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Sonntag, 24. April 2022

Folgen der Versicherungsfallanzeige gegenüber Versicherungsmakler statt Versicherer

Der Kläger hatte eine Jagdhundeunfallversicherung bei der Beklagten im Hinblick auf mögliche Verletzungen von beteiligten Jagdhunden bei einer Jagd am 18.11. 2020 zu einem bestimmten Datum unter der Internetpräsenz der D.F., bei der es sich um eine Versicherungsmaklerin handelte, abgeschlossen, die ihm auch den Versicherungsschein und die Prämienrechnung hatte zukommen lassen. Seiner Behauptung nach verletzte sich einer der teilnehmenden Hunde bei einer Auseinandersetzung mit einem Wildschwein. Er machte geltend, er habe dies am 19.11.2020 der D.F. gemeldet, der er die Tierarztrechnungen zum Zwecke der Erstattung habe zukommen lassen. Letztmals habe er die Zahlung am 06.04.2021 dieser gegenüber angemahnt. Die Beklagte als Versicherer zahlte vorgerichtlich einen Teilbetrag und lehnte weitere Zahlungen ab. Sie machte schließlich im streitigen Verfahren u.a. geltend, der Kläger sei seiner Obliegenheit zur ünverzüglichen Schadensanzeige nicht nachgekommen; die D.F. habe eine Schadensmeldung des Klägers vom 05.12.2020 erst am 24.03.2021 an sie weitergeleitet. Vom Kläger wurde geltend gemacht, die D.F., sei ihm gegenüber als Vertragspartner aufgetreten und dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

Die Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Dieses folgte der Ansicht des beklagten Versicherers, dass er eine Obliegenheit dieser gegenüber verletzt habe und von daher keine weiteren Zahlungen beanspruchen könne.

Grundlage war § 11 Ziffer 2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen AVB/LV. In diesen wird für den Fall einer Obliegenheitspflichtverletzung des Versicherungsnehmers geregelt, dass bei vorsätzlicher Verletzung der Versicherungsschutz insgesamt entfalle. Bei grob fahrlässiger Verletzung sei der Versicherer berechtigt, „seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen“.  In § 9 Ziffer 1 AVB/TL heißt es, dass der Versicherungsnehmer „erheblicher Krankheit oder erheblichem Unfall eines versicherten Tieres unverzüglich tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig dem Versicherer Anzeige zu erstatten“ habe.

Das Amtsgericht ging von einer grob fahrlässigen Unterlassung dieser Anzeigeverpflichtung des Versicherungsnehmers aus. Zwar habe er einen Tag nach dem Unfall der D.F. gegenüber die Schadensmeldung gemacht. Wenn aber die D.F. als Versicherungsmaklerin diese nicht weitergeleitet habe, so hafte diese ihm gegenüber für einen ihn daraus treffenden Schaden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2018 - I-4 U 47/14 -). Da die Schadensmeldung erst ca. vier Monate zuging sei dies ihr gegenüber nicht mehr unverzüglich.

Die Beklagte als Versicherer müsse sich auch die gegenüber der D.F. abgegebene Schadensmeldung nicht zurechnen lassen. Eine Zurechnung käme nur für das Wissen ihrer Organe und Vertreter in Betracht (§ 166 Abs. 2 BGB). Ein Versicherungsmakler verfüge aber nicht wie ein Versicherungsvertreter über die für die Zurechnung erforderliche Vertretungsmacht; er stünde im Lager des Versicherungsnehmers und nicht des Versicherers. Versicherungsmakler sei nach § 59 Abs. 3 VVG derjenige, der gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernehme, ohne von einem Versicherer oder Versicherungsvertreter damit betraut worden zu sein.

Anders ergäbe sich hier auch nicht aus einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht.

Bei einer Duldungsvollmacht müsse es der vertretene wissentlich geschehen lassen, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftrete und der Geschäftsgegner dies so verstehen hätte dürfe, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt sei. Die Beweislast für das Vorliegen solcher Umstände träfe denjenigen, der sich darauf berufe (hier den Kläger). Nähere Darlegungen und Beweisangebote seien vom Kläger nicht erfolgt. Zwar habe die Internetpräsens der D.F. und die Übersendung der Unterlagen durch die D.F. den Anschein erwecken können, als sei diese sein Vertragspartner. Allerdings ließe sich aus den Vertragsunterlagen entnehmen, dass nicht die D.F., sondern die Beklagte als Versicherer Risikoträger sei, was dem Kläger bei Lesen des Versicherungsscheins hätte auffallen müssen.  

Eine Anscheinsvollmacht scheide hier auch aus, da dies zur Voraussetzung hätte, dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt und bei ordnungsgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der Geschäftspartner andererseits hätte annehmen dürfen, der Vertretene dulde und billige das Verhalten. Aber auch dazu würde es an Darlegungen und Beweisangeboten des Klägers ermangeln.

AG Bautzen, Urteil vom 29.03.2022 - 20 C 415/21 -

Donnerstag, 13. Januar 2022

Unrichtige Angaben zu wirtschaftlichen Verhältnissen und Versagung der Restschuldbefreiung (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO)

Der Schuldner wurde von dem Hauptzollamt wegen Tabaksteuer in Höhe von € 79.832,59 in Anspruch genommen (Bescheid vom 09.08.2010). Mit anwaltlichen Schreiben vom 11.03.2011 bat der Schuldner, auch in Ansehung von arretierten Vermögensgegenständen, um Stundung und Freigabe der arretierten Gegenstände.  Dabei berief er sich darauf, dass er einen Kredit aufnehmen wollen und dabei sein Haus als Sicherheit anbiete und bis zur Kreditgewährung das Hauptzollamt seine Forderung durch eine Hypothek oder Grundschuld auf dem Grundstück absichern könne. Dem Schreiben lag ein Wertgutachten zu dem Grundstück bei, in dem der Schuldner als Eigentümer benannt wurde. Allerdings war der Schuldner nicht mehr Eigentümer dieses Grundstücks; dieses hatte er bereits im April 2010 veräußert und das Eigentum der Käuferin wurde im September 2010 gewahrt.

In dem gegen den Schuldner eröffneten Insolvenzverfahren über sein Vermögen beantragte das Hauptzollamt als Gläubigerin die Versagung der Restschuldbefreiung, da der Schuldner unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe. Das Insolvenzgericht wies den Antrag zurück. Die Beschwerde der Gläubigerin blieb erfolglos, doch wurde die (von der Gläubigerin erhobene) Rechtsbeschwerde zugelassen. Dieses hob die Beschwerdeentscheidung aus formalen Gründen auf und verwies den Rechtsstreit an das Beschwerdegericht zurück, da der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen habe, in diesem Fall aber nicht der Einzelrichter hätte entscheiden dürfen, sondern als gesetzlicher Richter die Kammer. Allerdings nahm der BGH die Gelegenheit wahr, für das weitere verfahren entscheidende Hinweise zu geben:

Nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dieser von Antrag von einem Gläubiger gestellt würde, der seine Forderung angemeldet habe und der Schuldner in den letzten drei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach dem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.

Richtig sei von der Vorinstanz das Schreiben des Schuldners dahingehend gewertet worden, dass der Schuldner eine Grundschuld/Hypothek an einem eigenen Grundstück als Sicherung angeboten habe. Auch wenn die Aussage in einem Schreiben seines anwaltlichen Bevollmächtigten gestanden habe, sei sie ihm als eigene schriftliche Erklärung zuzurechnen. § 289 Abs. 1 Nr. 2 InsO verlange keine eigenhändig vom Schuldner unterzeichnetes Schriftstück. Ausreichend sei, dass die unrichtige Angabe mit seinem Wissen und seiner Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sei (BGH, Beschluss vom 11.09.2003 - IX ZB 37/03 -); dass der Anwalt hier eigenmächtig gehandelt habe, habe der Schuldner nicht behauptet.

Es sei auch Vorsatz anzunehmen, da der Schuldner durch den Verkauf und die ihm bekannte Auflassung des Grundstücks an die Käuferin (Eigentumsübertragung im Grundbuch) wusste, dass er nicht mehr Eigentümer war und mithin über dieses nicht befinden konnte. Zudem sei die Erklärung in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages abgegeben worden. Und sie sei mit dem Ziel abgegeben worden, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen und Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.

Letzteres schlussfolgerte der BGH aus dem Wortlaut der Norm des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO und  einem vom Beschwerdegericht verkannten finalen Zusammenhang:

Der Wortlaut „um ... zu“ verdeutliche das erforderliche finale Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung der Leistungsbeziehung und/oder Leistungsvermeidung. Dabei käme es nicht darauf an, ob die Zielsetzung auch verwirklicht wurde. Sanktioniert sei die Unredlichkeit des Schuldners, die sich dem zielgerichteten Handeln verwirkliche, wenn zwischen dem Handeln und den tatbestandlich vorausgesetzten Leistungen ein objektiver Zusammenhang bestünde (BGH, Beschluss vom 20.12.2007 - IX ZB 189/06 -).

Der Begriff „Kredit“ in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei weit auszulegen. Er umfasse jede Form von Darlehen, Zahlungsaufschub oder Finanzierungshilfe. Die „Leistungsvermeidung“ läge vor, wenn der Schuldner bestandkräftige Steuern nicht zahlen wolle und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen versuche abzuwehren. In diesem Zusammenhang wies der BGH darauf hin, dass häufig im Zusammenhang mit Anträgen auf Stundung von Steuerrückständen nach § 222 AO oder auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (§ 259 AO) unrichtige Angaben gemacht würden; im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung von 1992 sei die Vermeidung von Steuerzahlungen als Beispiel explizit genannt.  

Auch wenn das Beschwerdegericht das Schreiben vom 11.03.2011 dahingehend verstanden habe, es sei ihm lediglich darum gegangen, die Steuern später zu zahlen, läge der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Zahlungsaufschub und Stundung würden eine Leistungsverweigerung darstellen, wobei hier hinzu käme, dass der Schuldner sichergestellte Vermögenswerte freibekommen wollte.

 

Ebenfalls würde nicht gegen die Anwendbarkeit der Norm sprechen, dass der Schuldner seine Angaben im Zusammenhang mit einem Vergleichsvorschlag getätigt habe. Der Schuldner hätte keinen Vergleichsvorschlag unterbreiten müssen; würde es gleichwohl tun, dürften die Angaben über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht falsch sein. Sollen durch falsche Angaben Zugeständnisse erschlichen werden, würde dies unter den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen.

Auch die Überlegung des Beschwerdegerichts, es sei nicht widerlegt, dass der Eigentümer des Grundstücks die Sicherungshypothek bewilligt hätte, trage nicht, da der Schuldner keine Sicherheit an einem fremden, sondern an einem eigenen Grundstück angeboten habe.

BGH, Beschluss vom 18.11.2021 - IX ZB 1/21 -