Die Klägerin hatte bei Mietbeginn eine Barkaution geleistet. Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Vermieters (bzw. dessen Rechtsnachfolger) rechnete nach Mietende zum 08.11.2019 über diese mit Schreiben vom 20.05.2020 ab und erklärte in Bezug auf eine von ihm behauptete Beschädigung der Mietsache die Aufrechnung. Das Amtsgericht gab der Klage auf Rückzahlung der Kaution einschl. Zinsen statt. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. § 215 BGB greife nicht, die Forderung sei verjährt. Das sah der BGH anders und hob auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision dessen Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück, da das Berufungsgericht wegen angenommener Verjährung eines Aufrechnungsanspruchs mit der Kaution offen ließ, ob ein Schaden, wie beklagtenseits vorgetragen vorlag.
Grundsätzlich müsse der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses über eine gezahlte Baukaution innerhalb angemessener Prüfungsfrist zurückzahlen, sobald er diese zur Sicherung seiner Ansprüche nicht mehr benötige.
§ 390 BGB bestimmt, dass eine Forderung, der eine Einrede (also ein Leistungsverweigerungsrecht) entgegenstünde, nicht aufgerechnet werden könne. Dieser Fall läge aber nicht vor. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB enthalte, deren lauf mit Rückerhalt der Mietsache beginne, § 548 Abs, 1 S. 2 BGB. eine gegenüber § 195 BGB abgekürzte Verjährungsfrist von sechs Monaten. Rechtsfehlerhaft sei aber die daraus gezogene Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, zum Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung am 20.05.2020 sei die kurze Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen. § 215 BGB stelle sich als eine Ausnahmevorschrift von § 390 BGB dar. Nach § 215 Alt 1 BGB würde die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließen, wenn der der Aufrechnung zugrunde liegende Anspruch noch nicht zu dem Zeitpunkt verjährt gewesen sei, in dem er erstmals hätte aufgerechnet werden können. Grundlage sei die Aufrechnungslage vor Verjährungseintritt, § 387 BGB. Voraussetzung wären Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Aktivforderungen des Aufrechnenden und Erfüllbarkeit der Passivforderung des Aufrechnungsgegners.
Allerdings bestand hier keine Gleichartigkeit, da der Beklagte Naturalrestitution gefordert hatte, nicht anstelle dessen eine Entschädigung. Zudem habe auch eine Aufrechnungslage iSv. § 387 BGB im Hinblick auf einen Geldersatz als Schadensersatzanspruch, der dem Rückzahlungsanspruch entgegen gehalten werden könnte, in unverjährter Zeit nicht bestanden. Der Geschädigte habe zwar das Recht, anstelle seines Anspruchs auf Naturalrestitution Geldersatz zu fordern, müsse diese seine Ersetzungsbefugnis aber ausüben und sei danach daran gebunden. Vor dem 20.05.2020 sei aber eine entsprechende Ersetzung nicht erfolgt (empfangsbedürftige Willenserklärung).
Diese Umstände würden aber der Anwendbarkeit von § 215 Alt. 1 BGB nicht entgegen stehen. Eine Barkautionsabrede sei – lägen keine Besonderheiten vor und seien solche auch nicht ersichtlich – sei regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern solle. Auch habe der BGH schon klargestellt, dass die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zwangsläufig gegenüber der Kautionsabrechnungsfrist (die mal kürzer, mal länger als sechs Monate sein könne) vorrangig sei.
Der Gesetzgeber ließe auch in der Fallgestaltung des § 215 Alt. 1 BGB die Verjährungseinrede zurückstehen. Dem läge die Erwägung zugrunde, dass ein Schuldner, dem ein Gegenanspruch zustünde, sich hinreichend gesichert ansehen dürfe und nicht durch Verjährungsregelungen frühzeitig zur Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll.
Es würde dem beiderseitigen Interesse der Parteien eines Wohnraummietvertrages widersprechen, müsse der Vermieter in unverjährter Zeit seine Ersetzungsbefugnis ausüben. Die Ersetzungsbefugnis eröffne dem Geschädigten die Möglichkeit der Schadensbeseitigung in eigener Regie, wozu er keine nähere Begründung abgeben müsse, den Betrag nicht einmal beziffern müsse. Gerade im Bereich des Wohnraummietrechts sei die Ausübung der Ersetzungsbefugnis die Regel. Mit dem Zugang der Aufrechnungserklärung sei der dem Vermieter zustehende Schadensersatzanspruch in Geld zu erfüllen, womit die Gleichartigkeit der Forderungen und damit die Aufrechnungslage geschaffen sei.
BGH, Urteil vom 10.07.2024 -
VIII ZR 184/23 -