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Sonntag, 23. April 2023

Abdingbarkeit der Verpflichtung zur steuerlichen Zusammenveranlagung ?

Der Antragsteller (AS) begehrte von seiner von ihm seit 2019 getrennt lebenden Ehefrau (Antragsgegnerin, AG) die Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung. Das Familiengericht gab seinem Antrags nicht statt; die dagegen eingelegte Beschwerde des AS wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Während des Zusammenlebens erledigte die AG die steuerlichen Belange der Eheleute. Nachdem die Eheleute vom Finanzamt zur Abgabe der Einkommenssteuererklärung für die Jahre 2013 bis 2019 aufgefordert wurden, wandte sich die AG an den AS und erbat von diesem die erforderlichen Unterlagen und wies den AS mehrfach darauf hin, dass eine gemeinsame steuerliche Veranlagung gegenüber einer Einzelveranlagung der Eheleute wirtschaftlich günstiger wäre. Zu dieser Zusammenveranlagung verweigerte der AS allerdings seine Zustimmung. Seit dem 17.12.2020 sind die im Rahmen der Einzelveranlagung gegenüber der AG ergangenen Steuerbescheide (mit Erstattungen von rund € 10.900,00) rechtskräftig. Die mit einer Nachzahlung von rund € 23.000,00 gegenüber dem AS ergangenen Steuerbescheide waren noch nichts bestandkräftig.

Das OLG führte aus, dass sich aus dem Wesen der Ehe grundsätzlich die Verpflichtung ergeben würde, die finanziellen Belastungen des anderen Teils möglichst zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung der eigenen Interessen möglich sei. Von daher bestünde für beide Eheleute jeweils die Verpflichtung, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen Ehegatten verringert würde, der in Anspruch genommene keinen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt sei (BGH, Urteil vom 13.10.1976 - IV ZR 104/74 -). Diese Pflicht würde auch nach einer Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen bleiben (BGH, Urteil vom 12.06.2002 - XII ZR 288/00 -).

Allerdings sei hier die Verpflichtung wirksam abbedungen worden. Aus dem Schriftverkehr ergäbe sich, dass der AS nicht bereit war, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen und die Nachteile einer Einzelveranlagung hinnehmen wollte. Dem habe die AG zugestimmt. Damit habe zwischen den Parteien Einvernehmen bestanden, keine Zusammenveranlagung vorzunehmen, sondern die Steuererklärungen getrennt im Sinne einer Einzelveranlagung abzugeben. Am Rechtsbindungswillen würden Zweifel nicht bestehen. Der AS sei von der AG darauf hingewiesen worden, dass er bei einer Einzelveranlagung mehr nachzahlen müsse, er habe aber auf eine Beendigung seiner Betreuung durch den (von der AG beauftragten) Lohnsteuerhilfeverein bestanden, wobei beide Parteien davon ausgegangen wären, dass sich die AG dort weiter betreuen lassen würde. Damit lägen die Voraussetzungen für eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zur Einzelveranlagung vor und liege nicht nur eine einfache Erklärung des AS vor, keine Zusammenveranlagung zu wollen.

Der grundsätzliche Anspruch aus der ehelichen Verbundenheit und Fürsorgepflicht auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung die aufgrund der rechtsgeschäftlichen Absprache der Beteiligten erloschen. Dies erfasse sowohl die Geltendmachung der Zusammenveranlagung gegenüber dem Finanzamt, wie auch Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis der Beteiligten. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung würden keine Bedenken bestehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.11.2005 - 19 W 52/05 -). Während das OLG Frankfurt eine konkludente Vereinbarung als ausreichend ansah, läge hier sogar eine tatsächliche vor.

Der vertraglichen Absprache stünde nicht entgegen, dass der AS im Nachhinein versucht habe, sich von dieser wieder zu lösen, als er von der im Rahmen der Einzelveranlagung entfallenden Nachzahlung erfahren habe. Es würde sich dabei um einen anfechtungsrechtlich unbeachtlichen Motivirrtum handeln. Dem AS seien die erheblichen steuerlichen Nachteile einer Einzelveranlagung durch Erläuterungen der AG und eines Mitarbeiters des Lohnsteuerhilfevereins bekannt gewesen, war aber aus Verärgerung über die AG sowie Unstimmigkeiten über die Kostentragung der Tätigkeit des Lohnsteuerhilfevereins bereit gewesen, etwaige finanzielle Nachteile hinzunehmen.

Die jetzige Verweigerungshaltung der AG sei auch nicht treuwidrig. Der AS habe mit der geschlossenen Vereinbarung auf die sich aus der nachehelichen Solidarität ergebenden Pflichten der AG verzichtet.

OLG Bamberg, Beschluss vom 10.01.2023 - 2 UF 212/22 -

Dienstag, 30. August 2022

WEG: Kann das Abstellen von E-Autos in Tiefgarage untersagt werden ?

Der Mieter in der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft hatte ein Hybrid-Fahrzeug und von der klagenden Sondereigentümerin einen Tiefgaragenabstellplatz angemietet, an dem dieser ein Sondernutzungsrecht hatte.  In einer Eigentümerversammlung beschloss diese mehrheitlich, dass das Abstellen von Elektrofahrzeugen in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Die WEG verteidigte den Beschluss u.a. mit Hinweis darauf, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit denen E-Fahrzeuge betrieben würden, entzünden und im Brandfall der Brandverlauf länger als bei einem Benzinbrand sei und im Gegensatz zu diesem nicht mit Löschschaum gelöscht werden könne und ein Hineinfahren mit einem Container, wie dies für den Vorgang bei E-Fahrzeugen (zum Zwecke des Ausbrennens) erforderlich sei, hier nicht möglich sei.  Die Klage gegen diesen Beschluss war erfolgreich.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertrat, der Beschluss sei schon wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig, folgte dem das Amtsgericht nicht. Es handele sich um eine Nutzungsregelung. Nach § 19 Abs. 1 WEG habe die Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz für Nutzungsregelungen des Sonder- und Gemeinschaftseigentums. Zwar sei ein solcher Beschluss nichtig, wenn er das Sondernutzungsrecht aushöhlen würde, doch sei dies hier nicht der Fall, da nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt worden sei.

Allerdings verstoße der Beschluss gegen die ordnungsgemäße Verwaltung iSv. § 18 Abs. 2 WEG. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG bestünde ein individueller Rechtsanspruch von jedem Wohnungseigentümer auf Gestattung von Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen würden. Dieser individuelle Anspruch sei nicht abdingbar und würde durch den Beschluss ins Leere laufen, da zwar der Wohnungseigentümer die Ermöglichung der Installation einer Ladestation erzwingen könne, diese aber nicht nutzen könnte. Selbst wenn man hier eine besondere Brandgefahr durch E-Fahrzeuge bejahen würde, entspräche die Untersagung des Abstellens von E-Fahrzeugen damit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Anmerkung: Dieser Rechtsansicht des Amtsgerichts kann nicht zugestimmt werden. Zutreffend, dass zur ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig auch die Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels in § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG gehört. Dass durch E-Fahrzeuge eine besondere Brandgefahr ausgeht, ist bekannt, wie auch, dass ein Löschen wie bei herkömmlichen Vergaserfahrzeugen nicht möglich ist. Der Umstand, dass die Tiefgaragen nicht den Anforderungen an diese besondere Gefahr entsprechen, ist nicht explizit im Rahmen des § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG berücksichtigt. Allerdings wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Lademöglichkeit notwendig in der Tiefgarage gegeben sein muss. Könnte die WEG einen anderen Bereich - alleine zum Laden der Batterien - zur Verfügung stellen, könnte der Anspruch auf eine Ladestation in der Tiefgarage wohl jedenfalls dann versagt werden, wenn zum Laden (wenn auch nicht zum dauerhaften Abstellen) ein anderer Platz zur Verfügung gestellt wird. Für den Fall, dass nur die Tiefgarage bleibt, um eine Ladestation zu installieren, wird man dem Amtsgericht zustimmen müssen. Dies aber hätte wohl zur Konsequenz, dass die WEG das Brandschutzkonzept überprüfen müsste und ggf. durch bauliche Maßnahmen zum Brandschutz ergreift. § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründet keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Ladestation am Abstellplatz des Fahrzeuges errichtet werden müsset, sondern stellt auch im Rahmen der Entscheidung auf eine ordnungsgemäße Verwaltung ab.

AG Wiesbaden, Urteil vom 04.02.2022 - 92 C 2541/21 -

Mittwoch, 22. Dezember 2021

Auswechseln der Mieter bei Vermietung an eine Wohngemeinschaft

Die Beklagte hatte als Vermieterin eine 241 m“ große Wohnung an die Kläger als Mieter vermietet, die dort nach ihrer Kenntnis eine Wohngemeinschaft bilden wollten. Vier der sieben Mieter wohnten nicht mehr dort, sondern hatten ihre Zimmer untervermietet. Die Kläger begehrten, dass im Rahmen einer entsprechenden Änderung des Mietvertrages die ausgezogenen Hauptmieter aus dem Mietverhältnis ausscheiden können und die Untermieter an ihrer Stelle in dieses eintreten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hin änderte das Landgericht das Urteil ab und wies die Klage ab.

Das Landgericht setzte sich mit den dazu vertretenen Ansichten auseinander.

Die Einen sehen die Mieter als eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts als Wohngemeinschaft (WG) zum Betrieb einer gemeinsamen Wohnung, der zufolge ein Anspruch auf Zustimmung zum Auswechseln bestünde, wenn (wie hier) de, Vermieter bei Vermietung der Zweck bekannt sei. Dies nicht nur in Fällen, in denen ausdrücklich von den Mietern vor Vertragsabschluss formuliert worden sei, dass ein Bedürfnis für die eine Aufnahme weiterer oder neuer WG-Mitglieder bestünde, ferner für den Fall, dass der Vermieter in der Vergangenheit einem Auswechseln zugestimmt habe und auch in dem Fall, dass junge  Studenten oder sonstige Personen, die nicht verwandt wären oder in Lebensgemeinschaften leben würden, einen unbefristeten Mietvertrag abgeschlossen hätten.

Die Gegenmeinung schließe einen Rechtsanspruch gegen den Vermieter aus. Die Mieter einer WG  seien danach auf das Recht zur anteiligen Untervermietung nach § 553 BGB beschränkt, wenn der Mietvertrag ein Auswechseln nicht vorsehen würde.

Das Landgericht folgt der Gegenmeinung. Es verweist auf die Vertragsautonomie des Vermieters, demzufolge es ihm auch dann nicht zumutbar sei, einem Auswechseln zuzustimmen, selbst wenn er bei Vertragsabschluss wissen würde, dass die Mieter eine WG betreiben wollen und ein Interesse dran haben, bei Auszug einzelner WG-Mitglieder an ihrer Stele neue aufzunehmen. Dies begründet das Landgericht damit, dass ein solcher Anspruch darauf hinauslaufen könnte, dass der Vermieter eine solche Wohnung ein für alle Mal als WG-Wohnung gewidmet hätte und dauerhaft an den Mietvertrag gebunden bliebe, da die jeweiligen WG-Mitglieder den Mietvertrag an immer neue Generationen von WG-Mitgliedern übertragen könnten, ohne dass der Vermieter den Vertrag irgendwann einmal kündigen oder davon ausgehen könnte, dass das Mietverhältnis – etwa durch Auszug oder Tod des Mieters – einmal enden werde. Vorliegend würde dies dadurch deutlich, dass von den ursprünglichen sieben Mietern bereits anlässlich einer Nachtragsvereinbarung sechs ausgeschieden und ersetzt worden seien und nun auch der siebte ursprüngliche Mieterausgewechselt werden soll.

Unter Berücksichtigung der Interessen der Mieter wies das Landgericht darauf hin, dass diese durch die mögliche Untervermietung gewahrt würden, wozu es nicht zwingen deiner Änderung des Hautmietvertrages bedürfe. Der Aufwand, der z.B. darin bestünde, dass im Außenverhältnis die die ausgezogenen WG-Mitglieder gegenüber dem Vermieter berechtigt und verpflichtet blieben, sei zumutbar, zumal der Vermieter mit steigender Anzahl der Untermieter wegen eines nach Ansicht des Gerichts damit verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwandes in der Praxis häufig der Vermieter damit einverstanden erklären würde, die neue Zusammensetzung der WG doch im Hauptmietvertrag nachzuvollziehen. Erkläre er sich damit allerdings nicht einverstanden, würde zwar das letzte von der ursprünglichen WG in der Wohnung verbliebene Mitglied nicht mehr untervermieten können (da damit eine vollständige Gebrauchsüberlassung an Dritte vorläge. Hier bliebe den Mietern nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses, was aber den bei Vertragsbeginn absehbaren gegenseitigen Interessen am ehesten gerecht würde.

Vorliegend sei der Austausch der WG-Mitglieder im Mitvertrag nicht vorgesehen. Es gäbe auch mit dem zweimaligen Austausch keine langjährige Übung, die einen Anspruch begründen könnte. Bei dem ersten Austausch wurde ein WG-Mitglied mehr aufgenommen, wodurch die Anzahl der WG-Mieter von bis dahin sechs Mietern auf sieben erhöht wurde und zugleich ein neuer Mietzins durch Erhöhung desselben vereinbart; bei dem zweiten Mal im Rahmen eines Austauschs sei zwar nicht Weiteres vereinbart worden, doch würde sich auch daraus keine langjährige Übung ergeben.

Wohnung anmieten, zum Zwecke des Austauschs einzelner WG-Mitglieder gegen den Vermieter ein Anspruch auf entsprechende Änderung des Mietvertrags zusteht.

Das Landgericht ließ die Revision zu. Die Revision wurde zu BGH VIII ZR 304/21 eingelegt.

LG Berlin, Urteil vom 18.08.2021 - 64 S 261/20 -