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Donnerstag, 22. August 2024

Verjährung: Aufrechnung von Kautionsrückzahlungsanspruch mit Schadensersatz

Die Klägerin hatte bei Mietbeginn eine Barkaution geleistet. Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Vermieters (bzw. dessen Rechtsnachfolger) rechnete nach Mietende zum 08.11.2019 über diese mit Schreiben vom 20.05.2020 ab und erklärte in Bezug auf eine von ihm behauptete Beschädigung der Mietsache die Aufrechnung. Das Amtsgericht gab der Klage auf Rückzahlung der Kaution einschl. Zinsen statt. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. § 215 BGB greife nicht, die Forderung sei verjährt. Das sah der BGH anders und hob auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision dessen Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück, da das Berufungsgericht wegen angenommener Verjährung eines Aufrechnungsanspruchs mit der Kaution offen ließ, ob ein Schaden, wie beklagtenseits vorgetragen vorlag.

Grundsätzlich müsse der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses über eine gezahlte Baukaution innerhalb angemessener Prüfungsfrist zurückzahlen, sobald er diese zur Sicherung seiner Ansprüche nicht mehr benötige.

§ 390 BGB bestimmt, dass eine Forderung, der eine Einrede (also ein Leistungsverweigerungsrecht) entgegenstünde, nicht aufgerechnet werden könne. Dieser Fall läge aber nicht vor. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB enthalte, deren lauf mit Rückerhalt der Mietsache beginne, § 548 Abs, 1 S. 2 BGB. eine gegenüber § 195 BGB abgekürzte Verjährungsfrist von sechs Monaten. Rechtsfehlerhaft sei aber die daraus gezogene Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, zum Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung am 20.05.2020 sei die kurze Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen. § 215 BGB stelle sich als eine Ausnahmevorschrift von § 390 BGB dar. Nach § 215 Alt 1 BGB würde die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließen, wenn der der Aufrechnung zugrunde liegende Anspruch noch nicht zu dem Zeitpunkt verjährt gewesen sei, in dem er erstmals hätte aufgerechnet werden können. Grundlage sei die Aufrechnungslage vor Verjährungseintritt, § 387 BGB. Voraussetzung wären Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Aktivforderungen des Aufrechnenden und Erfüllbarkeit der Passivforderung des Aufrechnungsgegners.

Allerdings bestand hier keine Gleichartigkeit, da der Beklagte Naturalrestitution gefordert hatte, nicht anstelle dessen eine Entschädigung. Zudem habe auch eine Aufrechnungslage iSv. § 387 BGB im Hinblick auf einen Geldersatz als Schadensersatzanspruch, der dem Rückzahlungsanspruch entgegen gehalten werden könnte, in unverjährter Zeit nicht bestanden. Der Geschädigte habe zwar das Recht, anstelle seines Anspruchs auf Naturalrestitution Geldersatz zu fordern, müsse diese seine Ersetzungsbefugnis aber ausüben und sei danach daran gebunden. Vor dem 20.05.2020 sei aber eine entsprechende Ersetzung nicht erfolgt (empfangsbedürftige Willenserklärung).  

Diese Umstände würden aber der Anwendbarkeit von § 215 Alt. 1 BGB nicht entgegen stehen. Eine Barkautionsabrede sei – lägen keine Besonderheiten vor und seien solche auch nicht ersichtlich – sei regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern solle. Auch habe der BGH schon klargestellt, dass die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zwangsläufig gegenüber der Kautionsabrechnungsfrist (die mal kürzer, mal länger als sechs Monate sein könne) vorrangig sei.

Der Gesetzgeber ließe auch in der Fallgestaltung des § 215 Alt. 1 BGB die Verjährungseinrede zurückstehen. Dem läge die Erwägung zugrunde, dass ein Schuldner, dem ein Gegenanspruch zustünde, sich hinreichend gesichert ansehen dürfe und nicht durch Verjährungsregelungen frühzeitig zur Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll.

Es würde dem beiderseitigen Interesse der Parteien eines Wohnraummietvertrages widersprechen, müsse der Vermieter in unverjährter Zeit seine Ersetzungsbefugnis ausüben. Die Ersetzungsbefugnis eröffne dem Geschädigten die Möglichkeit der Schadensbeseitigung in eigener Regie, wozu er keine nähere Begründung abgeben müsse, den Betrag nicht einmal beziffern müsse.  Gerade im Bereich des Wohnraummietrechts sei die Ausübung der Ersetzungsbefugnis die Regel. Mit dem Zugang der Aufrechnungserklärung sei der dem Vermieter zustehende Schadensersatzanspruch in Geld zu erfüllen, womit die Gleichartigkeit der Forderungen und damit die Aufrechnungslage geschaffen sei.

BGH, Urteil vom 10.07.2024 - VIII ZR 184/23 -

Montag, 27. Juli 2020

Verjährung des Erfüllungsanspruchs des Bestellers und Fälligkeit des Werklohnes


Gegenstand war eine Klage auf Restwerklohn aus einem Bauwerkvertrag. Einem Abnahmebegehren der Klägerin nach Fertigstellung der Werkleistung lehnte die Beklagte wegen von ihr behaupteter erheblicher Restarbeiten und Mängel ab. In der Folge überließ die Beklagte der Klägerin ein Protokoll mit Mängeln, von denen einige von der Klägerin abgearbeitet wurden. Sie überließ sodann der Beklagten eine auf den 20.04.2013 datierenden Schlussrechnung. Die Beklagte ihrerseits erstellte ein neues Gutachten, überprüfte und kürzte die Schlussrechnung und machte ihrerseits nunmehr gegen die insoweit selbst berechnete Restforderung der Klägerin Kosten der Ersatzvornahme und Verzugskosten geltend, die insgesamt die nach ihrer Berechnung der Klägerin zustehenden Ansprüche übersteigen würden, wobei sie insoweit einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung geltend machte, wobei sie darauf hinwies, dass die Klägerin für die korrekte Erbringung ihrer Leistungen mangels Abnahme darlegungs- und beweisbelastet sei.

Der von der Klägerin generierte Werklohnanspruch, so der BGH, sei nicht fällig. Grundsätzlich habe die Fälligkeit die Abnahme der Werkleistung zur Voraussetzung, § 641 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Abnahme stünde gleich, dass der Besteller das Werk nicht innerhalb einer vom Unternehmer bestimmten Frist abnehme, obwohl er dazu verpflichtet sei, § 640 Abs. 1 S. 3 BGB, wobei bei endgültiger Abnahmeverweigerung eine Fristsetzung entbehrlich sei. Vorliegend habe die Beklagte das Werk nicht abgenommen noch sei sie dazu verpflichtet gewesen.

Allerdings sei dann nicht auf die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung abzustellen, wenn der Besteller a) nicht mehr Erfüllung sondern Minderung oder Schadensersatz verlange oder b) weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft verweigere oder c) die Erfüllung unmöglich geworden wäre. In diesen Fällen würde ein Abrechnungsverhältnis entstehen, was zum Einen den Vergütungsanspruch des Unternehmers begründe und zum Anderen die Ansprüche des Bestellers wegen unvollständiger oder mangelhafter Arbeiten des Werkes auf Geldausgleich gerichtet wären (Abrechnungsverhältnis). Diese Voraussetzungen seien hier nicht festgestellt worden.

Allerdings sei der Erfüllungsanspruch der Beklagten zwischenzeitlich verjährt.

Unzutreffend sei die Annahme der Klägerin, mit der Erhebung der Verjährungseinrede läge ein den §§ 215, 641 Abs. 1 BGB gleicher Fall vor. Anders als in den Fällen eines Abrechnungsverhältnisses sei es hier dem Unternehmer möglich, den Anspruch des Bestellers (im Wesentlichen mangelfrei) zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für eine Abnahmepflicht des Bestellers zu schaffen und so die Fälligkeit des Werklohnanspruchs herzustellen. Die Verjährungseinrede hindere vorliegend die Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs des Bestellers, § 214 Abs. 1 BGB, der aber durch den Unternehmer erfüllbar bliebe.

Auch aus § 215 Abs. 1 BGB könne die Klägerin nichts herleiten, da die auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages anwendbare Norm nicht das Zurückbehaltungsrecht begründe, sondern voraussetze und dessen Fortbestand bei Verjährung regele. Im Hinblick auf die Vorleistungspflicht bedürfe es eines Leistungsverweigerungsrechts des Bestellers mangels Abnahme und Abnahmefähigkeit nicht, um die Vergütungsklage abzuwehren.

Ein Nichterfüllungseinwand der Beklagten nach § 320 BGB sei auch nicht erforderlich, § 242 BGB. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) läge auch nicht vor, wenn in dieser Situation der Werklohn nicht fällig würde, da es an der Klägerin läge, die Fälligkeitsvoraussetzungen zu schaffen. Aus dem Umstand, dass der Besteller seinen Erfüllungsanspruch habe verjähren lassen, könne der Unternehmer nichts herleiten, da er nicht gehalten sei, bei berechtigter Verweigerung der Abnahme Maßnahmen zur Verjährungshemmung zu ergreifen.

BGH, Urteil vom 28.05.2020 - VII ZR 108/19 -