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Donnerstag, 3. Oktober 2024

Beginn der Verjährung des Regressanspruchs des Rentenversicherungsträgers

Gegenstand des Verfahrens war der Antrag auf Feststellung eines (anteiligen) Regressanspruchs des klagenden Rentenversicherungsträgers aus § 110 Abs. 1 SGB VII. Der bei ihr versicherte Geschädigte erlitt einen Arbeitsunfall, verursacht durch eine Fehlbedienung eines Teleskoparms durch den Beklagten mit der Folge einer Querschnittlähmung. Der Unfallversicherungsträger erkannte mit Bescheid vom 124.05.2017 den Unfall vom 14.05.2015 als Arbeitsunfall an. Am 06.08.2021 beantragte der Geschädigte bei der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Rente wurde nicht gewährt, obwohl eine medizinische Begutachtung ergab, dass der Geschädigte seine ehemalige Beschäftigung nur noch im geringeren zeitlichen Umfang ausüben kann; er erhält weiterhin Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben.

Die Klage des Rentenversicherungsträgers wurde dem Beklagten am 30.12.2022 zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies die Klage – wegen Verjährung – ab. Das OLG wies die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung zurück.

Das OLG schloss sich der Auffassung des Landgerichts an, dass die Verjährung nach § 113 S. 1 SGB VII kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles durch den Unfallversicherungsträger läuft (BGH, Urteil vom 25.07.2017 – VI ZR 433/16 -). Frühere Rechtsprechung, die dies anders gesehen hatte, sei durch die Entscheidung des BGH überholt.

Die Bindungswirkung gelte nicht nur für den Unfallversicherungsträger, sondern auch für andere Sozialversicherungsträger. In seiner o.g. Entscheidung habe der BGH als obiter dictum festgehalten, dass für den Beginn der Verjährung gem. § 113 S. 1 SGB VII eine Feststellung der Leistungspflicht dem Grunde nach (und nicht der Höhe nach) genüge, dass „die für den Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nicht nur Voraussetzung für die Verjährung seiner eigenen Ansprüche ist, sondern auch für die Verjährung der Ansprüche anderer Sozialversicherungsträger“. Zwar habe der BGH offen gelassen, ob dies auch für Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gelte, allerdings mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes argumentiert, wonach die Regelung für alle Sozialversicherungsträger gelte und es (dort im Hinblick auf die gesetzliche Krankenversicherung) für unerheblich gehalten, „wenn der Beginn der Verjährung für die Rückgriffsansprüche der Krankenkasse von einem Datum abhängig gemacht würde, dass ihr nicht bekannt sei und auf das sie keinen Einfluss habe“.

Dem Rentenversicherungsträgerdrohe zwar die Verjährung seiner Ansprüche, wenn er nicht innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden Frist von dem Schadensfall Kenntnis erlange. Der Wortlaut des § 110 Abs. 1 SGB VII unterscheide jedoch nicht zwischen den verschiedenen Sozialversicherungsträgern, demgegenüber § 113 S. 1 SGB VII alleine auf die Feststellung der Leistungsverpflichtung des Unfallversicherungsträgers abstelle. Die Regelung sie im Kern und ihrer Konsequenz für andere Sozialversicherungsträger – namentlich dem Rentenversicherungsträger – seit Jahrzehnten unverändert geblieben und der Gesetzgeber habe offenbar bewusst auch bei diversen Anpassungen dies nicht grundlegend geändert. Damit scheide eine planwidrige Reglungslücke aus, und auch ein redaktionelles Versehen sei nicht erkennbar. Vielmehr stelle sich die Regelung als gesetzgeberische Grundentscheidung dar, bis wann das Interesse des nach § 110 Abs. 1 SGB VII Haftenden an Rechtssicherheit noch dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Durchsetzung dieser Regressansprüche vorgehen soll.

Damit sei – bei taggenauer Berechnung der Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 25.07.2017 - VI ZR 433/16 -) – die Verjährung mit dem Tag des Bescheides des zuständigen Unfallversicherungsträgers am 24.05.2017 in Lauf gesetzt worden (auf eine Leistungserbringungen durch diesen käme es nicht an) und habe am 24.05.2020 geendet. Die Verjährung sei bei Klageerhebung Ende 2022 bereits eingetreten gewesen. Vorher hab es auch keine verjährungshemmenden Umstände gegeben, was auch deshalb ausgeschlossen sei, dass die Klägerin erst im August 2021 von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt haben will.

Allerdings verdeutlichen die Gründe des OLG, mit denen die Revision gegen seien Entscheidung zugelassen wurde, deutlich, dass das OLG die eigene Entscheidung nicht für akzeptabel hält. So verwies es darauf, dass der Gesetzgeber jedem Sozialversicherungsträger mit § 110 SGB VII hinsichtlich des Haftungsgrundes ausdrücklich eine völlig autarke Anspruchsgrundlage bei (wie hier) krassen Fehlverhalten des Anspruchsgegners eingeräumt habe und es nicht im Interesse des Gesetzgebers sein könne, den gesetzlichen Rentenversicherungsträger in der Praxis durch die strenge Verjährungsregel nach § 113 AGB VII faktisch vom Regress auszuschließen, da er vermutlich davon ausgegangen sei, dass Regressansprüche desselben überhaupt schon entstanden seien.  Es könnte im öffentlichen Interesse aller Rentenversicherungspflichtigen liegen, Ersatz für Aufwendungen zu erhalten, die ansonsten von der Solidargemeinschaft getragen werden müssten. Es sei auch nicht unbillig, dem Schädiger die Rechtsunsicherheit aufzuerlegen, erst viele Jahre nach dem Vorfall entsprechenden Regressansprüchen auszusetzen. Verwiesen wurde durch das OLG zudem auf ein Urteil des Brandenburgischen OLG vom 09.12.2014 – 3 U 48/13 - , in dem dieses auf den In § 113 SGB VII benannten § 199 BGB abstellte und die Auffassung vertrat, der Verweis auf § 199 Abs. 1 und 2 BGB sei überflüssig, wenn man nicht die dort verlangte Kenntnis mit als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn annehmen würde.  

Anmerkung: Die Entscheidung des OLG ist zunächst in seiner Begründung zur Zurückweisung der Berufung des Rentenversicherungsträgers nachvollziehbar. Unverständlich wird sie allerdings vor dem Hintergrund der Zulassung der Revision. Mit den benannten Zulassungsgründen, „nicht im Interesse des Gesetzgebers“ pp., verliert sich das OLG in allgemeine (rechtspolitische) Überlegungen. Im Urteil selbst hatte doch das OLG ausgeführt, dass eine Regelungslücke nicht vorläge und der Gesetzgeber bei mehrfachen Änderungen dies auch hätte ändern können, was er bewusst nicht getan habe. Damit würde diese Begründung nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen, sondern könnte allenfalls eine Handlungsaufforderung an den Gesetzgeber darstellen.

Ebenso wenig überzeugt die Entscheidung des Brandenburgischen OLG , auf welches sich das OLG hier zur Begründung der Zulassung der Revision berief: Zwar wird in § 113 SGB VII auf § 199 Abs. 1 und Abs. 2 BGB verwiesen. Wenn aber in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Kenntnis abgestellt wird, kann dies nicht eine zusätzliche Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist sein, da dies dem Wortlaut des § 113 S. 1 SGB VII zuwiderliefe, der explizit auf darauf abstellt, dass die Norm „mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist.“ Der Wortlaut „mit der Maßgabe“ beinhaltet bereits, dass die anderweitige Berechnung in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht anzuwenden ist.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 89/23 -

Dienstag, 23. Februar 2021

„Zu erbringen hat“ (§ 116 Abs. 1 SGB X) knüpft an Leistungspflicht, nicht an tatsächlich erbrachte Leistung

Der Vater der 14-jährigen Geschädigten beantragte bei der Rentenversicherung stationäre Rehabilitationsleistungen, die diese erbrachte und nach § 116 Abs. 1 SGB X bei dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers regressierte. Dieser leistete unter Vorbehalt und forderte dann die Zahlung mit der Begründung zurück, die Geschädigte sei nicht Mitglied der Rentenversicherung. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt; die zugelassene Revision der Rentenversicherung führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Vom Grundsatz normiert § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X, dass ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften (z.B. nach § 7 StVG, § 823 BGB) beruhender Schadensersatzanspruch auf den Versicherungsträger übergeht, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen (sachliche Kongruenz) sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen (zeitliche Kongruenz). Dabei sei auf die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers abzustellen (im Gesetz heißt es „zu erbringen hat“), nicht auf eine tatsächlich erbrachte Leistung. Fehlt mithin die Leistungspflicht, kann selbst bei erbrachter Leistung der Anspruch nicht gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geltend gemacht werden, da es dann einem dort benannten gesetzlichen Forderungsübergang ermangelt.

Geht man mithin (insoweit fehlten Feststellungen der Vorinstanzen, weshalb es zur Zurückverweisung kam) davon aus, dass vorliegend  Ersatzansprüche nach § 7 Abs. 1 StVG gegenüber dem Haftpflichtversicherer gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG bestanden, ferner, dass die stationäre Rehabilitationsbehandlung auf den unfallbedingten Verletzungen zurückzuführen war, und die Rentenversicherung hier nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI auf Antrag Leistungen zu erbringen hatte, habe sachliche und zeitliche Kongruenz auf Ersatz gegen den Haftpflichtversicherer bestanden. Zwar sei die Geschädigte selbst nicht Mitglied der Rentenversicherung. § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI lautet:

„Als sonstige Leistungen zur Teilhabe können erbracht werden:

4. stationäre Heilbehandlung für Kinder von Versicherten, … , wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann,

…“

(§ 31 SGB 6 in der Fassung vom 17.7.2015)

Entscheidend für den Anspruch über § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X sei nicht, ob die Leistung auf einer Mitgliedschaft des Geschädigten beruhe, oder ob der Geschädigte nur Begünstigter sei. In beiden Fällen läge eine den Forderungsübergang begründende Identität zwischen Schadensersatzberechtigten und Leistungsempfänger vor.

Der Zweck des § 116 SGB X sei es zu vermeiden, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließende Sozialleistung haftungsfrei gestellt würde oder der Geschädigte doppelt entschädigt würde (BGH, Urteil vom 08.07.2003 - VI ZR 274/02 -).

Anderes würde sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 24.04.2012 - VI ZR 329/10 - ergeben. Dort sei es um die Frage gegangen, ob die Forderung bereits zum Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei, wenn zu diesem Zeitpunkt das Sozialversicherungsverhältnis noch nicht besteht. Erforderlich sei für dem Übergang zum Schadenzeitpunkt, dass eine Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Geschädigten nicht völlig unwahrscheinlich sei. Sind Sozialleistungen auf Grund eines Sozialversicherungsverhältnisses zu erbringen, setze ein Rechtsübergang zu diesem Zeitpunkt allerdings das Bestehen einer Mitgliedschaft voraus; wird die Mitgliedschaft erst später begründet, würde der Übergang auch erst zu diesem späteren Zeitpunkt eintreten. Im Urteil vom 24.04.2012 sei es um den Forderungsübergang auf den Rentenversicherungsträger aus einem erst Jahre nach dem Unfall begründeten Versicherungsverhältnis gegangen.

Zusammenfassend hielt der BGH fest, dass die Differenzierung im Hinblick darauf erfolge, welche Sozialleistungen aus welchem Sozialversicherungsverhältnis im Rahmen des Forderungsübergangs geltend gemacht würden. Hier handele es sich um Ansprüche aus Sozialleistungen zugunsten der Geschädigten, die an das Rentenversicherungsverhältnis ihres Vaters anknüpfen würden.

BGH, Urteil vom 19.01.2021 - VI ZR 125/20 -