Gegenstand des Verfahrens war der Antrag auf Feststellung eines (anteiligen) Regressanspruchs des klagenden Rentenversicherungsträgers aus § 110 Abs. 1 SGB VII. Der bei ihr versicherte Geschädigte erlitt einen Arbeitsunfall, verursacht durch eine Fehlbedienung eines Teleskoparms durch den Beklagten mit der Folge einer Querschnittlähmung. Der Unfallversicherungsträger erkannte mit Bescheid vom 124.05.2017 den Unfall vom 14.05.2015 als Arbeitsunfall an. Am 06.08.2021 beantragte der Geschädigte bei der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Rente wurde nicht gewährt, obwohl eine medizinische Begutachtung ergab, dass der Geschädigte seine ehemalige Beschäftigung nur noch im geringeren zeitlichen Umfang ausüben kann; er erhält weiterhin Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben.
Die Klage des Rentenversicherungsträgers wurde dem Beklagten am 30.12.2022 zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies die Klage – wegen Verjährung – ab. Das OLG wies die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung zurück.
Das OLG schloss sich der Auffassung des Landgerichts an, dass die Verjährung nach § 113 S. 1 SGB VII kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles durch den Unfallversicherungsträger läuft (BGH, Urteil vom 25.07.2017 – VI ZR 433/16 -). Frühere Rechtsprechung, die dies anders gesehen hatte, sei durch die Entscheidung des BGH überholt.
Die Bindungswirkung gelte nicht nur für den Unfallversicherungsträger, sondern auch für andere Sozialversicherungsträger. In seiner o.g. Entscheidung habe der BGH als obiter dictum festgehalten, dass für den Beginn der Verjährung gem. § 113 S. 1 SGB VII eine Feststellung der Leistungspflicht dem Grunde nach (und nicht der Höhe nach) genüge, dass „die für den Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nicht nur Voraussetzung für die Verjährung seiner eigenen Ansprüche ist, sondern auch für die Verjährung der Ansprüche anderer Sozialversicherungsträger“. Zwar habe der BGH offen gelassen, ob dies auch für Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gelte, allerdings mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes argumentiert, wonach die Regelung für alle Sozialversicherungsträger gelte und es (dort im Hinblick auf die gesetzliche Krankenversicherung) für unerheblich gehalten, „wenn der Beginn der Verjährung für die Rückgriffsansprüche der Krankenkasse von einem Datum abhängig gemacht würde, dass ihr nicht bekannt sei und auf das sie keinen Einfluss habe“.
Dem Rentenversicherungsträgerdrohe zwar die Verjährung seiner Ansprüche, wenn er nicht innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden Frist von dem Schadensfall Kenntnis erlange. Der Wortlaut des § 110 Abs. 1 SGB VII unterscheide jedoch nicht zwischen den verschiedenen Sozialversicherungsträgern, demgegenüber § 113 S. 1 SGB VII alleine auf die Feststellung der Leistungsverpflichtung des Unfallversicherungsträgers abstelle. Die Regelung sie im Kern und ihrer Konsequenz für andere Sozialversicherungsträger – namentlich dem Rentenversicherungsträger – seit Jahrzehnten unverändert geblieben und der Gesetzgeber habe offenbar bewusst auch bei diversen Anpassungen dies nicht grundlegend geändert. Damit scheide eine planwidrige Reglungslücke aus, und auch ein redaktionelles Versehen sei nicht erkennbar. Vielmehr stelle sich die Regelung als gesetzgeberische Grundentscheidung dar, bis wann das Interesse des nach § 110 Abs. 1 SGB VII Haftenden an Rechtssicherheit noch dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Durchsetzung dieser Regressansprüche vorgehen soll.
Damit sei – bei taggenauer Berechnung der Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 25.07.2017 - VI ZR 433/16 -) – die Verjährung mit dem Tag des Bescheides des zuständigen Unfallversicherungsträgers am 24.05.2017 in Lauf gesetzt worden (auf eine Leistungserbringungen durch diesen käme es nicht an) und habe am 24.05.2020 geendet. Die Verjährung sei bei Klageerhebung Ende 2022 bereits eingetreten gewesen. Vorher hab es auch keine verjährungshemmenden Umstände gegeben, was auch deshalb ausgeschlossen sei, dass die Klägerin erst im August 2021 von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt haben will.
Allerdings verdeutlichen die Gründe des OLG, mit denen die Revision gegen seien Entscheidung zugelassen wurde, deutlich, dass das OLG die eigene Entscheidung nicht für akzeptabel hält. So verwies es darauf, dass der Gesetzgeber jedem Sozialversicherungsträger mit § 110 SGB VII hinsichtlich des Haftungsgrundes ausdrücklich eine völlig autarke Anspruchsgrundlage bei (wie hier) krassen Fehlverhalten des Anspruchsgegners eingeräumt habe und es nicht im Interesse des Gesetzgebers sein könne, den gesetzlichen Rentenversicherungsträger in der Praxis durch die strenge Verjährungsregel nach § 113 AGB VII faktisch vom Regress auszuschließen, da er vermutlich davon ausgegangen sei, dass Regressansprüche desselben überhaupt schon entstanden seien. Es könnte im öffentlichen Interesse aller Rentenversicherungspflichtigen liegen, Ersatz für Aufwendungen zu erhalten, die ansonsten von der Solidargemeinschaft getragen werden müssten. Es sei auch nicht unbillig, dem Schädiger die Rechtsunsicherheit aufzuerlegen, erst viele Jahre nach dem Vorfall entsprechenden Regressansprüchen auszusetzen. Verwiesen wurde durch das OLG zudem auf ein Urteil des Brandenburgischen OLG vom 09.12.2014 – 3 U 48/13 - , in dem dieses auf den In § 113 SGB VII benannten § 199 BGB abstellte und die Auffassung vertrat, der Verweis auf § 199 Abs. 1 und 2 BGB sei überflüssig, wenn man nicht die dort verlangte Kenntnis mit als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn annehmen würde.
Anmerkung: Die Entscheidung des OLG ist zunächst in seiner Begründung zur Zurückweisung der Berufung des Rentenversicherungsträgers nachvollziehbar. Unverständlich wird sie allerdings vor dem Hintergrund der Zulassung der Revision. Mit den benannten Zulassungsgründen, „nicht im Interesse des Gesetzgebers“ pp., verliert sich das OLG in allgemeine (rechtspolitische) Überlegungen. Im Urteil selbst hatte doch das OLG ausgeführt, dass eine Regelungslücke nicht vorläge und der Gesetzgeber bei mehrfachen Änderungen dies auch hätte ändern können, was er bewusst nicht getan habe. Damit würde diese Begründung nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen, sondern könnte allenfalls eine Handlungsaufforderung an den Gesetzgeber darstellen.
Ebenso wenig überzeugt die Entscheidung des Brandenburgischen OLG , auf welches sich das OLG hier zur Begründung der Zulassung der Revision berief: Zwar wird in § 113 SGB VII auf § 199 Abs. 1 und Abs. 2 BGB verwiesen. Wenn aber in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Kenntnis abgestellt wird, kann dies nicht eine zusätzliche Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist sein, da dies dem Wortlaut des § 113 S. 1 SGB VII zuwiderliefe, der explizit auf darauf abstellt, dass die Norm „mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist.“ Der Wortlaut „mit der Maßgabe“ beinhaltet bereits, dass die anderweitige Berechnung in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht anzuwenden ist.
Schleswig-Holsteinisches
Oberlandesgericht, Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 89/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das
Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom
16.06.2023, Az. 7 O 407/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Itzehoe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien
streiten um die Feststellung eines - anteiligen - Regressanspruchs aus
§ 110 Abs. 1 SGB VII. Die Klägerin ist gesetzlicher Rentenversicherer
des Geschädigten X, geb. am X (Geschädigter). Der Geschädigte erlitt am
14.05.2015 bei der Arbeit als landwirtschaftlicher Helfer im milch- und
landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten (X) in X einen schweren
Arbeitsunfall. Dabei wurde der Geschädigte vom Teleskoparm eines vom Beklagten
geführten Teleskopladers, auf dessen Vorderachse der Geschädigte mit Kenntnis
des Beklagten verbotswidrig mitgefahren war, eingequetscht. Zu dem Unfall kam
es, als der in diesem Moment abgelenkte Beklagte am Ende der Rückfahrt zum Hof
den Teleskoparm absenkte. Der Geschädigte erlitt u.a. eine inkomplette
Querschnittslähmung.
Am 24.05.2017
erließ die zuständige gesetzliche Unfallversicherung (X) gegenüber dem
Geschädigten einen Bescheid, mit dem der Unfall vom 14.05.2015 als
Arbeitsunfall anerkannt und eine Rente als vorläufige Entschädigung gewährt
wurde.
Unter dem
06.08.2021 beantragte der Geschädigte die Gewährung einer Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit bei der Klägerin. Die diesbezügliche medizinische
Begutachtung erfolgte am 16.06.2022. Aus diesem Gutachten ergibt sich, dass der
Geschädigte seine vormalige Betätigung als landwirtschaftlicher Helfer nur noch
im Umfang von weniger als 3 Stunden pro Tag ausüben kann und eine Besserung
unwahrscheinlich ist. Da auch seine intellektuellen Fähigkeiten begrenzt sind,
erwartet die Klägerin, dass dem Geschädigten der Arbeitsmarkt mittelfristig
verschlossen sein wird. Eine Rente wird bis heute nicht gewährt; der
Geschädigte erhält weiterhin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die Klage wurde
dem Beklagten am 30.12.2022 zugestellt. Der Beklagte hat die Einrede der
Verjährung erhoben.
Die Klägerin
hat die Auffassung vertreten, der Beklagte könne ihr nicht erfolgreich die
Einrede der Verjährung entgegen halten, weil die Vorschrift des § 113 SGB
VII nur für Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gelten könne, nicht
hingegen für die gesetzliche Rentenversicherung. Die Klägerin sei nicht an die
Feststellung eines Versicherungsfalles durch einen anderen
Sozialversicherungsträger gebunden, zumal keine Benachrichtigungspflichten
zwischen den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern bestünden. Sie habe erst
durch den Rentenantrag des Geschädigten Kenntnis vom Schadensereignis erhalten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass der Beklagte an sie Aufwendungen gemäß § 110 SGB VII auf Grundlage des Unfalls vom 14.04.2015, bei dem der Versicherte der Klägerin X, geb. am X, schwer verletzt wurde, im Rahmen des zivilrechtlichen Schadens unter Beachtung einer Mitverschuldensquote des Geschädigten von 50 v. H. zu ersetzen hat.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte
hat die Auffassung vertreten, der Bescheid der zuständigen Berufsgenossenschaft
binde auch die Klägerin i. S. d. § 113 S. 1 SGB VII, so dass der
Anspruch aus § 110 Abs. 1 SGB VII verjährt sei.
Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Zwar habe die Klägerin
dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten aus § 110 Abs. 1
SGB VII. Denn der Beklagte habe den Versicherungsfall grob fahrlässig
herbeigeführt und hafte unter Berücksichtigung des Mitverschuldens
(entsprechend § 254 BGB) des Geschädigten zu 50 %. Der Anspruch sei
allerdings aufgrund eingetretener Verjährung nicht durchsetzbar.
Verjährungsbeginn sei gemäß § 113 S. 1 SGB VII am 24.05.2017 - dem
Tag der Feststellung eines Versicherungsfalles durch die X als gesetzlicher
Unfallversicherer - gewesen. Diese Feststellung sei für die Klägerin gemäß dem
eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und der höchstrichterlichen Rechtsprechung
bindend gewesen, ohne dass es auf ihre tatsächliche Kenntnis vom
Versicherungsfall ankomme.
Wegen der
weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der
tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf die angefochtene
Entscheidung nebst darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen.
Mit ihrer
Berufung wendet sich die Klägerin allein gegen die Beurteilung der
Verjährungsfrage durch das Landgericht. Diese sei fehlerhaft, weil sie den
Regress der gesetzlichen Rentenversicherungsträger im Regelfall ausschließe.
Vielmehr sei die Vorschrift des § 113 SGB VII in der vorliegenden
Fallkonstellation so zu lesen, dass es entweder auf den Erlass eines Bescheides
des Rentenversicherungsträgers ankomme oder auf die tatsächliche Kenntnis von
Schaden und Schädiger in der Regressabteilung des zuständigen
Rentenversicherers. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung
sei weitreichend. Gerade bei schweren Unfällen mit Personenschäden sei es oft
ein langwieriger Weg, bis schließlich ein Antrag bei einem gesetzlichen
Rentenversicherer gestellt werde. Dadurch sei nach dem Wortlaut des § 113
SGB VII ein Regressanspruch nach § 110 SGB VII für den jeweiligen Träger
der gesetzlichen Rentenversicherung weitgehend ausgeschlossen. Denn ohne ein
entsprechendes Leistungsbegehren könnten diese keine Kenntnis vom
Schadensereignis erhalten.
Die Klägerin beantragt,
abändernd festzustellen, dass der
Beklagte ihre zukünftigen Aufwendungen seit Rechtshängigkeit gemäß § 110
SGB VII auf Grundlage des Unfalles vom 14.04.2015, bei dem der Versicherte der
Klägerin X, geboren am X, schwer verletzt wurde, im Rahmen des zivilrechtlichen
Schadens unter Beachtung einer Mitverschuldensquote des Geschädigten von 50
v.H. zu ersetzen hat.
Die Klägerin regt - für den Fall ihres Unterliegens in der Berufungsinstanz - an,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hilfsweise - für den Fall, dass die Berufung nicht zurückgewiesen wird - beantragt der Beklagte,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte
verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung
entgegen. Die Auffassung der Klägerin sei mit dem Wortlaut des § 113
S. 1 SGB VII und auch mit der Vorstellung des Gesetzgebers, dem die
Problematik bereits unter Geltung der Vorgängernormen (§§ 640, 642 RVO)
bekannt gewesen sei, nicht vereinbar.
Wegen des
weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die im
Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der
Senat hat am 18.06.2024 eine mündliche Verhandlung durchgeführt (vgl. Protokoll
Bl. 65 EA).
II.
Die zulässige
Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht Itzehoe hat die
Klage zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen.
Gemäß
§ 513 ZPO kann eine Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf
gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden
Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen.
Beides liegt für die Berufung der Klägerin nicht vor.
Nachdem die
Klägerin ausdrücklich nur die landgerichtliche Beurteilung der Verjährungsfrage
angreift, bedarf es keiner weiteren Ausführungen mehr zu der vom Landgericht
festgestellten - anteiligen - Haftung des Beklagten dem Grunde nach aus
§ 110 Abs. 1 SGB VII für die Folgen des Unfalls vom 14.05.2015.
Die
Ausführungen des Landgerichts zur fehlenden Durchsetzbarkeit des Anspruchs sind
nicht zu beanstanden und finden die Billigung des Senats.
Der Senat
schließt sich der Auffassung an, dass die Verjährung nach § 113 S. 1
SGB VII kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles
durch den Unfallversicherungsträger läuft (vgl. BGH, Urteil vom 25.07.2017, Az.
VI ZR 433/16, Juris Rn. 26, 27; dort ging es im Rahmen eines Unfalls auf dem
Außengelände einer Kindertagesstätte allerdings um Regressansprüche des
gesetzlichen Unfallversicherungsträgers weitere aufsichtspflichtige Personen,
die erst mehr als drei Jahre nach der bindenden Feststellung der
Leistungspflicht vom 17.02.2009 bekannt geworden sind - Klage wurde erst am
21.12.2012 erhoben). Soweit in der Literatur und der Rechtsprechung teilweise
vertreten wurde, dass neben die Feststellung des Versicherungsfalles auch
kumulativ die Kenntnis i.S.d. § 199 BGB hinzutreten müsse (vgl. etwa OLG
Brandenburg, Urteil vom 09.12.2014, Az. 3 U 48/13, Juris Rn. 44-46), ist dies
aus Sicht des Senates aufgrund der v.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
überholt. Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner genannten Entscheidung unter
Darlegung des Meinungsstandes mit den unterschiedlichen Auffassungen
ausführlich auseinandergesetzt und seine Entscheidung eingehend begründet. Dem
pflichtet der Senat bei.
Der Senat folgt
auch der vom Landgericht vertretenen Auffassung, dass die bindende Feststellung
für den Unfallversicherungsträger auch für andere Sozialversicherungsträger
maßgeblich ist. Diese Auffassung findet ebenfalls ihre Stütze in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2015, Az. VI
ZR 37/15, Juris Rn. 10; allerdings ging es auch hier um Ansprüche eines
gesetzlichen Unfallversicherungsträgers). Dort führt der Bundesgerichtshof -
obiter dictum - als Argument, dass für den Beginn der Verjährung gemäß
§ 113 S. 1 SGB VII eine Feststellung der Leistungspflicht dem Grunde
nach (und nicht der Höhe nach) genüge, den Umstand an, dass „die für den
Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nicht nur
Voraussetzung für die Verjährung seiner eigenen Ansprüche ist, sondern auch für
die Verjährung der Ansprüche anderer Sozialversicherungsträger“ (BGH, a.a.O.).
Ob dies auch speziell für die Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gilt,
hat der Bundesgerichtshof in seinen dort in Bezug genommenen Entscheidungen
(zur alten Rechtslage der §§ 640, 642 RVO) vom 24.02.1970 (Az. VI ZR
140/68, dort unter 4., Juris) und 21.12.1971 (Az. VI ZR 137/70, Juris Rn. 21,
22) zwar offen gelassen. Er hat allerdings (BGH VI ZR 140/68, Ziffer 4.) mit
dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes argumentiert, wonach die Regelung für
alle Sozialversicherungsträger gelte, und es - zumindest für die gesetzliche
Krankenversicherung - für unerheblich gehalten, „wenn der Beginn der Verjährung
für die Rückgriffsansprüche der Krankenkasse von einem Datum abhängig gemacht
werde, das ihr nicht bekannt sein und auf das sie keinen Einfluss habe.“ Die
Krankenkassen seien schon nach dem früheren Rechtszustand der §§ 903, 907
a.F. in ähnlicher Lage gewesen.
An den
wesentlichen Argumenten hat sich seither nichts verändert. Dem Träger der
gesetzlichen Rentenversicherung droht zwar die Verjährung seiner
Regressansprüche aus § 110 Abs. 1 SGB VII, wenn er nach der
Feststellung des Versicherungsfalls durch den Unfallversicherungsträger nicht
innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden Verjährung (§ 113 S. 1
SGB VII) Kenntnis vom Schadenfall erhält. Der Wortlaut des § 110
Abs. 1 SGB VII unterscheidet jedoch nicht zwischen verschiedenen
Sozialversicherungsträgern, während § 113 S. 1 SGB VII für den
Verjährungsbeginn allein auf die Feststellung der Leistungspflicht für den
Unfallversicherungsträger abstellt. Die Regelung ist im Kern und in ihrer
Konsequenz für andere Sozialversicherungsträger - namentlich für die
Rentenversicherungsträger - seit Jahrzehnten unverändert geblieben und wurde
vom Gesetzgeber offenbar bewusst auch im Zuge diverser Anpassungen nicht
grundlegend verändert. Eine planwidrige Regelungslücke oder ein redaktionelles
Versehen ist demnach für den Senat nicht erkennbar. Vielmehr stellt sich die
Regelung als eine gesetzgeberische Grundentscheidung bei der Abwägung dar, bis
wann das Interesse des nach § 110 Abs. 1 SGB VII Haftenden an
Rechtssicherheit noch dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer
Durchsetzung dieser Regressansprüche vorgehen soll (vgl. auch Ricke in
Beck-Online Großkommentar - Kasseler Kommentar -, Stand: 15.11.2023, § 113
SGB VII, Rn. 14; Stelljes in BeckOK Sozialrecht, 71. Edition, Stand:
01.12.2023). Die Argumentation der Klägerin ist demnach weder mit dem Wortlaut
noch mit der Historie des § 113 S. 1 SGB VII vereinbar. Soweit dies
aus Sicht eines Rentenversicherungsträgers zu unbefriedigenden Ergebnissen
führt, ist dies zwar nachvollziehbar, aber von den Gerichten angesichts des
eindeutigen Wortlauts zu akzeptieren.
Vorliegend
begann die Verjährung des klägerischen Anspruchs aus § 110 Abs. 1 SGB
VII deshalb gemäß § 113 S. 1 SGB VII bereits mit Erlass des
Bescheides der X als zuständigem Unfallversicherungsträger am 24.05.2017. Mit
diesem Bescheid wurde der Unfall vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall anerkannt.
Auf die tatsächliche Leistungserbringung kommt es dabei nicht an (vgl. BGH,
Urteil vom 08.12.2015, Az. VI ZR 37/15, Juris Rn. 9, 10). Die taggenau zu
berechnende Verjährungsfrist (vgl. BGH, Urteil vom 25.07.2017, Az. VI ZR
433/16, Juris Rn. 27) endete danach mit Ablauf des 23.05.2020. Bei
Klageerhebung Ende 2022 war deshalb bereits Verjährung eingetreten.
Verjährungshemmende Maßnahmen sind vorher nicht erfolgt. Jedenfalls in
unverjährter Zeit - d.h. vor Ende 2020 - kann eine Hemmung der Verjährung auch
deshalb nicht eingetreten sein, weil die Klägerin nach ihren glaubhaften
Darlegungen erst durch die Beantragung einer Rente durch den Geschädigten im
August 2021 von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt hat.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision
ist zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind
gegeben. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung und erfordert zur Fortbildung
des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Frage, ob die
Verjährung nach § 113 S. 1 SGB VII ohne Einschränkung auch für
Regressansprüche des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers aus § 110
Abs. 1 SGB VII gilt, von denen dieser in unverjährter Zeit keine Kenntnis
erlangt hat und in den meisten Fällen auch nicht erlangen kann, ist bislang
offenbar noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Nachdem der
Gesetzgeber jedem Sozialversicherungsträger mit § 110 SGB VII hinsichtlich
des Haftungsgrundes ausdrücklich eine völlig autarke Anspruchsgrundlage bei
krassem Fehlverhalten des Anspruchsgegners eingeräumt hat, kann es nicht im
Interesse des Gesetzgebers sein, den gesetzlichen Rentenversicherungsträger in
der Praxis durch die strenge Verjährungsregel nach § 113 SGB VII faktisch
vom Regress auszuschließen. Vermutlich ist der Gesetzgeber bei der Fassung von
§ 113 SGB VII davon ausgegangen, dass Regressansprüche des
Rentenversicherungsträgers überhaupt schon entstanden sind. Es könnte im
öffentlichen Interesse der Solidargemeinschaft aller gesetzlich
Rentenversicherungspflichtigen liegen, Ersatz für Aufwendungen von einem
zumindest grob fahrlässig handelnden Schädiger zu erhalten, die ansonsten von
der Solidargemeinschaft getragen werden müssten. Vom Zweck des § 110 SGB
VII her scheint es auch nicht unbillig, dem Schädiger die Rechtsunsicherheit
aufzuerlegen, dass erst viele Jahre später noch der Träger der gesetzlichen
Rentenversicherung auf ihn zukommen kann und entsprechende Regressansprüche
durchsetzt. Im Übrigen hat auch das Brandenburgische Oberlandesgericht (Urteil
vom 09.12.2014, Az. 3 U 48/13, Juris Rn. 45, 46) folgendes entschieden:
„...der Verweis
auf § 199 Abs. 1 und 2 BGB [wird] ... als Beleg dafür verstanden,
dass die Voraussetzung der bindenden Feststellung zu denen des § 199
Abs. 1 BGB hinzutreten muss (so etwa OLG Dresden, Urteil vom 29.05.2012, 9
U 871/11; OLG Dresden, Urteil vom 29.09.2011, 8 U 374/11, Rn. 19, RuS 2012,
623; Ricke, a.a.O., § 113, Rn. 3 ff; Grüner in: Becker/Franke/Molkentin,
SGB VII, 3.Aufl., § 113, Rn. 3), die Kenntnis also kumulativ hinzutreten
muss. Die Formulierung des § 113 SGB VII lässt nach Auffassung des Senats
- ausgehend vom Wortlaut - zwar beide Auslegungen zu. Allein aus dem Verweis
auf § 199 Abs. 1 und 2 BGB ergibt sich nicht zwingend, dass dessen
Voraussetzungen zur Feststellung der Leistungspflicht kumulativ hinzutreten
müssen. Dagegen spricht bereits die Formulierung „mit der Maßgabe, dass“ in
§ 113 SGB VII, die auch die andere Auslegung zulässt. Andererseits wäre
der Verweis auf § 199 Abs. 1 und 2. BGB überflüssig bzw. inhaltlos,
wenn man die Kenntnis nicht für erforderlich hielte. Der Senat schließt sich
deshalb der letztgenannten Auffassung an.“
Die vorgenannten Umstände rechtfertigen die Zulassung der Revision.
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