Posts mit dem Label allgemeine geschäftsbedingungen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label allgemeine geschäftsbedingungen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 26. Mai 2023

AGB-Kontrolle der Reservierungsgebühr zu Immobilienmaklerverträgen

Die Beklagte (Immobilienmaklerin) wies den Klägern ein Einfamilienhaus nach. Die Maklerprovision sollte nach dem Maklervertrag 6,69% des Kaufpreises betragen. Da die Kläger sich um die Finanzierung bemühen mussten, schlossen sie einige Monate später mit der Beklagten den von dieser vorgelegten Reservierungsvertrag, in dem es u.a. hieß, dass mit Zahlung einer Reservierungsgebühr (die bei kauf auf die Maklerprovision angerechnet werden sollte) von € 4.200,00 das Objekt exklusiv nur den Klägern angeboten und verkauft würde. Käme es während der Reservierungszeit nicht zu einem Kaufvertrag, hätten die Kläger keinen Erstattungsanspruch. Der Kaufvertrag wurde, da die Kläger keine Finanzierung erhielten, nicht abgeschlossen. Die Klage auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Ihre Berufung blieb erfolglos. Auf die vom Landgericht (Berufungsgericht) zugelassene Revision wurden die Urteile vom BGH aufgehoben und der Klage stattgegeben.   

Das Landgericht ging von einer Wirksamkeit der Reservierungsvereinbarung aus. Eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB käme nicht in Betracht, da es sich bei der Vereinbarung nicht um eine Nebenabrede zum Maklervertrag handele, sondern um eine eigenständige Vereinbarung. Dem folgte der BGH nicht. Vielmehr sah der BGH den Reservierungsvertrag als unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 Nr. 1 BGB an, weshalb die Reservierungsgebühr ohne Rechtsgrund geleistet worden sei und zurückzuzahlen sei, § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB.

Wie auch das Landgericht sah der BGH in dem Reservierungsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB), mithin um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden und von der Beklagten den Klägern gestellt wurden. Zwar könne eine einseitige Vertragsgestaltungsfreiheit dann noch vorliegen (und gegen die Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 305 ff BGB sprechen), wenn sich der Inhalt dieser vorformulierten Bestimmungen als Ergebnis einer freien Entscheidung des mit dem Vorschlag Konfrontierten darstelle, was aber voraussetze, dass der Konfrontierte, wenn er schon keine Möglichkeit hat, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen, in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere alternative Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit der Durchsetzung einbringen kann (BGH, Urteil vom 15.02.2017 - IV ZR 91/16 -); derartiges sei aber weder behauptet noch festgestellt worden.

Unzutreffend sei die Annahme des Landgerichts, bei dem Reservierungsvertrag würde es sich um eine vom Maklervertrag zu trennende eigenständige Vereinbarung handeln. § 307 Abs. 2 S. 1 BGB zur Inhaltskontrolle von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen fände auf Abreden nicht Anwendung, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und die hierfür vorgesehene Vergütung unmittelbar regeln (BGH, Urteil vom 05.10.2017 - III ZR 56/17 -); hier greife die Privatautonomie, derzufolge es den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt sei, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen. Dies gelte aber mir für Abreden, die den unmittelbaren Leistungsgegenstand betreffen, nicht für solche Regelungen, die die Leistungspflicht der Parteien einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren (BGH, Urteil vom 05.10.2017 aaO.). Pflichten die die Hauptleistungspflicht charakterisieren, seien durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln. Anders als individuelle Vertragsbestimmungen seien Allgemeine Geschäftsbedingungen objektiv und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls und des Willens der Parteien auszulegen, wobei besondere Bedeutung dem Wortlaut der Klausel und ihrem Verständnis des typischerweise beteiligten redlichen  Verkehrskreises unter Berücksichtigung von deren Interessen zukomme.

Danach könne der Reservierungsvertrag nicht als eine gegenüber dem Maklervertrag eigenständige Vereinbarung angesehen werden; er handele sich bei diesem um eine ergänzende Regelung zum Maklervertrag. Hauptleistung sei die Verschaffung der Möglichkeit des Abschlusses eines Kaufvertrages durch die Kläger. Dazu stelle sich die Reservierungsvereinbarung nur eine Nebenabrede dar. Deutlich würde dies schon an der Einleitung, in der die Parteien als „Makler“ und „Kaufinteressent“ bezeichnet würden; zudem würde festgehalten, dass der Kaufinteressent mit der Reservierungsgebühr eine bestimmte Leistung des Maklers (nämlich das exklusive Vorhalten der Immobilie) honoriere. Das wäre ohne einen Maklervertrag zwischen den Parteien nicht sinnvoll möglich. Zudem würde sich der Zusammenhang auch daraus ergeben, dass die Reservierungsgebühr auf die Maklerprovision angerechnet werden soll.

Dem würde nicht entgegen stehen, dass die Vereinbarungen in zwei Dokumenten aufgenommen seien. Auch der Umstand, dass die Reservierungsvereinbarung erst 13 Monate nach dem Maklervertrag abgeschlossen worden sei, stünde dem nicht entgegen. Eine andere Sichtweise würde es Maklern durch die Wahl der Vertragsgestaltung ermöglichen, sich der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zu entziehen. Ebensowenig käme es darauf an, dass es der freien Entscheidung des Kaufinteressenten unterlag, die Reservierungsvereinbarung abzuschließen (sollte sich aus der Entscheidung BGH im Urteil vom 10.02.1988 - Iva ZR 268/86 - ein anderes Verständnis ergeben, würde daran nicht mehr festgehalten).

Nach § 207 Abs. 1 S. 1 BGB seien Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche Benachteiligung sei im Zweifel anzunehmen, wenn die Regelung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen würde, nicht zu vereinbaren sei oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus dem Vertrag ergeben, so einschränke. Dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei.

Eine unangemessene Benachteiligung läge vor, wenn der Verwender der AGB missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners versuche durchzusetzen, ohne auch die Belange des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen. Zur Feststellung sei eine umfassende Würdigung des Vertrages erforderlich. Die Reservierungsvereinbarung stelle den Versuch der Beklagten dar, sich für den Fall des Scheiterns ihrer Vermittlungsbemühungen gleichwohl eine Vergütung zu sichern, ohne dass gewährleistet sei, dass sich für den Kunden nennenswerte Vorteile ergeben würden. Auch wenn die Beklagten ein gewisses Interesse daran haben konnten, dass die Klägerin das Objekt Dritten nicht anbietet, sei zu berücksichtigen, dass der Verkaufsinteressent nicht gebunden würde; er könne seine Verkaufsabsicht aufgeben oder das Objekt ohne die Beklagte an einen Dritten veräußern. Auch in diesen Fällen hätte die Kaufinteressenten einen nicht unerheblichen betrag zu zahlen, ohne Gewähr zu haben, dass sie das Objekt auch tatsächlich erwerben können. Zudem würde ein derartiges Entgelt regelmäßig geeignet sein, Einfluss auf die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit im Sinne einer Förderung des Kaufentschlusses zu nehmen, um nicht die bereist erfolgte Zahlung verfallen zu lassen. Auch erbringe die Beklaget keine relevante Gegenleitung; davon könne allenfalls gesprochen werden, wenn die Reservierungszeit so lang wäre, dass die Gefahr bestünde, dass das Objekt nicht mehr zu dem ins Auge gefassten Kaufpreis veräußert werden könnte, was bei einer Reservierungsdauer hier von einem Monat nicht der Falls sei. Hinzu käme hier zudem noch, dass nach der Vereinbarung die reservierungsgebühr auch dann nicht zurückgezahlt werden müsse, wenn nicht der Kaufinteressent das Nichtzustandekommen des Kaufvertrages zu vertreten habe, sondern die Beklagte oder ein Dritter.

Zudem würde der Reservierungsvertrag auch dem Leitbild der gesetzlichen Regelung widersprechen, da die Kaufinteressenten, da das Reservierungsgeld unabhängig davon geschuldet würde, ob sie die Immobilie erwerben oder nicht. Dies käme einer erfolgsunabhängigen (Teil-) Provision gleich, die nach allgemeiner Ansicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugunsten von Maklern unwirksam sei (BGH, Urteil vom 18.12.1974 - IV ZR 89/73 -).

Offen bleiben könne vor diesem Hintergrund der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, ob der Reservierungsvertrag auch nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB (notarielle Beurkundung) formunwirksam und damit nach § 125 S. 1 BGB nichtig sei. 

BGH, Urteil vom 20.04.2023 - I ZR 113/22 -

Freitag, 10. September 2021

Bankdarlehen: Bearbeitungsentgelt für Berechnung einer Nichtabnahmeentschädigung

Die Parteien (der Kläger war der Bundesverband der Verbraucherzentralen und  -verbände, die Beklagte eine Sparkasse) stritten über eine Klausel der Beklagten in deren Preis- und Leistungsverzeichnis „für Dienstleistungen im standardisierten Geschäftsverkehr“ für Privat- und Geschäftskunden, in der es zu „Dienstleistungen bei Krediten und Darlehen“ hieß: „Bearbeitungspreis für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung, es sei denn, der Kunde weist nach, dass kein oder ein geringerer Aufwand entstanden ist - € 50,00“.

Der Kläger sah die Klausel im Hinblick auf den Bearbeitungspreis für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung als unangemessen und daher unwirksam an. Klage und Berufung zu dieser Klausel hatten keinen Erfolg. Ihre Revision wurde zurückgewiesen.

Der Anspruch wäre nach § 1 UKlaG begründet gewesen, wenn die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 1 S. 1 BGB nicht standgehalten hätte. Davon ging der BGH nicht aus.

Er verwies darauf, dass der Anspruch auf eine Nichtabnahmeentschädigung ein Schadensersatzanspruch sei, der auch die Kosten seiner Ermittlung umfassen würde. Die Klausel sei nicht so zu verstehen, dass die Beklagte die Entschädigung unter Einschluss der Berechnungskosten bemessen könne und daneben noch gesondert die Berechnungskosten geltend machen könne. Dass hier ein Schadensersatzanspruch gemeint sei ergäbe sich auch aus dem Zusatz, dass der Betrag unter dem Vorbehalt stünde, dass der Kunde den Nachweis eines geringeren Schadens erbringen könne. Bei nicht lediglich deklaratorischen Klauseln oder solchen, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine vertragliche nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen, käme eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht in Betracht.

Anders sei dies aber bei Klauseln wie hier, mittels derer allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten der Tätigkeiten im eigenen Interesse des Verwenders geregelt würden. Der Regelungsinhalt sei durch Auslegung ihres objektiven Inhalts und dem typischen Sinn zu ermitteln. zu ermitteln. Danach handele es sich um eine Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs (nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 und § 281 BGB wegen Nichtabnahme des vereinbarten Darlehens) und nicht um eine Preisnebenabrede. Der Terminus „Nichtabnahmeentschädigung“ beziehe sich auf den durch die Nichtabnahme des Darlehens durch den Darlehensnehmer begründeten Schaden. Dieser Schaden müsse berechnet werden, wobei diese Kosten mit von dem durch die Nichtabnahme begründeten Schadensersatzanspruch umfasst würden.  

Der Schaden würde für die Berechnung würde hier als „Schaden/Aufwand“ bezeichnet. Dies würde keine Ausdehnung der Klausel über den Anwendungsbereich als reiner Schadensersatzanspruch führen, sondern mit „Aufwand“ nur die durch eine freiwillige Leistung des Geschädigten verbundenen Kosten näher darstellen.

Eine weitergehende Bedeutung würde der Klausel nicht zukommen, insbesondere auch nicht Fälle einer Kündigung des Darlehens gem. §§ 489, 490 oder 500 Abs. 1 BGB bzw. eine vorzeitige Rückzahlung der Valuta nach § 500 Abs. 2 BGB regeln. Es würde nur die Nichtabnahme des Darlehens gegenständlich sein.

Gegen die Angemessenheit der Klausel hatte der BGH keine Bedenken (§ 305 Nr. 5 Buchst. a BGB) und sie würde auch den Anforderungen des § 309 Nr. 5 b BGB genügen.

BGH, Urteil vom 08.06.2021 - XI ZR 356/20 -

Samstag, 14. August 2021

AGB: Fehlende Einbeziehung in den Vertrag mangels Lesbarkeit und Folgen für Unfallschaden an Mietwagen

Die Klägerin, eine Autovermietung, hatte mit dem Beklagten in Form einer Haftungsfreizeichnung vereinbart, dass dieser als Mieter für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht hafte. Die Regelung in den rückseitig auf dem Vertragsexemplar aufgedruckten Mietbedingungen, in denen für Unfälle pp. dem Mieter bestimmte Obliegenheiten auferlegt wurden, bei deren Verletzung die Haftungsfreistellung nicht greife, und auf deren Verletzung durch den Beklagten sich die Klägerin berief, sind nach Auffassung des Landgerichts (LG), der das Oberlandesgericht (OLG) folgte, nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden.

Das OLG stellte darauf ab, dass die Mietbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar sein müssten. Zu den Bedingungen habe das LG festgestellt, dass die in einer etwa 1mm kleinen und dünnen Schrift abgedruckt worden seinen und zudem als Schriftfarbe nur ein heller Grauton gewählt worden sei. Der gesamte Text mit elf Abschnitten und zahlreichen Unterabschnitten sei „förmlich auf eine Seite gepresst“ worden. Der Abstand zum Seitenrand links habe nur 1cm, der Seitenabstand zum unteren Blattrand nicht einmal 0,5cm betragen. Die dem Mieter überlassene Originaldurchschrift des Vertrages sei zudem rosa gewesen und der Zeilenabstand habe nur ca. 1mm betragen, der Abstand zwischen den Buchstaben sei kaum messbar.

Im Hinblick auf Art und Größe des Schriftbildes und der sonstigen drucktechnischen Gestaltung seien die Bedingungen nahezu gar nicht, selbst für Personen mit guter Sehstärke nur mit großer Mühe, zu entziffern. Da die Einbeziehung von AGB erfordere, dass diese vom Vertragspartner in zumutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis nehmen können (BGH, Urteil vom 03.02.1986 – II ZR 201/85 -), seien die Bedingungen nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden.

Durch die Unwirksamkeit sei eine Vertragslücke entstanden, da es damit keine vereinbarten Konsequenzen für den auf der Vorderseite des Vertrages abgedruckte Verpflichtung, bei jedem Unfall sofort die Polizei hinzuzuziehen, gäbe. Diese Vertragslücke könne nicht gem. § 28 Abs. 2, Abs. 3 VVG geschlossen werden. Zwar habe der BGH entscheiden (Urteil vom 24.10.2012 - XII ZR 40/11 -), dass auch bei Fehlen einer vertraglichen Reglung eine Haftungsfreistellung angenommen werden könne, da bei einer unwirksamen Einbeziehung der versicherungsvertraglichen Bedingungen dann ab ihrer Stelle die Reglungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) geltend würden und dies entsprechend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung gelte (BGH, Urteil vom 14.03.2012 - XII ZR 44/10 -).

Vorliegend würde auch die Heranziehung von § 28 Abs. 2 VVG zu keiner Haftungsfreistellung führen. Voraussetzung sei, dass im Vertrag selbst bestimmt würde, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet sei. Hier aber sei die Regelung in den AGB zur Leistungsfreiheit bei Nichteinschaltung der Polizei gerade nicht Vertragsbestandteil geworden. Damit fehle es an der Voraussetzung des § 28 Abs. 2 VVG.

Auch über § 242 BGB würde dieser Mangel nicht aufgefangen. Bezogen auf § 28 VVG würde zwar angenommen, dass ausnahmsweise auch ohne entsprechende Abrede der Anspruch des Versicherungsnehmers ganz oder teilweise verwirkt sein könne, wenn ihm eine grobe Verletzung der Interessen des Versicherers angelastet werden könnte. Dies sei aber auf besondere Ausnahmefälle beschränkt, in denen es für den Versicherer unzumutbar wäre, sich die die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen festhalten zu lassen. Es sei eine Gesamtschau nach dem Maß des Verschuldens, der Motivation des Täuschenden, dem Umfang der Gefährdung der schützenswerten Interessen des Versicherers , der Folgen des Anspruchsverlusts für den Versicherungsnehmer und des Verhaltens des Versicherers vorzunehmen. Selbst bei einer arglistigen Täuschung träte der Anspruchsverlust nicht automatisch ein (BGH, Urteil vom 08.07.1991 - II ZR 65/90 -).

Unstreitig sei, dass der Beklagte fahrlässig einen Unfall verursachte. Er unterließ es auch (trotz Hinweises auf der Vorderseite des Vertrages), die Polizei zu rufen. Mangels Hinweises sei auch diesbezüglich von Fahrlässigkeit auszugehen. Das fehlende Herbeirufen der Polizei würde zwar die schutzwürdigen Interessen der Klägerin auf Feststellung der Unfallumstände beeinträchtigen. Allerdings wäre auch bei Einhaltung der Verpflichtung, die Polizei zu rufen, der Unfall und der Schaden nicht vermieden worden. Soweit die Klägerin argumentierte, der Beklagte könnte nicht der Fahrer gewesen sein (gegen den dann Regressansprüche bestehen könnten), oder er könnte fahruntüchtig gewesen sein, handele es sich um Spekulationen, für die es keine Anhaltspunkte gäbe. Damit sei nach Abwägung läge nach Abwägung der Umstände kein Fall vor, in dem es dem Versicherer bzw. vorliegend Autovermieter schlechthin unzumutbar wäre, sich an die Erfüllung der von ihm übernommenen Vertragspflichten festhalten zu lassen, wonach er bei dem Mieter keinen Schadensersatz geltend macht.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 03.03.2021 - 13 U 2366/20 -

Samstag, 11. Januar 2020

Nutzungsrisiko und Mangel der Miet-/Pachtsache bei fehlender behördlicher Genehmigung


Mit einem Pachtvertrag hatte der Pächter das Objekt „zur Betreibung von Paint-Ball-Spielen“ gepachtet. Nach einer behördlichen Nutzungsverfügung war der Betrieb einer Paint-Ball-Anlage auf dem Pachtgrundstück unzulässig. Im Pachtvertrag (§§ 1 und 7 Ziffer 2) wurde das Risiko der auch vollständigen Versagung einer Genehmigung zum Betrieb einer Paint-Ball-Anlage dem Pächter auferlegt. Der Kläger (Pächter) machte aus § 536a BGB, § 252 BGB Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Gewinns geltend und beantragte Prozesskostenhilfe für die Klage. Das Landgericht wies den Antrag zurück, da es der Klage keine Erfolgsaussichten beimaß. Auf die Beschwerde gab das OLG dem Antrag statt.

Das OLG ging in seiner Entscheidung davon aus, dass aufgrund der behördlichen Nutztungsuntersagungsverfügung der Betrieb einer Paint-Ball-Anlage auf dem Pachtgrundstück unzulässig sei. Daher kam es darauf an, ob eine solche Anlage zum vertragsgemäßen Gebrauch gehörte. Dieser richte sich nach Vertragsinhalt und Vertragszweck. Dies würde in gewerblichen Miet-/Pachtverträgen regelmäßig im Vertrag näher dargelegt. Hier sei der Betrieb dieser Anlage ausdrücklich im Vertrag vorgesehen gewesen. Der Verpächter (Vermieter) schulde damit die Eignung des Miet-/Pachtobjekts zu einem entsprechenden Gebrauch.

Das Fehlen der behördlichen Genehmigung stelle sich als Mangel da, da die Nutzung im Hinblick auf die fehlende Genehmigung nicht mehr möglich sei. Es würde sich um durch die baulichen Gegebenheiten bedingte Nutzungseinschränkungen handeln, die, da Gebäudebezogen, grundsätzlich in den Verantwortungs- und Risikobereich des Vermieters fallen würden (BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 189/09 -).

Zwar hätten hier die Parteien in dem Vertrag das Risiko der Versagung der Genehmigung abweichend von der gesetzlichen Reglung dem Pächter/Mieter (Beklagten) auferlegt. Danach habe sich der Beklagte verpflichtet, alle notwendigen Genehmigungen zum Betrieb von Paint-Ball-Spielen vorzulegen und für sämtliche Genehmigungen und Auflagen zu sorgen. Es sei auch bestimmt worden, dass dem Verpächter/Vermieter für die Einhaltung der Voraussetzungen für den Betrieb keine Haftung übernehme. Derartige Klauseln seien allerdings unwirksam, wenn es sich bei ihnen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB handele (also um Klauseln, die vom Verwender für mehrere Fälle genutzt würden oder werden sollen).  Nicht nur würden die Klauseln sowohl Gewährleistungsrechte ausschließen, sondern auch das Recht zur (fristlosen) Kündigung wegen des im Fahlen der Genehmigung liegenden Mangels der Miet-/Pachtsache gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, auch wenn (wie hier) das Risiko in die Sphäre des Vermieters/Verpächters fällt, es sei denn, es läge Arglist des Vermieters/Verpächters vor. Im Rahmen einer AGB-Prüfung würde ein derart weitreichender Haftungsausschluss den Pächter/Mieter entgegen Trau und Glauben unangemessen benachteiligen und sei daher unwirksam.

Die Unwirksamkeit würde dazu führen, dass der Mieter/Pächter wegen des im Fehlen der Genehmigung liegenden Mangels der Miet-/Pachtsache Schadensersatz verlangen können (wozu auch der entgangene Gewinn nach § 252 BGB gehöre); er müsse nicht kündigen, sondern könne am Vertrag festhalten und für die Laufzeit Schadensersatz begehren (BGH, Urteil vom 18.01.1995 - XII ZR 30/93 -); lediglich im Hinblick auf den entgangenen Gewinn würde dieser Anspruch nur bis zu dem Zeitpunkt geltend gemacht werden können, zu dem der Vermieter ordentlich hätte kündigen können.

Dies würde allerdings dann nicht gelten, wenn es sich um individualvertragliche Vereinbarungen handeln würde (OLG Frankfurt, Urteil vom 22.07.2016 - 2 U 144/15 -). Ob es sich um einen formularmäßigen Haftungsausschluss oder eine Individualvereinbarung handelt sei zwischen den Parteien streitig. Da die Möglichkeit besteht, dass es sich um Formularklauseln handelt, sei Prozesskostenhilfe zu gewähren (das Landgericht wird dies im streitigen Verfahren, ggf. nach Beweisaufnahme) zu klären haben.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.04.2019 - 3 W 95/18 -