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Mittwoch, 3. Januar 2024

Das „Balkonkraftwerk“ im Mietrecht

Die Mieter wollten auf dem zur Wohnung gehörenden Balkon eine Solaranlage aufstellen. Da der Vermieter die Genehmigung versagte, sahen sie sich zur Klage gezwungen. Das Amtsgericht (AG) differenzierte zwischen Fällen, bei denen der Vermieter die Zustimmung versagen kann und solchen, bei denen sie - wenn auch unter bestimmten Auflagen - erteilt werden muss.

Der mitvermietete Balkon würde dem Mieter zur freien Verfügung stehen, solange durch den gebrauch nicht Rechte des Vermieters oder anderer Mieter beeinträchtigt würden. Allerdings bestimme vorliegend § 10 des Mietvertrages, dass sämtliche Um- und Einbauten, Veränderungen jeder Art, insbesondere Installationen der Zustimmung des Vermieters bedürfen würden. Die Solaranlage (ein sogen. „Balkonkraftwerk“) würde - so das AG - stelle eine bauliche Anlage dar, wobei es nicht darauf ankäme, ob diese mir dem Objekt fest verbunden würde. Die von der Vermieterin versagte Genehmigung sei allerdings (wenn auch möglicher Auflage) zwingend zu erteilen. Zwar habe der Mieter keinen Anspruch auf Gestattung baulicher Veränderungen mit dem Ziel der Modernisierung; die Erteilung stehe im Ermessen des Vermieters, der dieses nicht willkürlich ausüben dürfe.

Der Willkürlichkeit der Versagung könnte Art. 14 GG entgegenstehen, wonach der Vermieter nach Belieben mit seinem Eigentum verfahren dürfe und von daher auch entscheiden könne, dass es bei dem zum Mietbeginn bestehenden Zustand verbleibe, was auch für das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes gelte. Für den Kläger sprächen die Gesichtspunkte, dass Solarstrom (wenn auch überschaubar) Kosten sparen würde, Erzeugung fossiler Brennstoffe mindere und damit das Balkonkraftwerl dem Gemeinwohl diene. Vorliegend sie dem Antrag auch eine Substanzbeeinträchtigung der Mietsache ausgeschlossen. Unerheblich sei die klägerische Erwägung zu einem umweltbewussten Leben der Bewohner ihres Quartiers, da sich dies nicht objektiv überprüfen lasse.

Vor diesem Hintergrund einer Interessensabwägung sei das Ermessen der Vermieterin unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit eingeschränkt: Die Vermieterin habe der Aufstellung und Nutzung einer Solaranlage in Bodenhöhe des Balkons zustimmen, könne aber zuvor Zahlung einer angemessenen Sicherheit für den Rückbau fordern.

Weitergehend könne nach derzeitiger Rechtslage aber nicht die Erteilung einer Genehmigung für eine Solaranlage mit an der Außenseite des Balkons angebrachten Solarmodulen verlangt werden, da dadurch schon (unabhängig von der Frage des rückstandsfreien Rückbaus) das äußere Erscheinungsbild des Mietobjekts gravierend beeinträchtigt würde.

AG Köln, Urteil vom 26.09.2023 - 222 C 150/23 -

Donnerstag, 2. November 2023

Mietrecht: Fiktiver Schadensersatz des Vermieters für Schönheitsrenovierung, Rückbau und Schäden

Der Kläger forderte als Vermieter nach Mietende und Auszug der ehemaligen Mieter (Beklagte) diese zur Durchführung von Schönheitsreparaturen und Rückbauarbeiten auf, dem die Beklagten nicht nachkamen. Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag ein, ließ Teile der geforderten Maßnahmen durch Dritte durchführen, und verklagte dann die Beklagten auf Zahlung gemäß dem Kostenvoranschlag. Die Klage wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen; das Berufungsgericht ließ allerdings zur Frage, ob im Mietrecht Schadensersatz fiktiv geltend gemacht werden könne (von ihm verneint) die Revision zu. Die insoweit beschränkt zugelassene und zu entscheidende Revision hatte Erfolg.

Bei seiner Entscheidung stellte das Berufungsgericht u.a. auf die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Schadensabrechnung im Werkvertragsrecht ab. Dem folgte der für Wohnraummietrecht zustände Senat des BGH für das Mietercht nicht. Sowohl im Hinblick auf den Ersatz von Kosten für die mieterseits nicht ausgeführten Schönheitsreparaturen (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) als auch für den Rückbau durch Austausch von Wandfliesen und für die Malerarbeiten an der Wand des Treppenhauses (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), ferner im Hinblick auf weiter durch die Beklagten verursachten Schäden am Mietgegenstand (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), könne der Kläger nach dem Ende des Vertragsverhältnisses seinen Schaden fiktiv berechnen und diese fiktiven Kosten geltend machen.

D.h., der Vermieter könne wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Rückbaukosten vom Mieter anhand der voraussichtlich erforderlichen Kosten, aber (noch) nicht aufgewendeten (mithin fiktiven) Kosten seine Schadensersatzansprüche bemessen. Auch soweit der Kläger Teile der Arbeiten, für die er Ersatz begehre, bereits ausgeführt habe, könne er hier den gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags (und damit fiktiv) abrechnen (BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21 -).  

Es sei in ständiger Rechtsprechung vom BGH anerkannt, dass Schadensersatzansprüche statt der Leistung mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder den für den Rückbau der Mietsache erforderlichen aber noch nicht aufgewendeten (also fiktiven) Kosten bemessen werden könnten /BGH, Urteile vom 3.03.2021 -XII ZR 42/20 -, 12.03.2014 - XII ZR 108/13 -, 05.03.2014 - VIII ZR 205/13 -. 20.10.2004 - VIII ZR 378/03 -). Daran sei auch nach der Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - zur Begründung seiner gegenteiligen Rechtsansicht im Rahmen des Werkvertragsrechts festzuhalten. Die Erwägungen des VII. Zivilsenats würden - auch nach dessen Ansicht - auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruhen und ließen sich auf andere Vertragstypen nicht übertragen (BGH, Beschlüsse vom 08.10.2020 - VII AZR 1/20 -, 26.04.2022 – VIII ZR 364/20 -).  Zwar gäbe es, anders als im Kaufrecht, im Mietrecht einen mit dem werkvertraglichen Anspruch gem. § 637 Abs. 3 BGB (der vom VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Auffassung herangezogen wurde) vergleichbaren Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die (beabsichtigte) Selbstvornahme (Anm.: was nach Ansicht des VII. Zivilsenats eine fiktive Abrechnung ausschließt). Denn nach der Rechtsprechung des hier zur Entscheidung berufenen Senats (für Wohnraummietrecht) im laufenden (also nicht beendeten) Mietverhältnis unter den Voraussetzungen § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei Mietmängeln bestehen und könne auch der Vermieter einen Vorschuss in Höhe erforderlicher Renovierungskosten verlangt werden, wenn sich der Mieter mit der Durchführung der Renovierung in Verzug befände (BGH, Urteil vom 1403.2006 - VIII ZR 123/05 -, Beschluss vom 25.04.2022 - VIII ZR 364/20 -). Allerdings würden sich hier die Ansprüche nur zum Teil auf solche Ansprüche (Renovierung) beziehen, zum anderen sämtliche Ansprüche auf ein beendetes Mietverhältnis.

Das Berufungsgericht hatte seine Ansicht auch damit begründet, dass bei einer fiktiven Abrechnung die Gefahr einer Überkompensation bestehen würde. Doch könne der Geschädigte nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen (Anm.: die er im Bestreitensfall darlegen und beweisen muss, wobei ggf. vom Gericht auch Sachverständigengutachten einzuholen ist). Auch sei zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bilde (BGH, Urteil vom 08.07.2020 - VIII ZR 163/18 -).

Ebenso wie den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3m § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) könne der Kläger auch seinen das Integritätsinteresse betreffenden Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen der Beschädigung der der Mietsache (hier bezüglich von Wandfliesen der Küche und des Flurs im Treppenhaus) auf der Grundlage voraussichtlicher (also fiktiver) Kosten bemessen. Anders als bei einem Schadenersatzanspruch statt der Leistung, der von vornherein nur auf Geldersatz gerichtet sei (§ 281 Abs. 4 BGB), könne der geschädigte Vermieter bezüglich des Schadensersatzanspruchs neben der Leistung wahlweise Naturalrestitution  oder Geldersatz begehren (BGH, Urteil vom 19.11.2014 - VIII ZR 191/13 -). Aufgrund der nach § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten gewährten Ersetzungsbefugnis könne der Kläger auch hier die fiktiven Kosten gelten machen (BGH, Beschluss vom 08.10.2020 – VII ARZ 1/20 -). Dass dies ebenfalls vom VII. Zivilsenat im Hinblick auf das Werkvertragsrecht hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB) verneint wurde (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VIII ZR 46/17 -), sei dies auf andere Vertragstypen nicht übertragbar (zudem sei der Fall auch nicht vergleichbar, als es dort eine Ersetzungsbefugnis des Bestellers im Hinblick auf den dortigen Überwachungsfehler des Architekten nicht gegeben habe).

Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben und der BGH hob es, soweit es mit der Revision angefochten werden konnte, unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht auf.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - VIII ZR 280/21 -

Dienstag, 9. März 2021

WEG: Ermessen bei Absehen von Rückbau unzulässiger baulicher Veränderung von Gemeinschaftseigentum

 

In 1977 wurde auf dem Gemeinschaftseigentum eine Garage errichtet und vor einigen Jahren eine Gartenhütte. Ein Antrag au Beseitigung dieser Bauwerke wurde in der Eigentümerversammlung vom 25.07.2018 mit Mehrheitsbeschluss zurückgewiesen. Der Kläger erhob Anfechtungsklage, die vom Amtsgericht als unbegründet abgewiesen wurde. Mit seiner Berufung verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Das Landgericht gab im berufungsverfahren der Klage statt.

Das Landgericht wies darauf hin, dass zwar im Rahmen seiner Beurteilung das jetzt geltende WEG-Recht einschlägig sei, sich hier aber materiell gegenüber dem bisherigen Recht keine anderweitige Beurteilung ergäbe. Entscheidend sei, ob der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspräche (§ 21 Abs. 4 WEG a.F., § 19 Abs. 1 WEG n.F.), was nicht der Fall sei.

Eine Negativbeschluss könne nur erfolgreich angefochten werden, wenn nur eine positive Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen haben würde. Dies fordere vorliegend eine Ermessensreduzierung auf Null. Allerdings müsse  eine Anfechtungsklage gegen eine Negativbeschluss auch dann Erfolg haben, wenn zwar nicht notwendig eine Ermessensreduzierung auf Null vorläge, aber die Wohnungseigentümer ein ihnen zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hätten, da auch in diesem Fall der Anfechtende in seinem Recht auf ordnungsgemäße  Verwaltung verletzt sei.

Da die Errichtung von Garage und Gartenhütte rechtwidrig erfolgt seien, entspräche der Rückbau in der Regel ordnungsgemäßer Verwaltung, da dies der Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes entspräche. Allerdings könne ein Ansehen davon u.U. auch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wobei den Wohnungseigentümern insoweit ein Ermessen zustehe. Das aber würde hier nach dem jetzigen WEG voraussetzen, dass die bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG n.F. genehmigt würde, womit dann auch Klarheit über Nutzung und Kosten geschaffen würde (§ 21 WEG n.F.).

§ 20 Abs. 1 WEG n.F. lautet:

„Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.“

Der Negativbeschluss als solcher reicht allerdings nach dem Urteil des LG Frankfurt am Main für eine Ermessensausübung nicht aus. Vielmehr müssten sich die Wohnungseigentümer über ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechende Alternativen zum Rückbau bewusst gewesen sein und die bei einer Abwägungsentscheidung mit einbezogen haben. Nicht ausreichend seien theoretische denkbare Nutzungsalternativen (wie sie im berufungsverfahren mit Fahrradunterstand, Lagerraum pp. benannt seien. Die Abwägung hätte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung stattfinden müssen und zudem alternativ zum Abriss entsprechende Nutzungen ermöglicht oder zumindest in die Wege geleitet werden müssen. Das sei nicht geschehen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung seien Garage und Gartenhaus weder im Interesse der Gemeinschaft tatsächlich genutzt worden noch habe es Regeln zu deren Nutzung gegeben.

Es sei auch keine Verjährung eingetreten, da der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nicht verjähre (BGH, Urteil vom 27.04.2012 - V ZR 177/11 -).

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.01.2021 - 2-13 S 26/20 -