Der Schuldner wurde von dem Hauptzollamt wegen Tabaksteuer in Höhe von € 79.832,59 in Anspruch genommen (Bescheid vom 09.08.2010). Mit anwaltlichen Schreiben vom 11.03.2011 bat der Schuldner, auch in Ansehung von arretierten Vermögensgegenständen, um Stundung und Freigabe der arretierten Gegenstände. Dabei berief er sich darauf, dass er einen Kredit aufnehmen wollen und dabei sein Haus als Sicherheit anbiete und bis zur Kreditgewährung das Hauptzollamt seine Forderung durch eine Hypothek oder Grundschuld auf dem Grundstück absichern könne. Dem Schreiben lag ein Wertgutachten zu dem Grundstück bei, in dem der Schuldner als Eigentümer benannt wurde. Allerdings war der Schuldner nicht mehr Eigentümer dieses Grundstücks; dieses hatte er bereits im April 2010 veräußert und das Eigentum der Käuferin wurde im September 2010 gewahrt.
In dem gegen den Schuldner eröffneten Insolvenzverfahren über sein Vermögen beantragte das Hauptzollamt als Gläubigerin die Versagung der Restschuldbefreiung, da der Schuldner unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe. Das Insolvenzgericht wies den Antrag zurück. Die Beschwerde der Gläubigerin blieb erfolglos, doch wurde die (von der Gläubigerin erhobene) Rechtsbeschwerde zugelassen. Dieses hob die Beschwerdeentscheidung aus formalen Gründen auf und verwies den Rechtsstreit an das Beschwerdegericht zurück, da der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen habe, in diesem Fall aber nicht der Einzelrichter hätte entscheiden dürfen, sondern als gesetzlicher Richter die Kammer. Allerdings nahm der BGH die Gelegenheit wahr, für das weitere verfahren entscheidende Hinweise zu geben:
Nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dieser von Antrag von einem Gläubiger gestellt würde, der seine Forderung angemeldet habe und der Schuldner in den letzten drei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach dem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.
Richtig sei von der Vorinstanz das Schreiben des Schuldners dahingehend gewertet worden, dass der Schuldner eine Grundschuld/Hypothek an einem eigenen Grundstück als Sicherung angeboten habe. Auch wenn die Aussage in einem Schreiben seines anwaltlichen Bevollmächtigten gestanden habe, sei sie ihm als eigene schriftliche Erklärung zuzurechnen. § 289 Abs. 1 Nr. 2 InsO verlange keine eigenhändig vom Schuldner unterzeichnetes Schriftstück. Ausreichend sei, dass die unrichtige Angabe mit seinem Wissen und seiner Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sei (BGH, Beschluss vom 11.09.2003 - IX ZB 37/03 -); dass der Anwalt hier eigenmächtig gehandelt habe, habe der Schuldner nicht behauptet.
Es sei auch Vorsatz anzunehmen, da der Schuldner durch den Verkauf und die ihm bekannte Auflassung des Grundstücks an die Käuferin (Eigentumsübertragung im Grundbuch) wusste, dass er nicht mehr Eigentümer war und mithin über dieses nicht befinden konnte. Zudem sei die Erklärung in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages abgegeben worden. Und sie sei mit dem Ziel abgegeben worden, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen und Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.
Letzteres schlussfolgerte der BGH aus dem Wortlaut der Norm des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO und einem vom Beschwerdegericht verkannten finalen Zusammenhang:
Der Wortlaut „um ... zu“ verdeutliche das erforderliche finale Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung der Leistungsbeziehung und/oder Leistungsvermeidung. Dabei käme es nicht darauf an, ob die Zielsetzung auch verwirklicht wurde. Sanktioniert sei die Unredlichkeit des Schuldners, die sich dem zielgerichteten Handeln verwirkliche, wenn zwischen dem Handeln und den tatbestandlich vorausgesetzten Leistungen ein objektiver Zusammenhang bestünde (BGH, Beschluss vom 20.12.2007 - IX ZB 189/06 -).
Der Begriff „Kredit“ in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei weit auszulegen. Er umfasse jede Form von Darlehen, Zahlungsaufschub oder Finanzierungshilfe. Die „Leistungsvermeidung“ läge vor, wenn der Schuldner bestandkräftige Steuern nicht zahlen wolle und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen versuche abzuwehren. In diesem Zusammenhang wies der BGH darauf hin, dass häufig im Zusammenhang mit Anträgen auf Stundung von Steuerrückständen nach § 222 AO oder auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (§ 259 AO) unrichtige Angaben gemacht würden; im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung von 1992 sei die Vermeidung von Steuerzahlungen als Beispiel explizit genannt.
Auch wenn das Beschwerdegericht
das Schreiben vom 11.03.2011 dahingehend verstanden habe, es sei ihm lediglich
darum gegangen, die Steuern später zu zahlen, läge der Versagungsgrund des §
290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Zahlungsaufschub und Stundung würden eine
Leistungsverweigerung darstellen, wobei hier hinzu käme, dass der Schuldner
sichergestellte Vermögenswerte freibekommen wollte.
Ebenfalls würde nicht gegen die Anwendbarkeit der Norm sprechen, dass der Schuldner seine Angaben im Zusammenhang mit einem Vergleichsvorschlag getätigt habe. Der Schuldner hätte keinen Vergleichsvorschlag unterbreiten müssen; würde es gleichwohl tun, dürften die Angaben über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht falsch sein. Sollen durch falsche Angaben Zugeständnisse erschlichen werden, würde dies unter den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen.
Auch die Überlegung des Beschwerdegerichts, es sei nicht widerlegt, dass der Eigentümer des Grundstücks die Sicherungshypothek bewilligt hätte, trage nicht, da der Schuldner keine Sicherheit an einem fremden, sondern an einem eigenen Grundstück angeboten habe.
BGH, Beschluss vom
18.11.2021 - IX ZB 1/21 -