Die Klägerin wurde durch einen abgebrochenen Ast einer Rostkastanie im städtischen Park schwer verletzt. Das Landgericht wies die Klage ab. Die eingelegte Berufung wurde vom OLG als unbegründet zurückgewiesen. Dabei ging es in der Sache um die Frage, wie weit die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht für Bäume in einem Stadtpark reichen.
Der für einen Baum Verantwortliche sei verpflichtet, notwendige und zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um eine von dem Baum ausgehende Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urteil vom 02.10.2012 - VI ZR 311/11 -). Diese Pflicht sei im Wald insoweit eingeschränkt, als eine Sicherung vor waldtypischen gefahren nicht erfolgen müsse (BGH aaO.). Im Übrigen käme es auf die Umstände des Einzelfalls und der Zumutbarkeit an. Maßgeblich seien dabei der Umfang des Verkehrs, der Standort und Veränderungen im Baumumfeld sowie Art, Entwicklungsphase und Alter des Baumes. Je größer die vom Baum ausgehende Gefahr sei, desto höher seien die Anforderungen an den Inhalt der Verkehrssicherungspflicht. An Straßen und Wegen seien danach konkret gefährdende Bäume zu entfernen, insbesondere wenn sie nicht mehr standscher seine oder herabzustürzen drohen würden. Allerdings, so das OLG, würden alle Bäume abstrakt eine Gefahr darstellen; völlig gesunde Bäume könnten bei einem Sturm (auch ohne außergewöhnliche Windstärke) entwurzelt oder geknickt werden oder etwas von ihnen abbrechen, wie auch Schneeauflagen und starker Regen zum Abbrechen selbst starker Äste führen könnten. Aber es sei auch nichts stets eine Erkrankung eines Baumes äußerlich sichtbar. Diese ganzen Umstände würden es nicht gebieten, alle Bäume aus der Nähe von Straßen, Plätzen und Wegen zu entfernen, auch nicht in einem Park. Es sei auch keine besonders gründliche Untersuchung aller Bäume notwendig.
Es könne für die notwendige Sicherung nicht darauf abgestellt werden, was zur Beseitigung jeder Gefahr erforderlich wäre. Der Verkehr könne nicht völlig risikolos gestaltet werden. Es müsse als unvermeidlich hingenommen werden, dass gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstünden, sondern auf Gegebenheiten der Natur selbst beruhen würden (Anm.: allgemeines Lebensrisiko). Ausreichend sei daher eine Kontrolle des Verpflichteten, die außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen des Baumes oder Frostrisse, eine Untersuchung beinhaltet, wo besondere Umstände sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen ließen. Dazu würden das Alter des Baumes, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau oder ähnliches gehören (BGH, Urteil vom 06.03.2014 - III ZR 352/13 -; OLG Frankfurt, Urteil vom 11.05.2023 - 1 U 310/20 -).
Entsprechend müssten die Sicherungspflichtigen die entsprechenden Bäume regelmäßig beobachten und auf Gefahrenzeichen hin kontrollieren, die ggf. eine eingehendere Untersuchung gebieten. Das OLG wies darauf hin, dass zur Kontrolldichte (den Kotrollintervallen) verschiedene Ansichten vertreten würden. So würde von halbjährlichen Kontrollen ausgegangen, der BGH allgemein dies vom Alter, Standort und Zustand abhängig machen, teilweise nach der FLL-Richtlinie ein jährlicher Intervall als ausreichend angesehen, wobei die Richtlinie weiter differenzieren würde und die jährliche Kontrolle nur bei stärker geschädigten Bäumen in der Reife- und Alterungsphase fordere, ansonsten nur alle zwei bis drei Jahre.
Das OLG ließ offen, in welchem Intervall hier eine Baumkontrolle (in einem Park, in dem der Baum an einem Fuß- und Radweg stand) notwendig gewesen wäre. Es läge sogar in Ansehung eines vorgelegten Auszugs aus der „Archikart Baumverwaltung“ nähe, dass der danach leicht geschädigte Baum nicht in den fachlich gebotenen Abständen kontrolliert worden sei. Danach hätte der Baum nach einer Kontrolle im Februar 2017 in spätestens zwei Jahren neuerlich kontrolliert werden müssen, was nicht erfolgt sei. Auch ließ es das OLG dahinstehen, ob die Kontrollen überhaupt hinreichend waren.
Hier wurde im Urteil die unterschiedliche Darlegungs- und Beweislast zwischen dem Baumverantwortlichen und dem (geschädigten) Kläger deutlich. Der Baumverantwortliche muss darlegen und nachweisen, dass er seiner Kontrollverpflichtung nachgekommen ist und dabei keine Baumschädigung feststellen konnte, die letztlich zu dem Schadensfall führte. Kam er der Verpflichtung nicht nach (oder kann er dies nicht nachweisen), ist aber die Schadenersatzklage gegen ihn noch nicht dem Grunde nach begründet. Zutreffend verwies das OLG (unter Bezugnahme u.a. auf das Urteil des BGH von 04.03.2004 – III ZR 225/03 – darauf, dass ein (evtl. infolge der Beweislast anzunehmendes oder auch nachgewiesenes) Unterlassen regelmäßiger Kontrolle für den Schaden kausal geworden sein müsste. Dabei kämen dem Geschädigten keine Beweiserleichterungen zugute; insbesondere würde auch kein Beweis des ersten Anscheins dafür streiten, dass bei einer häufigeren oder intensiveren Kontrolle der Unfall vermieden worden wäre. Es bestünde nach der Lebenserfahrung keine Wahrscheinlichkeit, dass bei einer normalen Sichtkontrolle – ggf. gar mehrere Monate vor dem Schadensfall – Krankheitsymptome oder andere Anzeichen einer besonderen Bruchanfälligkeit vorliegen.
Dass hier die beklagte Partei rechtzeitig hätte eine Schädigung des Baumes feststellen können, und damit die Gefahr ausräumen können, wurde auch von einem eingeholten Sachverständigengutachten nicht bestätigt. Anders als die Klägerin annehme, stünde nicht fest, dass der Ast aufgrund seiner – bei einer Regelkontrolle erkennbaren – besonderen Länge und Windexposition brach. Der Sachverständige habe dies nur vermuten, nicht aber an tatsächlichen Gegebenheiten festmachen können (Anm.: was nach § 286 ZPO nicht ausreichend ist). Der Umstand, dass sich nun nach vier Jahren nach dem Vorfall der Baum als deutlich geschädigt und zu fällen zeige, ließe keine Rückschlüsse auf den Zustand zum Zeitpunkt des Vorfalls zu.
OLG Brandenburg, Urteil vom
08.01.2024 - 2 U 10/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das
Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin – Einzelrichterin – vom 7.
März 2023 zum Aktenzeichen 5 O 276/20 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der
Berufung.
3. Dieses und das landgerichtliche Urteil
sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.494,76 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin
begehrt Schadensersatz wegen vermeintlich unzureichender Baumkontrollen durch
die beklagte Stadt. Sie wurde am 12. Juni 2019 durch einen abgebrochenen Ast
einer Rosskastanie im städtischen Landgrabenpark sehr schwerwiegend verletzt.
Das Landgericht
hat die Klage durch Urteil vom 7. März 2023 abgewiesen, auf dessen
tatsächlichen Feststellungen im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird. Zur Begründung heißt es, der
Klägerin stehe kein Amtshaftungsanspruch zu. Die Beklagte sei zwar für den Baum
verkehrssicherungspflichtig und müsse folglich den Baum oder Teile von ihm
entfernen, wenn sie den Verkehr gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr
standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Es habe ihr oblegen, ausreichend
Vorsorge zu treffen und den Baum regelmäßig einer sorgfältigen äußeren
Gesundheits- und Zustandsprüfung zu unterziehen. Ob das geschehen sei, könne
offenbleiben. Denn jedenfalls habe die Klägerin nicht beweisen können, dass bei
einer solchen Kontrolle eine Schädigung entdeckt worden wäre. Der gerichtliche
Sachverständige habe aus den ihm vorliegenden Informationen nichts derartiges
ableiten können. Dementsprechend sei die Beklagte auch nicht verpflichtet, die
Kontrollberichte vorzulegen. Da weder Baum noch Ast Krankheitsanzeichen
aufwiesen und auch kein außergewöhnlich starker Wind geherrscht habe, komme als
Ursache des Abbrechens nur in Betracht, dass der Ast besonders weit aus der
Krone herausgeragt habe. Dies auf der Basis der Kontrollberichte herauszufinden,
sei aber eine unzulässige Ausforschung.
Das am 7. März
2023 verkündete Urteil ist der Klägerin am 8. März 2023 zugestellt worden. Sie
hat am 6. April 2023 Berufung eingelegt und am 8. Mai 2023 auf Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. Juni 2023 angetragen, was ihr gewährt
worden ist. Die Berufungsbegründung ist an diesem Tag eingegangen.
Die Klägerin
ist der Auffassung, die Beklagte habe nicht nur ihre Pflicht verletzt, die
ihrer Verantwortung unterliegenden Bäume in angemessenen Zeiträumen auf
Gefahrenanzeichen zu kontrollieren. Die in Rede stehende ältere Rosskastanie
sei nach der zum Unfallzeitpunkt maßgeblichen Baumpflegerichtlinie wenigstens
jährlich zu kontrollieren gewesen, und zwar im belaubten und im unbelaubten
Zustand. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen, selbst ein zweijährliches
Kontrollintervall sei nicht eingehalten. Auch inhaltlich habe die Kontrolle
nicht den maßgeblichen Richtlinien entsprochen. Bei einer ordnungsgemäßen,
rechtzeitigen Kontrolle wäre das als einzige Abbruchursache verbliebene
Herausragen des langen Astes aus der Krone und damit eine besondere Windanfälligkeit
des schweren Astes aufgefallen. Die Beklagte sei zudem verpflichtet gewesen,
die Kontrollen sachgerecht zu dokumentieren, was sie ebenfalls nicht getan
habe. Darüber habe sie pflichtwidrig den abgebrochenen Ast nicht vollständig,
sondern nur teilweise aufbewahrt und dem Gutachter zugänglich gemacht und so
ihr – der Klägerin – wenigstens fahrlässig die Möglichkeit genommen, die
besondere, schon vor dem Unfall augenscheinliche Windanfälligkeit des Astes zu
beweisen. Der Beklagten müsse bekannt sein, dass bei Baumpflegekontrollen auch
die Wuchsform und -richtung von Ästen zu beurteilen seien. Die entsprechenden
Feststellungen seien nun nicht mehr möglich, nachdem dem Gutachter nur noch
wahllos vier Teile des Astes vorgelegt worden seien. Die wenigstens fahrlässige
Beweisvereitelung durch die Beklagte müsse zu einer Umkehr der Beweislast
führen, oder wenigstens eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten begründen.
Noch nach dem Unfall habe der Baum einen herausragenden Ast gehabt, der dem
Winddruck besonders ausgesetzt und daher bruchgefährdet gewesen sei. Der Baum
sei auch intern geschädigt gewesen und habe dies mit verfärbten Blättern
gezeigt, weshalb er am 10. November 2023 schließlich gefällt worden sei.
Die Klägerin beantragt:
I. Das Urteil des Landgerichts Neuruppin
vom 07.03.2023, Az: 5 O 276/20 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die
Kosten für ein Handbike Küschall K-Series DKA0067 in Höhe von 7.494,76 € nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die
Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 816,64 € nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
IV. Hilfsweise wird beantragt das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 07.03.2023, Az: 5 O 276/20 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an das Landgericht Neuruppin zurückzuverweisen.
V. Hilfsweise wird beantragt die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt
das landgerichtliche Urteil. Die Klage sei zu Recht abgewiesen worden. Die
ursprüngliche Behauptung der Klägerin, Ursache des Unfalls sei ein
offensichtlich morscher Ast gewesen, habe sich ebenso wenig bestätigt wie ihre
dann aufgestellte weitere Behauptung, zahlreiche Blätter hätten braune Stellen
gehabt und einen Pilzbefall angezeigt. Nichts davon habe sich in der
Beweisaufnahme bestätigt. Das Gutachten sei nicht zu beanstanden, dem
Sachverständigen hätten alle Informationen und die noch vorhandenen Baumteile
vorgelegen. Er habe auch nicht feststellen können, dass der Ast wegen seiner
Schwere abgebrochen sei. Ursache sei vielmehr ein heftiger Sturm mit Windstärke
10 gewesen, dem auch gesunde Bäume nicht immer standhalten könnten. Eine zu weite
Ausladung des Astes sei nur vermutet aber nicht erwiesen.
Der Senat hat
den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. September 2023 dem Berichterstatter zur
Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
II.
Die zulässige,
insbesondere rechtzeitig im Sinne der §§ 517 und 520 ZPO eingelegte und
begründete Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls
im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte
Schadensersatzanspruch nicht zu.
1.
Es kann
dahinstehen ob, wovon augenscheinlich das Landgericht ausging, die
Verkehrssicherungspflicht der Beklagten für den fraglichen Baum als ihre
Amtspflicht im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 GG
ausgestaltet ist, oder sie nicht vielmehr gegebenenfalls kraft Privatrechts
nach § 823 Abs. 1 BGB für ihre Verletzung haftet.
Zu den
Amtspflichten in diesem Sinne gehört unter anderem die Einhaltung einer kraft
Gesetzes öffentlich-rechtlich ausgestalteten Verkehrssicherungspflicht,
namentlich der Straßenverkehrssicherungspflicht (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.
Dezember 1972 – III ZR 121/70, BGHZ 60, 54 = NJW 1973, 460; Reinert, in:
Beck‘scher Online-Kommentar zum BGB, 66. Edition mit Stand 1. Mai 2023,
§ 839 BGB Rdnr. 68 und 70). Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des
Brandenburgischen Straßengesetzes (BbgStrG) obliegen die mit dem Bau und der
Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen
einschließlich der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben den
Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflichten in Ausübung
hoheitlicher Tätigkeit. Dies betrifft die Straßen, für die die Beklagte als
Gemeinde die Straßenbaulast trägt. Hierzu gehören nach § 9a Abs. 1
Satz 3 BbgStrG die Gemeindestraßen sowie nach Satz 5 der Vorschrift
diejenigen öffentlichen Straßen, deren Straßenbaulastträger nicht feststellbar
ist. Hierzu können auch solche Wege zählen, die – ohne Straßen im Sinne des
Straßengesetzes zu sein – durch die Gemeinde als Sachherrin dem öffentlichen
Verkehr gewidmet wurden. Denn eine Gemeinde kann als Sachherrin auch durch
einen verlautbarten Organisationsakt ihren Willen, die ihr obliegende
Verkehrssicherung in den Formen und nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu
erfüllen, zum Ausdruck bringen (Senat, Beschluss vom 4. Oktober 2022 – 2 U
23/22 –). Die Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers umfasst auch
den Schutz vor Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen, sei es durch
Herabfallen von Teilen eines Baumes, sei es durch Umstürzen eines Baumes selbst
(Senat, Urteil vom 1. Juli 2008 – 2 U 30/06 –).
Es kann
offenbleiben, ob der kombinierte Fuß- und Radweg durch den L…park, an dem der
fragliche Baum steht, eine sonstige öffentliche Straße im Sinne des § 3
Abs. 5 Nr. 1 BbgStrG deshalb ist, weil er als öffentlicher Weg
gewidmet wurde. Hierzu hat weder das Landgericht Feststellungen getroffen, noch
haben die Parteien etwas hierzu vorgetragen. In jedem Fall oblag der Beklagten
als Sacheigentümerin nach den gleichen Maßstäben die Sicherung des Verkehrs auf
dem Weg vor den Gefahren, die von dem Baum ausgingen (vgl. BGH, Urteil vom 2.
Oktober 2012 – VI ZR 311/11 –, BGHZ 195, 30 = NJW 2013, 48; OLG Saarbrücken,
Urteil vom 16. März 2017 – 4 U 126/16 –, Rdnr. 21 bei juris).
2.
Der – kraft
Sachherrschaft oder kraft gesetzlichen Auftrags zur Straßenunterhaltung – für
einen Baum Verantwortliche ist verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren
Vorkehrungen zu treffen, um eine von dem Baum ausgehende Schädigung anderer
möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst
diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen
Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor
Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urteil
vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11 –, BGHZ 195, 30 = NJW 2013, 48). Im Wald
beschränkt dies die Sicherung vor waldatypischen Gefahren (BGH ebd.).
Der Umfang der
Sicherungspflicht richtet sich im Übrigen nach den Umständen des Einzelfalls
und der Zumutbarkeit. Maßgeblich sind insbesondere der Umfang des Verkehrs, der
Standort und Veränderungen im Baumumfeld sowie Art, Entwicklungsphase und Alter
des Baumes. Je größer die Gefahr ist, die von dem jeweiligen Baum ausgeht,
desto höher sind die Anforderungen, die an den Inhalt der
Verkehrssicherungspflicht zu stellen sind. In diesem Zusammenhang muss immer
auch das ökologische Interesse an der Erhaltung des Baumbestands mit einbezogen
werden (Tassarek-Schröder/Rönsberg in: Rotermund/Krafft, Kommunales
Haftungsrecht, 5. Auflage 2013, Rdnr. 695).
Insbesondere an
Straßen und Wegen sind danach Bäume oder Teile von ihnen zu entfernen, die den
Verkehr konkret gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher sind
oder herabzustürzen drohen. Allerdings stellt abstrakt jeder Baum eine mögliche
Gefahr dar. Einerseits können auch völlig gesunde Bäume vom Sturm, selbst bei
nicht außergewöhnlicher Windstärke, entwurzelt oder geknickt oder Teile von
ihnen abgebrochen werden; auch Schneeauflage oder starker Regen können zum
Absturz selbst von größeren Ästen führen. Andererseits ist die Erkrankung oder
Vermorschung eines Baums von außen nicht immer erkennbar. Das gebietet aber
nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen, Plätzen und Wegen,
zumal in einem Park wie vorliegend. Auch eine besonders gründliche Untersuchung
jedes einzelnen Baums ist nicht erforderlich. Der Umfang der notwendigen
Überwachung und Sicherung kann nicht an dem gemessen werden, was zur
Beseitigung jeder Gefahr erforderlich ist; es ist unmöglich, den Verkehr völlig
risikolos zu gestalten. Dieser muss gewisse Gefahren, die nicht durch
menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten der Natur selbst
beruhen, als unvermeidlich hinnehmen. Der Verpflichtete genügt daher seiner
Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn er – außer der stets gebotenen
regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder
Frostrisse – eine eingehende Untersuchung dort vornimmt, wo besondere Umstände
sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen lassen. Hierzu gehören das Alter des
Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein
statischer Aufbau oder ähnliches (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014 – III ZR
352/13 –, NJW 2014, 1588 = MDR 2014, 464; OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Mai
2023 – 1 U 310/20 –).
Um diese
Gefahrenanzeichen erkennen zu können, muss der Sicherungspflichtige die seiner
Verantwortung unterliegenden Bäume regelmäßig („laufend“, „wiederkehrend“, „hin
und wieder“) beobachten und auf Gefahrenanzeichen hin kontrollieren, die eine
eingehendere Untersuchung gebieten (BGH, Urteil vom 21. Januar 1965 – III ZR
217/63 –, NJW 1965, 815 = MDR 1965, 465; Urteil vom 4. März 2004 – III ZR
225/03 –, NJW 2004, 1381 = MDR 2004, 806; Urteil vom 6. März 2014 – III ZR
352/13 –, NJW 2014, 1588 = MDR 2014, 464). Die Rechtsprechung der
Oberlandesgerichte zum notwendigen Kontrollintervall ist uneinheitlich. Teils
wurde insbesondere in älteren Entscheidungen eine halbjährliche Kontrolle für
erforderlich gehalten, einmal in belaubtem und einmal in unbelaubtem Zustand
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. März 1990 – 18 U 228/89 –, VersR 1992, 467;
Urteil vom 25. April 1996 – 18 U 150/95 –, NVwZ-RR 1997, 25 = VersR 1997, 463;
OLG Schleswig, Urteil vom 9. November 1994 – 12 U 22/93 –, MDR 1995, 148; OLG
Hamm, Urteil vom 4. Februar 2003 – 9 U 144/02 –, NJW-RR 2003, 968 = MDR 2003,
932; (OLG München, Urteil vom 7. August 2008 – 1 U 5171/07 –). Dies wurde auch
der Rechtsprechung des Senats zugrunde gelegt (Senat, Urteil vom 12. Februar
2002 – 2 U 37/01 –, NVwZ-RR 2002, 746 = OLGR Brandenburg 2002, 201; Urteil vom
16. April 2002 – 2 U 17/01 –, OLGR Brandenburg 2002, 411 = NJ 2002, 546; Urteil
vom 1. Juli 2008 – 2 U 30/06 –, NJ 2008, 466). Der BGH hat diese Frage zunächst
offengelassen (BGH, Urteil vom 4. März 2004 – III ZR 225/03 –, NJW 2004, 1381 =
MDR 2004, 806, Rdnr. 6 bei juris) und später, gestützt auf neuere
baumpflegerische Erkenntnisse, das notwendige Kontrollintervall von dem Alter
und Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig gemacht, so dass sich die
Frage nicht generell beantworten lasse (BGH, Urteil vom 2. Juli 2004 – V ZR
33/04 –, BGHZ 160, 18 = NJW 2004, 3328; dem folgend Brandenburgisches
Oberlandesgericht, Urteil vom 18. Oktober 2007 – 5 U 174/06 –, Rdnr. 25 bei
juris). In neueren Urteilen wird entsprechend unter Heranziehung der
sogenannten FLL-Richtlinie eine grundsätzlich nur noch einmal jährlich
vorzunehmende Kontrolle verlangt (OLG Köln, Urteil vom 29. Juli 2010 – I-7 U
31/10 –, VersR 2010, 1328; OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Mai 2023 – 1 U 310/20
–, Rdnr. 14 bei juris; noch offengelassen in Senat, Urteil vom 15. Januar 2019
– 2 U 49/17 –, NJW-RR 2019, 343). Die Richtlinie differenziert sogar, den
Maßstäben des Bundesgerichtshofs entsprechend, noch stärker und fordert aus
fachlicher Sicht eine jährliche Kontrolle nur bei stärker geschädigten Bäumen
in der Reife- und Alterungsphase, die einer gesteigerten berechtigten
Sicherungserwartung des Verkehrs unterliegen. Anderenfalls genüge eine
Kontrolle alle zwei bis drei Jahre (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung
Landschaftsbau e. V. – FLL –, Baumkontrollrichtlinien – Richtlinien für
Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen, Ausgabe
2010, Abschnitt 5.3.2; ebenso die überarbeitete Ausgabe von 2020 in Abschnitt
5.2.3).
3.
Es kann
offenbleiben, in welchem Intervall der hier in Rede stehende Baum in einem
öffentlichen Park an einem Fuß- und Radweg zu kontrollieren war, zu dessen
Verkehrsbedeutung keine Partei vorgetragen hat. Nach dem von der Beklagten
nunmehr vorgelegten Auszug aus der „Archikart Baumverwaltung“ liegt nahe, dass
die Beklagte den leicht geschädigten „Altbaum“ nicht in den fachlich gebotenen
Abständen kontrolliert hat. Sie nahm nach einer Kontrolle im Februar 2017
selbst an, dass der Baum nach spätestens zwei Jahren erneut zu kontrollieren
sei. Damit entsprach sie der Empfehlung der FLL-Baumpflegerichtlinie für leicht
geschädigte Bäume der Alterungsphase an Orten mit geringerer berechtigter
Sicherheitserwartung des Verkehrs. Tatsächlich kontrollierte die Beklagte den
Baum bis zum Unfall im Juni 2019 nicht, obgleich die Richtlinie einer
Überschreitung des Regelintervalls um mehr als drei Monaten entgegentritt (ebd.
Abschnitt 5.3.2.2 a. E.). Ebenfalls dahinstehen kann, ob die vorgenommenen
Kontrollen hinreichend waren oder nicht, wie die Klägerin annimmt. Denn
jedenfalls ist die Kausalität eines etwaigen Pflichtverstoßes nicht
festzustellen.
4.
a)
Auch eine
pflichtwidrige Unterlassung war schadenskausal und ist haftungsbegründend nur
dann, wenn eine regelmäßige Kontrolle zur Entdeckung der von dem Baum etwa
aufgrund einer Schädigung ausgehenden Gefahren geführt hätte (BGH, Urteil vom
4. März 2004 – III ZR 225/03 –, NJW 2004, 1381 = MDR 2004, 806, Rdnr. 6 bei
juris; Senat, Urteil vom 15. Januar 2019 – 2 U 49/17 –, Rdnr. 23 bei juris; OLG
Celle, Urteil vom 12. Juli 2012 – 8 U 61/12 –, NJW-RR 2013, 84, Rdnr. 29 bei
juris). Beweiserleichterungen kommen einer Geschädigten dabei grundsätzlich
nicht zugute. Es streitet nicht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass bei
einer häufigeren und intensiveren Kontrolle des Baumes der
streitgegenständliche Unfall hätte vermieden werden können. Darlegungs- und beweisbelastet
ist sowohl für die Amtspflichtverletzung und für den Schaden wie für die
kausale Schadenszufügung die durch die behauptete Amtspflichtverletzung
Geschädigte. Zwar gilt grundsätzlich, dass die Geschädigte bei Feststehen der
Amtspflichtverletzung und des zeitlich nachfolgenden Schadens der öffentlichen
Körperschaft den Nachweis überlassen kann, dass der Schaden nicht auf die
Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Das gilt aber nur dann, wenn nach der
Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche
Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht; anderenfalls
verbleibt die Beweislast bei der Geschädigten (BGH ebd. Rdnr. 10). Bei
Schädigungen durch Astbruch oder das Umstürzen eines Baumes besteht keine
Vermutung oder tatsächliche Wahrscheinlichkeit nach der Lebenserfahrung, die
einen Anscheinsbeweis zugunsten der Geschädigten begründen könnte. Dies würde
einen typischen Geschehensablauf voraussetzen. Das Abbrechen eines Astes wie
auch das Umstürzen eines Baumes kann aber vielfältige Ursachen haben. Es gibt
keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach ein Ast oder Baum, bevor er abbricht,
bei einer normalen Sichtkontrolle und schon gar nicht mehrere Monate zuvor,
Krankheitssymptome oder andere Anzeichen einer besonderen Bruchanfälligkeit
aufweisen muss (BGH ebd.; OLG Celle ebd.).
b)
Dies zugrunde
gelegt, ist die Unfallursächlichkeit der – unterstellten – Unzulänglichkeit der
durch die Beklagte vorzunehmenden Kontrollen nicht festzustellen.
Der durch das
Landgericht beauftragte Sachverständige hat nach eingehender Untersuchung des
Baumes und der Überreste des abgebrochenen Astes keinerlei äußerlich erkennbare
Krankheitsanzeichen festzustellen vermocht. Im Gegenteil wertete er die
splittrige Bruchstelle als ein Anzeichen für den Bruch von intaktem Holzgewebe.
Auch ein für den Bruch des Astes relevanter Befall der Blätter mit der
Miniermotte oder einem Pilz schloss er aus. Der Baum habe ferner weder durch
seine – nicht ungewöhnliche – Höhe noch durch die – übliche – Dichtheit der
Krone weitergehende Untersuchungen geboten. Es sei möglich, dass der fragliche
Ast wüchsig gewesen sei und aus der Krone herausgeragt habe und so einem
Windangriff besonders ausgesetzt gewesen sei. Ob dies aber tatsächlich der Fall
gewesen sei, könne er ohne weitere Erkenntnisse nicht beurteilen. Dies
bekräftigte er in seiner mündlichen Anhörung im Termin vor dem Landgericht vom
19. Januar 2023 auch mit Blick auf die besondere Wetterlage am Unfalltag.
Anders als die Klägerin annimmt, steht daher nicht fest, dass der Ast aufgrund
seiner – bei einer Regelkontrolle erkennbaren – besonderen Länge und
Windexposition brach. Der Sachverständige konnte dies nur vermuten, nicht aber
an tatsächlichen Gegebenheiten festmachen.
Dass der Baum
sich nun, mehr als vier Jahre nach dem Unfall, als deutlich geschädigt und
deshalb zu fällen zeigte, lässt keine Rückschlüsse auf den Zustand des Baumes
vor dem Unfall und auf die Erkennbarkeit etwaiger Anzeichen zu, die eine nähere
Untersuchung des Baumes erforderlich gemacht hätten. Ein Zusammenhang zwischen
der jetzt angenommenen Verfaulung und Aushöhlung des Baumes mit der vermuteten
besonderen Windexposition des Astes ist ohnehin nicht zu erkennen.
Umstände, die
für das Vorliegen der vom Sachverständigen als denkbar beschriebenen besonderen
Wuchsform sprechen, ergeben sich auch nicht aus den von der Klägerin hierfür in
Bezug genommenen und von der Beklagten nunmehr vorgelegten Kontrollprotokollen.
Sie beschränken sich für den 8. Februar 2017, der letzten Kontrolle vor dem
Unfall, auf die Angaben, der „Altbaum“ sei in der Entwicklungsphase 2, seine
Vitalität sei mit 2 (schwach geschädigt) einzuschätzen, und sein
Schädigungsgrad mit 2 (leichte Schäden). Die Verkehrssicherheit sei weder mit
Blick auf die Standsicherheit noch der Bruchsicherheit oder wegen des
Vorhandenseins von toten Ästen oder wegen einer „Gefahr im Verkehrsraumprofil“
gefährdet. Besonderheiten bestünden keine, eine eingehende Untersuchung sei
nicht erforderlich. Am 19. Oktober 2016 war es ihnen zufolge anlässlich der
vorherigen Kontrolle lediglich erforderlich, Totholz (in unbekanntem Ausmaß)
auszuschneiden. Zur Besonderheiten der Wuchsform des Baumes oder gar des in
Rede stehenden Astes treffen die Protokolle keine Aussagen.
Für einen
Anscheinsbeweis fehlt es wie erwähnt angesichts der vielfältigen möglichen
Ursachen eines Baum- oder Astversagens an einem typischen schadenskausalen
Lebenssachverhalt.
Ebenso wenig
besteht Anlass für eine Umkehrung der Beweislast. Der Beklagten fällt entgegen
der Auffassung der Klägerin keine Beweisvereitelung zur Last, die diese
beweisrechtliche Folge rechtfertigen könnte. Von einer Beweisvereitelung wird
gesprochen, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung
schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während
des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen
bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden. Eine
Beweisvereitelung kann aber auch in einem fahrlässigen Unterlassen einer
Aufklärung bei bereits eingetretenem Schadensereignis liegen, wenn damit die
Schaffung von Beweismitteln verhindert wird, obwohl die spätere Notwendigkeit
einer Beweisführung dem Aufklärungspflichtigen bereits erkennbar sein musste
(BGH, Urteil vom 23. September 2003 – XI ZR 380/00 –, NJW 2004, 222 = MDR 2004,
290, Rdnr. 13 bei juris). Der Bundesgerichtshof stützt sich hierfür auf eine
Gesamtanalogie auf die Vorschriften der §§ 371 Abs. 3, 427, 441
Abs. 3 Satz 3, 446, 453 Abs. 2 und 454 Abs. 1 ZPO (BGH,
Urteil vom 17. Juni 1997 – X ZR 119/94 –, NJW 1998, 79 = MDR 1998, 122; Ahrens,
Der Beweis im Zivilprozess, 1. Auflage 2015, Kapitel 8, § 30 Rdnr. 130),
bzw. auf die von § 286 ZPO geforderte Gesamtwürdigung aller Umstände: Der
Tatrichter hat nach dieser Vorschrift nicht nur das Ergebnis einer
Beweisaufnahme, sondern den gesamten Inhalt der Verhandlung zu würdigen. Dazu
gehören die Handlungen, Erklärungen und Unterlassungen einer Partei und damit
auch ein Verhalten einer Partei, das dazu führen kann, einen Beweis zu
verhindern oder zu erschweren und dadurch die Beweisführung des
beweispflichtigen Prozessgegners scheitern zu lassen. Ist von einer Beweisvereitelung
auszugehen, ist dies im Rahmen der Beweiswürdigung zum Nachteil des
Prozessgegners der beweispflichtigen Partei zu berücksichtigen. Dabei kann nur
ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten den mit beweisrechtlichen
Nachteilen verbundenen Vorwurf der Beweisvereitelung tragen. Der subjektive
Tatbestand der Beweisvereitelung verlangt dafür einen doppelten Schuldvorwurf.
Das Verschulden muss sich sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des
Beweisobjekts wie auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also
darauf gerichtet sein, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder
künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I
ZR 226/13 –, GRUR 2016, 88, Rdnr. 29, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 23.
September 2003 – XI ZR 380/00 –, NJW 2004, 222; Urteil vom 26. September 1996 –
III ZR 56/96 –, NJW-RR 1996, 1534). Derartiges wurde angenommen in einem Fall,
in dem die Pflichtige den Baum, dessen herab gefallener Ast einen Schaden
verursacht hatte, während des Rechtsstreits und vor der erforderlichen
Begutachtung durch einen Sachverständigen fällen und beseitigen ließ und damit
dem Kläger bewusst die Möglichkeit des Beweises einer Amtspflichtverletzung
nahm (Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 30. April 2008 – 1 U 4/08 –, OLGR
Bremen 2008, 488 = MDR 2008, 1061).
Liegen die
Voraussetzungen einer Beweisvereitelung vor, können nach der in der Literatur
teils in Frage gestellten (vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6.
Auflage 2020, § 286 ZPO Rdnr. 88), und für das Arzthaftungsrecht als nicht
passend bezeichneten (BGH, Urteil vom 27. April 2004 – VI ZR 34/03 –, NJW 2004,
2011) hergebrachten Formel des Bundesgerichtshofs Beweiserleichterungen
zugunsten der beweisbelasteten Partei in Betracht kommen, die unter Umständen
bis zur Umkehr der Beweislast gehen können. Die Beweisvereitelung durch den
Gegner der beweisbelasteten Partei führt dabei nicht bereits als solche zum
Verlust des Prozesses, sondern allenfalls dazu, dass ihr Verhalten im Rahmen
der freien Beweiswürdigung zu ihren Lasten gewürdigt werden kann. Die Annahme
einer Beweisvereitelung durch eine Partei rechtfertigt nicht die Annahme, dass
vom Vortrag der beweisbelasteten Partei auszugehen ist (BGH, Urteil vom 11.
Juni 2015 – I ZR 226/13 –, GRUR 2016, 88, Rdnr. 48).
In Anwendung
dieser Maßstäbe kann schon nicht festgestellt werden, dass die Beklagte derart
schuldhaft, vorwerfbar und in missbilligenswerter Art und Weise die
Beweisführung durch die Klägerin vereitelt hat, und hierbei schuldhaft sowohl
das Beweisobjekt zerstört wie seine Beweisfunktion beseitigt hat, dass sich die
Beweislast auf die Beklagte verlagern müsse. Der Umgang der Beklagten mit dem
Baum und seinem Ast war nicht einmal im Sinne von Fahrlässigkeit darauf
gerichtet, die Beweislage der Klägerin als ihrer möglichen Gegnerin in einem
absehbaren Prozess nachteilig zu beeinflussen. Anders als im angeführten Fall
des OLG Bremen stand nicht nur der fragliche Baum für die Begutachtung zur
Verfügung. Die Beklagte bewahrte sogar eigens den Ast selbst auf und eröffnete
dem gerichtlich bestellten Sachverständigen ohne weiteres den Zugang für die
Begutachtung. Sie hatte darüber hinaus von sich aus eine Untersuchung und
fotografische Dokumentation des Baumes wie des Astes in die Wege geleitet,
deren Ergebnisse sie in den Prozess einführte und dem Sachverständigen
aushändigte. Kein anderes Ergebnis ergibt sich daraus, dass der Ast nicht in
Gänze, sondern offenbar nur in Bruchteilen dokumentiert und aufbewahrt wurde,
die zudem nicht die vollständige Rekonstruktion seines vorherigen Zustandes
ermöglichen. Dass die Größe bzw. Länge des Astes und seine Wuchsform und
-richtung maßgeblich für seine Wind- und damit Bruchanfälligkeit sein könnte,
kam im Prozess erstmals als Vermutung des Sachverständigen Wüstenhagen zur Sprache
(Gutachten vom 1. Juli 2022, S. 24 und 43), als schon längst Teile des
Astes entsorgt worden waren. Das ist der Beklagten nicht vorzuwerfen. Die
Klägerin vermutete selbst zunächst eine krankhafte Veränderung des Astes etwa
infolge Pilzbefall oder Fäule (Schriftsatz vom 31. März 2021, Bl. 48/49 f) oder
eine besondere Schwere des Astes (ebd. Bl. 48). Es gibt keine Anhaltspunkte
dafür, dass der Beklagten die Möglichkeit als naheliegend bewusst war oder sein
musste, dass der Ast aufgrund seiner Länge und besonderen Wuchsform
bruchanfällig gewesen ist, weshalb ihr deshalb die Aufbewahrung nur von Teilen
des Astes als missbilligenswert vorzuwerfen wäre. Die vollständige Gestalt des
Astes vor seinem Abbruch (bzw. kurz danach) ist eben unbekannt.
Eine – zumal
schuldhafte – Beweisvereitelung liegt entgegen der Auffassung der Klägerin
schließlich auch nicht darin, dass die Beklagte die ihr obliegenden
regelmäßigen Kontrollen der in ihrer Verantwortung stehenden Bäume nicht
entsprechend den fachlichen Leitlinien dokumentiert habe, wie die Klägerin
behauptet. Zwar ist ihr zuzugeben, dass nach Abschnitt 5.3.2.5 der erwähnten
FLL-Leitlinien die Baumkontrollen zu dokumentieren sind. Über die Kontrolle zur
Verkehrssicherung ist danach ein Nachweis zu führen, in dem neben dem Ort, dem
Datum und der Signatur vor allem die beurteilten Bäume, das Ergebnis der
Kontrolle sowie das weitere Vorgehen festzuhalten sind. Der Nachweis muss nach
den Richtlinien so geführt werden, dass er in Streitfällen als Beweismittel für
die Erfüllung der den Verantwortlichen obliegenden Sorgfaltspflicht
herangezogen werden kann. Schon aus der Formulierung „Erfüllung der
Sorgfaltspflicht“ wird deutlich, dass die Baumkontrollrichtlinien keine Pflicht
der Verantwortlichen begründen, eine Dokumentation um ihrer selbst willen bzw.
gar zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten Dritter zu erstellen und ihnen im
Streitfall zur Verfügung zu stellen. Die Dokumentation hat vielmehr die
Aufgabe, dem Pflichtigen einerseits die geordnete Erfüllung seiner Aufgabe und
andererseits ihm selbst den Nachweis erfolgter Kontrollen zu ermöglichen. Sie
ist nicht zu führen, um Dritten die Darlegung und den Beweis von
schadenskausalen Pflichtverletzungen zu erleichtern.
5.
Die
Kostenentscheidung folgt §§ 97 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 und 544
Abs. 1 Nr. 2 ZPO, die Streitwertentscheidung auf §§ 47 und 48
GKG.
Gründe im Sinne
des § 543 Abs. 2 ZPO, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
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