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Montag, 8. Juli 2024

Unwirksamkeit eines Vergleichs wegen fehlerhafter Angaben eines Sachverständigen ?

Die Parteien hatten am 10.11.2023 vor dem Senat des OLG einen Vergleich in einem Rechtstreit geschlossen, in dem der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld infolge ärztlicher Behandlung begehrte. Diesem Vergleich stimmte der Kläger sofort zu, die Beklagten behielten sich ein Widerrufsrecht bis zum 01.12.2023 vor, von dem sie keinen Gebrauch machten. Mit Schriftsatz vom 14.11.2923 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagtenvertreter die Anfechtung des Vergleichs bzw. seiner Willenserklärung zum Abschluss des Vergleichs gem. §§ 119, 123 BGB. Unter Stellung seiner vormaligen Anträge beantragte er die Fortsetzung des Verfahrens, demgegenüber die Beklagten beantragten festzustellen, dass der Rechtstreit durch den Vergleich erledigt sei. Das OLG stellte die Erledigung des Rechtstreits durch den Vergleich durch Endurteil fest (dazu BGH, Beschluss vom 18.09.1996 - VIII ZB 28/96 -).

Die Beweislast dafür, dass ein abgeschlossener Vergleich nicht den Prozess beendet habe, trage derjenige, der sich darauf berufe (vorliegend der Kläger).

Der Kläger hatte sich vorliegend auf die Unrichtigkeit eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens berufen. Nach dem auch auf einen Prozessvergleich anwendbaren § 779 Abs. 1 BGB sei ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspreche und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Damit, so weiter der Senat, sei der Fall beiderseitigen Irrtums über einen Umstand, der außerhalb des Streits der Parteien gelegen habe, geregelt. Allerdings sei die Richtigkeit von Angaben gerichtlicher Sachverständiger kein von den Parteien als feststehend zu Grunde gelegter Sachverhalt (OLG Hamm, Urteil vom 21.05.2005 - 13 U 25/04 -). Vor dem Vergleich seien die Möglichkeit und Verfügbarkeit alternativer Behandlungsmethoden streitig gewesen, wozu sich der Sachverständige geäußert habe. Dies sei auch der Streitbeilegung zugrunde gelegt worden. Damit aber stünde fest, dass die Parteien gerade nicht übereinstimmend vom Bestehen alternativer Behandlungsmethoden ausgegangen seien, sondern dies erst durch das Gutachten ermittelt worden sei. Mithin habe sich der Kläger nur in einem tatsächlichen Irrtum über einen Umstand befunden, der bereits vor dem Vergleich streitig bzw. ungewiss gewesen sei. Die Parteien würden selbst das Risiko übernehmen für streitige und ungewisse Umstände, deren Bedeutung und Folgen zur Streitbeilegung im Vergleich geregelt würden, die in Wahrheit aber von angenommenen Größen abweichen würden.  Ein beiderseitiger Irrtum, wie er § 779 Abs. 1 BGB voraussetze, habe nicht vorgelegen.

Auch infolge der vom Kläger erklärten Anfechtung des Vergleichs sei dieser nicht unwirksam. Dazu müsste der Tatbestand des § 119 BGB verwirklicht sein, was nicht der Fall sei. Der Kläger habe sich nicht iSv. § 119 Abs. 1 BGB über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum befunden, sondern diese Erklärung abgeben. Irrtümer über Motive oder im Rahmen der Kalkulation seien bei dem Abschluss eines Prozessvergleichs unbeachtlich. Damit könnten selbst unrichtige Angaben des Sachverständigen nicht die Anfechtung rechtfertigen, auch wenn diese die Höhe der Vergleichssumme beeinflusst haben sollten. Es würde sich um einen bloßen (unbeachtlichen) Motivirrtum in Form einer Fehlvorstellung handeln.

Die Behandlungsmethode stelle sich auch nicht als verkehrswesentliche Eigenschaft eines Vergleichs iSv. § 119 Abs. 2 BGB dar.

Ebenso würde hier nicht § 123 Abs. 2 BGB greifen. Eine arglistige Täuschung oder bewusst falsche Angabe durch den Sachverständigen sei nicht dargelegt worden. Zudem wäre nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten – was erforderlich wäre – diese mutmaßliche arglistige Täuschung des Sachverständigen kannten oder hätten kennen müssen. Zu diesen Punkten stelle der Kläger nur Mutmaßungen an, was nicht ausreichend ist.

OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2024 - 26 U 2/23 -

Freitag, 21. Mai 2021

Beweiserhebung: Was ist mit eigenen Kosten für die Durchführung des Beweisbeschlusses ?

Im Rahmen einer Werklohnklage kam es zu Ortsterminen, die zu Vor- und Nachbereitungen durch von der Beklagten beauftragte Handwerker führten. Dies kommt z.B. dann vor, wenn der beauftragte Bausachverständige Bauteil e geöffnet haben will, dies nicht selbst durchführt sondern den Parteien überlässt. Dann wird die Partei die entsprechenden Bauteile durch einen vor ihr beauftragten Handwerker öffnen und nach der Besichtigung durch den Sachverständigen wieder schließen lassen. Aber was ist mit den Kosten für diesen Handwerker ?

Das Verfahren kam im konkreten Fall durch einen Vergleich zum Abschluss, bei dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden. Vergeblich versuchte die Beklagte die ihr entstandenen Kosten für den Handwerker in Höhe von € 2.293,97 im Rahmen der Ausgleichung der Gerichtskosten mit festsetzen zu lassen. Das Landgericht glich nur die Gerichtskosten einschl. der vom Gericht an den Sachverständigen zu erstattenden Kosten aus, berücksichtigte aber den eigenen Aufwand der Beklagten nicht. Auf die Beschwerde der Beklagten berücksichtigte das OLG 50% der geltend gemachten Aufwendungen der Beklagten und setzte diese gegen die Klägerin fest. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH die ergänzende Kostenfestsetzung des OLG wieder auf.

Der BGH stellte darauf ab, dass Grundlage die vereinbarte Kostenaufhebung sei.. Welche Bedeutung dies für die in Streitbefindlichen Kosten habe, sei durch Auslegung festzustellen. Zu berücksichtigen sei dabei, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein auf die formale Prüfung von Kostentatbeständen ausgerichtetes Verfahren sei, welches auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und daher dem Rechtspfleger übertragen worden sei. Es sei daher eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung notwendig, weshalb ein bestimmter Parteiwille zumindest andeutungsweise in dem Wortlaut des Vergleichs zum Ausdruck gekommen sein müsste.  Danach beurteilt würde Kostenaufhebung bedeuten, jede Partei trage ihre Kosen alleine und nur die Gerichtskosten sollen hälftig geteilt werden. Zu den Gerichtskosten würden die Gerichtsgebühren und Auslagen des Gerichts zählen. Zu den Auslagen des Gerichts würden die von dem Sachverständigen nach dem JVEG geltend gemachten Entschädigungsansprüche und Aufwendungen gehören, wobei es sich bei den Aufwendungen des Sachverständigen gem. § 12 JVEG (und Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) auch um Handwerkerkosten handeln könnte, die er als Hilfskraft zur Durchführung des Beweisbeschlusses bezahlt habe. Nicht dazu würden aber Aufwendungen einer Partei gehören, da es sich dabei um deren außergerichtliche Kosten handele. Dies gelte unabhängig davon, welchen Zweck die Partei mit den Aufwendungen bezweckte. Beauftragte nicht der Sachverständige den Handwerker für die Vor- und Nacharbeiten, verbliebe es bei den Handwerkerkosten um außergerichtliche Kosten der Partei und würden diese nicht durch die Zweckbestimmung zu Gerichtskosten werden.

Praxistipp: Hätten die Parteien vorliegend nicht Kostenaufhebung vereinbart, sondern eine Kostenquotelung von 50%  zu 50%, so hätte die Beklagte 50% ihrer eigenen Aufwendungen gegen die Klägerin festsetzen lassen können. An der Verteilung der Gerichtskosten hätte sich nichts geändert. Allerdings ist zu beachten, dass  - unabhängig von den benannten Aufwendungen - die außergerichtlichen Kosten der Parteien schon in Bezug auf Anwaltsgebühren durch möglicherweise anfallende Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder unterschiedlich hoch ausfallen können, weshalb in Höhe der Differenz bei einer Quotelung die zu Lasten der Partei geht, die geringere Kosten hat. 

BGH, Beschluss vom 24.01.2021 - VII ZB 55/18 -