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Samstag, 21. Dezember 2024

Regress des Sozialversicherungsträgers – Grouper als Beweis der Aufwendungen ?

Wie so häufig machte auch hier der klagende Sozialversicherungsträger nach einem Unfall einen nach § § 116 Abs. 1 SGBX auf sie übergegangenen Ersatzanspruch gegen den gesetzlichen Haftpflichtversicherer (Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr, 1 VVG) geltend. Die Haftung war unstreitig. Streitig war die Höhe des von der Klägerin begehrten Schadens. Von der Beklagten wurde eingewandt, der Schaden sei bisher – soweit nicht anerkannt – nicht durch prüffähige Unterlagen belegt worden. Hier wie zwischenzeitlich ständig wurde vom Sozialversicherungsträger eingewandt, die von ihr vorgelegten „Grouper“-Ausdrucke (vom Krankenhausträger der Krankenkasse übermittelte Abrechnungsdaten) und vorgelegten Krankenhausberichte seien ausreichend. Ebenso wie es zwischenzeitlich meist geschieht, wurde dies vom Landgericht und – aufgrund der von der Beklagten eingelegten Berufung – auch vom Oberlandesgericht so gesehen (Urteil OLG Sachsen-Anhalt vom 02.07.2023 - 9 U 125/22 -), weshalb der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde. Das OLG argumentiert u.a. damit, dass § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht zu entnehmen sei, dass von der Krankenkasse tatsächlich gezahlte Krankenhauskosten aufgrund von Einwendungen gegen die Höhe vom Anspruchsübergang ausgeschlossen sein sollten, wobei es darauf verwies, dass dies auch im Zusammenhang mit dem bei Sachschäden gebräuchlichen Begriff des „Werkstattrisikos“ stünde.

Grundsätzlich, so zutreffend der BGH, stehe der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch aus nach 116 Abs. 1 S. 1 SGB X zu, und zwar auf Ersatz der Kosten der Heilung der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen (§§ 7 Abs. 1, 11 S. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG iVm. § 1 S. 1 PflVG). Die Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruchs sei in erster Linie des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters, wobei im Revisionsverfahren nur geprüft werden könne, ob dieser wesentliche Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsgrundlagen außer Acht gelassen oder seien Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt habe (st. Rspr., so Urteil vom 29.09.2020 - VI ZR 271/19 -). Solche Fehler lägen hier vor.

Die Klägerin sei, was das OLG verkannt habe, trotz des bereits im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses stattfindenden Anspruchsübergangs nicht als Geschädigte anzusehen. Der Schaden, der der Klägerin zu ersetzen sei, sei nicht ohne weiteres der Vermögenseinbuße gleichzusetzen, die der Klägerin durch ihre Leistungsplicht gegenüber ihrem Versicherten gem. § 11 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V entstanden sei (BGH, Urteil vom 23.02.2010 - VI ZR 331/08 -). Der nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X übergehende Anspruch auf Ersatz gehe über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses der Versicherungsträger Sozialleistungen zu erbringen habe, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen würden (sachliche Kongruenz) und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen würde (zeitliche Kongruenz). Dabei knüpfe der Forderungsübergang an die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers („zu erbringen hat“) und nicht an tatsächlich erbrachte Leistungen an (BGH, Urteil vom 18.10.2022 – VI ZR 1177/20 -). Dabei könne er einen Aufwendungsersatz nur insoweit verlangen, als er Aufwendungen auf einen Schaden des Versicherten zu erbringen habe. Zu unterscheiden sei zwischen der unabhängig von einer Schadensersatzverpflichtung Dritter bestehenden Leistungsverpflichtung des Versicherungsträgers gegenüber der versicherten Person einerseits und seinem Regressanspruch gegenüber einem Schädiger andererseits; übertragen sei dem Versicherungsträger nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X nur der Schadensersatzanspruch des Versicherten. Läge ein solcher nicht vor, habe er keinen Anspruch gegenüber dem Schädiger (BGH, Urteil vom 10.07.2007 - VI ZR 192/06 -). Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem frühen Zeitpunkt des Anspruchsübergangs, mit dem auch möglicherweise in der Zukunft liegende Leistungen des Versicherers für den Geschädigten gesichert würden, die sachlich und zeitlich mit Ersatzansprüchen des Geschädigten kongruent seien; ein eigener Anspruch des Versicherungsträgers auf Erstattung aller seiner durch das Schadensereignis ausgelösten Leistungen folge daraus nicht (BGH, Urteil vom 07.12.2021 - VI ZR 1189/20 -).

Das OLG habe die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin zur Schadenshöhe rechtsfehlerhaft verkannt.

Den Sozialversicherungsträger träfen im Grundsatz die gleichen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast wie den Geschädigten, würde dieser den Schadensersatzanspruch selbst geltend machen (u.a. BGH, Urteil vom 23.06.2020 - VI ZR 435/19 -). Es müssten Tatsachen angeführt werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Für die Beweislast für die (im Streit stehende) haftungsausfüllende Kausalität, die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und weiteren Schäden des Verletzten (Sekundärschäden) betreffe, gelte das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO (wonach eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genüge). Auch die Systematik des Gesetzes spreche gegen einen Willen des Gesetzgebers, gesetzliche Krankenkassen (Anmerkung: Gleiches gilt für die gesetzlichen Unfallversicherungsträger) hinsichtlich der Aufwendungen beim Regress nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X besserzustellen. Der Gesetzgeber habe mit § 116 Abs. 8 SGB X eine Regelung geschaffen, die den Regress für Kosten der nicht stationären ärztlichen Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln vereinfache (Pauschale, werden keine höheren Kosten nachgewiesen); dies sei für die stationäre ärztliche Behandlung nicht erfolgt.

Auch wenn der zur Entscheidung berufene zuständige VI. Zivilsenat des BGH in vergangenen Entscheidungen ausgeführt habe, dass den Belangen der Sozialversicherungsträger Rechnung zu tragen sei (BGH, Urteil vom 24.04.2012 - VI ZR 329/10 -), sei es den Gerichten verwehrt, die Rechtsanwendung allgemein nach dem Schutzbedürfnis der Sozialversicherungsträger auszurichte, selbst wenn sie dies höher bewerten wollten als dem Schutz des Schuldners (BGH vom 24.04.2012 aaO.).  

Auch sei der Annahme des OLG nicht zu folgen, die Klägerin könne die an die Behandlungseinrichtungen gezahlten Beträge aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen nicht mehr zurückfordern und dies käme dem Fall des deshalb anzuwenden Rechtsgedanken des § 118 SGB X gleich. Nach § 118 SGB X ei ein Zivilgericht, das über einen nach § 116 Abs. 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch zu entscheiden habe, an eine unanfechtbare Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts oder eines Sozialversicherungsträgers über den Grund oder die Höhe der dem Leistungsträger obliegenden Verpflichtung grundsätzlich gebunden. Die Bindungswirkung erstrecke sich auf den Tenor des Leistungsbescheides oder des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Urteils und dessen tragende Feststellungen, nicht auf die zivilrechtlichen Haftungsvoraussetzungen wie die Kausalität zwischen Schädigungshandlung und dem eingetretenen Schaden (BGH, Urteil vom 16.03.2021 – VI ZR 773/20 -). [Anmerkung: Leider nimmt der BGH nicht zu der Frage Stellung, ob eine Bindungswirkung ggf. auch dann angenommen werden kann, wenn der vom Sozialversicherungsträger in Anspruch genommene Schädiger an der unanfechtbaren Entscheidung des Sozialversicherungsträgers oder eines sozial- oder sozialgerichtlichen Verfahrens nicht beteiligt war, liegt hier doch bei Annahme einer Bindungswirkung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor]. Die von der Klägerin geleistete und ggf. nicht rückforderbare Zahlung auf die Rechnungen der Krankenhäuser stehe einer unanfechtbaren Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts nicht gleich und vorliegend würde weder der Grund noch die Höhe der Leistungspflicht der Klägerin gegenüber dem Versicherten in Streit stehen. Im, Streit stünde der Schadensersatzanspruch des Versicherten, in dessen Rahmen die Klägerin nur Anspruch auf Ersatz der von ihr verauslagten Kosten für erfolgte medizinische medizinische Untersuchungen und Behandlungen habe, soweit diese iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich waren (BGH, Urteil vom 17.09.2013 - VI ZR 95/13 -).

Sozialrechtliche Anforderungen an das Abrechnungssystem zwischen Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen sowie sozialrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung, Prüfung von Rechnungen und Zahlungspflichten der Krankenkassen würden keine Abweichung von den zivilrechtlichen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast nach dem Forderungsübergang gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X rechtfertigen. Aus §§ 275, 275c, 284 – 293 und 294 bis 303 SGB V  und § 17c Abs. 2b KHG würden daran nichts ändern. Hier würden ausschließlich Rechte und Pflichten von Sozialversicherungsträgern und Leistungserbringern festgelegt, aber nicht das Verhältnis zum Schädiger im Rahmen zivilrechtlicher Haftung geregelt. Gesetzlich Beschränkungen der gesetzlichen Krankenkassen für die Prüfung der Krankenhausrechnungen könnten nicht als Grundlage herangezogen werden, um die Rechtsposition des Schädigers nach dem Forderungsübergang gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X zu beschneiden, da ansonsten die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten würden (BVerfGE 128, 193, 210; BGH, Urteil vom 11.06.2024 – VI ZR 133/23 -). Damit würden die von den Behandlungseinrichtungen erstellten Abrechnungsdaten nach allgemeinen Grundsätzen auch nur einen Anhaltspunkt, aber kein wesentliches bzw. starkes Indiz für die Erbringung und/oder Erforderlichkeit der abgerechneten Leistung darstellen (so auch zu „Grouper“-Ausdrucken OLG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2023 - 12 U 17/23 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.01.2024 - 1 W 24/23 -; zum Problem der Fahlcodierungen BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17 -). Zudem habe der Gesetzgeber nach § 294a SGB V unter anderem Krankenhäuser gem. § 108 SGB V verpflichtet, Angaben zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Die Rechtsprechung zum sogen. „Werkstattrisiko“ bei Beschädigung einer Sache für Reparatur- und Sachverständigenkosten seien für Ansprüche der gesetzlichen Krankenkassen auf Ersatz der Kosten der Heilung nicht übertragbar. Diese Grundsätze seien geprägt von dem Gedanken, dass es Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB widerspreche, wen der Geschädigte bei Ausübung der ihm zustehenden Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem, Einfluss entzogen sei. Eine entsprechende Konstellation läge hier aber nicht vor.  Die gesetzliche Krankenkasse sie nicht Geschädigte, Geschädigter sei der Versicherte. Die Klägerin trage die Behandlungskosten aufgrund ihrer diesem gegenüber bestehenden Leistungspflicht. Ihre Zahlungsverpflichtung entstünde, unabhängig von einer Kostenzusage, unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten Kraft Gesetz, wenn die Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt und iSv. § 39 Abs. 1 SGB V S. 2 erforderlich sei (BSG, Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 29/13 R; BGH, Urteil vom 03.05.2011 - VI ZR 61/10 -). Die Leistungen der Krankasse sind nicht zwingend deckungsgleich mit dem iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB „erforderlichen“ Heilbehandlungsmaßnahmen und selbst bei einer sachlichen und zeitlichen Kongruenz zwischen der Leistungspflicht der Krankenkasse und dem zu leistenden Schadensersatz bemesse sich beides nach unterschiedlichen Grundsätzen.

BGH, Urteil vom 09.07.2024 - VI ZR 252/23 -

Sonntag, 16. Juli 2023

Erfüllungseinwand trotz Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung ?

Problemkreise: Zahlung des Haftpflichtversicherers für beklagten Schädiger an Gläubiger  „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“; erfolgte die Zahlung mit Erfüllungswirkung ? Negative Feststellungsklage zum Rückforderungsvorbehalt: Begründetheit der Klage gegen den Versicherungsnehmer und Zulässigkeit der Klage gegen den Versicherungsnehmer (sogen. doppelrelevante Tatsache).

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenversicherung, machte Regressansprüche gegen den Beklagten Schuldner aufgrund eines Schadens ihres Versicherten gemäß § 116 SGB X geltend. Im Berufungsverfahren war nur noch der vom Landgericht abgewiesene Klageantrag zu 2.  Streitgegenständlich, mit dem die Klägerin festgestellt wissen wollte, dass ein Rückforderungsanspruch des Beklagten im Hinblick auf eine von dessen Haftpflichtversicherung geleistete Zahlung auf den geltend gemachten Schaden nicht bestünde. Hintergrund war, dass der Haftpflichtversicherer im Rahmen der erfolgten Zahlung erklärte, dass die Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“ erfolge. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hin änderte das Oberlandesgericht (OLG) dahingehend ab, dass die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen würde, dass der Klageantrag zu 2. Unzulässig sei.

1. Zunächst musste sich das OLG damit auseinandersetzen, dass die Zahlung wie auch der Rückforderungsvorbehalt nicht vom Beklagten erfolgten, sondern von dessen Haftpflichtversicherer.

Zwar bestünde zwischen dem Beklagten und der Klägerin ein Rechtsverhältnis, da der Beklagte Schuldner der Schadensersatzforderung des Versicherten der Klägerin sei und diese Forderung im Hinblick auf die von der Klägerin erbrachten Leistungen auf die Klägerin gem. § 116 SGB X übergegangen sei. Sollet der Beklagte die Forderung zurückverlangen, würde auch bei der Klägerin ein Vermögensschaden in dieser Höhe eintreten.

Allerdings fehle es der Klägerin hier an einem Feststellungsinteresse gegenüber dem Beklagten, welches bei der negativen Feststellungsklage (wie hier) erfordere, dass sich der Beklagte der entsprechenden (Rück-) Forderung berühmen würde (diese also für sich beanspruche).  Fehle es daran sei die negative Feststellungsklage unzulässig. Vorliegend aber habe die Klägerin selbst nicht geltend gemacht, dass der Beklagte sich der Forderung berühmen würde, vielmehr vorgetragen, dass sie befürchte, dessen Haftpflichtversicherung könne die Zahlung zurückfordern.

2. Nur dann, wenn die Zahlung keine Erfüllung bewirke, käme ein rechtlich anerkanntes Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung der Nichtberechtigung zur Rückforderung in Betracht, da damit klargestellt würde, ob der von ihr geltend gemachte Anspruch durch Erfüllung erloschen sei.

Der erklärte Vorbehalt würde hier der Erfüllungswirkung nicht entgegenstehen. Zu unterscheiden sei:

Wolle der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB (keine Rückforderung bei Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld) ausschließen und sich mithin die Möglichkeit der Rückforderung nach § 812 BGB offenhalten, so würde dies der Erfüllung nicht entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24.11.2006 - LwZR 6/06 -); der Gläubiger habe nur einen Anspruch auf Erfüllung, nicht auf ein Anerkenntnis des Bestehens der Forderung. 

Leiste der Schuldner in der Weise unter Vorbehalt, dass den Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsrechtsstreit auch die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen solle, läge keine Erfüllung vor. Dies ist vor allem anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahle und den Prozess gleichwohl fortsetzt, ferner dann, wenn er vorgerichtlich leistet, dies aber nur zur Abwendung eines empfindlichen Übels oder unter der Voraussetzung leiste, dass die Forderung zu Recht bestünde (BGH aaO).  In diesen Fällen bestünde ein rechtliches Interesse an der negativen Feststellungsklage (OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).

Der erklärte Vorbehalt sei nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gewollt sei, da dieser den Gläubiger auch zur Annahme der Leistung zwinge (Erman BGB, 16. Aufl. § 362 Rn. 13 mwN.).

Das Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagten führe zum Ergebnis, dass dieses der ersten Fallgruppe unterfalle. Mit der Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ würde klargestellt, dass die Zahlung kein Anerkenntnis, auf welches die beklagte auch keinen Anspruch habe, darstelle. Gleiches gelte für die Formulierung „dem Grunde und der Höhe nach“. Ersichtlich habe der Haftpflichtversicherer die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie den Rückforderungsausschluss gem. § 814 BGB vermeiden wollen, was zulässig sei. Es könne aus der Formulierung nicht geschlossen werden, dass die Beweislast für den Bestand der Forderung der Klägerin aufgebürdet bleiben sollte. Ausgeschlossen würden im Falle einer Rückforderung nur die Einwendungen des Anerkenntnisses und das Wissen des fehlenden Rechtsgrundes, während die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf den mangelnden Bestand der Forderung bei dem Schuldner verbliebe. Damit würde es vorliegend am Feststellungsinteresse der Klägerin ermangeln.

3. Weiterhin setzte sich das OLG damit auseinander, ob ein Feststellungsinteresse dann anzunehmen wäre, wenn man entgegen dem obigen Ergebnis eine Erfüllungswirkung verneinen und deshalb ein Feststellungsinteresse insoweit bejahen würde. Auch in diesem Fall würde ein Feststellungsinteresse der Beklagten hier nicht bestehen können, da der Beklagte für einen Rückforderungsanspruch nicht aktivlegitimiert wäre und deshalb ein Feststellungsurteil nicht geeignet sei, eine Rechtsunsicherheit und Gefahr der Rückforderung zu beseitigen.

Der Rückforderungsanspruch würde entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht nicht dem Beklagten, sondern dessen Haftpflichtversicherer zustehen, der die Zahlung aufgrund des Versicherungsverhältnisses mit dem Beklagten an die Klägerin erbracht habe. Es handele sich vorliegend nicht um die Leistung des Beklagten mittels der Haftpflichtversicherung als Dritter (wie in den Anweisungsfällen), sondern um die Zahlung der Haftpflichtversicherung an den Gläubiger des Versicherungsnehmers als Dritte gem. § 267 BGB. In dieser Konstellation stünde der Haftpflichtversicherung als leistende Dritte der Kondiktionsanspruch zu. Leiste der Haftpflichtversicherer die Entschädigung an den Gläubiger seines Versicherungsnehmers, um dessen Verpflichtung zu erfüllen, könne er seine Leistung auch bei dem Gläubiger kondizieren, wenn diesem in Wahrheit kein Anspruch zustünde (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XII ZR 130/89 -; BGH, Urteil vom 29.02.2000 - VI ZR 47/99 -).

Es sei davon auszugehen, dass - wie regelmäßig - der Beklagte als Versicherungsnehmer den Versicherungsfall seiner Haftpflichtversicherung gemeldet hab, damit diese etwaige berechtigte Ansprüche des Verletzten aufgrund Versicherungsvertrages für ihn erfüllt (Anm.: Nach den Versicherungsbedingungen obliegt regelmäßig dem Haftpflichtversicherer die  Erfüllung berechtigter bzw. die Abwehr nichtberechtigter Forderungen auf eigene Kosten). In der Schadensanzeige läge keine Anweisung, nicht einmal im weitesten Sinne eine Weisung, die dem Versicherungsnehmer auch nicht zustünde und an die auch der Versicherer nicht zu befolgen bräuchte. Der Versicherer prüfe neben dem Deckungsverhältnis (also Anspruch des Versicherungsnehmers aus einem Versicherungsvertrag gegen ihn) auch die Berechtigung des gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Anspruch. Erst bei positiver Feststellung eines Anspruchs des Gläubigers erfolge Zahlung auf die Schuld des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XII ZR 130/89 -).

Gläubiger eines Rückforderungsanspruchs, dessen Nichtbestehen die Klägerin festgestellt wissen will, wäre mithin die Haftpflichtversicherung und nicht der Beklagte. Damit sei die Klage gegen den Beklagten (auch) unbegründet.

4. Bei der Frage der Anspruchsinhaberschaft handele es sich um eine sog. doppelrelevante Tatsache, dessen Fehlen sowohl die Zulässigkeit in Form des Feststellungsinteresses als auch die Begründetheit der Feststellungsklage betreffe. Die doppelrelevante Tatsache müsse schlüssig vorgetragen werden, mithin das Vorbringen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sein, die gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen. Der Vortrag der Klägerin, der Beklagte sei aufgrund der Zahlung seines Haftpflichtversicherers Inhaber eines etwaigen Rückforderungsanspruchs und deshalb ein Feststellungsinteresse am Nichtbestehen eines Rückforderungsanspruch bestünde, sei aber unschlüssig. Die doppelrelevante Tatsache sei aber nicht nur zur Begründetheit sondern auch zur Zulässigkeit relevant.

Das Feststellungsinteresse fehle, da das angestrebte Urteil nicht geeignet sei, die Gefahr einer Rückforderung und die Unsicherheit der Rechtsposition der Klägerin zu beseitigen, da der Beklagte nicht Inhaber eines etwaigen Rückforderungsanspruchs sei (s.o. 2.). Mit einem Urteil könne nur festgestellt werden, dass nicht der Beklagte zur Rückforderung berechtigt sei, was aber keine Auswirkungen auf das Verhältnis der Klägerin zu der Haftpflichtversicherung habe, da die Rechtskraft des Urteils nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits (inter pares) wirke. Da damit mit der begehrten Feststellung die Rechtsunsicherheit nicht beseitigt werden könne, fehle es an dem Feststellungsinteresse und damit zur Zulässigkeit der Feststellungsklage.

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -

Sonntag, 17. Mai 2020

Datenschutz: Auswertung von Krankendaten durch Übermittlung an Forschungszentrum


Der Antrag des Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse war auf eine einstweilige Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gerichtet, den Vollzug der durch Art. 1 des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation vom 09.12.2019 in das SGB V eingefügten §§ 68a Abs. 5 und 303a bis 303f außer Kraft zu setzen, hilfsweise § 68a nur mit einem Einwilligungserfordernis und § 303b Abs. 1 nur mit einer Widerspruchsmöglichkeit des gesetzlich Versicherten anzuwenden. Er leide an einer Erbkrankheit und befürchte, trotz Pseudo- und Anonymisierung reidentifiziert werden zu können, sieht auch die Möglichkeit eines Datenmissbrauchs durch Dritte und Unberechtigte. Haupt- und Hilfsantrag wurden zurückgewiesen.

§ 68a Abs. 5 SGB V würde die Krankenkassen ermächtigen, versichertenbezogene Daten ihrer Versicherten pseudonymisiert oder, wenn möglich, auch anonymisiert auszuwerten, um den Versorgungsbedarf im Hinblick auf digitale Innovationen und deren Einfluss auf der Versorgung der gesetzlich Versicherten zu ermitteln und deren möglichen Einfluss auf etwaige positive Versorgungseffekte digitaler Anwendungen zu evaluieren.  Die §§ 303a ff SGB V würden ein Datentransparenzverfahren etablieren, in dem die Daten wie Alter, Geschlecht, Wohnort und bestimmte Gesundheitsdaten an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt und anschließend an ein noch zu etablierendes Forschungszentrum weitergegeben würden. Dabei solle gewährleistet sein, dass die Pseudonyme eindeutig einem bestimmten Versicherten zugeordnet werden können, um darauf basierend beispielsweise medizinische Langzeitstudien oder Längsschnittanalysen durchführen zu können.

Da das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde nicht feststehen würde, der Antrag nicht von vornherein unbegründet erscheine, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen. Dabei sei ein besonders strenger Maßstab anzulegen, da ein Aussetzen eines in Kraft getretenen Gesetzes stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bedeute. Entscheidend sei daher, ob die Nachteile für den Antragsteller irreversibel oder nur schwer revidierbar wären. Danach scheide hier eine Aussetzung aus.

Die vorgesehene Datenverarbeitung und –übermittlung sei vor allem wegen der teils sensiblen und in hohem Maße persönlichkeitsrelevanten Charakters der genutzten Daten ein erheblicher Grundrechtseingriff, der durch die Menge der Daten , die erhoben, übermittelt, ausgewertet und anderweitig verarbeitet werden dürften, verstärkt werde. Dieser Nachteil trete aber nicht durch den Vollzug der Normen ein, sondern erst dann, wenn entgegen der gesetzlichen Regelung ein Personenbezug zu bestimmten Versicherten hergestellt würde. Das aber versuche das Gesetz durch Vorkehrungen und prozedurale Sicherungen zu verhindern. Auch die Missbrauchsanfälligkeit größerer Datensammlungen für den unberechtigten Zugriff Dritter bedeute einen, vom Gesetz nicht gebilligten Zwischenschritt, dessen Eintritt  nicht mit hinreichender Sicherheit als unmittelbar bevorstehend angenommen werden könne. Wegen zu Unrecht erhobener und gespeicherter Daten, die sich hierzu bei den berechtigten Stellen befänden, könne auch ein Löschungsantrag gestellt werden, so dass der eingetretene Nachteil nicht irreversibel wäre.

Würde dem Eilantrag stattgegeben, wäre eine Übermittlung der sich ohnehin bei den Krankenkassen befindlichen Daten und deren Auswertung nicht möglich. Zwar könnte, würde die Verfassungsbeschwerde abgewiesen werden, die Übermittlung und Auswertung nachgeholt werden. Aber das Ziel des Gesetzgebers, den Bedarf und die Effekte von digitalen Anwendungen mittels empirischer Datengrundlagen zuverlässig einschätzen zu können, würde erheblich zeitlich aufgeschoben und damit erheblich erschwert.

Damit würden die dem Antragsteller bei Nichtergehen einer einstweiligen Anordnung drohenden Nachteile nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit die Nachteile überwiegen, die bei einem Erlass der Anordnung trotz späterer Erfolglosigkeit einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde einzutreten drohen würden. Angesichts dessen könne auch dem Hilfsantrag nicht stattgegeben werden.

BVerfG, Beschluss vom 19.03.2020 - 1 BvQ 1/20 -