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Montag, 19. Februar 2024

Vormerkung im Grundbuch für insolvenzrechtliche Rückforderung des Erbanteils ?

Sachverhalt: Der Insolvenzschuldner übertrug seinen Erbanteil auf seine Kinder, die diesen sodann ihrer Mutter schenkten. Der Insolvenzverwalter beantragte im Wege der einstweiligen Verfügung eine Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch, die das Landgericht bewilligte. Diese einstweilige Verfügung wurde auf die Berufung des Insolvenzschuldners aufgehoben und der Antrag darauf zurückgewiesen.  

Den vom Landgericht angenommenen Verfügungsanspruch negierte das OLG im Berufungsverfahren. Voraussetzung wäre hier, dass es sich bei dem schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr, der durch einstweilige Verfügung (§§ 935 ff ZPO) gesichert werden könnte, um einen potentiellen Massebestandteil iSv. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO handeln würde. Die Eintragung einer Vormerkung (§§ 883 Abs. 1, 885 BGB) im Grundbuch ließe sich damit nur erreichen, wenn die Rückübertragung eines Grundstücks / dinglichen Rechts Anspruchsgegenstand wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Die Erben seien infolge von § 47 Abs. 1 2. Alt. GBO im Grundbuch als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen worden. Ein grundbuchlicher Berichtigungsantrag (§ 22 GBO) beträfe nur die Inhaberschaft des jeweiligen Erbanteils und sei nur Annex zum anfechtungsrechtlichen Rückgewährsanspruch. Der Berichtigungsanspruch sei nicht auf Einräumung eines Rechts iSv. § 883 Abs. 1 S. 1 BGB gerichtet, weshalb er auch nicht durch eine Vormerkung gesichert werde könne. Gesichert werden könnten nur dingliche Rechte. Der über seinen Erbanteil verfügende Miterbe würde selbst dann nicht über ein Grundstücks verfügen, wenn dieses der einzige Nachlassgegenstand wäre.

Eine Vergleichbarkeit mit der vom Insolvenzverwalter benannten Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 26,06,2017 - 34 Wx 173/17 -) läge nicht vor. Dort sei es um einen Anspruch (und dessen Sicherung durch Vermerkung) eines Erben aus einem Vorausvermächtnis, den Antrag eines Miterben gegen die weiteren Miterben auf Übereignung des Grundstücks zum Alleineigentum.

Entscheidend ist mithin nicht, ob zum Nachlass auch Grundstücksrechte gehören, sondern für die Wahrung einer dinglichen Sicherung durch Vormerkung, ob es sich um einen schuldrechtlichen oder dinglichen Anspruch handelt.   

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2023 – I-12 U 43/23 -

Mittwoch, 30. August 2023

Rückzahlung nicht verdienter Vorschüsse auf Verwaltervergütung durch (entlassenen) Insolvenzverwalter

Der Kläger, der aktuelle Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Schuldnerin, klagte die Rückzahlung eines von dem vormaligen Insolvenzverwalters (Beklagter) aus der Masse entnommenen Vergütungsvorschusses ein. Dem Vorschuss lag ein Beschluss des Insolvenzgerichts zugrunde, demzufolge dieses für die Tätigkeit des Beklagten einen Vorschuss auf dessen Vergütung von € 60.977,81 festsetzte und dessen Entnahme aus der Insolvenzmasse gestattete. Der Beklagte entnahm den Betrag in 2009. In 2010 entließ des Insolvenzgericht den Beklagten als Insolvenzverwalter. Dieser stellte in 2013 einen Antrag auf Festsetzung seiner endgültigen Vergütung im Insolvenzverfahren. Der Antrag wurde 2017 zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Vergütungsanspruch (wegen auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten) verwirkt habe.

Das Landgericht wies die Rückzahlungsklage auf Grund der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht das Urteil ab und gab der Klage statt. Die (zugelassene) Revision des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil bleib ohne Erfolg.

Der Rückforderungsanspruch richte sich, so der BGH, nicht nach der bereicherungsrechtlichen Norm des § 812 BGB. Die Anspruchsgrund für die Rückforderung ergäbe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 667  BGB (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rückgewähr von nicht verbrauchten Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsvergütung). Mit der Bestellung des Insolvenzverwalters würde hinsichtlich des Vergütungsanspruchs ein Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und der Insolvenzmasse begründet und der neue Insolvenzverwalter sei berechtigt eine Überzahlung auf die gewährten Vorschüsse auf die Vergütung zurückzufordern:

Der Insolvenzverwalter könne aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss u.a. auf seine Vergütung entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimme, § 9 S. 1 InsVV.  Habe der Insolvenzverwalter mehr aus der Insolvenzmasse entnommen, als ihm nach der maßgeblichen abschließenden und rechtskräftigen Festsetzungsentscheidung des Insolvenzgerichts zusteht, habe er den zuviel entnommenen Anteil an die Masse zu zurückzuzahlen. Erfolge die Entnahme aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Vergütungsbeschlusses, sei er mit Aufhebung oder Änderung zu seinem Nachteil zur Rückerstattung verpflichtet (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -); in diesem Fall ergäbe sich der Rückforderungsanspruch aus der entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -).  Handelt es sich um einen Vorschuss folge der Rückforderungsanspruch auf Grund des rechtskräftigen Bescheides über die Vergütungsfestsetzung aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB. Es handele sich um eine „Lückenergänzung“. § 65 InsO iVm. § 9 InsVV eröffne die Möglichkeit, in einer §§ 675, 669 BGB vergleichbaren Weise Vorschüsse auf die Vergütung und Auslagen zu erhalten. Weder die Insolvenzordnung noch die dazu ergangene Vergütungsordnung regele aber die die Rückgewähr eines zu viel gezahlten Vorschusses; § 717 Abs. 2 BGB sei nicht anzuwenden, da die Zustimmung zur Entnahme eines Vorschusses keine einem Vollstreckungstitel vergleichbare Wirkung habe.  

Voraussetzung des § 677 BGB sei, dass der vereinnahmte Vorschuss tatsächlich nicht verdient worden sei (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rechtsanwaltsvergütung). Zu unterscheiden sei zwischen Entstehung der Vergütung, deren Fälligkeit und deren Festsetzung. Der Anspruch auf Vergütung entstehe mit der Arbeitsleistung und dem Anfallen der Auslagen (BGH, Urteil vom 05.12.1991 - IX ZB 19/20 -), die Festsetzung der Vergütung mit einem Beschluss des Insolvenzgerichts, § 64 Abs. 1 InsO. Die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Entnahme eines Vorschusses (§ 9 InsVV) entfalte keine bindende Wirkung über die gem. § § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV festzusetzende Vergütung (BGH, Beschluss vom 22.11.2918 - IX ZB 14/18 -). Die Bewilligung eines Vorschusses habe nur vorläufige Bedeutung und mit ihr würde ein Vergütungsanspruch nicht bereits anerkannt.

Führe die Entnahme dazu, dass ein mit der Entfaltung der Tätigkeit bereits entstandene aber noch nicht endgültig festgestellte Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters teilweise nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt wird, stünde dies einer Rückforderung auch nicht entgegen, da die Erfüllungswirkung nur eintrete, sofern ihm ein Vergütungsanspruch zustünde, was erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV verbindlich festgestellt würde (BGH, Urteil vom 17.11.2005 - IX ZR 179/04 -).

Das Insolvenzgericht habe den Antrag auf Festsetzung der Vergütung rechtskräftig zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Anspruch auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten verwirkt habe. Die Entscheidung habe auch für die Frage, ob Vorschüsse zurückzuzahlen sind, präjudizielle Wirkung.  Daher könne er auch für Tätigkeiten vor dem inkriminierten Zeitraum 2005 bis 2008 keine Vergütung oder Auslagen verlangen (BGH, Beschluss vom 22.11.2018 - IX ZB 14/18 -).

Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines gem. § 9 InsVV gewährten Vorschusses beginne erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts zu laufen: Es gelte wie bei § 667 BGB die Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB.  Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von dem anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entstanden sei nach § 1991 Abs. 1 BGB der Anspruch, sobald er klageweise geltend gemacht werden könnte, was die Fälligkeit des Anspruchs voraussetze, die dem Gläubiger die Möglichkeit der (Leistungs-) Klage verschaffe. Damit setze § 667 BGB in der Regel die Beendigung des Auftrags voraus; im Allgemeinen würde der Anspruch des Insolvenzverwalters erst nach Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit fällig. Zusätzlich sei den Rückzahlungsanspruch eines Vorschusses nach § 9 InsVV erforderlich, dass das Insolvenzgericht verbindlich über die Höhe der Vergütung nach § 64 InsO, § 8 InsVV entschieden habe; die Entscheidung habe im Streit um die Rückforderung von angeblichen Überzahlungen präjudizielle Wirkung, weshalb in der Regel erst diese Entscheidung  zur Klärung der Vergütung  die Möglichkeit eröffne eine Überzahlung im Wege der Klage geltend zu machen. Der Beschluss des Insolvenzgereichts dazu erging im März 2017, die Klage wurde 2019 (in nicht verjährter Zeit) zugestellt.

Offen ließ der BGH, ob in Fällen, in denen der entlassene Insolvenzverwalter keinen Festsetzungsantrag stelle, eine Rückzahlungsklage zulässig wäre, das Insolvenzgericht durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen den (entlassenen) Insolvenzverwalter zu einem Vergütungsantrag anhalten könne oder auf Antrag des neuen Insolvenzverwalters die Vergütung des entlassenen Verwalters festgesetzt werden könne. Ebenso ließ der BGH offen, wie in einem solchen Fall die Verjährungsfrage zu entscheiden wäre.

BGH, Urteil vom 29.06.2023 - IX ZR 152/22 -

Montag, 26. September 2022

Insolvenzantrag beim örtlich unzuständigen Gericht und Sitzverlegung in EU-Mitgliedstaat

Eine Gläubigerin beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin bei dem AG Cottbus. Dort ging der Antrag am 28.10.2018 ein. Mit Beschluss vom 12.06.2019 verwies das AG Cottbus die Sache an das örtlich zuständige AG Charlottenburg. Von der Schuldnerin wurde die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestritten. Sie hatte zum Zeitpunkt des Eingangs des Insolvenzantrages bei dem AG Cottbus hatte sie nach Handelsregistereintrag ihren Sitz im dortigen Amtsgerichtsbezirk. Dort war sie allerdings nie tätig, sondern hatte in 2017 ihr Gewerbe in Berlin angemeldet. Am 24.04.2019 übertrug der geschäftsführende Alleingesellschafter seine Anteile an der Schuldnerin auf eine in Polen ansässige Person, der Sitz der Gesellschaft wurde zeitgleich nach Berlin verlegt und eine in Polen ansässige Person zur Geschäftsführerin bestellt. Diese teilte dem Insolvenzgericht (AG Charlottenburg) mit Datum vom 25.07.2019 mit, sie führe die Geschäfte der Schuldnerin ausschließlich von Polen aus.

Mit Beschluss vom 08.07.2019 wies das AG - Insolvenzgericht - Charlottenburg den Eröffnungsantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Die dagegen von der Schuldnerin eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen, ebenso die gegen die Zurückweisung zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH, mit der die Schuldnerin die Zurückweisung des Eröffnungsantrages als unzulässig begehrte.

Der BGH verwies darauf, dass sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichts nach Art. 3 der Verordnung (EU) 2015/848 vom 20.05.2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) richte. Danach seien die Gerichte des Mitgliedsstaates der EU für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen habe. Entscheidend sei danach der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor einer Entscheidung über den Antrag über die Eröffnung des Insolvenzantrages diesen Mittelpunkt in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlege (EuGH, Urteile vom 17.01.2006 - C-1/04 - und vom 24.03.2022 - C-723/20 -).

Der Mittelpunkt habe sich hier zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrages bei dem AG Cottbus in Deutschland, nämlich Berlin, befunden. Erst durch die Transaktion der Anteile an der Schuldnerin, und Änderung der Geschäftsführung habe die Schuldnerin, deren satzungsmäßiger Sitz weiterhin in Deutschland lag, die Geschäfte von Polen aus fortgeführt.

Es käme nicht darauf an, dass der Antrag bei dem örtlich unzuständigen Gericht AG Cottbus und nicht bei dem zuständigen Amtsgericht in Berlin gestellt worden sei. Ein Insolvenzantrag würde nach dem (insoweit maßgeblichen) deutschem Recht mit dem Eingang bei dem zuerst angerufenen Gericht anhängig. Mit der Verweisung durch das örtlich unzuständige an das örtlich zuständige Gericht würde kein neues Eröffnungsverfahren begründet, sondern das Verfahren bei dem dann örtlich zuständigen Gericht lediglich fortgesetzt.

Der vorliegende europäische Bezug würde daran nichts ändern, da die EuInsVO nur die internationale Zuständigkeit regele (§ 26 EuInsVO), nicht aber die sachliche und örtliche Zuständigkeit im Mitgliedstaat.  Dies entspräche auch Sinn und Zweck der EuInsVO über Insolvenzverfahren, deren Ziel die Verhinderung der Verlagerung von Vermögensgegenständen oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verhindern, um so eine verbesserte Rechtslage zu erhalten. Damit würde die nach den Erwägungsgründen drei und acht der EuInsVO gewollte Effizienz und Wirksamkeit grenzüberschreitender Verfahren beeinträchtigt, da der Gläubiger gezwungen wäre, gegen den Schuldner immer wieder dort vorzugehen, wo dieser sich gerade für kürzere oder längere Zeit niederlasse, was zu einer Verlängerung des Verfahrens führen könnte (EuGH, Urteil vom 24.03.2022 - C-723/20 -). Selbst wenn der Eröffnungsantrag in einem Mitgliedstaat bei dem örtlich unzuständigen Gericht erhoben würde, soll dem Schuldner nicht die Möglichkeit zu einem Wechsel der internationalen Zuständigkeit gegeben werden.

Anmerkung: Die hier vorliegende Problematik hat ihren Hintergrund in dem Umstand, dass der satzungsmäßige Sitz nicht identisch mit dem Sitz der Verwaltung sein muss. Innerhalb der EU kann daher eine Gesellschaft zwar ihren Sitz z.B. in Berlin haben, ihren Verwaltungssitz aber in Frankreich oder Polen. Der Verwaltungssitz ist der o.g. Mittelpunkt, weshalb sich die Zuständigkeit auch für Insolvenzverfahren danach orientiert. Diesen Umstand wollte sich hier offensichtlich die Schuldnerin nutzbar machen, indem sie den Verwaltungssitz nach Polen verlagerte, um so die internationale Zuständigkeit der deutschen Insolvenzgerichte auszuschließen, da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahren als auch, wie geschehen, durch die Versagung der Eröffnung mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse die Gesellschaft nicht mehr werbend tätig werden kann.

BGH, Beschluss vom 07.07.2022 - IX ZB 14/21 -

Sonntag, 24. Juli 2022

Mangels Masse aufgelöste GmbH (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) kann nicht fortgesetzt werden

Nachdem in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH die Eröffnung desselben mangels eines die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig zurückgewiesen wurde, wurde deren Auflösung im Handelsregister eingetragen. Danach beschlossen die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft und der zeitgleich von ihnen bestellte Liquidator und Geschäftsführer (und auch Alleingesellschafter) meldete die Fortsetzung der Gesellschaft zum Handelsregister an. Dabei versicherte er, dass mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft noch nicht begonnen worden sei, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft deren Vermögen nicht übersteigen würden und keine wirtschaftliche Neugründung vorläge. Später erklärte er zudem den Rangrücktritt eines von ihm der Gesellschaft gewährten Darlehens und über wies € 25.000,00 mit dem Verwendungszweck „Einzahlung Stammkapital“.  Der Eintragungsantrag und die gegen dessen Ablehnung eingelegte Beschwerde blieben erfolglos. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH stellte fest, dass eine GmbH, bei der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt würde, gem. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbH aufgelöst sei und nicht fortgesetzt werden könne. Dabei sei es gleichgültig, ob die Gesellschaft über ein das statuarische Stammkapital übersteigendes Vermögen verfüge und die Insolvenzgründe nunmehr beseitigt wurden.

§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG regele nicht eine mögliche Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen Gesellschaften, deren Mittel nicht einmal zur Durchführung des Insolvenzverfahrens reichen, rasch beendet werden. Anders als im Fall des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbH, nach dessen Regelung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrensverfahrens die Gesellschaft zwar auch aufgelöst würde,  dieses allerdings auf Antrag des Schuldners eingestellt würde oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsähe, aufgehoben würde, weshalb dann die Fortsetzung der Gesellschaft nach dem Gesetzeswortlaut beschlossen werden könne, sei diese Möglichkeit bei der Auflösung nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht vorgesehen. Bei der Reform des Insolvenzrechts sei im Hinblick auf die Fortsetzungsmöglichkeit lediglich § 60 Abs. 1 Nr. 4 vom Gesetzgeber geändert worden, nicht aber § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG.

Es sei auch keine Erweiterung der Fortsetzungsmöglichkeit über den Fall des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG auf den vorliegenden Fall des § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG erforderlich. Gegen die Fortsetzung spräche, dass dann keine gesetzliche Prüfung stattfinde, ob die Insolvenzreife tatsächlich überwunden sei (BGH, Beschluss vom 28.04.2015 - II ZB 13/14 -). § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG diene dem Gläubigerschutz.

Deshalb käme es auch nicht darauf an, ob die Auflösungsgründe beseitigt worden seien und eine Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel nachhaltig überwunden sei (hier durch den Rangrücktritt des Gesellschafters und die Zahlung auf die Einlage in Höhe von € 25.000,00). Auch stünden der fehlenden Fortsetzungsmöglichkeit nicht Belange der Gesellschafter entgegen, die die Möglichkeit hatte, durch Zuführung von Mitteln zur Deckung der Kostend es Insolvenzverfahrens den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu eröffnen. Es gäbe keinen Grund, weshalb hier die Fortsetzung durch einen schlichten Beschluss eröffnet werden sollte, wenn die Möglichkeit nicht wahrgenommen würde, den Weg des §0 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu beschreiten.

Zudem würde vorliegend auch gegen eine Fortsetzungsmöglichkeit sprechen, selbst wenn die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung vorlägen, dass nach den Angaben in der Anmeldung eine wirtschaftliche Neugründung nicht vorläge.

BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - II ZB 8/21 -

Donnerstag, 13. Januar 2022

Unrichtige Angaben zu wirtschaftlichen Verhältnissen und Versagung der Restschuldbefreiung (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO)

Der Schuldner wurde von dem Hauptzollamt wegen Tabaksteuer in Höhe von € 79.832,59 in Anspruch genommen (Bescheid vom 09.08.2010). Mit anwaltlichen Schreiben vom 11.03.2011 bat der Schuldner, auch in Ansehung von arretierten Vermögensgegenständen, um Stundung und Freigabe der arretierten Gegenstände.  Dabei berief er sich darauf, dass er einen Kredit aufnehmen wollen und dabei sein Haus als Sicherheit anbiete und bis zur Kreditgewährung das Hauptzollamt seine Forderung durch eine Hypothek oder Grundschuld auf dem Grundstück absichern könne. Dem Schreiben lag ein Wertgutachten zu dem Grundstück bei, in dem der Schuldner als Eigentümer benannt wurde. Allerdings war der Schuldner nicht mehr Eigentümer dieses Grundstücks; dieses hatte er bereits im April 2010 veräußert und das Eigentum der Käuferin wurde im September 2010 gewahrt.

In dem gegen den Schuldner eröffneten Insolvenzverfahren über sein Vermögen beantragte das Hauptzollamt als Gläubigerin die Versagung der Restschuldbefreiung, da der Schuldner unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe. Das Insolvenzgericht wies den Antrag zurück. Die Beschwerde der Gläubigerin blieb erfolglos, doch wurde die (von der Gläubigerin erhobene) Rechtsbeschwerde zugelassen. Dieses hob die Beschwerdeentscheidung aus formalen Gründen auf und verwies den Rechtsstreit an das Beschwerdegericht zurück, da der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen habe, in diesem Fall aber nicht der Einzelrichter hätte entscheiden dürfen, sondern als gesetzlicher Richter die Kammer. Allerdings nahm der BGH die Gelegenheit wahr, für das weitere verfahren entscheidende Hinweise zu geben:

Nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dieser von Antrag von einem Gläubiger gestellt würde, der seine Forderung angemeldet habe und der Schuldner in den letzten drei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach dem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.

Richtig sei von der Vorinstanz das Schreiben des Schuldners dahingehend gewertet worden, dass der Schuldner eine Grundschuld/Hypothek an einem eigenen Grundstück als Sicherung angeboten habe. Auch wenn die Aussage in einem Schreiben seines anwaltlichen Bevollmächtigten gestanden habe, sei sie ihm als eigene schriftliche Erklärung zuzurechnen. § 289 Abs. 1 Nr. 2 InsO verlange keine eigenhändig vom Schuldner unterzeichnetes Schriftstück. Ausreichend sei, dass die unrichtige Angabe mit seinem Wissen und seiner Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sei (BGH, Beschluss vom 11.09.2003 - IX ZB 37/03 -); dass der Anwalt hier eigenmächtig gehandelt habe, habe der Schuldner nicht behauptet.

Es sei auch Vorsatz anzunehmen, da der Schuldner durch den Verkauf und die ihm bekannte Auflassung des Grundstücks an die Käuferin (Eigentumsübertragung im Grundbuch) wusste, dass er nicht mehr Eigentümer war und mithin über dieses nicht befinden konnte. Zudem sei die Erklärung in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages abgegeben worden. Und sie sei mit dem Ziel abgegeben worden, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen und Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.

Letzteres schlussfolgerte der BGH aus dem Wortlaut der Norm des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO und  einem vom Beschwerdegericht verkannten finalen Zusammenhang:

Der Wortlaut „um ... zu“ verdeutliche das erforderliche finale Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung der Leistungsbeziehung und/oder Leistungsvermeidung. Dabei käme es nicht darauf an, ob die Zielsetzung auch verwirklicht wurde. Sanktioniert sei die Unredlichkeit des Schuldners, die sich dem zielgerichteten Handeln verwirkliche, wenn zwischen dem Handeln und den tatbestandlich vorausgesetzten Leistungen ein objektiver Zusammenhang bestünde (BGH, Beschluss vom 20.12.2007 - IX ZB 189/06 -).

Der Begriff „Kredit“ in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei weit auszulegen. Er umfasse jede Form von Darlehen, Zahlungsaufschub oder Finanzierungshilfe. Die „Leistungsvermeidung“ läge vor, wenn der Schuldner bestandkräftige Steuern nicht zahlen wolle und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen versuche abzuwehren. In diesem Zusammenhang wies der BGH darauf hin, dass häufig im Zusammenhang mit Anträgen auf Stundung von Steuerrückständen nach § 222 AO oder auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (§ 259 AO) unrichtige Angaben gemacht würden; im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung von 1992 sei die Vermeidung von Steuerzahlungen als Beispiel explizit genannt.  

Auch wenn das Beschwerdegericht das Schreiben vom 11.03.2011 dahingehend verstanden habe, es sei ihm lediglich darum gegangen, die Steuern später zu zahlen, läge der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Zahlungsaufschub und Stundung würden eine Leistungsverweigerung darstellen, wobei hier hinzu käme, dass der Schuldner sichergestellte Vermögenswerte freibekommen wollte.

 

Ebenfalls würde nicht gegen die Anwendbarkeit der Norm sprechen, dass der Schuldner seine Angaben im Zusammenhang mit einem Vergleichsvorschlag getätigt habe. Der Schuldner hätte keinen Vergleichsvorschlag unterbreiten müssen; würde es gleichwohl tun, dürften die Angaben über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht falsch sein. Sollen durch falsche Angaben Zugeständnisse erschlichen werden, würde dies unter den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen.

Auch die Überlegung des Beschwerdegerichts, es sei nicht widerlegt, dass der Eigentümer des Grundstücks die Sicherungshypothek bewilligt hätte, trage nicht, da der Schuldner keine Sicherheit an einem fremden, sondern an einem eigenen Grundstück angeboten habe.

BGH, Beschluss vom 18.11.2021 - IX ZB 1/21 -

Montag, 24. Mai 2021

Auswirkung der in der Insolvenztabelle festgestellten Schadensersatzforderung für den Haftpflichtversicherer

Die GmbH, über deren Vermögen im September 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war bei der Beklagten im Rahmen einer Verkehrshaftungsversicherung im Risikobereich des Unternehmensgegenstandes der GmbH (Umzug und Lagerhalten) haftpflichtversichert. Der Kläger hatte die GmbH im Juni 2010 mit Umzugsleistungen einschl. Ein- und Auslagerung von Gegenständen beauftragt, bei denen es nach seinen Angaben zu Schäden gekommen sein soll. Seine Forderung meldete der Kläger am 18.10.2012 mit € 33.530,15 nebst Zinsen zur Tabelle an, die der Insolvenzverwalter in voller Höhe feststellte. Mit Schreiben vom 11.12.2012 und 05.07.2013 überließ der Insolvenzverwalter dem Kläger die Geltendmachung des Deckungsprozesses der GmbH als Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte einschließlich der gerichtlichen Geltendmachung. Die Beklagte verwies darauf, den Anspruch bereits mit einer (auch unstreitigen) Zahlung abgegolten zu haben und lehnte eine weitere Regulierung ab. Nachdem der Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben hatte, erfolgte in 2018 eine Schlussverteilung, aus der der Kläger € 14.307,07 erhielt und das Insolvenzverfahren wurde aufgehoben. Das Landgericht gab der Klage in Höhe der Klage auf Zahlung von € 30.608,80 statt. Das OLG wie die Klage, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von € 14.307,07 übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, ab. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Revision, die vom BGH zurückgewiesen wurde.

Vorliegend sei (von der Revision nicht angegriffen) vom Berufungsgericht festgestellt worden, dass der maximale Schaden des Klägers € 11.750,00 betrug und der Kläger insgesamt (einschl. der Schlussverteilung) € 20.307,07 erhalten habe. Der Kläger könne nicht unter Berufung auf den zur Tabelle festgestellten Betrag eine weitergehende Forderung geltend machen.

Bei Insolvenz des Versicherungsnehmers könne der Geschädigte gem. § 110 VVG ein Recht auf abgesonderte Befriedigung am Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen dessen Haftpflichtversicherer geltend machen, mit der Folge, dass er diesen direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen könne. Voraussetzung sei aber (wie im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer), dass der Haftpflichtanspruch des Geschädigten gem. § 106 S. 1 VVG festgestellt worden sei.

Eine solche Feststellung könne auch durch ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs (durch den nicht insolventen Versicherungsnehmer oder den Insolvenzverwalter) erfolgen. Eine widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten zur Tabelle würde ein derartiges Anerkenntnis darstellen.

Allerdings sei die Bindungswirkung für den Versicherer an ein Anerkenntnis des Versicherungsnehmers (oder des Insolvenzverwalters) im Deckungsverhältnis nicht gegeben. Zwar sei gemäß § 105 VVG der Versicherungsnehmer frei ein Anerkenntnis zu erklären, doch bliebe dies ohne Einfluss auf das Deckungsverhältnis. Verspreche der Versicherungsnehmer dem Geschädigten mehr als diesem zustünde, habe der Versicherer das Recht, die Berechtigung des vom Geschädigten geltend gemachten Anspruchs zu prüfen. Ein Anerkenntnis ohne Zustimmung des Versicherers komme deshalb nach § 106 S. 1 VVG nur insoweit Bindungswirkung zu, als eine Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers nach materieller Rechtslage bestünde, was ggf. inzident im Deckungsprozess gegen den Versicherer zu klären sei.  

Dies gelte auch dann, wenn wie hier das Anerkenntnis durch widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Tabelle erfolgt sei. Der Geschädigte würde im Insolvenzfall nicht benachteiligt, wenn die auch sonst für die Bindungswirkung von Anerkenntnissen nach § 106 S. 1 VVG geltenden Grundsätze herangezogen würden. Im Gegenteil würde es ansonsten zu einer Privilegierung des Geschädigten im Insolvenzfall kommen, wollte man dem Insolvenzverwalter die Befugnis einräumen, den Versicherer zu Gunsten des Geschädigten zu belasten.

Auch der Umstand, dass die in der Tabelle festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirke (§ 178 Abs. 3 InsO) ändere daran nichts. § 201 Abs. 2 2 S. 1 InsO sähe nur vor, dass aus der nicht bestrittenen Eintragung in der Tabelle, gegen den Schuldner vollstrecken könnten. Die Vorschrift wirkt allerdings nicht gegen Dritte und bewirkt daher auch keine Bindungswirkung nach § 106 S. 1 VVG. Eine analoge Anwendung scheide auch aus.

Vorliegend hatte zwar die Beklaget auch eine Prämienforderung zur Tabelle angemeldet. Dass sie Kenntnis von der Anmeldung der Haftpflichtforderung hatte sei eben so wenig dargelegt wie eine Zustimmung der Beklagten zur Feststellung einer solchen zur Tabelle.

BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 309/19 -

Montag, 5. April 2021

Kommanditistenhaftung bei Insolvenz der Gesellschaft und Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters

Der Kläger als Insolvenzverwalter forderte von dem Beklagten, der mit einer Kommanditeinlage von € 55.000,00 an der Schuldnerin beteiligt war, einen Betrag von € 24.750,00 für nicht durch gedeckte Gewinne erfolgte Ausschüttungen mit der Begründung, es handele sich bei den Auszahlungen um teilweise Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage.

Der Kommanditist haftet mit seiner Einlage für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Allerdings würde, so der BGH, dem Kommanditisten bei einer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach §§ 171 Abs. 1 und 2, 172 Abs. 4 HGB der Einwand der fehlenden Erforderlichkeit der ihm gegenüber geltend gemachten Forderung. Hierfür sei er zwar darlegungs- und beweisbelastet, doch obliege dem Insolvenzverwalter die sekundäre Darlegungslast zu den für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse.

Entscheidend dabei sei nicht nur, ob die Gesellschaftsschulden aus der aktuelle zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse befriedigt werden könne, vielmehr könne der Kommanditist auch entsprechend §§ 422 Abs. 1 S. 1 HGB, 362 Abs. 1 BGB einwenden, der erforderliche Betrag sei durch Zahlung anderer Kommanditisten ganz oder teilweise aufgebracht. Abzustellen sei deshalb darauf, ob und inwieweit die Forderung durch Zahlung anderer Kommanditisten die Insolvenzmasse gedeckt sei (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 - II ZR 175/19 -). Entscheidend sei der Betrag der nicht gedeckten Forderung zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung, der typischerweise nur von dem Insolvenzverwalter dargelegt werden könne, dem dies auch nach der sekundären Darlegungslast obliege.

Bei den gegen die Schuldnerin gerichteten Forderungen seien nicht lediglich zur Tabelle festgestellte Forderungen zu berücksichtigen. Auch die vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderungen seien zu berücksichtigen, wenn eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse diesbezüglich ernsthaft drohe. Deren Sicherung könne erforderlich sein, weil ein gegen sie erhobener Widerspruch des Insolvenzverwalters durch eine Feststellungsklage (§ 170 InsO) beseitigt werden könne. In diesem Verhalten des Insolvenzverwalters läge kein widersprüchliches Verhalten. Allerdings obläge es dem Insolvenzverwalter substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass eine von ihm bestrittene Forderung, für die der Kommanditist hafte, mindestens in Höhe der Klageforderung bestünde. Eine Inanspruchnahme der Masse würde z.B. dann nicht mehr drohen, wenn der Bestand bestrittenen und angemeldeten Forderung rechtlich zweifelhaft sei, seit dem Prüfungstermin und dem Widerspruch des Insolvenzverwalters ein erheblicher Zeitraum verstrichen sei und der Gläubiger keine Feststellungsklage erhoben habe. Ebenfalls könne eine Inanspruchnahme der Masse nicht mehr angenommen werden, wenn es sich um eine Vielzahl von Forderungen, beruhend auf vergleichbaren Sachverhalten, handele und hier ein Musterprozess (nicht notwendig im Insolvenzverfahren) geführt worden sei, bei der die Forderung nicht zuerkannt wurde (BGH, Beschluss vom 06.02.2020 - IX ZR 5/19 -).

BGH, Urteil vom 09.02.2021 - II ZR 28/20 -

Montag, 13. Juli 2020

Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden in der Insolvenz ?


Die Antragsgegnerin erließ einen Haftungsbescheid gegen den Antragsteller wegen Steuerschulden aus Vergnügungssteuer (betrieb von Gelspielgeräten) der von dem Antragsteller als Geschäftsführer ehedem vertretenen GmbH. Vom Antragsteller wurde Widerspruch eingelegt und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Er machte geltend, er habe bereits einen Großteil der Steuerschulden der Gesellschaft aus privaten Mitteln gezahlt und der Antragsgegnerin sei die wirtschaftliche Situation der GmbH bekannt gewesen. Sein Antrag wurde vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Seine Beschwerde zum OVG hatte keinen Erfolg.

Das OVG verweist darauf, dem Antragsteller treffe eine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Erteilung erforderlicher Auskünfte, §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AO. Dieser sei er nicht genügend nachgekommen, wobei er sich nicht darauf berufen könne, die Unterlagen würden sich 8nun) beim Insolvenzverwalter befinden, da er jedenfalls in Grundzügen über fällige Forderungen und  liquide Mittel im Haftungszeitraum informiert sein müsse. Letztlich aber würde der Antragsteller mit seinem Vortrag sogar die Haftung wegen grober Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten nach §§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und d KAG iVm. §§ 69, 34 Abs. 1 AO bekräftigen, da er selbst in einem Schreiben an die Antragsgegnerin in 2018 ausführte, die GmbH sei schon 2013 nicht mehr in der Lage gewesen aus liquiden Mitteln Schulden zu zahlen (wobei er auf eine eigene Forderung der Gesellschaft aus 2012 in Höhe von € 58.000,00 verwies, die bis 2015 auf € 150.000,00 angewachsen sei), weshalb im Hinblick auf die hier streitbefangenen Steuerschulden für den Zeitraum ab April 2014 weiter anfallenden und ab Mai 2014 fälligen und unbeglichenen Steuerschulden  davon auszugehen sei, dass Zahlungsunfähigkeit vorlag. Es sei davon auszugehen, dass eine zur Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO allenfalls durch Gesellschafterdarlehen habe vermieden werden können, wobei spätestens ab Mai 2015 Zahlungsunfähigkeit hinzugekommen sei. Damit sei der Antragsteller weiterhin wirtschaftlich tätig geworden, obwohl für ihn erkennbar gewesen sei, dass er weitere Steuerschulden anhäufen würde.

Soweit steuerliche Literatur und die Entscheidung des BFH vom 28.11.2002 – VII R 41/01 – (ergangen zur Umsatzsteuer) eine Haftung nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO unbeschadet gesellschafts- und insolvenzrechtlicher Regelungen, die eine steuerliche Haftung nicht begründen könnten, wegen des Weiterbetreibens von Geschäften negiert, obwohl diese eine Steuer auslösen könnten, könne dem nach den in Nordrhein-Westfalen entsprechend anwendbaren Haftungsvorschriften der AO für die Geldspielgerätesteuer nicht gelten. Vielmehr sei danach der Vertreter der juristischen Person (Geschäftsführer der GmbH) verpflichtet, Vorsorge für die Zahlung der erkennbar entstehenden Steuerschuld zu treffen. Dies schließe insbesondere die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages (§§ 15a Abs. S. 1, 18 InsO) ein.

Im Hinblick auf den Schadensersatzcharakter des Haftungsanspruchs würden nur die Steuern umfasst, die durch die Pflichtverletzung ausgefallen seien. Diese Pflichtverletzung müsse ursächlich sein. Bei einer Pflichtverletzung in Form der fehlenden Unterlassung weiterer steuerbegründender Geschäfte könne zwar zweifelhaft sein, , ob der Weiterbetrieb der Geschäfte mit den dann anfallenden Steuern wirtschaftlich einen Steuerschaden darstellen könne (vgl. auch BGH, Urteil vom 06.06.1994 - II ZR 292/91 -). Gegen den Weiterbetrieb von Geldspielgeräten  würde auch nach Insolvenzreife nichts sprechen, wenn der ein wirtschaftlich sinnvoller Weiterbetrieb erfolge und damit die Masse erhöht würde, wobei, wenn anders die Mittelvorsorgeverpflichtung für diese Steuern nicht gesichert werden könne, dies allerdings unter Insolvenzbedingungen erfolgen müsse, da in diesem Fall die Vergnügungssteuerschulden Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1Nr. 1 2. Alt. InsO und nach § 55 InsO und vorab zu  befriedigen wären. Diese Mittelvorsorge sei vom Antragsteller unterlassen worden.

OVG Münster, Beschluss vom 15.11.2019 - 14 B 1443/19 -

Freitag, 15. Mai 2020

Insolvenz: Keine anfechtbare Rückgewähr eines über einen Gesellschafter von einem Dritten erbrachten Darlehens


Der Beklagte gewährte den Eheleuten V. ein Darlehen, welches von diesen nebst Zinsen bis zum 29.02.2012 bzw. 31.03.2012 zurückgezahlt werden sollte. Vereinbarungsgemäß und wurde (durch direkte Zahlung des Beklagten) das Darlehen der Autohaus P.V. GmbH (Schuldnerin), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer V. war, zur Beseitigung einer Liquiditätslücke zur Verfügung gestellt werden. Am 27.02.2012 zahlte die Schuldnerin einen Teilbetrag an den Beklagten zurück. Am 30.03.2012 vereinbarten der Beklagte und V. eine Verlängerung des Darlehens bis zum 30.09.2012; die Rückzahlung erfolgte am 05.10.2012.  Am 19.07.2013 beantragte V. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Der Insolvenzverwalter verlangte die Rückzahlung des am 05.10.2012 gezahlten Betrages. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Auf die Revision des Beklagten wurde die Klage abgewiesen.

Anfechtbar nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines nachrangigen Darlehens iSv. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Befriedigung gewährt habe, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag (wie hier) oder danach vorgenommen worden sei. Allerdings unterlägen dem Nachrang nur Ansprüche auf Rückgewähr, die von einem Gesellschafter gewährt wurden, der einer Gesellschaft iSv. § 39 Abs. 4 S. 1 InsO angehöre und nicht dem Kleinbeteiligungsprivileg nach § 39 Abs. 5 InsO unterfalle. Dritte, die der Gesellschaft nicht als Gesellschafter angehören, würden dem Nachrang nur unterworfen, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichstehen würden. So könne sich der Gesellschafter seiner Verantwortung nicht durch Zwischenschaltung anderer Gesellschaften entziehen (BGH, Urteil vom 15.11.2018 - IX ZR 39/18 -).

Diese Voraussetzungen sah der BGH, anders als die Vorinstanzen, als nicht erfüllt an. Mit Ausnahme des Darlehensvertrages zwischen den Eheleuten V. und dem Beklagten würden keine rechtliche Verbindungen zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin als Darlehensnehmerin einerseits, dem Beklagten und den Eheleuten V. als Darlehensgeber andererseits bestehen. Der Beklagte habe auch keinen Einfluss auf Entschließungen der Schuldnerin gehabt. Eine Umgehung von Anfechtungstatbeständen könne auch nicht den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eröffnen. Dieser sei nur bei den im Gesetz benannten Voraussetzungen gegeben. Zudem läge keine Umgehung vor. Selbst wenn der Beklagte den Darlehensvertrag unmitellbar mit der Schuldnerin geschlossen hätte, wäre die Rückzahlung nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO  anfechtbar gewesen, da der Beklagte nicht Gesellschafter der Schuldnerin gewesen wäre und auch einem solchen nicht gleichgestanden hätte.

Weitere vom klagenden Insolvenzverwalter benannte Anfechtungsgründe wurden vom BGH auch verneint.

BGH, Urteil vom 27.02.2020 - IX ZR 337/18 -

Dienstag, 10. März 2020

Restschuldbefreiung im (Regel-) Insolvenzverfahren: Wer kann Versagung beantragen ?


Der Schuldner A. beantragte im Juni 2015 das im Juli 2015 eröffnete (Regel-) Insolvenzverfahren über sein Vermögen. Er beantragte die Restschuldbefreiung. In dem von ihm erstellten Gläubigerverzeichnis führte er die beteiligte S. nicht auf, die auch ihre Forderung nicht zur Insolvenztabelle anmeldete.  Nach dem Schlusstermin vom 08.06.2016 wurde das Insolvenzverfahren am 12.07.2016 aufgehoben. Die S. beantragte mit Schreiben vom 29.11.2017, dem Schuldner A. die Restschuldbefreiung zu versagen, §§ 297a, 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, wobei sie zur Begründung ausführte, sie habe aus dem Jahr 2010 offene Steuerforderungen in Höhe von € 2.400,00 und auf ihren Antrag habe der Schuldner in 2015 die Vermögensauskunft nach § 802s ZPO abgegeben. Er habe die Benennung der S. als beteiligte des Insolvenzverfahren vorsätzlich, jedenfalls grob fahrlässig verschwiegen, wobei sie erst in 2017 von dem Insolvenzverfahren erfahren habe.

Der Antrag der Gläubigerin wurde vom Insolvenzgericht zurückgewiesen, ebenso wie die dagegen von ihr erhobene Beschwerde vom Beschwerdegericht. Auch auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin half dem der BGH nicht ab.

Der BGH folgte der Ansicht der Vorgerichte, dass den Antrag, die Restschuldbefreiung nach § 297a InsO zu versagen, wenn sich nach dem Schlusstermin herausstelle, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorliegt, nur Insolvenzgläubiger beantragen könnten, die durch rechtzeitige Anmeldung ihrer Forderung am Insolvenzverfahren beteiligt sind.

Das Gesetz stelle nah dem Wortlaut der seit 01.07.2014 geltenden Gesetzesänderung, mit der die Rechte der Gläubiger gestärkt werden sollten,  Fassung des § 297a InsO darauf ab, dass es sich um einen Insolvenzgläubiger handele, wobei der Begriff des Insolvenzgläubigers nicht die Anmeldung der Forderung zur Tabelle voraussetze, sondern lediglich, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Vermögensanspruch gegen den Schuldner bestünde (§ 38 InsO). Die Gesetzessänderung habe bewirkt, dass der Versagungsantrag auch schon vor dem Schlusstermin gestellt werden könne, aber auch dann nach dem Schlusstermin, wenn sich erst nach diesem herausstelle, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorgelegen habe. Nach der Neuregelung des § 290 Abs. 1 InsO seien aber nur Gläubiger antragsberechtigt, die ihre Forderung zur Tabelle angemeldet hätten. Nach der Gesetzesbegründung soll die Grundnorm des § 290 Abs. 1 InsO auch für die weiteren Versagungs- und Widerrufsnormen der §§ 296, 297, 297a  und 303 InsO gelten. Diese Entstehungsgeschichte, die auf der bisherigen Rechtsprechung zur alten Gesetzesfassung basiere, müsste beachtet werden (entgegen AG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2017 - 68g IK 757/15 -).  

Insolvenzgläubiger, die wie die S. nicht in dem vom Schuldner errichteten und eingereichten Insolvenzverzeichnis aufgelistet seien, seien allerdings nicht schutzlos. Sie könnten durch öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses Kenntnis erlangen. Erführen sie von dem Insolvenzverfahren erst zu einem Zeitpunkt,  zu dem eine Forderungsanmeldung nicht mehr möglich sei, könnten sie versuchen, einen anderen Gläubiger, dessen Forderung rechtzeitig angemeldet wurde, dazu zu bewegen, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen. Gelinge dies nicht, bliebe ihnen die Möglichkeit bei Vorliegend er Voraussetzungen den Schuldner auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen (vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom ß7.05.2015 - 4 W 9/15 -; BGH, Beschluss vom 09.10.2008 - IX ZB 16/08 -); die Leistungsklage kann nach Abschluss des Restschuldbefreiungsverfahrens erhoben werden (OLG Saarbrücken aaO.).

BGH, Beschluss vom 13.02.2020 - IX ZB 55/18 -

Mittwoch, 21. August 2019

Bürgenhaftung nach Insolvenz des Schuldners einer Werkleistung (§ 650f Abs. 2 S. 2 BGB)


Die Klägerin plante und baute als Nachunternehmerin der A GmbH (Hauptunternehmerin) zwei Haustreppenanlagen in Einfamilienneubauten ein. Die Beklagte verbürgte sich für die Vergütungsforderungen gegen die Hauptunternehmerin zur Erfüllung deren Sicherungspflicht nach § 648a BGB a.F. (heute: § 650f BGB), wobei der Text der Norm sinngemäß in die Bürgschaftsurkunde übernommen worden sei.  Nachdem die A GmbH gegen ein von der Klägerin wegen ihres offenen Vergütungsanspruchs Versäumnisurteil erwirkt hatte, wurde über das Vermögen der A GmbH während der laufenden Einspruchsfrist das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Vergütungsanspruch der Klägerin wurde in der Folge vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt.

Mit der vorliegenden Klage nahm die Klägerin die Beklagte aus deren Bürgschaft in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage als derzeit noch nicht fällig ab. Das OLG änderte das Urteil ab und gab der Klage Zug um Zug gegen Übergabe der Bürgschaftsurkunde und Abtretung der Werklohnforderung (mit Ausnahme eines Gewährleistungseinbehalts) statt.

Das OLG verweist darauf, dass die Regelung des § 648a Abs. 2 S. 2 BGB a.F. (heute: § 650f Abs. 2 S. 2 BGB) gegenüber dem allgemeinen Bürgschaftsrecht ein zusätzliches formales Fälligkeitskriterium  zum Schutz des Bestellers und des Bürgen enthalte, dem die sachliche Auseinandersetzung um die Hauptforderung erspart werden solle. In § 648a Abs. 2 S. 2 BGB a.F. (heute: § 650f Abs. 2 S. 2 BGB) heißt es:

Das Kreditinstitut oder der Kreditversicherer darf Zahlungen an den Unternehmer nur leisten, soweit der Besteller den Vergütungsanspruch des Unternehmers anerkennt oder durch vorläufig vollstreckbares Urteil zur Zahlung der Vergütung verurteilt worden ist und die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Zwangsvollstreckung begonnen werden darf.

Die Erfüllung dieses Kriteriums sei notwendige Bedingung für die Inanspruchnahme des Bürgen, der - wenn er wie  hier nicht auf Einwendungen verzichtet hat - nicht an ein mögliches Anerkenntnis durch den Hauptschuldner wie auch ein rechtskräftiges Urteil gegen diesen nicht gebunden sei, sondern Einwendungen des Hauptschuldners uneingeschränkt wie eigene erheben könne. Die Gegenansichten würden nicht überzeugen und Sinn und Zweck des § 648a Abs. 2 S. 2 BGB a.F. (heute: § 650f Abs. 2 S. 2 BGB) verkennen. Allerdings sei die Berufung hier unabhängig davon begründet.

Die notwendige Bedingung entsprechend § 488 Abs. 2 S. 2 BGB (heute: § 650f Abs. 2 BGB) sei unabhängig davon eingetreten, ob hierfür das Versäumnisurteil ausreiche, obwohl das Insolvenzverfahren während der laufenden Einspruchsfrist eröffnet worden sei und damit zur Unterbrechung des Rechtsstreits nach § 240 ZPO geführt habe, da jedenfalls die nach § 648a Abs. 2 S. 2 BGB a.F. (heute: § 650f Abs. 2 S. 2 BGB) erforderliche Fälligkeitsvoraussetzung durch die Feststellung zur Insolvenztabelle erfüllt sei, die wie ein rechtskräftiges Urteil wirke, § 178  Abs. 3 InsO; dies könnte zudem (worauf es aber nicht ankäme) auch als Anerkenntnis angesehen werden.
In der Feststellung der Forderung durch den Insolvenzverwalters liege die (die Fälligkeit der Forderung nach § 641 Abs. 1 S. 1 BGB begründende) Abnahme der Werkleistung, wofür auch der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig war; daran sei die Beklagte als Bürgin auch gebunden, da die Abnahme zur planmäßigen Durchführung des Werkvertrages gehöre. Mit der Abnahme läge die Darlegungs- und Beweislast für Werkmängel bei dem Besteller und damit hier der Beklagten als Bürgin. Hier seien substantiiert keine Mängel behauptet worden.

Da der Bauvertrag einen Gewährleistungseinbehalt von 5% vorsehe, sei dieser Betrag bei dem geltend gemachten Zahlungsanspruch in Abzug zu bringen. Der Verweis der Klägerin darauf, dass im Prozess gegen die Hauptunternehmerin A GmbH ein Annahmeverzug festgestellt worden sei, hindere den Abzug nicht, da der Bürge an dieses Urteil nicht gebunden sei.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.02.2019 - 29 U 81/189 -

Sonntag, 10. März 2019

Insolvenz: Rückgewähranspruch von Ausschüttungen gegen Kommanditisten und Darlegungslast des Insolvenzverwalters zum Grund


Die Beklagte war mit einer Kommanditeinlage von € 100.000,00 an der insolventen Kommanditgesellschaft (KG) beteiligt. Sie erhielt von dieser Ausschüttungen in Höhe von € 45.000,00. Diese wurden vom Insolvenzverwalter der KG (dem Kläger) unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr von Kommanditeinlagen eingeklagt. Er machte geltend, dass zum Zeitpunkt der entsprechenden Ausschüttungen der Kapitalanteil der Beklagten durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert gewesen sei (§ 175 HGB). Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg.

Das OLG hielt in seiner Entscheidung fest, die Beklagte könne nicht zur Insolvenztabelle festgestellte Forderungen (pauschal) bestreiten und auch nicht verlangen, dass der Kläger jeweils den Forderungsgrund und die Fälligkeit substantiiert darlegen müsse. Auch seine ein Verjährung der festgestellten Forderungen nicht ersichtlich.

Allerdings sei Voraussetzung, dass die Inanspruchnahme der Beklagten zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger mit festgestellten Forderungen benötigt würde. Davon sei nicht auszugehen, da aus der Beitreibung von Erstattungszahlungen wegen der Rückgewähr geleisteter Kommanditeinlagen das Aktivvermögen der Schuldnerin (KG) ausgereicht habe, um solche Forderungen auch ohne Inanspruchnahme der Beklagten zu befriedigen. Dieser Behauptung entsprechenden Behauptung der Beklagten sei der Kläger trotz Hinweises des Senats nicht im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast in genügender Weise, nämlich unter konkreter Darstellung der Höhe und der Verwendung entsprechender beigetriebener Erstattungsansprüche gegen andere Kommanditisten entgegen getreten, weshalb die Behauptung der Beklagten nach § 138 Abs. 4 ZPO als unstreitig zu behandeln sei.

Die Beklagte als Kommanditisten hafte nach § 171 Abs. 2 iVm. § 172 Abs. 4 S. 2 HGB nur für Forderungen, die der Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt habe und denen er nicht widersprochen habe. Eine Haftung für Masseforderungen bestünde nicht. Schon daraus folge die sekundäre Darlegungslast des Klägers, der eine Vielzahl von Kommanditisten in Anspruch genommen habe,  da andernfalls der Insolvenzverwalter hinsichtlich des Anspruchsgrunds sachliche Beschränkungen der Haftung der Gesellschafter umgehen könnte, indem er bereits beigetriebene Erstattungsansprüche zur Begleichung von Forderungen einsetzt, für die die Gesellschafter nicht haften und damit letztlich versucht, die maßgebliche Summe zur Insolvenztabelle festgestellter Forderungen wieder „aufzufüllen“.

Der Kläger hat Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH erhoben (II ZR 1/19).

OLG Celle, Urteil vom 12.12.2018 - 9 U 74/17 -

Mittwoch, 8. August 2018

Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung gegen Insolvenzverwalter


Der Kläger machte gegen den beklagten Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche geltend. Dieser ist der Auffassung, Ansprüche gegen ihn wären verjährt. Dies folge aus der Höchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB (10 Jahre von ihrer Entstehung an). Das OLG Koblenz  war anderer Auffassung. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde wandte sich der beklagte gegen diese Entscheidung. Der BGH nahm die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu Entscheidung an, da dies weder zur Fortbildung des Rechts  noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) notwendig sei.

Bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 62 InsO (der die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter wegen Pflichtverletzung regelt) ergäbe sich, dass § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB nicht greifen würde. Nach der ursprünglich § 852 Abs. 1 BGB aF (alte Fassung) nachgebildeten Fassung des § 62 S. 1 InsO verjährte der Anspruch auf Schadensersatzanspruch in drei Jahren, berechnet ab Kenntnis von Schaden und Umständen durch den Verletzten. Anders allerdings als in § 852 Abs. 1 BGB habe der Gesetzgeber allerdings in § 62 S. 2 InsO keine Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren ab Begehung der Handlung vorgesehen, sondern eine Höchstfrist von drei Jahren ab der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens. Mit dem Anpassungsgesetz zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz erhielt § 62 S. 1 InsO zum 01.01.2005 seine heutige Fassung (Art. 5 Nr. 2; BGBl I 2004, 3214), wonach sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährung gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) richte. § 62 S. 2 und S. 3 InsO wären unverändert gelassen worden; dies mit der Begründung, dass das Haftungsprivileg des Insolvenzverwalters erhalten leibe solle (BT-Drucks. 15/3652, S. 15). Damit hätten Ansprüche nicht längstens nach 30 Jahren ab Begehung verjähren sollen (§ 199 Abs. 3 BGB), sondern spätestens drei Jahre nach Aufhebung oder rechtskräftiger Einstellung des Insolvenzverfahrens; es handele sich hier um Sonderreglungen, die nach dem Spezialitätengrundsatz der Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgehen würden (Lex specialis derogat legi generali).

Dies führe vorliegend dazu, dass die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien.

BGH, Beschluss vom 21.06.2018 - IX ZR 171/16 -

Sonntag, 11. März 2018

Werkvertrag: Selbstvornahmekosten nach § 634 BGB können grds. erst nach Abnahme verlangt werden


Mit der Klage wurde eine Forderung aus einer 3. Abschlagsrechnung geltend gemacht. Die Beklagte , die fehlende Fälligkeit einwandte, hatte Widerklage auf Kostenvorschuss von € 2 Mio. für bestehende Mängel  erhoben.  Nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wurde über das Vermögen der Klägerin auf deren Eigenantrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Berufungsgericht hatte die Widerklage abgewiesen, wogegen sich die Beklagte mit der insoweit zugelassenen Revision wendet.

Die Revision wurde zurückgewiesen.

Bereits mit Urteil vom 19.01.2017 - VII ZR 301/13 - hat der BGH entschieden, dass der Besteller Mängelrechte aus § 634 BGB (wie hier den Kostenvorschuss) grundsätzlich erst nach Abnahme des Werkes geltend machen könne. Darauf verweist der Senat in seinem jetzigen Urteil. Allerdings könne der Besteller berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er die (Nach-) Erfüllung des Vertrages nicht mehr verlangen könne und das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis übergegangen sei. Das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme sei aber nicht ausreichend. In diesem Fall würde ausnahmsweise ein Abrechnungsverhältnis entstehen, wenn der Besteller konkludent zum Ausdruck bringen würde, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten zu wollen, auch dann nicht, wenn die Selbstvornahme zu einer mangelfreien Herstellung des Werkes führe. Dies habe hier nicht vorgelegen.

Auch könne sich die Revision nicht erfolgreich darauf berufen, dass nach der letzten mündlichen Verhandlung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die ehemalige Klägerin Umstände eingetreten wären, die zu einem Abrechnungsverhältnis führen würden. Mit dem Eigeninsolvenzantrag habe die ehemalige Klägerin einen wichtigen Grund für eine Kündigung gesetzt. Der BGH anerkennt zwar, dass ein Eigeninsolvenzantrag des Unternehmers einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen könne, § 311 BGB (BGH, Urteil vom 07.04.2016 - VII ZR 56/15 -); ob dies hier vorläge, könne aber auf sich beruhen, da es an einem revisionsrechtlich zu beurteilenden Sachverhalt an einer Kündigung der Beklagten ermangele. Im Revisionsverfahren könne dies nicht mehr eingeführt werden; der jetzige Vortrag der Beklagten, die Klägerin (Schuldnerin) könne und wolle nicht mehr nachbessern, sei nicht unstreitig, was Voraussetzung für eine Beachtung des neuen Vortrages im Revisionsverfahren sei.

Anmerkung: Es lässt sich nicht erkennen, ob hier die Beklagte nach dem Eigeninsolvenzantrag der Schuldnerin noch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hätte beantragen können. Richtig ist, dass jedenfalls der neue Sachvortrag, da er nicht unstreitig war, im Revisionsverfahren aus prozessualen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte. Die Beklagte kann allerdings, da die Entscheidung insoweit nicht in materieller Rechtskraft erwächst, auf dieser Grundlage erneut Ansprüche (gegen den Insolvenzverwalter, der im revisionsverfahren die Parteirolle der Klägerin übernommen hatte) geltend machen. Allerdings verwundert die Entscheidung des BGH vor dem Hintergrund der Entscheidung desselben Senats vom 07.04.2016, hatte er doch dort pauschal den Eigeninsolvenzantrag als wichtigen Grund für eine Kündigung angesehen.

BGH, Urteil vom 09.11.2017 - VII ZR 116/15 -

Dienstag, 30. Januar 2018

Vermieterpfandrecht an Fahrzeugen bei Insolvenz des Mieters

Die Gemeinschuldnerin hatte auf dem Betriebsgrundstück regelmäßig ihre Fahrzeuge abgestellt.  Der beklagte Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin hatte u.a. diese Fahrzeuge verwertet. Die Klägerin machte die Erlöse aus den Verwertungen im Zusammenhang mit Mietschulden vor dem Hintergrund des Vermieterpfandrechts geltend.

Zutreffend sei, so der BGH, dass ein bestehendes Vermieterpfandrecht in der Insolvenz des Mieters zur abgesonderten Befriedigung aus den Pfandgegenständen führe, § 50 Abs. 1 InsO. Bei einer Verwertung durch den Insolvenzverwalter nach § 166 Abs. 1 InsO habe er dem Gläubiger aus den Erlös abzüglich Feststellungs- und Verwertungskosten zu befriedigen, § 170 Abs. 1 InsO.  Die Klägerin sei auch Inhaberin eines Vermieterpfandrechts an den eingebrachten Sachen der Gemeinschuldnerin, § 562 Abs. 1 BGB. Zu diesen dem Vermieterpfandrecht unterfallenden Gegenständen würden auch Fahrzeuge gehören, die regelmäßig auf dem Grundstück abgestellt würden.  Eingebracht seien nämlich alle Sachen, die willentlich und wissentlich in die Mieträume oder auf das Mietgrundstück verbracht würden. Läge nur ein vorübergehender Verbleib vor, sei zu unterscheiden, ob der vorübergehende Verbleib der bestimmungsgemäßen Nutzung der Mietsache entspricht oder nicht. Bei Fahrzeugen sei dies der Fall, denn die regelmäßige vorübergehende Einstellung gehöre zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache; die LKW und Anhänger seien auch nachts jeweils auf dem Betriebsgrundstück bestimmungsgemäß abgestellt gewesen.

Allerdings habe das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wo sich Fahrzeuge und Anhänger im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung befunden hätten. Diese Feststellung sei aber erforderlich. Denn nach § 562a Satz 1 BGB erlösche das Vermieterpfandrecht mit der Entfernung der Sachen vom Grundstück, es sei denn, dies erfolge ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters. Nach § 562a Satz 2 BGB könne aber der Vermieter dann nicht widersprechen, wenn die Entfernung den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entspräche oder die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermieters offenbar ausreichen würden. Wären die Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung tatsächlich (so für Kundenbesuche) vom Grundstück entfernt gewesen, könnte der Vermieter nicht widersprechen, entsprächen derartige Ausfahrten den gewöhnlichen Lebensverhältnissen.  Entgegen einer in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Annahme reiche die vorübergehend geplante Wegschaffung der Sachen für das Erlöschen des Vermieterpfandrechts aus. Dies ergebe sich schon aus dem maßgeblichen Wortlaut des § 562a BGB. Das Wort „Entfernung“ sei ohne (auch zeitliche) Einschränkung gebraucht.

Damit war das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen. Dort müsse nunmehr (neben der Feststellung zur Forderung) geprüft werden, ob sich im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Fahrzeuge und Anhänger auf dem Betriebsgrundstück befanden.


BGH, Urteil vom 06.12.2017 - XII ZR 95/16 -

Freitag, 17. November 2017

Insolvenzeröffnung: Kein Grund zur Kündigung aus wichtigem Grund eines nach Eröffnungsantrag abgeschlossenen Werklieferungsvertrages

Die Schuldnerin war aus einem Rahmenvertrag aus dem Jahr 2008 zur Lieferung von Metallgussteilen gegenüber der Beklagten verpflichtet. Im Oktober 2012 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und  der Kläger wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt mit weitergehender Verfügung dahingehend, dass Verfügungen der Schuldnerin seiner Zustimmung bedürfen. Der Kläger machte eine Fortsetzung der Lieferung von einem Preisaufschlag von 30% abhängig, was dann entsprechend auch am 01./04.03.2013 vertraglich mit einer Laufzeit bis zum 31.03.2013 vereinbart wurde. Am 26.03.2012 wurde der Kläger vom Insolvenzgericht zum starken Verwalter bestellt. Am Folgetag wies er die Beklagte auf die zum 01.04.2012 geplante Eröffnung des Insolvenzverfahrens hin und forderte für Lieferungen ab dem 01.04 einen Aufschlag von 38% auf die ursprünglichen Preise mit Hinweis darauf, dass er im Falle einer entsprechenden Vereinbarung sein Wahlrecht nach § 103 InsO nicht ausüben würde. Die Beklagte lehnte mit beim Kläger am 02.04. eingegangenen Schreiben vom 28.03. ab, da sie sich nicht weiter unter Druck setzen lassen wolle und keine Grundlage für eine weitere Geschäftsbeziehung sähe, worauf der Kläger antwortete, er werde die Produktion einstellen. Die beklagte wies darauf hin, nach ihrer Ansicht läge in den seit 01.04. ausbleibenden Lieferungen implizite eine Wahl der Nichterfüllung.

Der Kläger verlangte Schadensersatz wegen Nichtabnahme abzüglich ersparter Aufwendungen. Seine Klage war in allen Instanzen erfolgreich.

Es bestand, so der BGH, ein Vertrag auf der Grundlage des Rahmenvertrages aus 2008 mit der Änderung vom 01./04.03.2013. Es würden daher §§ 651 S. 3, 649 BGB gelten. Das Schreiben der Beklagten vom 28.03.2013 sei als Kündigung auszulegen. Das Kündigungsrecht des § 649 BGB bestehe auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Kündigung sei auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des Klägers vom 27.03.2013 unwirksam.

Der Insolvenzverwalter könne nach § 103 InsO die Erfüllung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen, beidseits nicht vollständig erfüllten Vertrages verlangen oder ach auch die Erfüllung ablehnen; eine inhaltliche Änderung durch den Insolvenzverwalter sei ausgeschlossen. Ein unter Vorbehalten erklärtes Erfüllungsverlangen werde daher häufig als Ablehnung der Erfüllung angesehen. Allerdings entstünde das Wahlrecht des Insolvenzverwalters erst nach Insolvenzeröffnung, bestand mithin hier am 27.03.2013 nicht. Auch bestand kein Vertrauensschutz.

Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund waren nach Ansicht des BGH nicht erfüllt.

So lägen die Voraussetzungen des § 314 BGB nicht vor. Zwar habe es sich bei dem Rahmenvertrag um ein Dauerschuldverhältnis gehandelt, do sei dessen Kündigung nicht streitgegenständlich. Es ginge vorliegend um den Schaden aus der Nichterfüllung der einzelnen darauf beruhenden Werklieferungsverträge.

Auch läge kein wichtiger Grund iSv. § 648a Abs. 1 S. 2 BGB vor. Zwar sei vom BGH bereits entscheiden worden, dass bereits ein Eigenantrag eines Unternehmens auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als wichtiger Grund angesehen werden könne (Urteil vom 07.04.2016 - VII ZR56/15 -), da der Gläubiger ein schwerwiegendes, die Interessen des Schuldners überragendes Interesse daran habe, im Falle des Eigeninsolvenzantrages frühzeitig aus dem Vertrag herauszukommen und einen möglichen Schaden geltend machen zu können, ohne gem. § 649 S. 2 BGB gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung ohne Leistung verpflichtet zu sein. Ein solcher Fall habe aber hier nicht vorgelegen, da vorliegend die Kündigung einzelne Werklieferungsverträge betraf, die erst nach dem Insolvenzantrag und in dessen Kenntnisabgeschlossen worden wären. 

Die Insolvenzeröffnung selbst stelle hier keinen wichtigen Grund für eine Kündigung durch die Beklagte dar. Mit der Eröffnung hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Verwalter zur Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO aufzufordern, was nicht erfolgte. Aber selbst wenn er aufgefordert worden wäre und sich für die Erfüllung entschieden hätte, wäre aus Sicht der Beklagten möglicherweis zu befürchten gewesen, dass die geschuldeten Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht werden. Dies sei aber ein allgemeines Risiko, welches die Kündigung nicht rechtfertigen könne.

Auch vermag sich die Beklagte nach Auffassung des BGH nicht erfolgreich auf das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 27.03.2013 berufen, er würde sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr an die Vereinbarung vom 01./04.03. 2013 gebunden fühlen. Das Wahlrecht entstünde erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (hier: 01.04.2013) und hätte vorher nicht ausgeübt werden können mit der Folge, dass der Verwalter also an der vertraglichen Abrede vom 01./04.03.2013 gebunden war.

Für den Anspruch nach § 649 S. 2 BGB wäre eine Erfüllungswahl nicht erforderlich. Der Kläger könne  zwar nur solche Ansprüche geltend machen, bei denen er die Erfüllung gewählt habe; hier aber habe die Beklagte wirksam gekündigt, weshalb eine Erfüllung für ihn aus Rechtsgründen nicht mehr möglich war.

Fazit: Ein Kündigungsrecht aus wichtigen Grund besteht, wenn nach Vertragsabschluss ein (Eigen-) Insolvenzantrag über das Vermögen des Vertragspartners gestellt wird. Kommt es aber zu einem Vertrag mit dem Gemeinschuldner nach dem Insolvenzeröffnungsantrag, besteht auch bei Eröffnung der Insolvent kein wichtiger Grund. Der Gläubiger kann nach Eröffnung allenfalls den Insolvenzverwalter auffordern, von seinem Wahlrecht nach § 103 InsO (Wahl zwischen Erfüllung und Nichterfüllung) Gebrauch zu machen.



BGH, Urteil vom 14.09.2017 - IX ZR 261/15 -