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Mittwoch, 30. August 2023

Rückzahlung nicht verdienter Vorschüsse auf Verwaltervergütung durch (entlassenen) Insolvenzverwalter

Der Kläger, der aktuelle Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Schuldnerin, klagte die Rückzahlung eines von dem vormaligen Insolvenzverwalters (Beklagter) aus der Masse entnommenen Vergütungsvorschusses ein. Dem Vorschuss lag ein Beschluss des Insolvenzgerichts zugrunde, demzufolge dieses für die Tätigkeit des Beklagten einen Vorschuss auf dessen Vergütung von € 60.977,81 festsetzte und dessen Entnahme aus der Insolvenzmasse gestattete. Der Beklagte entnahm den Betrag in 2009. In 2010 entließ des Insolvenzgericht den Beklagten als Insolvenzverwalter. Dieser stellte in 2013 einen Antrag auf Festsetzung seiner endgültigen Vergütung im Insolvenzverfahren. Der Antrag wurde 2017 zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Vergütungsanspruch (wegen auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten) verwirkt habe.

Das Landgericht wies die Rückzahlungsklage auf Grund der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht das Urteil ab und gab der Klage statt. Die (zugelassene) Revision des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil bleib ohne Erfolg.

Der Rückforderungsanspruch richte sich, so der BGH, nicht nach der bereicherungsrechtlichen Norm des § 812 BGB. Die Anspruchsgrund für die Rückforderung ergäbe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 667  BGB (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rückgewähr von nicht verbrauchten Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsvergütung). Mit der Bestellung des Insolvenzverwalters würde hinsichtlich des Vergütungsanspruchs ein Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und der Insolvenzmasse begründet und der neue Insolvenzverwalter sei berechtigt eine Überzahlung auf die gewährten Vorschüsse auf die Vergütung zurückzufordern:

Der Insolvenzverwalter könne aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss u.a. auf seine Vergütung entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimme, § 9 S. 1 InsVV.  Habe der Insolvenzverwalter mehr aus der Insolvenzmasse entnommen, als ihm nach der maßgeblichen abschließenden und rechtskräftigen Festsetzungsentscheidung des Insolvenzgerichts zusteht, habe er den zuviel entnommenen Anteil an die Masse zu zurückzuzahlen. Erfolge die Entnahme aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Vergütungsbeschlusses, sei er mit Aufhebung oder Änderung zu seinem Nachteil zur Rückerstattung verpflichtet (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -); in diesem Fall ergäbe sich der Rückforderungsanspruch aus der entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -).  Handelt es sich um einen Vorschuss folge der Rückforderungsanspruch auf Grund des rechtskräftigen Bescheides über die Vergütungsfestsetzung aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB. Es handele sich um eine „Lückenergänzung“. § 65 InsO iVm. § 9 InsVV eröffne die Möglichkeit, in einer §§ 675, 669 BGB vergleichbaren Weise Vorschüsse auf die Vergütung und Auslagen zu erhalten. Weder die Insolvenzordnung noch die dazu ergangene Vergütungsordnung regele aber die die Rückgewähr eines zu viel gezahlten Vorschusses; § 717 Abs. 2 BGB sei nicht anzuwenden, da die Zustimmung zur Entnahme eines Vorschusses keine einem Vollstreckungstitel vergleichbare Wirkung habe.  

Voraussetzung des § 677 BGB sei, dass der vereinnahmte Vorschuss tatsächlich nicht verdient worden sei (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rechtsanwaltsvergütung). Zu unterscheiden sei zwischen Entstehung der Vergütung, deren Fälligkeit und deren Festsetzung. Der Anspruch auf Vergütung entstehe mit der Arbeitsleistung und dem Anfallen der Auslagen (BGH, Urteil vom 05.12.1991 - IX ZB 19/20 -), die Festsetzung der Vergütung mit einem Beschluss des Insolvenzgerichts, § 64 Abs. 1 InsO. Die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Entnahme eines Vorschusses (§ 9 InsVV) entfalte keine bindende Wirkung über die gem. § § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV festzusetzende Vergütung (BGH, Beschluss vom 22.11.2918 - IX ZB 14/18 -). Die Bewilligung eines Vorschusses habe nur vorläufige Bedeutung und mit ihr würde ein Vergütungsanspruch nicht bereits anerkannt.

Führe die Entnahme dazu, dass ein mit der Entfaltung der Tätigkeit bereits entstandene aber noch nicht endgültig festgestellte Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters teilweise nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt wird, stünde dies einer Rückforderung auch nicht entgegen, da die Erfüllungswirkung nur eintrete, sofern ihm ein Vergütungsanspruch zustünde, was erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV verbindlich festgestellt würde (BGH, Urteil vom 17.11.2005 - IX ZR 179/04 -).

Das Insolvenzgericht habe den Antrag auf Festsetzung der Vergütung rechtskräftig zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Anspruch auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten verwirkt habe. Die Entscheidung habe auch für die Frage, ob Vorschüsse zurückzuzahlen sind, präjudizielle Wirkung.  Daher könne er auch für Tätigkeiten vor dem inkriminierten Zeitraum 2005 bis 2008 keine Vergütung oder Auslagen verlangen (BGH, Beschluss vom 22.11.2018 - IX ZB 14/18 -).

Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines gem. § 9 InsVV gewährten Vorschusses beginne erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts zu laufen: Es gelte wie bei § 667 BGB die Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB.  Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von dem anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entstanden sei nach § 1991 Abs. 1 BGB der Anspruch, sobald er klageweise geltend gemacht werden könnte, was die Fälligkeit des Anspruchs voraussetze, die dem Gläubiger die Möglichkeit der (Leistungs-) Klage verschaffe. Damit setze § 667 BGB in der Regel die Beendigung des Auftrags voraus; im Allgemeinen würde der Anspruch des Insolvenzverwalters erst nach Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit fällig. Zusätzlich sei den Rückzahlungsanspruch eines Vorschusses nach § 9 InsVV erforderlich, dass das Insolvenzgericht verbindlich über die Höhe der Vergütung nach § 64 InsO, § 8 InsVV entschieden habe; die Entscheidung habe im Streit um die Rückforderung von angeblichen Überzahlungen präjudizielle Wirkung, weshalb in der Regel erst diese Entscheidung  zur Klärung der Vergütung  die Möglichkeit eröffne eine Überzahlung im Wege der Klage geltend zu machen. Der Beschluss des Insolvenzgereichts dazu erging im März 2017, die Klage wurde 2019 (in nicht verjährter Zeit) zugestellt.

Offen ließ der BGH, ob in Fällen, in denen der entlassene Insolvenzverwalter keinen Festsetzungsantrag stelle, eine Rückzahlungsklage zulässig wäre, das Insolvenzgericht durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen den (entlassenen) Insolvenzverwalter zu einem Vergütungsantrag anhalten könne oder auf Antrag des neuen Insolvenzverwalters die Vergütung des entlassenen Verwalters festgesetzt werden könne. Ebenso ließ der BGH offen, wie in einem solchen Fall die Verjährungsfrage zu entscheiden wäre.

BGH, Urteil vom 29.06.2023 - IX ZR 152/22 -

Montag, 5. April 2021

Kommanditistenhaftung bei Insolvenz der Gesellschaft und Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters

Der Kläger als Insolvenzverwalter forderte von dem Beklagten, der mit einer Kommanditeinlage von € 55.000,00 an der Schuldnerin beteiligt war, einen Betrag von € 24.750,00 für nicht durch gedeckte Gewinne erfolgte Ausschüttungen mit der Begründung, es handele sich bei den Auszahlungen um teilweise Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage.

Der Kommanditist haftet mit seiner Einlage für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Allerdings würde, so der BGH, dem Kommanditisten bei einer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach §§ 171 Abs. 1 und 2, 172 Abs. 4 HGB der Einwand der fehlenden Erforderlichkeit der ihm gegenüber geltend gemachten Forderung. Hierfür sei er zwar darlegungs- und beweisbelastet, doch obliege dem Insolvenzverwalter die sekundäre Darlegungslast zu den für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse.

Entscheidend dabei sei nicht nur, ob die Gesellschaftsschulden aus der aktuelle zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse befriedigt werden könne, vielmehr könne der Kommanditist auch entsprechend §§ 422 Abs. 1 S. 1 HGB, 362 Abs. 1 BGB einwenden, der erforderliche Betrag sei durch Zahlung anderer Kommanditisten ganz oder teilweise aufgebracht. Abzustellen sei deshalb darauf, ob und inwieweit die Forderung durch Zahlung anderer Kommanditisten die Insolvenzmasse gedeckt sei (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 - II ZR 175/19 -). Entscheidend sei der Betrag der nicht gedeckten Forderung zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung, der typischerweise nur von dem Insolvenzverwalter dargelegt werden könne, dem dies auch nach der sekundären Darlegungslast obliege.

Bei den gegen die Schuldnerin gerichteten Forderungen seien nicht lediglich zur Tabelle festgestellte Forderungen zu berücksichtigen. Auch die vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderungen seien zu berücksichtigen, wenn eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse diesbezüglich ernsthaft drohe. Deren Sicherung könne erforderlich sein, weil ein gegen sie erhobener Widerspruch des Insolvenzverwalters durch eine Feststellungsklage (§ 170 InsO) beseitigt werden könne. In diesem Verhalten des Insolvenzverwalters läge kein widersprüchliches Verhalten. Allerdings obläge es dem Insolvenzverwalter substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass eine von ihm bestrittene Forderung, für die der Kommanditist hafte, mindestens in Höhe der Klageforderung bestünde. Eine Inanspruchnahme der Masse würde z.B. dann nicht mehr drohen, wenn der Bestand bestrittenen und angemeldeten Forderung rechtlich zweifelhaft sei, seit dem Prüfungstermin und dem Widerspruch des Insolvenzverwalters ein erheblicher Zeitraum verstrichen sei und der Gläubiger keine Feststellungsklage erhoben habe. Ebenfalls könne eine Inanspruchnahme der Masse nicht mehr angenommen werden, wenn es sich um eine Vielzahl von Forderungen, beruhend auf vergleichbaren Sachverhalten, handele und hier ein Musterprozess (nicht notwendig im Insolvenzverfahren) geführt worden sei, bei der die Forderung nicht zuerkannt wurde (BGH, Beschluss vom 06.02.2020 - IX ZR 5/19 -).

BGH, Urteil vom 09.02.2021 - II ZR 28/20 -

Mittwoch, 8. August 2018

Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung gegen Insolvenzverwalter


Der Kläger machte gegen den beklagten Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche geltend. Dieser ist der Auffassung, Ansprüche gegen ihn wären verjährt. Dies folge aus der Höchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB (10 Jahre von ihrer Entstehung an). Das OLG Koblenz  war anderer Auffassung. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde wandte sich der beklagte gegen diese Entscheidung. Der BGH nahm die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu Entscheidung an, da dies weder zur Fortbildung des Rechts  noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) notwendig sei.

Bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 62 InsO (der die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter wegen Pflichtverletzung regelt) ergäbe sich, dass § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB nicht greifen würde. Nach der ursprünglich § 852 Abs. 1 BGB aF (alte Fassung) nachgebildeten Fassung des § 62 S. 1 InsO verjährte der Anspruch auf Schadensersatzanspruch in drei Jahren, berechnet ab Kenntnis von Schaden und Umständen durch den Verletzten. Anders allerdings als in § 852 Abs. 1 BGB habe der Gesetzgeber allerdings in § 62 S. 2 InsO keine Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren ab Begehung der Handlung vorgesehen, sondern eine Höchstfrist von drei Jahren ab der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens. Mit dem Anpassungsgesetz zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz erhielt § 62 S. 1 InsO zum 01.01.2005 seine heutige Fassung (Art. 5 Nr. 2; BGBl I 2004, 3214), wonach sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährung gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) richte. § 62 S. 2 und S. 3 InsO wären unverändert gelassen worden; dies mit der Begründung, dass das Haftungsprivileg des Insolvenzverwalters erhalten leibe solle (BT-Drucks. 15/3652, S. 15). Damit hätten Ansprüche nicht längstens nach 30 Jahren ab Begehung verjähren sollen (§ 199 Abs. 3 BGB), sondern spätestens drei Jahre nach Aufhebung oder rechtskräftiger Einstellung des Insolvenzverfahrens; es handele sich hier um Sonderreglungen, die nach dem Spezialitätengrundsatz der Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgehen würden (Lex specialis derogat legi generali).

Dies führe vorliegend dazu, dass die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien.

BGH, Beschluss vom 21.06.2018 - IX ZR 171/16 -

Freitag, 17. März 2017

Schweigepflicht und Entbindung durch Insolvenzverwalter

Die vom OLG Zweibrücken zu entscheidende Frage stellt sich leider immer wieder: Da war der zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Steuerberater, der sowohl für die Gesellschaft als auch deren angeklagten Geschäftsführer und faktischen Geschäftsführer tätig war. Die Wirtschaftsstrafkammer des LG Kaiserslautern wollte nun den Steuerberater als Zeugen vernehmen. Die Angeklagten erteilten keine Entbindungserklärung von der den Steuerberater treffenden Schweigepflicht, wohl aber der Insolvenzverwalter. Dir Vorsitzende der Strafkammer vertrat die Auffassung, die Aussagegenehmigung durch den Insolvenzverwalter sei ausreichend und erlegte dem Steuerberater, der sich gleichwohl weigerte eine Aussage zu machen, ein Ordnungsgeld von € 500,00 auf. Gegen den Beschluss legte der Steuerberater Beschwerde ein. Erfolgreich. Das OLG hob den Beschluss auf.

Nach Auffassung des OLG lagen die Voraussetzungen für den Ordnungsgeldbeschluss nach § 70 Abs. 1 stopp nicht vor, da dem Steuerberater nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zur Seite gestanden habe. Eine hinreichende Entbindung von einer Verschwiegenheitspflicht habe nicht vorgelegen. Zu berücksichtigen sei, dass die dem Steuerberater bekannt gewordenen Tatsachen über die GmbH durch das Verhalten ihrer formellen oder faktischen Organe bestimmt wurde und in Bezug auf das Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung deren persönliche Verantwortlichkeit betreffen. Da von der Verschwiegenheitspflicht nur derjenige entbinden kann, zu dessen Gunsten die Schweigepflicht des § 53 StPO begründet wurde, wäre es auch auf die hier verweigerte Entbindung durch die Angeklagten angekommen. Es musste notwendig auch ein Vertrauensverhältnis zu den Organen oder faktischen Organen bestehen, da es sich auch um die mandatierenden natürlichen Personen gehandelt habe. Da für eine Straftat der Täter selbst verantwortlich sei, handele es sich nicht um einen nur vom Insolvenzbeschlag erfasstes vermögenswertes Geheimnis, sondern gleichzeitig um ein Geheimnis des Täters.


OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.12.2016 – 1 Ws 334/16 -