1. Eine Anschlussberufung
liegt vor, wenn eine Partei gegen ein der Klage teilweise stattgebendes Urteil das
Rechtmittel der Berufung zur nächsthöheren Instanz einlegt und die andere
Partei nachfolgend ebenfalls. Anschluss Berufung wird qua Definition von
demjenigen eingelegt, der das Rechtsmittel als Zweiter einlegt. Für die
Rechtsfolgen ist entscheidend, ob es sich um eine selbständige oder eine
unselbständige Anschlussberufung handelt.
Handelt es sich um eine
selbständige Anschlussberufung, so gelten für diese die üblichen Normen der ZPO
für Berufungen und zwischen dem Berufungskläger und dem Anschlussberufungskläger
besteht keinerlei Unterschied in der Behandlung der jeweiligen Berufung. Eine
selbständige Berufung liegt vor, wenn die Anschlussberufung als solche qua
Zulassung oder Streitwert zulässig ist und innerhalb der gesetzlichen
Monatsfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils durch einen an einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt wird. Um eine
unselbständige Anschlussberufung handelt es sich in dem Fall, dass die Berufung
erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt wird, eine Berufung der anderen
Partei bereits vorliegt (die allerdings für die Zulässigkeit der Anschlussberufung
auch zulässig sein muss, also rechtzeitig erhoben sein muss und ansonsten
zulässig sein müsste) oder aber zwar evtl. auch innerhalb der eigenen Berufungsfrist
eingelegt wird, aber im Hinblick auf den Streitwert und mangels Zulassung
ansonsten nicht zulässig wäre.
Die unselbständige Anschlussberufung
wird zwar wie eine normale Berufung behandelt, ist aber letztlich ist abhängig
von der Berufung (Hauptberufung) der anderen Partei. Nimmt die andere Partei
ihre Berufung (noch zulässig) zurück oder weist das Berufungsgericht die
Berufung der anderen Partei wegen offensichtlicher Unbegründetheit nach § 522
ZPO per Beschluss (nicht durch Urteil; im Falle eines Urteils wäre auch in der Sache
über die Anschlussberufung zu entscheiden) zurück, so kann auch nicht mehr über
die unselbständige Anschlussberufung entschieden werden. Ihre Zulässigkeit ist
von dem Bestand er Hauptberufung abhängig.
In diesem Zusammenhang besteht in
Literatur und Rechtsprechung Streit zu der Frage, wie mit den Kosten der
Anschlussberufung umzugehen ist. Teils wird angenommen, dass mit der Zurückweisung
nach § 522 ZPO der Hauptberufungsführer auch die Kosten der Anschlussberufung
zu tragen habe, teils wird angenommen, dass die Kosten nach dem Verhältnis von
Berufung und Anschlussberufung zu quoteln sind (auch dann, wenn die
Anschlussberufung in der Sache Erfolg haben könnte).
2. Das OLG Stuttgart hatte
die Hauptberufung im Beschlussweg nach § 522 ZPO in seinem hier besprochenen
Beschluss zurückgewiesen und dabei gleichzeitig festgestellt, dass die unselbständige
Anschlussberufung wirkungslos wurde (§ 524 Abs. 4 ZPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens
(aus dem Streitwert von Hauptberufung und Anschlussberufung) hatte es im
Verhältnis von 8% des unselbständigen Anschlussberufung hatte es
dem Kläger als Hauptberufungsführer mit 8%, dem Beklagten im Hinblick auf
dessen unselbständige Anschlussberufung mit 92% auferlegt.
Zur Begründung der
Kostenentscheidung wies das OLG darauf hin, dass § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht klärt, wer die Kosten einer
zulässigen unselbständigen Anschlussberufung zu tragen habe und dies auch
bisher höchstrichterlich Rechtsprechung (BGH) nicht geklärt sei, in der
obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten sei. Es entscheid sich zu der
Quotelung entsprechend einem jeweiligen Obsiegen zum Unterliegen und hat damit
den Anschlussberufungskläger wie eine unterlegene Partei behandelt, ohne die
mögliche Begründetheit dessen Berufung zu würdigen. Dabei hat sich das OLG mit
verschiedenen Konstelltationen, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung
gebildet wurden. auseinandergesetzt:
Kostenteilung wegen Missbrauchsgefahr
(so OLG Köln, Beschluss vom 23.07.2009 - 4 UF 80/09 - und OLG Stuttgart,
Beschluss vom 23.03.2009 – 12 U 220/08 -): Dabei würde zugrunde gelegt, der
Anschlussberufungskläger könne das Rechtsmittel nur einlegen, um die Kosten für
den Berufungskläger in die Höhe zu treiben. Das könne zwar angenommen werden,
wenn die Anschlussberufung erst nach einem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO
erfolge (Hinweis darauf, dass beabsichtigt sei, die Berufung zurückzuweisen)
oder z.B. offensichtlich sei, dass die Berufung unzulässig oder unbegründet
ist. Dies sie aber nicht der Regelfall und könne hier nicht angenommen werden.
Kostenteilung wegen Abwartens bis
zu einer Terminierung (z.B. OLG München, Beschluss vom 11.04.2014 – 23 U
4499/13 -). Da aber die Anschlussberufung (mit Ausnahme des Falles in § 524
Abs. 2 S. 3 ZPO) eine Anschließung nur bis zum Ablauf der (Anm.: diesbezüglich
nicht verlängerbaren) Berufungserwiderungsfrist erfolgen könne, sei dies auch
kein Argument für eine Kostenteilung, da in der Regel bis zu diesem Zeitpunkt
keine Terminierung erfolge.
Gegen eine Kostenteilung spreche
nicht, dass damit die Rücknahme der Berufung nach einem Hinweis nach § 522 ZPO
mit der Zurückweisung nach § 522 ZPO gleichgestellt werden müssten. Diese Fälle
lägen nicht gleich. Bei der Zurücknahme ohne gerichtliche Entscheidung durch
eine im Belieben des Berufungsklägers liegende Entscheidung erfolge, nicht
durch eine gerichtliche Maßnahme (Beschluss). Zwar könne nicht maßgeblich für
eine Kostenteilung bei Zurückweisung sprechen, dass die Rücknahme noch im
Belieben des Hauptberufungsführers stünde was zwar der Fall sei. Allerdings
müsse für die Zurücknahme nicht zwingend sprechen, dass er sich von der
Argumentation des Gerichts überzeugen ließ, da auch anderweitige Erwägungen (so,
dass er zur Einsparung von Kosten darauf verzichte, des Gericht durch Argumentation
von seiner Sicht zu überzeugen) möglich seien. Nutze der Hauptberufungsführer sein
Recht zum rechtlichen Gehör und versuche er, das Gericht von einer
Zurückweisung nach § 522 ZPO abzubringen, könne ihm dies alleine nicht zum
Nachteil gereichen, weshalb es an einer Grundlage fehle, ihm auch die Kosten
der Anschlussberufung aufzuerlegen.
Folgende Gründe benannte das OLG
zur Rechtefertigung seiner Kostenentscheidung:
Das Grundprinzip sei, dass
derjenige, der mit seinem Angriff erfolglos bliebe, die Kosten dieses Angriffs
zu tragen habe, gleich aus welchem Grund er damit erfolglos geblieben sei (so
z.B. OLG München, Beschluss vom 23.07.2009 - 23 U 4499/13 -; zu
Anschlussrevision BGH, Beschluss vom 11.03.1981 - GSZ 1/80 -). Zwar sei die unselbständige
Anschlussberufung kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb
der Berufung des Gegners, weshalb § 97 ZPO (Kosten des Rechtsmittels) nicht in
Betracht käme. Der Grundsatz gelte insoweit, als nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
derjenige die Kosten trage, der unterliege. Dies setze sich in § 92 Abs. 1 S. 1
ZPO fort, wonach bei teilweisen Obsiegen und Unterliegen die Kosten im
Verhältnis aufzuteilen seien. Auch hebe der Kläger bei einer Klagerücknahme
gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO regelmäßig die Kosten zu tragen ebenso der Berufungsführer
bei einer Berufungsrücknahme . Auch im Rahmen des § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO
(Hauptsacheerledigung) seien im Rahmen einer Ermessenentscheidung die
jeweiligen Erfolgsaussichten bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Nach
§ 96 ZPO könnten auch dem obsiegenden Kläger Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen
Angriffs- oder Verteidigungsmittels auferlegt werden. Es könne also nicht
formal darauf abgestellt werden, dass die unselbständige Anschlussberufung kein
eigenständiges Rechtsmittel sei. Sie diene nicht nur zur Durchsetzung oder
Abwehr eines Anspruchs, sondern mit ihr erstrebe die Partei mit Sachanträgen
eine Abänderung der Entscheidung zu ihren Gunsten. Auch wenn die
Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 4 ZPO kein Unterliegen
iSv. § 92 ZPO sei, führe dies zur Erfolglosigkeit der Anschlussberufung.
Derjenige, der eine
unselbständige Anschlussberufung einlege, hätte durch rechtzeitige eigene
Berufungseinlegung sicherstellen können, dass sein Rechtsmittel nicht von
demjenigen des Gegners abhängig ist. Weiterhin hätte er die unselbständige
Anschlussberufung unter einer zulässigen auflösenden Bedingung erheben können
(OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.07.2012 – 5 U 126/11 -; Anmerkung: Es ist strittig,
ob eine Anschlussberufung unter einer Bedingung prozessual zulässig ist).
Derjenige, der eine unselbständige
Anschlussberufung einlege, wisse zudem, dass sein Rechtsmittel davon abhängig
ist, dass die Berufung des Gegners nicht durch Beschluss zurückgewiesen wird. Dies
zwinge zwar nicht zur Kostenteilung, zeige aber auf, dass der Anschlussberufungsführer
mit den Kosten nicht unbillig belastet würde. Er wisse, dass sein Risiko darin
bestünde, auch ohne jegliche Sachprüfung mit diesem Rechtsmittel keinen Erfolg
haben zu können.
Die Kostenquotelung sei nach dem jeweiligen
Wert ermittelten Quote der Berufungsanträge zu bemessen.
OLG Stuttgart, Beschluss
vom 18.06.2021 - 23 U 728/21 -