Die Schuldnerin war aus einem
Rahmenvertrag aus dem Jahr 2008 zur Lieferung von Metallgussteilen gegenüber
der Beklagten verpflichtet. Im Oktober 2012 beantragte sie die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und
der Kläger wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt mit
weitergehender Verfügung dahingehend, dass Verfügungen der Schuldnerin seiner
Zustimmung bedürfen. Der Kläger machte eine Fortsetzung der Lieferung von einem
Preisaufschlag von 30% abhängig, was dann entsprechend auch am 01./04.03.2013
vertraglich mit einer Laufzeit bis zum 31.03.2013 vereinbart wurde. Am
26.03.2012 wurde der Kläger vom Insolvenzgericht zum
starken Verwalter bestellt. Am Folgetag wies er die Beklagte auf die zum
01.04.2012 geplante Eröffnung des Insolvenzverfahrens hin und forderte für
Lieferungen ab dem 01.04 einen Aufschlag von 38% auf die ursprünglichen Preise
mit Hinweis darauf, dass er im Falle einer entsprechenden Vereinbarung sein
Wahlrecht nach § 103 InsO nicht ausüben würde. Die Beklagte lehnte mit beim
Kläger am 02.04. eingegangenen Schreiben vom 28.03. ab, da sie sich nicht
weiter unter Druck setzen lassen wolle und keine Grundlage für eine weitere
Geschäftsbeziehung sähe, worauf der Kläger antwortete, er werde die Produktion
einstellen. Die beklagte wies darauf hin, nach ihrer Ansicht läge in den seit
01.04. ausbleibenden Lieferungen implizite eine Wahl der Nichterfüllung.
Der Kläger verlangte
Schadensersatz wegen Nichtabnahme abzüglich ersparter Aufwendungen. Seine Klage
war in allen Instanzen erfolgreich.
Es bestand, so der BGH, ein Vertrag
auf der Grundlage des Rahmenvertrages aus 2008 mit der Änderung vom 01./04.03.2013.
Es würden daher §§ 651 S. 3, 649 BGB gelten. Das Schreiben der Beklagten vom
28.03.2013 sei als Kündigung auszulegen. Das Kündigungsrecht des § 649 BGB
bestehe auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Kündigung sei auch
nicht im Hinblick auf das Schreiben des Klägers vom 27.03.2013 unwirksam.
Der Insolvenzverwalter könne nach
§ 103 InsO die Erfüllung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
geschlossenen, beidseits nicht vollständig erfüllten Vertrages verlangen oder ach
auch die Erfüllung ablehnen; eine inhaltliche Änderung durch den Insolvenzverwalter
sei ausgeschlossen. Ein unter Vorbehalten erklärtes Erfüllungsverlangen werde
daher häufig als Ablehnung der Erfüllung angesehen. Allerdings entstünde das
Wahlrecht des Insolvenzverwalters erst nach Insolvenzeröffnung, bestand mithin
hier am 27.03.2013 nicht. Auch bestand kein Vertrauensschutz.
Die Voraussetzungen für eine
Kündigung aus wichtigem Grund waren nach Ansicht des BGH nicht erfüllt.
So lägen die Voraussetzungen des
§ 314 BGB nicht vor. Zwar habe es sich bei dem Rahmenvertrag um ein
Dauerschuldverhältnis gehandelt, do sei dessen Kündigung nicht streitgegenständlich.
Es ginge vorliegend um den Schaden aus der Nichterfüllung der einzelnen darauf
beruhenden Werklieferungsverträge.
Auch läge kein wichtiger Grund
iSv. § 648a Abs. 1 S. 2 BGB vor. Zwar sei vom BGH bereits entscheiden worden,
dass bereits ein Eigenantrag eines Unternehmens auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens als wichtiger Grund angesehen werden könne (Urteil vom
07.04.2016 - VII ZR56/15 -), da der Gläubiger ein schwerwiegendes, die
Interessen des Schuldners überragendes Interesse daran habe, im Falle des
Eigeninsolvenzantrages frühzeitig aus dem Vertrag herauszukommen und einen
möglichen Schaden geltend machen zu können, ohne gem. § 649 S. 2 BGB gegenüber
dem Insolvenzverwalter zur Zahlung ohne Leistung verpflichtet zu sein. Ein
solcher Fall habe aber hier nicht vorgelegen, da vorliegend die Kündigung einzelne
Werklieferungsverträge betraf, die erst nach dem Insolvenzantrag und in dessen Kenntnisabgeschlossen
worden wären.
Die Insolvenzeröffnung selbst
stelle hier keinen wichtigen Grund für eine Kündigung durch die Beklagte dar.
Mit der Eröffnung hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Verwalter zur
Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO aufzufordern, was nicht erfolgte. Aber
selbst wenn er aufgefordert worden wäre und sich für die Erfüllung entschieden
hätte, wäre aus Sicht der Beklagten möglicherweis zu befürchten gewesen, dass
die geschuldeten Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht werden. Dies sei aber
ein allgemeines Risiko, welches die Kündigung nicht rechtfertigen könne.
Auch vermag sich die Beklagte nach
Auffassung des BGH nicht erfolgreich auf das Schreiben des Insolvenzverwalters vom
27.03.2013 berufen, er würde sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht
mehr an die Vereinbarung vom 01./04.03. 2013 gebunden fühlen. Das Wahlrecht
entstünde erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (hier: 01.04.2013) und
hätte vorher nicht ausgeübt werden können mit der Folge, dass der Verwalter also
an der vertraglichen Abrede vom 01./04.03.2013 gebunden war.
Für den Anspruch nach § 649 S. 2
BGB wäre eine Erfüllungswahl nicht erforderlich. Der Kläger könne zwar nur solche Ansprüche geltend machen, bei
denen er die Erfüllung gewählt habe; hier aber habe die Beklagte wirksam
gekündigt, weshalb eine Erfüllung für ihn aus Rechtsgründen nicht mehr möglich
war.
Fazit: Ein Kündigungsrecht aus
wichtigen Grund besteht, wenn nach Vertragsabschluss ein (Eigen-)
Insolvenzantrag über das Vermögen des Vertragspartners gestellt wird. Kommt es
aber zu einem Vertrag mit dem Gemeinschuldner nach dem
Insolvenzeröffnungsantrag, besteht auch bei Eröffnung der Insolvent kein
wichtiger Grund. Der Gläubiger kann nach Eröffnung allenfalls den Insolvenzverwalter
auffordern, von seinem Wahlrecht nach § 103 InsO (Wahl zwischen Erfüllung und
Nichterfüllung) Gebrauch zu machen.
BGH, Urteil vom 14.09.2017 - IX ZR 261/15 -