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Samstag, 4. Mai 2024

Haftung bei Ölaustritt während des Befüllvorgangs

Die Klägerin begehrte Restzahlung aus einer Heizöllieferung, der Beklagte widerklagend Schadensersatz, da Öl während des Befüllvorgangs auf sein Grundstück austrat und Schäden verursachte. Nach der Beweisaufnahme stellte das Landgericht fest, dass der Fahrer des Tankwagens den Grenzwertgeber ordnungsgemäß angeschlossen hatte, allerdings war die Füllstandsanzeige am Heizöltank des Beklagten defekt gewesen (was für den Fahrer des Tankwagens nicht erkennbar war). Das Landgericht gab der Klage unter Abweisung der Widerklage statt. Die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht (OLG ) zurückgewiesen.

Für eine Haftung der Klägerin nach § 7 Abs. 1 StVG müsste ein Rechtsgut „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ verletzt bzw.  beschädigt worden sein. Dies sei dann der Fall, wenn sich in dem Schaden die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt hätten, also bei wertender Betrachtung durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt worden sei. Es käme daher für die Zurechnung der Betriebsgefahr maßgeblich auf einen nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang des Unfalls mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges an. Bei einem Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion sei erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung desselben als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (§ 1 Abs. 2 StVG) bestünde. Bei dem Schaden müsse es sich um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden solle.

Damit würde eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfallen, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keine Rolle mehr spiele und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt würde, oder wenn es sich um Schäden handeln würde, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht habe (BGH, Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 -).

Die zweite Alternative nahm das OLG vorliegend an: Nicht eine vom Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr habe sich ausgewirkt, sondern ein gegenüber der Betriebsgefahr des Fahrzeugs eigenständiger Gefahrenkreis. Es würde sich hier nicht um einen Fehler am Fahrzeug bzw. dessen Einrichtung (z.B. Undichtigkeit des Verbindungsschlauchs) gehen, da das Fahrzeug technisch einwandfrei gewesen sei. Es könne auf sich beruhen, ob der Schaden durch die (unstreitig) defekte Füllstandsanzeige und/oder den Grenzwertgeber verursacht worden sei, da beides keine Einrichtungen des Tankwagens darstellen würden, auf die sich einzig die Gefährdungshaftung bezöge (also keine fahrzeugspezifische Gefahr im Rahmen des Entladevorgangs).

Es würde sich hier auch nicht um eine Auswirkung einer Gefahr handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn und Zweck der Haftungsvorschrift des § 7 StVG schadlos gehalten werden solle. Dabei käme auch nicht die Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 - zum Tragen, wonach eine Auswirkung auch dann vorliegen könne, wenn es vom Zufall abhängen, ob der Verkehrsraum, andere Verkehrsteilnehmer oder das Hausgrundstück geschädigt würden, da es hier gerade nicht von einem Zufall abhängig gewesen wäre, wo der Schaden eintrat. Die Schadensursache habe am bzw. im Öltank des Beklagten und nicht am Tankwagen und seiner Einrichtung gelegen, weshalb der Schaden nur auf dem Hausgrundstück des Beklagten habe eintreten können; ein solches Ereignis läge nicht in dem Gefahrenbereich, für den der Verkehr nach § 7 StVG schadlos gehalten werden solle.

OLG Celle, Urteil vom 15.11.2023 - 14 U 56/23 -

Montag, 30. Oktober 2023

Haftung bei auffahren eines Radfahrers auf Pkw

Der Kläger nahm mit seinem Rennrad an einem Zeitfahren seines Radsportvereins teil. Die Strecke führte über öffentliche, nicht für den übrigen Verkehr gesperrte Straßen. An der S-Straße schloss der Kläger annähernd zum Zeugen B. auf. Zu dieser Zeit fuhr der Kläger mit seinem Pkw Opel Astra ebenfalls die S-Straße in gleicher Fahrtrichtung mit ca. 30 km/h. Im weiteren verlauf der Straße wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 40 km/h beschränkt. Ob der Kläger nach links zu einer Sportanlage abbiegen wollte, war streitig. Der Zeuge B. setzte zum Überholen des Pkw an. Der Kläger befand sich noch einige Meter hinter dem Zeugen B., wollte aber auch überholen. Kurz vor Beendigung des Überholvorgangs kollidierte der Zeuge B. mit der linken vorderen Ecke des Pkw (aus unklaren Grund) und stürzte. Der Beklagte bremste stark ab. Auch der Kläger bremste, wich nach rechts aus, konnte aber eine Kollision mit dem rechten Heck des Pkw nicht mehr verhindern und stürzte ebenfalls, wobei er sich Verletzungen zuzog.

Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Auf seine Berufung erließ des Oberlandesgericht (OLG) einen Hinweisbeschluss, demzufolge es beabsichtige, die Berufung wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit zurückzuweisen.

Grundsätzlich würden der Beklagte als Fahrer und Halter gemäß §§ 7, 18 Abs. 1 StVG und der Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG eines unfallbeteiligten Fahrzeugs gesamtschuldnerisch für einen Schadensersatzanspruch haften. Die Verletzungen des Klägers seien beim Betrieb eines Fahrzeugs verursacht worden. Es läge keine höhere Gewalt nach § 7 StVG vor. Allerdings würde vorliegend die Gefährdungshaftung des Pkw gegenüber dem Mitverschulden des Klägers nach §§ 9 StVG, 254 BGB zurücktreten. Die Haftungsabwägung würde sich an den zu § 17 Abs. 1 entwickelten Rechtsgrundsätzen orientieren. Dazu seien alle unstreitigen oder erwiesenen Faktoren einzubeziehen, die zur Entstehung des Schadens beigetragen und einem der Beteiligten zuzurechnen seien (BGH, Urteil vom 21.11.2006 – VI ZR 115/05 -). Diese Abwägung könne auch zum vollständigen Ausschluss einer Einstandsverpflichtung führen, wenn das Verschulden des Geschädigten derart überwiege, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktrete (OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2014 – 4 U 59/13 -). Davon sei hier auszugehen.

Das OLG ging davon aus, dass es sich für den Kläger um einen typischen Auffahrunfall handele, der dem Anschein nach dadurch verursacht worden sei, dass er zu dicht aufgefahren sei oder unaufmerksam war; in beiden Fällen hätte er grob gegen seien Verkehrspflichten verstoßen.  Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 StVO müsse der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug idR. so groß sein, dass auch hinter dem (gefahrlos) gehalten werden kann, wenn dieses plötzlich abgebremst wird. Grundlos dürfe der Vorausfahrende nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVO nicht stark abbremsen, doch sei hier das starke Abbremsen durch die vorausgegangene Kollision mit dem weiteren Radfahrer ein zwingender Grund gewesen. Weiterhin berücksichtigte das OLG, dass sich der Kläger auf einer sportlich ambitionierten Zeitfahrt befunden habe, was offenbar Einfluss auf seinen Fahrstil gehabt und die Unfallgefahr erhöht habe. Ohne Bemühen um schnelles Vorankommen habe im Bereich einer Geschwindigkeitsbegrenzung keine Veranlassung zum Überholen [Anm.: Nach dem Beschluss befand sich die Geschwindigkeitsbegrenzung erst im weiteren Verlauf der Straße, nicht an der Unfallstelle] und – wohl in Vorbereitung des Überholmanövers- Unterschreitens des gebotenen Sicherheitsabstandes bestanden.

Es sei nicht erwiesen, dass der Beklagte nach links abbiegen wollte. Insoweit habe der Beklagte seine vorherige Angabe zulässig glaubhaft korrigiert (was vom OLF näher dargelegt wurde). Letztlich käme es für die Beurteilung der Kollision als typischen Auffahrunfall auch nicht darauf an, ob der Beklagte nach links abbiegen wollte. Der Kläger sei nicht auf den Pkw aufgefahren, da dieser plötzlich und unangekündigt nach links habe abbiegen wollen, sondern da der Pkw infolge der Kollision stark abgebremst worden sei. Plötzliche Ereignisse wie ein Unfall oder drohende Gefahren seien typischerweise Anlass für ein abruptes Abbremsen des Vorausfahrenden, weshalb gerade die Abstandsregeln gelten würden. Halte sich ein Verkehrsteilnehmer nicht an diese und kann er deshalb nicht mehr rechtzeitig reagieren, sei er als alleiniger Unfallverursacher des Auffahrunfalls anzusehen.

Ebenso unerheblich sei der Umstand, dass der Kläger nach seiner Sicht den eigenen Überholvorgang bereits eingeleitet habe. Auch dies würde nicht die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes rechtfertigen, solange sich das überholende Fahrzeug noch hinter dem zu überholenden Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifenbefände. Nach den eigenen Angaben des Klägers sei er noch nicht auf die linke Fahrspur ausgeschert gewesen, sondern nur Richtung Mittellinie gefahren. Auch dass er „instinktiv“ nach dem Abbremsen nach rechts ausgewichen sei, spreche gegen ein bereits eingeleitetes Überholmanöver.

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

OLG Schleswig, Urteil vom 27.04.2023 - 7 U 214/22 -

Freitag, 22. September 2023

Haftung bei Brand des abgestellten Fahrzeugs aus unbekannten Gründen

Der Motorroller des Beklagten zu 1., der in der Nähe einer Transformatorenstation der Klägerin vom Beklagten abgestellt worden war, brannte. Bei dem Brand wurde nicht nur der Motorroller zerstört, sondern die Transformatorenstation auch erheblich beschädigt. Die Klägerin begehrte vom Beklagten zu 1. und der mitverklagten Haftpflichtversicherung Schadensersatz mit der Begründung, dass - auch wenn kein technischer Defekt an Motorroller nachgewiesen werden könne, von dem sie ausginge - der Schaden bei dem Betrieb des Motorrollers entstanden sei, §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG. Das Landgericht wies die Klage ab. Das OLG wies die Klägerin einem Beschluss gem. § 522 ZPO darauf hin, dass es beabsichtigte, deren Berufung gegen die landgerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Das OLG verwies darauf, dass die Klägerin nicht zu beweisen vermocht habe, dass der Brand auf einer betriebsbedingten Gefahr aufgrund eines technischen Defekts des Motorrollers beruhe. Der vom Landgericht bestellte Sachverständige habe keine Anhaltspunkte für technische Ursachen (wie Reibung, Wärmequelle oder Kurzschluss) festgestellt. Nicht gehört werden könne die Klägerin damit, dass ihr das Risiko der Nichterweislichkeit der behaupteten Verursachung des Brandes durch einen technischen Defekt auferlegt würde.  

Es entspräche ständiger Rechtsprechung, dass der Geschädigte bei Geltendmachung eines Anspruchs aufgrund Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG die anspruchsbegründende Tatsache, dass der Schaden bei dem Betriebs des Fahrzeugs entstanden sei, darzulegen und zu beweisen habe (bereits BGH, Urteil vom 21.11.1967 - VI ZR 108/66 -).

Weiterhin sei auch die Beklagtenseite nicht sekundär darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Schaden nicht durch einen technischen Defekt entstand. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagten, namentlich der Beklagte zu 1. (Halter) gegenüber der Klägerin über (dafür erforderliche) überlegene Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der funktionswiese des Motorrollers verfügen würde. Auch läge (hier erörterte das OLG den prima-facie-Beweis) keine Typizität vor, aus der sich ergeben würde, dass es bei einem Abstellen eines Motorrollers im öffentlichen verkehrsraum in der Nähe zu einem Gebäude zur Verursachung eines Brandschadens aufgrund eines technischen Defekts am Motorroller kommen könne.

Auch würden hier die Grundsätze der Beweisvereitelung keine anderweitige Würdigung zulassen, da eine Beweisvereitelung nicht vorläge. Es müsste hier ein missbilligenswertes Verhalten auf Beklagten vorgelegen haben, welches darauf gerichtet gewesen sein müsste, die Beweislage des Gegners in einem laufenden oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 11.06.2015 . I ZR 226/13 -). Da hier die Kriminalpolizei vor der Entsorgung des Motorrollers unter Erstellung einer umfassenden Fotodokumentation eine Untersuchung auf mögliche Brandursachen vorgenommen habe, habe für den Beklagten zu 1. keine Veranlassung mehr bestanden, den Motorroller für weitere Untersuchungen vorzuhalten, zumal sich die Klägerin erst rund vier Jahre nach dem Vorfall darauf berufen habe, dass es auf ein weitere Untersuchung der Motorrollers ankäme.

Lasse sich nicht feststellen, dass der Brand des Motorrollers und in dessen Folge der Transformatorenstation auf einen technischen Defekt des Motorrollers oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist, sei der Nachweis nicht geführt, dass sich der Schaden durch den Betrieb des Motorrollers des Beklagten zu 1. verwirklichte und sei eine Haftung der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG zu verneinen. Ein Inbrandsetzen des Motorrollers durch eine Drittursache bzw. einen unbekannten Dritten würde die Haftung aus der Betriebsgefahr nach § 7 StVG nicht auslösen. Dies würde nämlich voraussetzen, dass es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln würde, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift  schadlos gehalten werden soll, d.h. dass die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren fallen müsse, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sein (BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 1234/20 -).

Hanseatisches OLG Bremen, Hinweisbeschluss vom 05.07.2023 - 1 U 12/23 -

Montag, 19. Juli 2021

Betriebsgefahr nach § 7 StVG bei Baumfällarbeiten mit Hilfe eines Traktors

Immer wieder haben Gerichte festzustellen, ob sich bei einem Schadensfall die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs als verschuldensunabhängige Betriebsgefahr iSv. § 7 Abs. 1 StVG darstellt. Dabei geht es häufig um die Frage, ob das Kraftfahrzeug als Fortbewegungs- und Transportmittel oder als Arbeitsmaschine genutzt wurde. So auch in dem hier vorliegenden  Fall der Nutzung eines Traktors im Zusammenhang mit einer Baumfällung. 

Der Antragsteller (AS) wurde vom Antragsgegner zu 1. (AG 1) gebeten, mehrere trockene Bäume auf dem Grundstück AS zu fällen. Im Rahmen dessen legte der AG 1 eine Kette um einen Baum und befestigte diese an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und ich anschließend, nach der Fällung, abzutransportieren. Der Traktor, der bei der Antragsgegnerin zu 2. (AG 2) haftpflichtversichert war, war bei diesem Vorgang auf der an das Grundstück angrenzenden öffentlichen Straße abgestellt. Der AS, der vom AG 1 angewiesen wurde, den Baum möglichst weit unten abzusägen, sägte den Baum ab, der dann auf der (abgesperrten) Straße neben dem Führerhaus des Traktors landete und sich aufgrund seiner Länge an einem Zaun und einem Busch verkeilte. Der Versuch, diesen mit dem Traktor frei zu bekommen scheiterte, weshalb der AG 1 den AS aufforderte, die Spitze der Tanne abzusägen. Bei dieser Arbeit brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch den vorangegangenen Versuch der Lösung mittels Traktors erhöht war, wodurch der AS nach hinten geschleudert wurde und sich erhebliche Verletzungen zuzog. Er beabsichtigte eine Schadensersatzklage gegen die AG 1 und AG 2 und beantragte dazu die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die das Landgericht (LG) versagte. Die dagegen eingelegt Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Der AS stützte seinen Anspruch auf § 7 Abs. 1 StVG (im Hinblick auf die AG 2 iVm. § 115 Abs. 1 VVG). Das OLG folgte der Annahme des LG, dass für die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestünde, was u.a. Voraussetzung für die Bewilligung der PKH wäre.

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf das Tatbestandmerkmal des § 7 Abs. 1 StVG ab, wonach sich der den Anspruch begründende Schadensfall „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ ereignet haben müsste. „Bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges sei ein Schaden dann entstanden, wenn sich in dem Schaden die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirkliche. Dies verlange, dass das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug geprägt oder jedenfalls mitgeprägt sein müsse. Ferner müsse es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll; dies setze voraus, dass die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren fallen müsse, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei.

Dies zugrunde legend käme es darauf an, dass der Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stünde (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 -).  Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion wäre damit erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Fahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Tramsport dienende Maschine bestünde, was sich aus § 1 Abs. 2 StVG ergäbe. Wenn aber die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle spiele und das Fahrzeug nur als Arbeitsmaschine eingesetzt worden sei oder sich eine Gefahr aus einem nicht der Betriebsgefahr zuzuordnenden Gefahrenkreis verwirkliche entfalle die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG (BGH, Urteil vom 24.03.2015 - V ZR 265/14 -). Verwirkliche sich die Gefahr  während der Fahrt bei Verrichtung bestimmungsgemäßer Arbeiten einer fahrbaren Arbeitsmaschine sei allerdings der Betrieb iSv. § 7 StVG zu bejahen.

Danach habe sich hier nicht das Risiko des § 7 StVG verwirklicht. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die Straße, auf der sich der Traktor befunden habe, für die Arbeiten für den gesperrt gewesen sei. Ein ursprünglich geplanter Abtransport des Baumes mittels des Traktors sei aufgrund der Stammlänge des Baumes nicht möglich gewesen. Deshalb sei der konkrete zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt gewesen. Hinzu käme, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach dem erfolglosen Versuch des Wegziehens bzw. -drückens des Stammes bei den nachfolgenden Sägearbeiten des AS eingetreten sei. Bei dem Versuch des Wegziehens bzw. -drückens mittels des Traktors habe die Funktion des Traktors als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden; de Schadensablauf sei nicht durch den Betrieb des Traktors iSv. § 7 StVG geprägt worden.

Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. Vertrag würden nicht bestehen, da es dafür an den Voraussetzungen ermangele (Anm.: so einem fehlenden Verschulden), was auch im Rahmen der Beschwerde nicht weiter geltend gemacht worden sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 18.05.2021 - I-9 W 14/21 -

Donnerstag, 8. Oktober 2020

Verschuldensunabhängige Haftung bei E-Scootern ?

 

Anlässlich eines Verkehrsunfalls musste sich das LG Münster damit auseinandersetzen, ob für einen am Unfall Beteiligten Fahrer eines E-Scooters die Gefährdungshaftungsnormen der §§ 7, 17 StVG greifen. Der E-Scooter hatte in amtliches Kennzeichen und war über die Beklagte zu 2. zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversichert gewesen. Bei dem E-Scooter handelte es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV, welches bauartbedingt nicht schneller als 20km/h auf ebener Strecke fahren kann.

Vorliegend könnte dem Fahrer des E-Scooter nicht nachgewiesen werden, dass er den Unfall schuldhaft verursachte oder mitschuldhaft verursacht hatte. Von daher schied die Haftung der Beklagten nach § 823 BGB aus.

Damit kamen als Anspruchsgrundlage an sich nur §§ 7 und 17 StVG in Betracht. Nach § 7 StVG haftet der Fahrzeughalter für die von seinem Fahrzeug ausgehende Gefährdung; nach § 17 Abs. 3 StVG muss er sich zur Vermeidung einer Mithaftung grundsätzlich dahingehend exkulpieren, dass der Unfall für ihn unabwendbar war. Gelingt die Exkulpation nicht, ist regelmäßig eine quotale Mithaftung anzunehmen. Hier aber verwies das Landgericht zutreffend auf § 8 StVG: Nach § 8 Abs.1 1 StVG greift die in § 7 StVG normierte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nämlich dann nicht, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wird, welches auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20km/h fahren kann. Dies sei vorliegend einschlägig.

Gemäß § 1 eKFV sind danach Elektrokleinstfahrzeuge Fahrzeuge mit einem elektrischen Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit zwischen 6km/h und 20km/h, weshalb sie aus der Gefährdungshaftung gem. § 8 StVG herausfallen. Der E-Scooter als batteriegetriebener Roller ist damit zwar ein Kraftfahrzeug, für ihn ist aber bei einer Geschwindigkeit nach Maßgabe des § 1 eKFV die gefährdungshaftungsnorm des § 7 StVG gem. § 8 StVG nicht einschlägig.

LG Münster, Urteil vom 09.032020 - 08 O 272/19 -

Dienstag, 8. September 2015

Verkehrsunfall: Steinschlag bei Mäharbeiten am Strassenrand

Bild: „Unimog U 400 (2)“ von Joost J. Bakker from IJmuiden - Unimog U 400.
Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia 
Bei Mäharbeiten können Steine aufgewirbelt werden. Erfolgen die Mäharbeiten in der Nähe einer Straße (oder im Bereich des sogenannten Straßenbegleitgrüns) kann es durch aufgewirbelte Steine leicht zu Schäden an vorbeifahrenden Fahrzeugen (sei es Lackschäden, sei es die Beschädigung von Scheiben) kommen. Allerdings ist nicht gesichert, dass hier  - auf wenn im Falle der Mäharbeiten bedingt durch das genutzte Fahrzeug -  eine Haftung nach § 17 StVG entsteht. Liegt nämlich eine Unabwendbarkeit iSv. § 17 Abs. 3 StVG vor, ist eine Haftung ausgeschlossen.


Unter diesem Gesichtspunkt hat das OLG Hamm eine Klage abgewiesen. Die Mäharbeiten wurden an einer Straße von dem zuständigen Straßenbaulastträger ausgeführt. Bei dem zum Einsatz gebrachten Mähgerät handelte es sich um ein solches, welches selbst über Sicherheitsvorrichtungen verfügte, nach denen ein Schadenseintritt als unwahrscheinlich anzusehen war. Dann aber, so das OLG, wären zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nicht erforderlich, da auch von der zu mähende Fläche keine Besonderheiten ausgegangen wären.

Vor diesem Hintergrund könne es auch nicht zu einer Haftung aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht kommen, da  - wenn wie hier eine Exkulpation nach § 17 Abs. 3 StVG gegeben ist -  kein Raum mehr für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht als Anspruchsvoraussetzung nach § 823 BGB wäre. 

Die Klage wurde damit in beiden Instanzen abgewiesen.

OLG Hamm, Urteil vom 03.07.2015 – 11 U 169/14 -