Der Kläger forderte als Vermieter
nach Mietende und Auszug der ehemaligen Mieter (Beklagte) diese zur
Durchführung von Schönheitsreparaturen und Rückbauarbeiten auf, dem die
Beklagten nicht nachkamen. Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag ein, ließ
Teile der geforderten Maßnahmen durch Dritte durchführen, und verklagte dann
die Beklagten auf Zahlung gemäß dem Kostenvoranschlag. Die Klage wurde erst- und
zweitinstanzlich abgewiesen; das Berufungsgericht ließ allerdings zur Frage, ob
im Mietrecht Schadensersatz fiktiv geltend gemacht werden könne (von ihm
verneint) die Revision zu. Die insoweit beschränkt zugelassene und zu
entscheidende Revision hatte Erfolg.
Bei seiner Entscheidung stellte
das Berufungsgericht u.a. auf die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven
Schadensabrechnung im Werkvertragsrecht ab. Dem folgte der für Wohnraummietrecht
zustände Senat des BGH für das Mietercht nicht. Sowohl im Hinblick auf den Ersatz
von Kosten für die mieterseits nicht ausgeführten Schönheitsreparaturen (§ 280
Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) als auch für den Rückbau durch Austausch von
Wandfliesen und für die Malerarbeiten an der Wand des Treppenhauses (§ 280 Abs.
1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), ferner im Hinblick auf weiter durch die Beklagten
verursachten Schäden am Mietgegenstand (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), könne
der Kläger nach dem Ende des Vertragsverhältnisses seinen Schaden fiktiv
berechnen und diese fiktiven Kosten geltend machen.
D.h., der Vermieter könne wegen
unterlassener Schönheitsreparaturen und Rückbaukosten vom Mieter anhand der voraussichtlich
erforderlichen Kosten, aber (noch) nicht aufgewendeten (mithin fiktiven) Kosten
seine Schadensersatzansprüche bemessen. Auch soweit der Kläger Teile der
Arbeiten, für die er Ersatz begehre, bereits ausgeführt habe, könne er hier den
gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der
Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags (und damit fiktiv)
abrechnen (BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21 -).
Es sei in ständiger Rechtsprechung
vom BGH anerkannt, dass Schadensersatzansprüche statt der Leistung mit den für die
Instandsetzung oder -haltung oder den für den Rückbau der Mietsache
erforderlichen aber noch nicht aufgewendeten (also fiktiven) Kosten bemessen
werden könnten /BGH, Urteile vom 3.03.2021 -XII ZR 42/20 -, 12.03.2014 - XII ZR
108/13 -, 05.03.2014 - VIII ZR 205/13 -. 20.10.2004 - VIII ZR 378/03 -). Daran
sei auch nach der Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 22.02.2018 - VII ZR
46/17 - zur Begründung seiner gegenteiligen Rechtsansicht im Rahmen des
Werkvertragsrechts festzuhalten. Die Erwägungen des VII. Zivilsenats würden -
auch nach dessen Ansicht - auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruhen
und ließen sich auf andere Vertragstypen nicht übertragen (BGH, Beschlüsse vom
08.10.2020 - VII AZR 1/20 -, 26.04.2022 – VIII ZR 364/20 -). Zwar gäbe es, anders als im Kaufrecht, im Mietrecht
einen mit dem werkvertraglichen Anspruch gem. § 637 Abs. 3 BGB (der vom VII.
Zivilsenat zur Begründung seiner Auffassung herangezogen wurde) vergleichbaren
Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die (beabsichtigte) Selbstvornahme (Anm.:
was nach Ansicht des VII. Zivilsenats eine fiktive Abrechnung ausschließt). Denn
nach der Rechtsprechung des hier zur Entscheidung berufenen Senats (für
Wohnraummietrecht) im laufenden (also nicht beendeten) Mietverhältnis unter den
Voraussetzungen § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei
Mietmängeln bestehen und könne auch der Vermieter einen Vorschuss in Höhe
erforderlicher Renovierungskosten verlangt werden, wenn sich der Mieter mit der
Durchführung der Renovierung in Verzug befände (BGH, Urteil vom 1403.2006 -
VIII ZR 123/05 -, Beschluss vom 25.04.2022 - VIII ZR 364/20 -). Allerdings würden
sich hier die Ansprüche nur zum Teil auf solche Ansprüche (Renovierung)
beziehen, zum anderen sämtliche Ansprüche auf ein beendetes Mietverhältnis.
Das Berufungsgericht hatte seine
Ansicht auch damit begründet, dass bei einer fiktiven Abrechnung die Gefahr
einer Überkompensation bestehen würde. Doch könne der Geschädigte nur die zur
Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen (Anm.: die er
im Bestreitensfall darlegen und beweisen muss, wobei ggf. vom Gericht auch Sachverständigengutachten
einzuholen ist). Auch sei zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben
(§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente
Inhaltsbegrenzung bilde (BGH, Urteil vom 08.07.2020 - VIII ZR 163/18 -).
Ebenso wie den
Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3m § 281 Abs. 1 S. 1
BGB) könne der Kläger auch seinen das Integritätsinteresse betreffenden
Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen der Beschädigung
der der Mietsache (hier bezüglich von Wandfliesen der Küche und des Flurs im
Treppenhaus) auf der Grundlage voraussichtlicher (also fiktiver) Kosten bemessen.
Anders als bei einem Schadenersatzanspruch statt der Leistung, der von
vornherein nur auf Geldersatz gerichtet sei (§ 281 Abs. 4 BGB), könne der geschädigte
Vermieter bezüglich des Schadensersatzanspruchs neben der Leistung wahlweise
Naturalrestitution oder Geldersatz
begehren (BGH, Urteil vom 19.11.2014 - VIII ZR 191/13 -). Aufgrund der nach §
249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten gewährten Ersetzungsbefugnis könne der Kläger
auch hier die fiktiven Kosten gelten machen (BGH, Beschluss vom 08.10.2020 –
VII ARZ 1/20 -). Dass dies ebenfalls vom VII. Zivilsenat im Hinblick auf das
Werkvertragsrecht hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruchs neben der
Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB) verneint wurde (BGH, Urteil vom
22.02.2018 - VIII ZR 46/17 -), sei dies auf andere Vertragstypen nicht
übertragbar (zudem sei der Fall auch nicht vergleichbar, als es dort eine
Ersetzungsbefugnis des Bestellers im Hinblick auf den dortigen Überwachungsfehler
des Architekten nicht gegeben habe).
Das Berufungsurteil konnte daher
keinen Bestand haben und der BGH hob es, soweit es mit der Revision angefochten
werden konnte, unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht
auf.
BGH, Urteil vom 19.04.2023 -
VIII ZR 280/21 -