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Freitag, 17. November 2017

Insolvenzeröffnung: Kein Grund zur Kündigung aus wichtigem Grund eines nach Eröffnungsantrag abgeschlossenen Werklieferungsvertrages

Die Schuldnerin war aus einem Rahmenvertrag aus dem Jahr 2008 zur Lieferung von Metallgussteilen gegenüber der Beklagten verpflichtet. Im Oktober 2012 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und  der Kläger wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt mit weitergehender Verfügung dahingehend, dass Verfügungen der Schuldnerin seiner Zustimmung bedürfen. Der Kläger machte eine Fortsetzung der Lieferung von einem Preisaufschlag von 30% abhängig, was dann entsprechend auch am 01./04.03.2013 vertraglich mit einer Laufzeit bis zum 31.03.2013 vereinbart wurde. Am 26.03.2012 wurde der Kläger vom Insolvenzgericht zum starken Verwalter bestellt. Am Folgetag wies er die Beklagte auf die zum 01.04.2012 geplante Eröffnung des Insolvenzverfahrens hin und forderte für Lieferungen ab dem 01.04 einen Aufschlag von 38% auf die ursprünglichen Preise mit Hinweis darauf, dass er im Falle einer entsprechenden Vereinbarung sein Wahlrecht nach § 103 InsO nicht ausüben würde. Die Beklagte lehnte mit beim Kläger am 02.04. eingegangenen Schreiben vom 28.03. ab, da sie sich nicht weiter unter Druck setzen lassen wolle und keine Grundlage für eine weitere Geschäftsbeziehung sähe, worauf der Kläger antwortete, er werde die Produktion einstellen. Die beklagte wies darauf hin, nach ihrer Ansicht läge in den seit 01.04. ausbleibenden Lieferungen implizite eine Wahl der Nichterfüllung.

Der Kläger verlangte Schadensersatz wegen Nichtabnahme abzüglich ersparter Aufwendungen. Seine Klage war in allen Instanzen erfolgreich.

Es bestand, so der BGH, ein Vertrag auf der Grundlage des Rahmenvertrages aus 2008 mit der Änderung vom 01./04.03.2013. Es würden daher §§ 651 S. 3, 649 BGB gelten. Das Schreiben der Beklagten vom 28.03.2013 sei als Kündigung auszulegen. Das Kündigungsrecht des § 649 BGB bestehe auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Kündigung sei auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des Klägers vom 27.03.2013 unwirksam.

Der Insolvenzverwalter könne nach § 103 InsO die Erfüllung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen, beidseits nicht vollständig erfüllten Vertrages verlangen oder ach auch die Erfüllung ablehnen; eine inhaltliche Änderung durch den Insolvenzverwalter sei ausgeschlossen. Ein unter Vorbehalten erklärtes Erfüllungsverlangen werde daher häufig als Ablehnung der Erfüllung angesehen. Allerdings entstünde das Wahlrecht des Insolvenzverwalters erst nach Insolvenzeröffnung, bestand mithin hier am 27.03.2013 nicht. Auch bestand kein Vertrauensschutz.

Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund waren nach Ansicht des BGH nicht erfüllt.

So lägen die Voraussetzungen des § 314 BGB nicht vor. Zwar habe es sich bei dem Rahmenvertrag um ein Dauerschuldverhältnis gehandelt, do sei dessen Kündigung nicht streitgegenständlich. Es ginge vorliegend um den Schaden aus der Nichterfüllung der einzelnen darauf beruhenden Werklieferungsverträge.

Auch läge kein wichtiger Grund iSv. § 648a Abs. 1 S. 2 BGB vor. Zwar sei vom BGH bereits entscheiden worden, dass bereits ein Eigenantrag eines Unternehmens auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als wichtiger Grund angesehen werden könne (Urteil vom 07.04.2016 - VII ZR56/15 -), da der Gläubiger ein schwerwiegendes, die Interessen des Schuldners überragendes Interesse daran habe, im Falle des Eigeninsolvenzantrages frühzeitig aus dem Vertrag herauszukommen und einen möglichen Schaden geltend machen zu können, ohne gem. § 649 S. 2 BGB gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung ohne Leistung verpflichtet zu sein. Ein solcher Fall habe aber hier nicht vorgelegen, da vorliegend die Kündigung einzelne Werklieferungsverträge betraf, die erst nach dem Insolvenzantrag und in dessen Kenntnisabgeschlossen worden wären. 

Die Insolvenzeröffnung selbst stelle hier keinen wichtigen Grund für eine Kündigung durch die Beklagte dar. Mit der Eröffnung hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Verwalter zur Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO aufzufordern, was nicht erfolgte. Aber selbst wenn er aufgefordert worden wäre und sich für die Erfüllung entschieden hätte, wäre aus Sicht der Beklagten möglicherweis zu befürchten gewesen, dass die geschuldeten Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht werden. Dies sei aber ein allgemeines Risiko, welches die Kündigung nicht rechtfertigen könne.

Auch vermag sich die Beklagte nach Auffassung des BGH nicht erfolgreich auf das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 27.03.2013 berufen, er würde sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr an die Vereinbarung vom 01./04.03. 2013 gebunden fühlen. Das Wahlrecht entstünde erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (hier: 01.04.2013) und hätte vorher nicht ausgeübt werden können mit der Folge, dass der Verwalter also an der vertraglichen Abrede vom 01./04.03.2013 gebunden war.

Für den Anspruch nach § 649 S. 2 BGB wäre eine Erfüllungswahl nicht erforderlich. Der Kläger könne  zwar nur solche Ansprüche geltend machen, bei denen er die Erfüllung gewählt habe; hier aber habe die Beklagte wirksam gekündigt, weshalb eine Erfüllung für ihn aus Rechtsgründen nicht mehr möglich war.

Fazit: Ein Kündigungsrecht aus wichtigen Grund besteht, wenn nach Vertragsabschluss ein (Eigen-) Insolvenzantrag über das Vermögen des Vertragspartners gestellt wird. Kommt es aber zu einem Vertrag mit dem Gemeinschuldner nach dem Insolvenzeröffnungsantrag, besteht auch bei Eröffnung der Insolvent kein wichtiger Grund. Der Gläubiger kann nach Eröffnung allenfalls den Insolvenzverwalter auffordern, von seinem Wahlrecht nach § 103 InsO (Wahl zwischen Erfüllung und Nichterfüllung) Gebrauch zu machen.



BGH, Urteil vom 14.09.2017 - IX ZR 261/15 -

Mittwoch, 18. Januar 2017

Frachtvertrag: Das Wahlrecht des Frachtführers nach § 415 Abs. 2 HGB bei Kündigung des Absenders

Der Beklagte hatte der Klägerin einen Frachtauftrag erteilt und diesen dann vor Durchführung aus in seiner Sphäre liegenden Gründen gekündigt. Unter Berufung auf § 415 Abs. 2 Nr. 1 HGB hat die Frachtführerin (Klägerin) dann Schadensersatz in Höhe der vereinbarten Frachtkosten abzüglich ersparter Eigenaufwendungen geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da es der Auffassung war, die Klägerin habe die ersparten Aufwendungen nicht substantiiert dargelegt. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein und beantragte Hilfsweise die Zahlung einer Entschädigung nach § 415 Abs. 2 Nr. 2 HGB (ein Drittel der Frachtkosten pauschal, sogen. Fautfracht). Die Berufung wurde zurückgewiesen, bezüglich des Hilfsantrages mit der Begründung, durch die Geltendmachung des Anspruchs nach § 415 Abs. 2 Nr. 1 HGB hätte sich die Klägerin gebunden und könne nicht mehr auf § 415 Abs. 2 Nr. 2 HGB umstellen.

Die zugelassene Revision, mit der die Klägerin nun nur noch den Hilfsantrag des Berufungsverfahrens als Hauptantrag weiterverfolgte, hatte Erfolg.

Zunächst setzte sich der BGH mit der Frage der Zulässigkeit in Bezug auf den jetzigen Hauptantrag auseinander. Er verwies darauf, dass ausnahmsweise dann der neue Hauptantrag als Klageänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO  auch im Revisionsverfahren zulässig sei, wenn sich der Tatrichter mit allen dafür erforderlichen tatsächlichen Umständen bereits befasst hatte, was hier der Fall war.

Anders als das Berufungsgericht sah es der BGH als möglich an, von einem Anspruch nach § 415 Abs. 2 Nr. 1 HGB auf einen solchen nach § 415 Abs. 2 Nr. 2 HGB umzustellen. Es handele sich hier nicht um eine Wahlschuld iSv. §§ 262 bis 265 BGB, sondern um einen in der Rechtsprechung anerkannten Fall der elektiven Konkurrenz. Dabei stünden dem Gläubiger mehrere, sich wechselseitig ausschließende Ansprüche zu , zwischen denen er wählen könne. Für diesen Fall wäre aber die Regelung des § 263 BGB, wonach die einmal abgegebene Erklärung bindend sei und von Anfang an gilt, nicht, auch nicht analog anwendbar. On also eine Bindungswirkung bei der Geltendmachung nach einer der Regelungen in § 415 Abs. 2 HGB Bindungswirkung entfalte, sei durch Auslegung zu ermitteln.

 Der BGH schließt sich hier einer vom OLG Hamm (Urteil vom 26.02.2015 – 18 U 82/14 -) an, wonach das Wahlrecht erst erlischt, wenn der geltend gemachte Anspruch vom Schuldner erfüllt wurde. Zum Einen gäbe es für die Bindungswirkung einer einmal getroffenen Wahl im Gesetz selbst keine Anhaltspunkte. Zum Anderen wäre es unbillig, den bezüglich des Umfangs seiner Ersparnisse beweisbelasteten Frachtführer nicht erlauben zu wollen, bei Beweisschwierigkeiten, die sich häufig erst im Prozess herausstellen würden, von der Einzelabrechnung auf die Fautfracht umzustellen.


BGH, Urteil vom 28.07.2016 – I ZR 252/15 -