Die beklagte Versicherung erhob
gegen den von dem Kläger gegen sie als Pflichtversicherer eines Fahrzeugs nach
einem Verkehrsunfall geltend gemachten Schadensersatzanspruch die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht wies deshalb die Klage zurück; die Berufung hatte auch keine
Aussicht auf Erfolg.
Die Ansprüche aus dem Verkehrsunfall sollen nach den Ausführungen des Berufungsgerichts mit Schreiben vom 02.06.2003 geltend gemacht worden sein. Damit sei die Verjährung gegenüber der Beklagten gehemmt gewesen. Die Hemmung habe bis zum Zugang des Schreibens der Beklagten vom 14.10.2009 angedauert. Dieses Schreiben habe eine Entscheidung des Versicherers iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG dargestellt.
§ 115 Abs. 2 S. 3 VVG lautet: „Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht.“
Hierfür käme nicht nur eine ablehnende, sondern auch eine anspruchsbejahende und damit grundsätzlich für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers in Betracht (BGH, Urteile vom 14.03.2017 - VI ZR 226/16 – und 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Ziel der Regelung sei, den Geschädigten für den Fall langwieriger Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Folgen der Verjährung zu schützen. Diese Schutzfunktion entfalle, sobald sich der Versicherer zum angemeldeten Anspruch eindeutig erklärt habe, da damit für den Geschädigten Klarheit bestünde, welche Schritte es zur Verwirklichung seiner Ansprüche und Verhinderung einer Anspruchsverjährung nach den allgemeinen Regeln der §§ 202 ff BGB bedürfe.
Die Mitteilung des Versicherers, auf Grund der die Verjährungshemmung ende, müsse allerdings eine klare und umfassende Erklärung darstellen, was nicht bedeute, dass der Versicherer in seiner mitgeteilten Entscheidung sich für jeden in Betracht kommenden Schadensposten betragsmäßig festlegen müsse, wenn sich ergebe, dass er über etwa schon bezifferte Schäden hinaus auch die weiteren nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Schadenspositionen regulieren würde. Damit käme es für die Wertung, ob eine Erklärung eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 3 S. 2 VVG sei, von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls an.
Vorliegend hatte die Beklagte mitgeteilt, dass sie ein Schmerzensgeld von € 15.000,00 für ausreichend erachte und darüber hinaus gebeten, dass der Klägers einen materiellen Schaden abschließend beziffere und Belege vorlege, damit ein abschließendes Regulierungsgespräch stattfinden könne. Damit habe das Schreiben den Anforderungen des § 115 Abs. 3 S. 2 VVG genügt.
Bei dem immateriellen Schaden sei deutlich geworden, dass die Beklagte lediglich einen Betrag von € 15.000,00 als angemessen ansah und weitere Zahlungen nicht in Betracht kämen. Mit der Aufforderung, den materiellen Schaden zu belegen sei auch klargestellt worden, dass künftige Forderungen freiwillig gezahlt würden, sofern sie belegt seien. Der Verweis auf ein zu führendes Regulierungsgespräch ändere vorliegend daran nichts, da dies vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass die Beklagte bereits Zahlungen in Höhe von € 26.000,00 erbracht hatte und damit € 9.000,00 mehr, als sie für das Schmerzengeld bereit war zu zahlen. Für die Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen, ob durch diesen Betrag der noch zu belegende materielle Anspruch rechnerisch abgegolten war oder nicht (weshalb auch der Kläger zur Darlegung und Belegung aufgefordert worden sei).
Um festzustellen, ob eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG vorliege, käme der Entwicklung des Anmeldeverfahrens und insbesondere dem Konkretisierungsgrad der Schadensmeldung besondere Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Das (nicht vorgelegte) Anmeldeschreiben vom 02.06.2003 enthalte offensichtlich keine konkrete Geltendmachung von Folgeschäden, weshalb der Erklärung der beklagten vom 14.10.2009 weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn nach entnommen werden könne, die Leistungsbereitschaft beschränke sich nur auf bestimmte bezifferte Rechnungsbeträge; die Erklärung habe sich erkennbar auf den Anspruch des Klägers insgesamt erstreckt, und Einwendungen zum Grund seien nicht erhoben worden.
Für den Kläger habe damit hinreichend Sicherheit und Klarheit zur Einstandsbereitschaft der Beklagten bestanden. Von der eigenen weiteren Vorsorge des Geschädigten, trotz der positiven Entscheidung des Versicherers einer Verjährung für noch nicht bezifferbare Ansprüche (z.B. durch Erhebung einer Feststellungsklage) vorzubeugen, sei dieser durch § 115 Abs. 2 S. 3 VVG nicht freigestellt worden, was hier der Kläger versäumt habe.
Mithin wird die Verjährung nur für den Zeitraum ab Anmeldung des Anspruchs bei dem Versicherer bis zu dessen (positiver oder negativer) Entscheidung gehemmt. Mit dem Zugang dessen Entscheidung läuft die Verjährungsfrist weiter. Vorliegend, darauf verweist das Berufungsrecht ergänzend, sei der Kläger auch der Aufforderung zur Vorlage von belegen nicht nachgekommen und die Hemmung der Verjährung habe auch durch „Einschlafen lassen“ der Verhandlungen geendet (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.04.2004 - 2 U 142/03 -).
Kammergericht, Beschluss
vom 10.07.2023 - 25 U 46/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 09.03.2022, Az. 50 O 9/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Klage ist
unbegründet, da der Anspruch, dessen Feststellung der Kläger begehrt, auf Grund
eingetretener Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden kann.
Der Kläger hat
mit Schriftsatz vom 02.06.2003 seines vormaligen Rechtsanwalts gegenüber der
Beklagten Ansprüche wegen des Verkehrsunfalls angemeldet. Damit wurde die
Verjährung zunächst gehemmt. Die Hemmung dauerte bis zum Zugang des Schreibens
der Beklagten vom 14.10.2009. Dieses Schreiben stellt aus den zutreffenden
Gründen des angefochtenen Urteils eine Entscheidung i. S. v. § 115
Abs. 2 S. 3 VVG dar.
Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nicht nur eine ablehnende, sondern
auch eine anspruchsbejahende, für den Geschädigten positive Erklärung des
Versicherers eine Entscheidung im Sinne des § 115 Abs. 2 S. 3
VVG darstellen (vgl. BGH MDR 2017, 882 Tz 10 m. w. N.; BGHZ 114, 299). Ziel der
gesetzlichen Regelung ist es, den Geschädigten vor allem für den Fall einer
sehr langen Dauer der Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Nachteilen der
Verjährung zu schützen. Der Geschädigte wird deshalb während der Zeit, während
derer die Reaktion des Versicherers auf die Anspruchsanmeldung noch in der
Schwebe ist, vor dem Weiterlaufen einer die Durchsetzung seiner Ansprüche
gefährdenden Verjährung bewahrt. Diese Schutzfunktion entfällt aber nach ihrer
Zweckbestimmung, sobald sich der Versicherer zur Anspruchsanmeldung eindeutig
erklärt hat. In diesem Fall besteht für den Geschädigten Klarheit, welcher
Schritte es zur Verwirklichung seiner Ansprüche und zur Verhinderung einer
Anspruchsverjährung nach den allgemeinen Regeln der §§ 202ff. BGB bedarf.
Das gilt für die positive wie die negative Entscheidung des Versicherers
gleichermaßen (vgl. BGHZ 114, 299).
Dieser
Schutzfunktion wird ein Bescheid jedoch nur gerecht, wenn er eine klare und
umfassende Erklärung des Versicherers aufweist. Dies bedeutet zwar nicht, dass
sich der Versicherer in seiner Entscheidung für jeden in Betracht kommenden
Schadensposten auch betragsmäßig festlegen müsste, vielmehr reicht es aus, dass
er sich bereit erklärt, über die etwa schon bezifferten Schäden hinaus auch die
weiteren nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Schadensposten (z.B.
Verdienstausfall, Heilbehandlungskosten) zu regulieren. Damit hängt die
Wertung, ob eine Erklärung des Versicherers den an eine
"Entscheidung" i.S. des § 115 Abs. 3 S. 2 VVG
(§ 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a. F.) zu stellenden Anforderungen
genügt, wesentlich von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab (vgl.
BGHZ 114, 299, Tz. 28).
Hier hat die
Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sie ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000
€ für ausreichend erachte. Des Weiteren hat sie ihn gebeten, die Bezifferung
des materiellen Schadens abschließend zu belegen, damit ein abschließendes
Regulierungsgespräch stattfinden können. Diese Schreiben wird den oben
dargestellten Anforderungen entgegen der Auffassung der Berufung gerecht.
Hinsichtlich
des immateriellen Schadens folgt dies bereits mit hinreichender Klarheit
daraus, dass die Beklagte lediglich einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von
15.000 € als angemessen bezeichnet hat. Daraus wird ausreichend deutlich, dass
weitere Zahlungen in dieser Hinsicht nicht in Betracht kommen sollten. So weit
in dem Schreiben weiter darum gebeten wird, den materiellen Schaden zu belegen,
reicht dies aus, um dem Kläger hinreichende Klarheit zu geben, dass auch
künftige Forderungen aus dem Schadensfall freiwillig bezahlt werden, sofern er
sie ausreichend belegt. Daran ändert auch die Formulierung nichts, dass „ein
abschließendes Regulierungsgespräch“ stattfinden solle. Denn sie ist vor dem
Hintergrund zu sehen, dass die Beklagte bereits Zahlungen in Höhe von 26.000 €
erbracht hatte und somit 9.000 € mehr, als sie für das Schmerzensgeld zu
zahlten bereit war. Ob durch diesen Betrag der vom Kläger noch zu belegende
materielle Schaden bereits rechnerisch abgegolten war oder nicht, war aus Sicht
der Beklagten zum Zeitpunkt des Schreibens vom 14.10.2009 nicht feststellbar,
da der materielle Schaden vom Kläger ja noch im Einzelnen belegt werden sollte.
Vor diesem Hintergrund kann die Formulierung nur dahin verstanden werden, dass
nach dem entsprechenden Nachweis ein abschließendes Regulierungsgespräch der
Berechnung der Forderung unter Berücksichtigung bzw. Anrechnung der bereits
erbrachten Beträge dienen sollte. Da die materiellen Forderungen noch nicht
belegt waren, war auch nicht ausgeschlossen, dass keine weiteren Zahlungen aus
Sicht der Beklagten zu erbringen waren - sofern diese 9.000 € nicht
überschreiten würden -, so dass der Hinweis auf ein „Regulierungsgespräch“
nicht dahin zu verstehen ist, dass lediglich ein Gespräch, aber keine Zahlung
angekündigt wurde. Wie oben bereits ausgeführt, hängen die an eine
„Entscheidung“ im Sinne von § 115 Abs. 2 S. 3 VVG zu stellenden
Anforderungen im Wesentlichen von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles
ab, dabei kommt der Entwicklung des Anmeldeverfahrens und insbesondere dem
Konkretisierungsgrad der Schadensmeldung besondere Bedeutung zu (vgl. BGHZ 114,
299 Tz 28). Das Anmeldeschreiben vom 02.06.2003 - welches vom Kläger nicht
vorgelegt worden ist - enthält offensichtlich keine konkrete Geltendmachung von
Folgeschäden. Insofern kann der Erklärung vom 14.10.2009 weder ihrem Wortlauf
noch ihrem Sinne nach eine einschränkende Bedeutung in dem Sinne entnommen
werden, dass sich die Leistungsbereitschaft ausschließlich auf jetzt
bezifferbare Ansprüche beschränken soll. Insofern bezog sich die mitgeteilte
Leistungsbereitschaft eben nicht nur auf bestimmte bezifferte Rechnungsbeträge,
sondern auf den Anspruch des Klägers insgesamt. Erkennbar wurden keine
Einwendungen hinsichtlich des Grundes des Anspruchs erhoben (vgl. dazu BGHZ
114,299 juris -TZ 31).
Zutreffend hat
das Landgericht im Übrigen ausgeführt, dass in Fällen, in denen die
Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und vom Versicherer immer
wieder Schäden zu regulieren sind, es gar nicht möglich wäre, durch Abrechnung
einzelner Zeitabschnitte die Voraussetzungen für den Wegfall der
Verjährungshemmung herbeizuführen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 8.7.2020 - 11 U
107/19). Für den Kläger bestand somit hinreichende Sicherheit und Klarheit über
die Einstandsbereitschaft der Beklagten. Bei der vom Bundesgerichtshof
vorgenommenen Auslegung des § 115 Abs. 2 S. 3 VVG (§ 3
Nr. 3 PflVG) dürfte sich der Geschädigte häufig veranlasst sehen, sich
trotz positiver Entscheidung des Versicherers gegen eine Verjährung seiner
Ansprüche jedenfalls für die noch nicht bezifferbaren Schäden in geeigneter
Weise, ggfl. durch eine Feststellungsklage zu schützen. Vor dieser Vorsorge
wollte die Vorschrift des § 115 Abs. 3 S. 2 VVG den Geschädigten
nicht freistellen (vgl. BGHZ 114, 299 Tz 27) .
Dies hat der
Kläger hier in noch unverjährter Zeit jedoch versäumt.
Außerdem hat
die Hemmung der Verjährung auch durch das „Einschlafen lassen“ der
Verhandlungen geendet, da der Kläger der Aufforderung des Beklagten zur Vorlage
von Belegen zu keinem Zeitpunkt nachgekommen ist (vgl. OLG Frankfurt, ZfSch
2004, 461; BGHZ 152, 298).
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