subsidiarität der Rüge der Gehörsverletzung ein. Danach hätten die Prozessbeteiligten alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Gehörsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (z.B. BGH, Urteil vom 09.02.2011 - VIII ZR 285/09 -). Dies entspräche dem sich aus § 295 ZPO ersichtlichen Rechtsgedanken, wonach eine Gehörsverletzung nicht mehr gerügt werden könne, wenn nach Erkennen derselben die verbliebene Möglichkeit einer Äußerung nicht genutzt würde. Hier sei sie vom Kläger im Rahmen zulässig im Rahmen der Berufung genutzt worden. 

Es sei auch vorliegend nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrages des Klägers, anders entschieden hätte, wenn es den Vortrag des Klägers zum amtsgerichtlichen Urteil in Bezug auf die  Diskrepanz im Beklagtenvortrag berücksichtigt hätte, nach dem das Landgericht der Darstellung des Beklagten nach Beweisaufnahme folgte, und nicht aufgeklärt und damit offen gelassen habe, ob nur € 281,21 (die Hälfte von € 562,42), € 300,00 (so die letzte Überweisung) oder € 312,42 (€ 564,42 abzüglich € 250,00) als Miete geschuldet würden. 

Das Berufungsgericht sei schon deswegen nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gebunden gewesen, da dieses nur unvollständig und zur Höhe der geschuldeten Miete widersprüchlich (€ 562,42 abzüglich € 250,00 ergeben nicht die Hälfte von € 562,42) sei. Selbst bei Zugrundelegung des vom Berufungsgericht angenommenen, auf das Vorliegen von Rechtsfehlern iSv. § 286 Abs. 1 ZPO beschränkten Prüfungsmaßstabs gehalten gewesen sei, eigene Feststellungen zu treffen. Zudem handele es sich bei dem Berufungsverfahren um eine zweite Tatsacheninstanz, die das erstinstanzliche Urteil nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen habe. Auch als „eingeschränkte Tatsacheninstanz“ bestünde seine Aufgabe in der Gewinnung von „fehlerfreien und überzeugenden“ und damit „richtigen“ Entscheidungen (BGH, Urteil vom 26.05.2020 - VIII ZR 64/19 -). 

BGH, Beschluss vom 10.11.2020 - VIII ZR 18/20 -

Mittwoch, 21. Juli 2021

Miete: Zahlung durch Dritte und Erfüllungswirkung (hier: berechtigte Räumungsklage)

Der Hinweisbeschluss des LG Berlin, nach dem die Berufung des Mieters gegen das der Räumungsklage stattgebende Urteil als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen werden soll, ist ebenso kurz wie präzise.  Dabei wird sich (vielleicht) der Mieter bei dem von ihm gewählten Vorgehen nichts weiter gedacht haben, insoweit nicht der Mieter den Mietzins zahlte sondern (für diesen) ein Dritter.

Das Landgericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, wann bei einer Mietzahlung Erfüllungswirkung eintritt. Die ist z.B. bedeutsam auch für  eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Mietrückstandes; die fristlose Kündigung setzt nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB voraus, dass der Mieter mit der Zahlung von zwei aufeinanderfolgenden Mieten oder einem wesentlichen Teil davon bzw. über einen Zeitraum von mehr als zwei Terminen mit Miete in Höhe von zwei Terminen in Verzug ist. Erfüllte der Mieter, liegt kein Verzug vor. Erfüllung bedeutet, dass durch die Leistung (Zahlung) das Schuldverhältnis erlischt, hier also durch Zahlung der Miete für einen bestimmten Monat der Anspruch des Vermieters auf die Miete.

Der Mieter ist nicht verpflichtet, die Miete selbst z zahlen. Er kann die Miete auch durch Hilfspersonen oder Dritte zahlen lassen, wie auch Dritte – aus welchem Grund auch immer – für den Mieter die Miete zahlen können. Während aber bei einer Zahlung durch den Mieter angenommen wird, dass dieser auf die von ihm geschuldete Miete zahlen will (mangels einer Bestimmung des Mieters, auf was er zahlt, greifen die Regelungen der §§ 366, 367 BGB, wenn sich nicht aus der Art der Zahlung eine Bestimmung ergibt [z.B.: ist die Septembermiete offen und leistet der Mieter pünktlich im Oktober wieder eine Mietzahlung, gilt sie als für Oktober entrichtet und September bleibt offen]). Leistet aber ein Dritter oder eine Hilfsperson, ohne den Zahlungsgrund anzugeben, so führt dies nicht zum Erlöschen der Mietforderung nach § 362 BGB.

Vorliegend hatte der Vermieter wegen Mietrückstandes gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB gekündigt. Der darauf beruhenden Räumungsklage wurde stattgegeben. Im Berufungsverfahren machte der Mieter geltend, Zahlungen eines Dritten vom 07.10. und 08.11.2019 seien auf seine Mieten gezahlt worden. Dies half ihm aber nicht weiter. Zutreffend wies das Berufungsgericht darauf hin, dass bei Zahlung durch Hilfspersonen oder Dritte Erfüllung nur eintreten würde, wenn die Zahlung unter Angabe einer für den Vermieter nachvollziehbaren Tilgungsbestimmung erfolge (BGH, Urteil vom 27.06.2008 - V ZR 83/07 -). Daran habe es ermangelt. Auch wenn nunmehr am 20.10.2020 dies nachgeholt wurde, würde dies nicht die Berufung rechtfertigen können, da erst mit dieser Mitteilung die Erfüllungswirkung des § 362 BGB eingetreten sei und die Schonfrist bei Wohnraum nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB (Zahlung der offenen Miete innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage) längst abgelaufen sei.

Wäre die Erklärung innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB rechtzeitig erfolgt, hätte der Vermieter die Räumungsklage in der Hauptsache für erledigt erklären müssen und wären dem Mieter, der Veranlassung zur Klage gegeben hatte, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen gewesen, § 91a ZPO. Sollte der Vermieter in einem Fall wie dem Vorliegenden die Räumungsklage mit einer Zahlungsklage verbinden oder auch nur Zahlungsklage erheben, müsste er bei einer Nachholung der Tilgungsbestimmung durch den Mieter die Hauptsache im Hinblick auf den Zahlungsanspruch für erledigt zu erklären mit der Rechtsfolge, dass dem Mieter die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen wären. Allerdings hätte der Vermieter, da die Erfüllungswirkung erst mit der Erklärung eingetreten wäre, einen Anspruch auf Verzugszinsen auf die Mietforderung bis zu dem als Erfüllung anzusehenden Datum des Zugangs der Erklärung zu zahlen.

LG Berlin, Beschluss vom 02.03.2021 - 67 S 319/20 -