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Sonntag, 28. April 2024

Beendigung der Verjährungshemmung durch Entscheidung des Versicherers

Die beklagte Versicherung erhob gegen den von dem Kläger gegen sie als Pflichtversicherer eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall geltend gemachten Schadensersatzanspruch die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies deshalb die Klage zurück; die Berufung hatte auch keine Aussicht auf Erfolg.

Die Ansprüche aus dem Verkehrsunfall sollen nach den Ausführungen des Berufungsgerichts mit Schreiben vom 02.06.2003 geltend gemacht worden sein. Damit sei die Verjährung gegenüber der Beklagten gehemmt gewesen. Die Hemmung habe bis zum Zugang des Schreibens der Beklagten vom 14.10.2009 angedauert. Dieses Schreiben habe eine Entscheidung des Versicherers iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG dargestellt. 

§ 115 Abs. 2 S. 3 VVG lautet: „Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht.“ 

Hierfür käme nicht nur eine ablehnende, sondern auch eine anspruchsbejahende und damit grundsätzlich für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers in Betracht (BGH, Urteile vom 14.03.2017 - VI ZR 226/16 – und 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Ziel der Regelung sei, den Geschädigten für den Fall langwieriger Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Folgen der Verjährung zu schützen. Diese Schutzfunktion entfalle, sobald sich der Versicherer zum angemeldeten Anspruch eindeutig erklärt habe, da damit für den Geschädigten Klarheit bestünde, welche Schritte es zur Verwirklichung seiner Ansprüche und Verhinderung einer Anspruchsverjährung nach den allgemeinen Regeln der §§ 202 ff BGB bedürfe. 

Die Mitteilung des Versicherers, auf Grund der die Verjährungshemmung ende, müsse allerdings eine klare und umfassende Erklärung darstellen, was nicht bedeute, dass der Versicherer in seiner mitgeteilten Entscheidung sich für jeden in Betracht kommenden Schadensposten betragsmäßig festlegen müsse, wenn sich ergebe, dass er über etwa schon bezifferte Schäden hinaus auch die weiteren nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Schadenspositionen regulieren würde. Damit käme es für die Wertung, ob eine Erklärung eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 3 S. 2 VVG sei, von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. 

Vorliegend hatte die Beklagte mitgeteilt, dass sie ein Schmerzensgeld von € 15.000,00 für ausreichend erachte und darüber hinaus gebeten, dass der Klägers einen materiellen Schaden abschließend beziffere und Belege vorlege, damit ein abschließendes Regulierungsgespräch stattfinden könne. Damit habe das Schreiben den Anforderungen des § 115 Abs. 3 S. 2 VVG genügt. 

Bei dem immateriellen Schaden sei deutlich geworden, dass die Beklagte lediglich einen Betrag von € 15.000,00 als angemessen ansah und weitere Zahlungen nicht in Betracht kämen. Mit der Aufforderung, den materiellen Schaden zu belegen sei auch klargestellt worden, dass künftige Forderungen freiwillig gezahlt würden, sofern sie belegt seien. Der Verweis auf ein zu führendes Regulierungsgespräch ändere vorliegend daran nichts, da dies vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass die Beklagte bereits Zahlungen in Höhe von € 26.000,00 erbracht hatte und damit € 9.000,00 mehr, als sie für das Schmerzengeld bereit war zu zahlen. Für die Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen, ob durch diesen Betrag der noch zu belegende materielle Anspruch rechnerisch abgegolten war oder nicht (weshalb auch der Kläger zur Darlegung und Belegung aufgefordert worden sei). 

Um festzustellen, ob eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG vorliege, käme der Entwicklung des Anmeldeverfahrens und insbesondere dem Konkretisierungsgrad der Schadensmeldung besondere Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Das (nicht vorgelegte) Anmeldeschreiben vom 02.06.2003 enthalte offensichtlich keine konkrete Geltendmachung von Folgeschäden, weshalb der Erklärung der beklagten vom 14.10.2009 weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn nach entnommen werden könne, die Leistungsbereitschaft beschränke sich nur auf bestimmte bezifferte Rechnungsbeträge; die Erklärung habe sich erkennbar auf den Anspruch des Klägers insgesamt erstreckt, und Einwendungen zum Grund seien nicht erhoben worden. 

Für den Kläger habe damit hinreichend Sicherheit und Klarheit zur Einstandsbereitschaft der Beklagten bestanden. Von der eigenen weiteren Vorsorge des Geschädigten, trotz der positiven Entscheidung des Versicherers einer Verjährung für noch nicht bezifferbare Ansprüche (z.B. durch Erhebung einer Feststellungsklage) vorzubeugen, sei dieser durch § 115 Abs. 2 S. 3 VVG nicht freigestellt worden, was hier der Kläger versäumt habe. 

Mithin wird die Verjährung nur für den Zeitraum ab Anmeldung des Anspruchs bei dem Versicherer bis zu dessen (positiver oder negativer) Entscheidung gehemmt. Mit dem Zugang dessen Entscheidung läuft die Verjährungsfrist weiter. Vorliegend, darauf verweist das Berufungsrecht ergänzend, sei der Kläger auch der Aufforderung zur Vorlage von belegen nicht nachgekommen und die Hemmung der Verjährung habe auch durch „Einschlafen lassen“ der Verhandlungen geendet (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.04.2004 - 2 U 142/03 -). 

Kammergericht, Beschluss vom 10.07.2023 - 25 U 46/22 -

Dienstag, 11. Juli 2023

(Fehlende) Signatur auf Schriftsatz und Verjährung

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend mit der Begründung, der Beklagte habe seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt und deshalb habe er sich verletzt. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Verjährung ab.  Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit seiner Berufung.

Die Verjährung eines eventuellen Schadensersatzanspruchs des Klägers trat mit Ablauf des 31.12.2021 ein. Die Klage wurde am 25.12.2021 durch elektronische Übermittlung lediglich der ersten Seite der Klageschrift und der Anlagen zur Klageschrift durch an anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht worden. Mit dem 27.12.2021 wurde der Kläger zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Unter dem 26.01.2022 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgefordert seine ersichtlich unvollständige Klage zu vervollständigen, was er dann auch unter Überlassung der kompletten Klageschrift tat. Der Beklagte erhob u.a. die Einrede der Verjährung. Mit Verweis auf die eingetretene Verjährung wurde die Klage abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung. Mit Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 wies das Landgericht darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung zurückzuweisen. Nachdem der Kläger darauf innerhalb gesetzter Frist nicht reagierte, wies das Landgericht seine Berufung mit Beschluss vom 03.07.2023 unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 zurück.

Vom Grundsatz her war die Verjährung bei Einreichung einer Klage am 25.12.2021 noch nicht eingetreten, da Verjährungsablauf der 31.12.2021 war. Streitig war im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung, ob die unvollständige Klage geeignet war, den Eintritt der Verjährung zu hemmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Vorliegend entsprach aber die Klageschrift, so wie sie eingereicht wurde, nicht den prozessualen Anforderungen, was erst nach dem Hinweis durch das Amtsgericht im Januar geheilt wurde.

Das Landgericht wies in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht darauf hin, dass ein elektronisches Dokument wie die Klageschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der den Schriftsatz verantwortenden Person versehen sein müsse oder aber von der verantwortenden Person (einfach) signiert sein müsse und ferner auf einem sicheren Übermittlungsweg (wie dem „besonderen elektronischen Anwaltspostfach“ (beA) eingereicht werden müsse, § 130a Abs. 3, Abs. 4 ZPO. Die Klageschrift, wie sie am 25.12.2021 auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereicht wurde, war nicht qualifiziert signiert. Sie wurde nur mit einer Seite (der erste Seite) eingereicht, die auch nicht unterschrieben war.  Die einfache Signatur hätte hier bei der elektronischen Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg ausgereicht, wäre aber auch erforderlich gewesen, § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO.

Eine Ausnahme von dem Erfordernis der einfachen Signatur habe hier auch nicht vorgelegen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hinwies, er sei, wie aus seinem Briefkopf auf der übermittelten Seite der Klageschrift ersichtlich sei, als Einzelanwalt tätig, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Ausnahme. Der BGH habe zwischenzeitlich mit Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22 - entschieden, dass die einfache Signatur (z.B. durch maschinenschriftlichen Namenszug oder eingescannter Unterschrift) ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte Signatur die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung  ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringe, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehle es daran, sei das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht worden.  Auch wenn der Briefkopf darauf deute, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Kanzlei als Einzelanwalt betreibe, schließe dies nicht aus, dass ein angestellter Rechtsanwalt tätig sei, ohne auf dem Briefbogen benannt zu sein; auch könnten freiberufliche Rechtsanwälte in der Kanzlei tätig sein. Entsprechend habe zudem auch bereits zuvor das BAG das BAG am 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - entschieden.

Das Fehlen des Namens am Ende des Dokuments (hier der ersten Seite) könne auch nicht durch einen eingangs des Dokuments benannten Namen des Rechtsanwalts ersetzt werden, da dennoch die Möglichkeit bestünde, dass der Schriftsatz von einer anderen Person (namentlich nichtanwaltlichen Personal oder einem externen Rechtsanwalt, der in anwaltlicher Vertretung tätig würde) stamme. Das könne ohne Beweisaufnahme nicht geklärt werden, die allerdings diesbezüglich ausgeschlossen sei.

Auch gehe die Annahme des Klägers fehl. Das Amtsgericht hätte ihn bereits im Zusammenhang mit der Übermittlung der Kostenrechnung  für den Gerichtskostenvorschuss auf die fehlende Wirksamkeit der Klageerhebung hinweisen müssen. Die Bearbeitung des Klageverfahrens erfolge gem. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG erst nach Zahlung der angeforderten Gerichtskosten. Die Akte sei der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts erst nach Eingang des Vorschusses am 25.01.2022 vorgelegt worden.

Anmerkung: Rechtsanwälte sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Schriftsätze (und dies gilt auch für bestimmende Schriftsätze wie die Klageschrift) als elektronische Dokument den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg zuzuleiten (§ 130a ZPO). Diese müssen signiert werden (regelmäßig am Ende des Dokuments eine Namensangabe des verantwortenden Rechtsanwalts) oder mit einer qualifizierten Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen sein.

LG Kassel, Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 - 1 S 177/22