In Baden-Württemberg lagen drei
Grundstück derart nebeneinander, dass sie seinen gemeinsamen Grenzpunkt hatten,
in dessen Nähe ein Fichte stand, deren
Stamm sich teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem
Grundstück des dritten Nachbarn befand. Äste dieser Fichte ragten von dem
Baumteil, der auf dem Grundstück des Beklagten stand, auf das Grundstück der Klägerin,
die von dem Beklagten deren Beseitigung forderte. Das Amtsgericht wies die
Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Auch die vom Landgericht als
Berufungsgericht zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.
1. Nicht zu beanstanden sie die Annahme der Zulässigkeit der Klage,
obwohl die Äste von einem Baum stammen würden, der sich teilweise auf dem Grundstück
des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn befände. Dem
Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB stünde dies nicht entgegen, da es sich bei dem
Beklagten und dem dritten Nachbarn nicht um notwendige Streitgenossen nach § 62
Abs. 1 2. Alt. ZPO handele. Eine notwendige Streitgenossenschaft erfordere,
wenn aus materiell-rechtlichen Gründen nur gemeinsam geklagt werden könne oder
gegen diese nur gemeinsam geklagt werden könne. Dieses Erfordernis ergäbe sich
aus gemeinschaftlichen Verfügungsbefugnis gem. §§ 747 S. 2, 1008 BGB. Ein
solcher Fall läge nicht, da der Beklagte und der dritte Nachbar nicht
gemeinschaftlich verpflichtet seien, sondern jeder für sich. Auch aus dem
Umstand, dass es sich um einen Grenzbaum iSv. § 923 BGB handele ergäbe sich
nichts anderes, obwohl dieser zu jeweils zu dem Teil, zu dem er auf einem
Grundstück stünde, in dessen Eigentum stünde (vertikal geteiltes Eigentum). Die
Verkehrssicherungspflicht obliege erstrecke sich auf den Teil des Baumes, der
auf seinem Grundstück stünde. Von daher
könne die Klägerin hier den Beklagten alleine in Anspruch nehmen, da die
Beeinträchtigung von seinem Baumteil ausginge.
2. § 1004 Abs. 1 BGB setze
für die Beseitigung von herüberragenden Ästen allerdings voraus, dass dadurch
die Nutzung des Nachbargrundstücks beeinträchtigt würde. Läge dies nicht vor,
sei das Herüberragen zu dulden. Offen bliebe, ob dies auch für ganz erhebliche
Beeinträchtigungen gelte, worauf es vorliegend nach Auffassung des BGH nicht
ankäme, wie es auch nicht darauf ankäme und offen bleiben könne, ob die
Störungen im Vergleich zur Wirkung des Rückschnitts außer Verhältnis stehen
dürften (dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.01.2007 - 8 U 77/06 - und OLG
Köln, Urteil vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -).
Der von der Klägerin geltend
gemachte Anspruch sei verjährt, §§ 195, 199 BGB (anders als der Anspruch nach §
1004 BGB unterliege das Selbsthilferecht des § 910 BGB nicht der Verjährung).
§ 902 BGB (danach unterliegen
eingetragene Ansprüche nicht der Verjährung) finde auf Beseitigungsansprüche
keine Anwendung. Die Norm umfasse nur die Verwirklichung des Anspruchs, nicht
aber die Abwehr von Störungen.
Auch soweit nach der Rechtsprechung
des Senats eine Verjährung von Unterlassungsansprüchen nicht in Betracht käme, wenn
eine einheitliche Dauerhandlung vorläge, die den rechtswidrigen Zustand
fortlaufend aufrechterhalte und deshalb den Lauf einer Verjährungsfrist nicht
in Gang setze, könne hier darauf deshalb nicht abgestellt werden, da der
Anspruch auf Beseitigung nach § 1004 BGB mit dem hinüberwachsen beginne; nehme
dies der Nachbar (in Kenntnis des Hinüberwachsens) länger als drei Jahre hin,
könne er die Beseitigung im Interesse des Rechtsfriedens nicht mehr verlangen. Diese
Frist von drei Jahren war bei Erhebung der Klage bereits abgelaufen.
Anderes lasse sich auch nicht aus
§ 23 Abs. 1 NRG BW („Beseitigungsansprüche
nach diesem Gesetz verjähren in fünf Jahren. Sind Gehölze im Sinne des § 16
Absatz 1 Nummer 4 oder 5 betroffen, so beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.
Bei Pflanzungen beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit dem 1. Juli nach der
Pflanzung. Bei an Ort und Stelle gezogenen Gehölzen beginnt sie am 1. Juli des
zweiten Entwicklungsjahres. Bei späterer Veränderung der artgemäßen Ausdehnung
des Gehölzes beginnt die Verjährung von neuem; dasselbe gilt im Falle des § 16
Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe c, wenn die Umtriebszeit von zehn Jahren
überschritten wird.“) oder aus § 26 Abs. 3 NRG BW („Der Anspruch auf das Zurückschneiden der Hecken, auf Beseitigung
herüberragender Zweige und eingedrungener Wurzeln sowie auf Verkürzung zu hoch
gewachsener Gehölze ist der Verjährung nicht unterworfen.“) ableiten. Dies
schon deshalb, da der Landesgesetzgeber nach Art. 124 EGBGB zugunsten des Nachbarn
weitergehenden Beschränkungen unterwerfen könne, doch nicht abweichend vom BGB
die Verjährungsfristen zu § 1004 BGB (Bundesrecht) regeln könne. Die
verfassungskonforme Auslegung des § 26 NRG BW ergebe daher, dass diese Regeln
sich nicht auf einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB bezögen, da sie sonst
nichtig wären.
Die Klägerin könne aber auch
ihren Anspruch nur aus § 1004 BGB herleiten, nicht aus dem NRG BW. Zwar gewähre
§ 12 Abs. 2 und Abs. 3 NRG BW Ansprüche auf Rückschnitt für Hecken und sonstige
Gehölze im Hinblick auf die Einhaltung eines Grenzabstandes, unabhängig davon,
ob darin bereits eine Eigentumsbeeinträchtigung iSv. § 1004 BGB zu sehen sei.
Für bestimmte Bäume sei zwar auch ein Zurückschneiden überhängender Äste
geregelt (§ 23 Abs. 1 und 2 NRG BW), doch handele es sich hier nicht um einen
darunter fallenden Baum, weshalb auf sich beruhen kann, ob diese Regelung nach
Art. 122, 111 bzw. 183 EGBGB zulässig vom Landegesetzgeber aufgenommen werden
durfte).
BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 136/18 -