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Mittwoch, 1. März 2023

Erfüllungswirkung bei Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung ?

Kann der Schuldner seine Zahlungsverpflichtung erfüllen, wenn er seine Leistung unter einem Vorbehalt erbringt ? Nur um diese Frage ging es noch im Berufungsverfahren: Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hatte im Zusammenhang mit einer Schadensersatzforderung der Klägerin an diese € 19.187,08 gezahlt und dabei im Abrechnungsschreiben ausgeführt, dass die Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ und „ohne Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ erfolge. Die Klägerin meinte, dies stelle keine ordnungsgemäße Erfüllung dar und beantragte in dem Schadenersatzprozess gegen den Versicherungsnehmer als Beklagten die Feststellung, dass dieser keinen Rückforderungsanspruch habe. Das Landgericht hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) folgte dem im Ergebnis, negierte allerdings bereits ein Feststellungsinteresse der Klägerin iSv. § 256 ZPO.

Richtig sei im Grundsatz, dass infolge des von der Klägerin gegen den beklagten Versicherungsnehmer geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ein Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin (hier infolge des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 116 SGB X) bestünde. Würde mithin der beklagte den von seinem Versicherer gezahlten Betrag von der Klägerin zurückfordern, würde dieser ein Vermögensschaden drohen.  Allerdings habe der Beklagte keinen Rückzahlungsanspruch geltend gemacht. Für die hier erhobene negative Feststellungsklage sei erforderlich, dass hier der Beklagte als Schuldner eine entsprechende Bestandsbehauptung (“Berühmen“) der von der Klägerin verneinte und gegen ihn gerichteten Ansprüche aufstellen würde. Fehle es daran bei Klageerhebung oder entfalle dies im Laufe des Prozesses, sei bzw. würde die negative Feststellungsklage unzulässig. Die Klägerin habe ein solches Berühmen durch den Beklagten selbst nicht behauptet. Sie befürchte vielmehr eine Rückforderung durch den Versicherer des Beklagten, der die Zahlung leistete. Ob dies für ein „Berühmen“ ausreiche könne auf sich beruhen, da sich die negative Feststellungsklage nicht gegen den Versicherer richte und etwaige Rückforderungsansprüche auch nur dem Versicherer, nicht dem Beklagten zustehen würden.

Das Feststellungsinteresse würde aber der Klägerin bereits deshalb fehlen, da die auf die Klägerin übergegangenen, vom Versicherer gezahlten Schadensersatzansprüche durch Erfüllung erloschen seien, § 362 BGB. Nur wenn durch den erklärten Vorbehalt eine Erfüllung nicht eingetreten sei, würde ein rechtlich anerkanntes Feststellungsinteresse an der Nichtberechtigung zur Rückforderung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bestehen, damit durch Beseitigung des Vorbehalts tatsächlich Erfüllung eintrete.

Bei dem Vorbehalt sei zu unterscheiden:

Will der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegenwirken und damit die Wirkung des § 814 BGB ausschließen mit der Möglichkeit, das Gezahlte gem. § 812 BGB zurückfordern zu können, würde dies die Erfüllung nicht in Frage stellen (BGH, Urteil vom 24.11.2006 - LwZR 6/05 -). Der Gläubiger habe nach § 362 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch auf Erfüllung der Leistung, nicht aber auf ein Anerkenntnis des Bestehens der Forderung.

Leiste der Schuldner allerdings in der Weise unter Vorbehalt, dass dem Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsstreit auch die Beweislast für das Bestehen der Forderung treffe, würde dies die Schuldentilgung in der Schwebe halten und eine Erfüllung nach § 362 BGB ausschließen. Dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits (z.B. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel) leiste und einen Rechtsstreit gleichwohl fortsetze. Bei einer vorgerichtlichen Zahlung (wie hier) sei bei einem entsprechenden Vorbehalt keine Erfüllungswirkung anzunehmen, wenn der Schuldner zur Abwendung eines empfindlichen Übels leiste oder unter der Voraussetzung, dass die Forderung zu Recht besteht (BGH aaO.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).

Es sei bei der nach §§ 133, 157 BGB erforderlichen Auslegung der Erklärung im Zweifel davon auszugehen, dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gemeint ist. Dies sei auch hier der Fall. Die Ausführung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ solle klarstellen, dass die Forderung nicht anerkannt würde; mit der Formulierung „ohne Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ würde klargestellt, dass der streitige Anspruch zwar (teilweise) erfüllt würde, damit aber nicht die Anerkennung des Anspruchs verbunden sei sowie der erfüllte Anspruch möglicherweise unbegründet sei. Der Haftpflichtversicherer wollte mithin für den Fall einer etwaigen Rückforderung die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie den Rückforderungsausschluss des § 814 BGB vermeiden, was zulässig sei. Die Beweislast für den Bestand der Forderung sollte im Falle einer Rückforderung mithin nicht auf den Gläubiger verlagert werden, sondern verblieb bei der Versicherung.

Die Gläubigerin hätte die Annahme der Leistung durch den Versicherer auch nicht ablehnen können, ohne in Annahmeverzug zu geraten, da sie zwar einen Anspruch auf die Leistung hatte, nicht aber auf ein Anerkenntnis. Damit fehle es hier der Klägerin an einem Feststellungsinteresse.

Selbst wenn man sich vorstehender Ansicht nicht anschließen sollte, würde es hier der Klägerin an einem Feststellungssinteresse ermangeln, da der Beklagte für einen Rückforderungsanspruch nicht aktivlegitimiert wäre, da die Zahlung von dem Versicherer geleistet wurde. Bei der Zahlung durch den Versicherer handele es sich, wie in dem Anweisungsfällen, in deren Rahmen die Leistungskondiktion in den jeweiligen Leistungsbeziehungen (Deckungs- und Valutaverhältnis) zu erfolgen habe und nicht im Wege der Direktkondiktion zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger.  Bei der Zahlung des Versicherers an den Gläubiger des Versicherungsnehmers handele es sich um die Leistung eines Dritten gem. § 267 BGB, weshalb der Kondiktionsanspruch dem Versicherer zustehe (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XIII ZR 130/89 -), da dieser nach § 267 BGB eine fremde Verbindlichkeit in Erfüllung seiner Freistellungspflicht gegenüber dem beklagten geleistet habe. Es läge hier auch keine Anweisung des Versicherungsnehmers an den Versicherer vor, da der Versicherungsnehmer den Schadensfall an den Versicherer gemeldet habe,  damit dieser etwaige berechtigte Ansprüche des Geschädigten für ihn erfülle.

Die Anspruchsinhaberschaft des Rückforderungsanspruchs sei eine doppelrelevante Tatsache, dessen Fehlen sowohl die Zulässigkeit in Form des Feststellungsinteresses als auch die Begründetheit der Feststellungsklage betreffe. Hier sei ein Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten und damit ein rechtliches Intereses an der Feststellung des Nichtbestehens dieses Anspruchs gegen den Beklagten nicht schlüssig dargelegt worden; die doppelrelevante Tatsache sei bereits bei der Zulässigkeit relevant. Denn mit dem erstrebten Urteil gegen den Beklagten würde die Gefahr einer Rückforderung durch den Versicherer nicht beseitigt, da das Urteil für diesen keine Rechtswirkung im Verhältnis zur Klägerin entfalte.

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -

Mittwoch, 9. Januar 2019

Bereicherungsrechtliche Rückforderung gezahlter Miete trotz Vorliegens eines die Mietminderung begründenden Mangels


Die Beklagten waren bis Ende März 2016 einer Wohnung der Klägerin und hatten in den Monaten November 2015 und Januar und März 2016 die Miete von € 820,00/Monat nicht gezahlt. Diese machte die Klägerin mit ihrer Klage geltend.  

Im März 2015 hatten die Beklagten einen regelmäßig wiederkehrenden fauligen Geruch in der Wohnung angezeigt. Dieser Mangel wurde erst im Dezember 2015 behoben. In mehreren Mails hatten die Beklagten im Oktober/November 2015 die Frage der Mietminderung angesprochen, und so auch am 15.10.2015 angefragt, ob für die Klägerin eine Vereinbarung einer Mietminderung von 15% ab dem Termin der Meldung der Geruchsbelästigung in Betracht käme. Die Klägerin lehnte ab, da eine Minderung für sie nicht in Betracht käme, nachdem sie sich jeweils zeitnah bemüht habe, die Mängel zu beseitigen. Daraufhin teilte die Beklagten mit Mail vom 05.11.2015 mit, die Beseitigung der Mängel sei seit 2013 fruchtlos verlaufen. Sie könnten notwendigen Maßnahmen nicht einschätzen und die Klägerin möge ihnen doch einen Vorschlag unterbreiten. Außerdem würden die sporadisch bisher nicht gezahlten Mieten ausgeglichen, was dann auch erfolgte.

Gegen die Klageforderung rechneten die Beklagten mit einem Minderungsanspruch von 15%/Monat  seit der Meldung des Mangels gegenüber der Klägerin auf. Das Amtsgericht gab der Klage bis auf eine angenommene 10%ige Minderung für November 2015 statt. Auf die Berufung der Beklagten bejahte das Landgericht einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch der Beklagten für die Monate Januar bis Oktober 2015 in Höhe von 10% der jeweiligen Monatsmiete wegen des Mangels. Anders als das Amtsgericht sah es diesen bereicherungsrechtlichen Anspruch als nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen an.

Die auf Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung gerichtete zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Der BGH verweist darauf, dass die Darlegungs- und Beweislast des § 814 BGB bei dem Leistungsempfänger läge. Dieser müsste mithin den Nachweis erbringen, dass vorliegend den Mietern ihr Recht zur Minderung der Miete bekannt gewesen sei. Anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 16.07.2013 - VIII ZR 274/02 -, BGHZ 155, 380, 389). Dort habe der Mieter trotz eines nach Abschluss des Mietvertrages bekannt gewordenen Mangels die Miete über einen längeren Zeitraum ohne Kürzung oder Vorbehalt weiterbezahlt, obwohl, wovon nach dem allgemeinen Kenntnisstand der beteiligten Verkehrskreise auszugehen sei, das recht zur Herabsetzung der Miete bekannt sei. Damit sei gemäß § 814 BGB eine Rückforderung ausgeschlossen.

Der Kondiktionsausschluss des § 814 BGB greife nur, wenn der Leistende sowohl die Tatumstände kenne, aus denen sich die fehlende Leistungsverpflichtung ergäbe, sondern auch, dass er nach der Rechtslage nichts schulde. Der Leistende müsse also aus der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Vorliegend sei das Landgericht zu der nicht zu beanstandenden Überzeugung gelangt, dass die Beklagte keine Kenntnis davon gehabt hätten, dass sie die Bruttomiete für die in Rede stehenden Monate nicht in voller Höhe zu zahlen hätten. Zwar sei nicht die Kenntnis aller Elemente des Minderungsrechts nach § 536 BGB erforderlich; da die Minderungsquote in aller Regel von Bemessungsunwägbarkeiten (Art, Dauer, Erheblichkeit des Mangels) von einem Laien (häufig auch von seinem rechtlichen Beistand) nur überschlägig angesetzt werden könne, steht dem Kondiktionsausschluss des § 814 BGB nicht entgegen, dass sich der Mieter nur zu einer ungefähren Bestimmung der Minderungsquote in der Lage sehe. Auch wenn dies vom  Landgericht verkannt worden sei, habe die Entscheidung Bestand: Nicht zu beanstanden sei die Würdigung des Landgerichts, dass den Beklagten ausweislich der Mails nicht bewusst war, dass die Mietminderung kraft Gesetz eintritt, wenn ein Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aufhebt oder mindert und dem Vermieter angezeigt würde (§§ 536, 536c Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB). Den Mails läge die fehlerhafte Vorstellung zugrunde, eine Mietminderung könne nur bei Einverständnis des Vermieters vorgenommen werden.

Nach dem Hinweisbeschluss wurde die Revision zurückgenommen.

BGH, Hinweisbeschluss vom 04.09.2018 - VIII ZR 100/18 -