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Mittwoch, 3. Juli 2024

Sitzverlegung einer GmbH ins Ausland

Die Gesellschafter hatten den Beschluss gefasst, den Sitz der GmbH von B. in Brandenburg nach M. in Belarus (Weißrussland) zu verlegen. Diese Sitzverlegung meldete die Antragstellerin zum Handelsregister an, welches die Eintragung zurückwies. Das OLG Brandenburg wies die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurück.

Das OLG verwies auf § 4a GmbHG, in dem explizit bestimmt ist, dass der Ort im Inland Sitz der Gesellschaft ist, der in der Satzung bestimmt ist. Damit sei eine Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland ausgeschlossen. Der Ausschluss führe dazu, dass er auch im Handelsregister nicht gewahrt werden könne.

Anmerkung: Zu unterscheiden sind der Satzungssitz und der Verwaltungssitz. Nur der Satzungssitz wird von § 4a GmbHG umfasst, nicht der Sitz der Verwaltung. D.h., dass die GmbH ihre Verwaltung (also ihre Geschäftsleitung) ohne weiteres ins Ausland verlegen könnte. Der Verwaltungssitz wird nicht im Handelsregister eingetragen.

Eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland sollte schon in Ansehung steuerlicher Konsequenzen zuvor geprüft werden.

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.03.2024 - 7 W 10/24 -

Montag, 26. September 2022

Insolvenzantrag beim örtlich unzuständigen Gericht und Sitzverlegung in EU-Mitgliedstaat

Eine Gläubigerin beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin bei dem AG Cottbus. Dort ging der Antrag am 28.10.2018 ein. Mit Beschluss vom 12.06.2019 verwies das AG Cottbus die Sache an das örtlich zuständige AG Charlottenburg. Von der Schuldnerin wurde die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestritten. Sie hatte zum Zeitpunkt des Eingangs des Insolvenzantrages bei dem AG Cottbus hatte sie nach Handelsregistereintrag ihren Sitz im dortigen Amtsgerichtsbezirk. Dort war sie allerdings nie tätig, sondern hatte in 2017 ihr Gewerbe in Berlin angemeldet. Am 24.04.2019 übertrug der geschäftsführende Alleingesellschafter seine Anteile an der Schuldnerin auf eine in Polen ansässige Person, der Sitz der Gesellschaft wurde zeitgleich nach Berlin verlegt und eine in Polen ansässige Person zur Geschäftsführerin bestellt. Diese teilte dem Insolvenzgericht (AG Charlottenburg) mit Datum vom 25.07.2019 mit, sie führe die Geschäfte der Schuldnerin ausschließlich von Polen aus.

Mit Beschluss vom 08.07.2019 wies das AG - Insolvenzgericht - Charlottenburg den Eröffnungsantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Die dagegen von der Schuldnerin eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen, ebenso die gegen die Zurückweisung zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH, mit der die Schuldnerin die Zurückweisung des Eröffnungsantrages als unzulässig begehrte.

Der BGH verwies darauf, dass sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichts nach Art. 3 der Verordnung (EU) 2015/848 vom 20.05.2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) richte. Danach seien die Gerichte des Mitgliedsstaates der EU für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen habe. Entscheidend sei danach der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor einer Entscheidung über den Antrag über die Eröffnung des Insolvenzantrages diesen Mittelpunkt in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlege (EuGH, Urteile vom 17.01.2006 - C-1/04 - und vom 24.03.2022 - C-723/20 -).

Der Mittelpunkt habe sich hier zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrages bei dem AG Cottbus in Deutschland, nämlich Berlin, befunden. Erst durch die Transaktion der Anteile an der Schuldnerin, und Änderung der Geschäftsführung habe die Schuldnerin, deren satzungsmäßiger Sitz weiterhin in Deutschland lag, die Geschäfte von Polen aus fortgeführt.

Es käme nicht darauf an, dass der Antrag bei dem örtlich unzuständigen Gericht AG Cottbus und nicht bei dem zuständigen Amtsgericht in Berlin gestellt worden sei. Ein Insolvenzantrag würde nach dem (insoweit maßgeblichen) deutschem Recht mit dem Eingang bei dem zuerst angerufenen Gericht anhängig. Mit der Verweisung durch das örtlich unzuständige an das örtlich zuständige Gericht würde kein neues Eröffnungsverfahren begründet, sondern das Verfahren bei dem dann örtlich zuständigen Gericht lediglich fortgesetzt.

Der vorliegende europäische Bezug würde daran nichts ändern, da die EuInsVO nur die internationale Zuständigkeit regele (§ 26 EuInsVO), nicht aber die sachliche und örtliche Zuständigkeit im Mitgliedstaat.  Dies entspräche auch Sinn und Zweck der EuInsVO über Insolvenzverfahren, deren Ziel die Verhinderung der Verlagerung von Vermögensgegenständen oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verhindern, um so eine verbesserte Rechtslage zu erhalten. Damit würde die nach den Erwägungsgründen drei und acht der EuInsVO gewollte Effizienz und Wirksamkeit grenzüberschreitender Verfahren beeinträchtigt, da der Gläubiger gezwungen wäre, gegen den Schuldner immer wieder dort vorzugehen, wo dieser sich gerade für kürzere oder längere Zeit niederlasse, was zu einer Verlängerung des Verfahrens führen könnte (EuGH, Urteil vom 24.03.2022 - C-723/20 -). Selbst wenn der Eröffnungsantrag in einem Mitgliedstaat bei dem örtlich unzuständigen Gericht erhoben würde, soll dem Schuldner nicht die Möglichkeit zu einem Wechsel der internationalen Zuständigkeit gegeben werden.

Anmerkung: Die hier vorliegende Problematik hat ihren Hintergrund in dem Umstand, dass der satzungsmäßige Sitz nicht identisch mit dem Sitz der Verwaltung sein muss. Innerhalb der EU kann daher eine Gesellschaft zwar ihren Sitz z.B. in Berlin haben, ihren Verwaltungssitz aber in Frankreich oder Polen. Der Verwaltungssitz ist der o.g. Mittelpunkt, weshalb sich die Zuständigkeit auch für Insolvenzverfahren danach orientiert. Diesen Umstand wollte sich hier offensichtlich die Schuldnerin nutzbar machen, indem sie den Verwaltungssitz nach Polen verlagerte, um so die internationale Zuständigkeit der deutschen Insolvenzgerichte auszuschließen, da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahren als auch, wie geschehen, durch die Versagung der Eröffnung mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse die Gesellschaft nicht mehr werbend tätig werden kann.

BGH, Beschluss vom 07.07.2022 - IX ZB 14/21 -

Dienstag, 22. März 2022

Britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland und Folgen des Brexit

Die Klägerin war eine Kapitalgesellschaft in Form der Rechtsform einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland (in der Wohnung des alleinigen Anteilseigners und „manager director“. Mit Körperschaftssteuerbescheid für 2018 setze das beklagte Finanzamt (FA) eine verdeckte Gewinnausschüttung an erhöhte so das Einkommen der Gesellschaft. Der Einspruch und die Klage dagegen wurden abgewiesen. Die Klägerin wandte sich gegen die Nichtzulassung der Revision. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem BFH wies das FA darauf hin, dass die Klägerin als britische Limited mittlerweile als Drittstaatengesellschaft zu qualifizieren sei.

Der BFH bestätigte die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin im Beschwerdeverfahren.

Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland (UK) aus der Europäischen Union („Brexit“) habe sich der zivilrechtliche Status einer nach dem Recht des UK gegründeten Kapitalgesellschaft in Form der Limited geändert. Als Gesellschaft eines Drittstaates mit inländischen Verwaltungssitz könne sie sich nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union berufen, weshalb die sogen. Sitztheorie für die Bestimmung der Rechtsfähigkeit greife (BGH, Urteil vom 27.10.2008 - II ZR 158/06 -). Dies führe zum Verlust der Rechtsfähigkeit (BGH aaO.).  

Anmerkung: In einem Verfahren vor dem Kartellsenat des OLG München (Urteil vom 05.08.2021 -29 U 2411/21 Kart -) und die Rechts- und damit Parteifähigkeit der Limited nach § 50 Abs. 1 ZPO als Prozessvoraussetzung negiert. In den Leitsätzen der Entscheidung dazu heißt es:

„1. Seit dem Vollzug des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union gemäß Art. 50 EUV durch Ablauf der Übergangsfrist am 31. Dezember 2020 ist eine britische Limited, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland hat, nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder - bei nur einer Gesellschafterin - als einzelkaufmännisches Unternehmen zu behandeln.

2. Eine Fortgeltung der Gründungstheorie mit der Konsequenz der fortbestehenden Rechts- und Parteifähigkeit einer britischen Limited trotz tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland wie unter der Geltung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV folgt nicht aus dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich vom 24. Dezember 2020 (ABl. L 444/2020 vom 31. Dezember 2020), weil es keine Vorschriften enthält, die ausdrücklich und unmittelbar die Niederlassungsfreiheit gewähren, sondern sich aus seinem Anhang SERVIN-1 Nr. 10 vielmehr ergibt, dass die Parteien des Abkommens die Niederlassungsfreiheit gerade nicht in Bezug nehmen oder vereinbaren wollten.“

Für die Beteiligungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des UK mit Verwaltungssitz in Deutschland sah dies der BFH etwas differenzierter. Zwar läge ein Verlust der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit der Gesellschaft vor, doch ließe dies ihre Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt iSv. §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 KStG unberührt, was auch von § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairen Steuerwettbewerb (StAbwG) in allen offenen Fällen nach § 34 Abs. 3c KStG für ertragssteuerliche Zwecke nachmals klargestellt sei. Für die körperschaftsteuerliche Behandlung einer ausländischen Gesellschaft käme es nicht auf die Rechtsfähigkeit derselben an, sondern auf den Typenvergleich. Aus diesem Vergleich folge aber, dass die britische Limited als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln sei.

Aus dieser Behandlung sei verfahrensrechtlich auch deren Fähigkeit, Beteiligte in einem finanzgerichtlichen Verfahren zu sein, zu bejahen. Im finanzgerichtlichen Verfahren richte sich die Beteiligtenfähigkeit nicht nach der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit, sondern nach der Steuerrechtsfähigkeit. Es entspräche der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass - selbst bei zivilrechtlicher Vollbeendigung einer Gesellschaft - die Beteiligtenfähigkeit bis zur Abwicklung der steuerrechtlichen Rechtsbeziehung andauere, weshalb hier die Klägerin als britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland auch die Beschwerde hätte einlegen können.

In der Sache wurde allerdings die Beschwerde als unzulässig verworfen. Die rechtsgrundsätzliche Bedeutung sei nicht in einer den Anforderungen des § 117 Abs. 3 S. 3 FGO genügenden Weise dargelegt worden.

BFH, Beschluss vom 13.10.2021 - 1 B 31/21 -

Donnerstag, 6. Januar 2022

Allgemeiner Gerichtsstand einer Gesellschaft im Ort mit mehreren Amtsgerichtsbezirken

Die Gläubigerin wollte auf der Grundlage eines Vollstreckungsbescheides gegen die GmbH einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirken. Diesen Antrag stellte sie bei dem AG Gießen. Die Schuldnerin (GmbH) war mit einer Anschrift in Hungen benannt (dem Verwaltungssitz). Das AG Gießen hat nach Anhörung der Gläubigerin den Antrag an das AG Berlin-Charlottenburg verwiesen, da dort der statuarische Sitz (Sitz der Gesellschaft gemäß Gesellschaftsvertrag, gewahrt im Handelsregister) der GmbH (wenn auch ohne Anschrift in Berlin) war. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg negierte seine Zuständigkeit auch, weshalb letztlich der Vorgang dem OLG Frankfurt am Main zur Gerichtstandsbestimmung vorgelegt wurde, § 36 Abs. 2 ZPO. Dieses bestimmte das AG Berlin-Charlottenburg als zuständiges Gericht.

Da sich beide Amtsgerichte für örtlich unzuständig hielten lagen die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor und war das OLG Frankfurt nach § 36 Abs. 2 dafür zuständig, da das zunächst zuständige höhere gemeinschaftliche Gericht für das AG Gießen und das AG Berlin-Charlottenburg der BGH wäre und in diesem Fall das OLG des Gerichtsbezirks zur Zuständigkeitsbestimmung zuständig ist, in dessen Bezirk das Amtsgericht (Gericht) liegt, welches zuerst mit der Sache befasst war (hier: AG Gießen).

Eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des AG Gießen nach § 281 ZPO sei nicht eingetreten. Die Bindungswirkung träte nicht lediglich in dem Fall der Willkür (die hier nicht vorlag) nicht ein, sondern auch dann nicht, wenn die Verweisung auf Antrag (wie hier) erfolge, § 828 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person (hier GmbH) bestimmt sich nach deren Sitz (§ 17 ZPO). Der Sitz einer Gesellschaft muss nicht mit dem Verwaltungssitz übereinstimmen. Das OLG verweist darauf, dass der Sitz nach § 4a GmbHG der Ort im Inland sei, den der Gesellschaftsvertrag bestimme, unabhängig vom Verwaltungssitz (RGZ 59, 106, 107f). Das bedeute, dass der Sitz nicht im örtlichen Zusammenhang mit einer betrieblichen Einrichtung stehen müsse. Selbst wenn die Betriebsstätte und die Verwaltung der Gesellschaft an einem anderen Ort sind, könne ein fiktiver Satzungssitz im Inland gewählt werden. [Anm.: Dies Trennung von Verwaltungssitz und statuarischen Sitz kommt häufig vor, wenn eine Gesellschaft ihre Verwaltung und Betriebsstätte aus einem Ort in einen anderen verlegt, ohne aber den in der Satzung benannten Sitz zu ändern.]

Vorliegend war als statuarischer Sitz (Sitz gemäß Gesellschaftsvertrag und damit Eintragung im Handelsregister) Berlin. Da es in Berlin verschiedene Amtsgerichtsbezirke gibt (wie z.B. auch in Duisburg), musste sich das OLG damit mit der Frage auseinandersetzen, welches Amtsgericht zuständig sein soll, da die Ermittlung eines bestimmten Amtsgerichts durch Benennung einer Anschrift in Berlin nicht möglich war. Das OLG verweist darauf, dass in der Literatur darauf verwiesen würde, dass ein bei Existenz mehrerer Amtsgerichtsbezirke ein zentrales Registergericht eingerichtet sei, ohne dass allerdings auf die Frage der notwendigen genauen Bestimmung eingegangen würde, mit der der Sitz als Anknüpfungspunkt  gerichtlicher Zuständigkeit hinreichend festgelegt werden könne. 

Vorliegend sei die Schuldnerin im beim AG Berlin-Charlottenburg geführten Handelsregister mit Sitz in Berlin eingetragen. § 7 GmbHG fordert, dass die Gesellschaft bei dem Gericht zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sei, in dessen Bezirk sie ihren Sitz habe. Da aber das AG Berlin-Charlottenburg das zentrale Registergericht für Berlin sei., könne aus der Eintragung nicht gefolgert werden, dass aus der dortigen Eintragung sich ein Sitz in Berlin-Charlottenburg ergäbe. Ein zentrales Gericht für Vollstreckungsmaßnahmen sei in Berlin nicht eingerichtet. Das AG Berlin-Mitte sei zwar nach dem Orts- und Gerichtsverzeichnis als zentrales Vollstreckungsgericht eingerichtet, allerdings lediglich zuständig für die zentrale Verwaltung der Schuldner- und Vermögensverzeichnisse; die Zuständigkeit für Vollstreckungsmaßnahmen (wie hier den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses) bliebe davon aber unberührt.

Das AG Charlottenburg habe darauf verwiesen, dass sich der satzungsmäßige Sitz der Gesellschaft in Berlin nicht näher bestimmen ließe. Allerdings würde dies entgegen der Auffassung des (für Berlin als Oberlandesgericht zuständigen) Kammergerichts (Beschluss vom 11.10.2007 - 2 AR 41/07 -) nicht bedeuten, dass deshalb auf einen außerhalb Berlins liegenden Verwaltungsort abzustellen sei (hier Hungen mit der daraus sich ergebenden Zuständigkeit des AG Gießen). Dagegen spreche schon der Umstand, dass sich der allgemeine Gerichtsstand der GmbH bei Zuständigkeit des Landgerichts Berlin nach dem Sitz, bei Zuständigkeit des Amtsgerichts außerhalb Berlin ergeben würde, mithin eine Aufspaltung je nachdem ergäbe, ob nun das Amtsgericht zur Entscheidung berufen ist oder das Landgericht.

Damit würde in den Fällen, in denen der Sitz in der Gemeinde unbestimmt ist, da es mehrere Gerichtsbezirke und nur ein zentrales Handelsregister gäbe, sich der Sitz auf das Gebiet der politischen Gemeinde (Anm.: resp. das Gebiet des Registergerichts) erstrecke, der Sitz in allen erfassten Amtsgerichtsbezirken befände. Dies habe zur Folge, dass die Gläubigerin (Anm.: bei Klagen die Klägerin/der Kläger) das zuständige Gericht gemäß § 35 ZPO unter den damit in Betracht kommenden Gerichten in den erfassten Gerichtsbezirken des Sitzes auswählen könne. Die damit in Betracht kommenden Gerichte wären dann nur in Bezug auf andere Amtsgerichte gem. § 802 ZPO ausschließlich zuständig. Zutreffend verweist das OLG darauf, dass dies der Situation bei Annahme eines Doppelsitzes einer Gesellschaft entspräche.

In einem Beschluss vom 04.04.2019 – 11 SV 12/19 – habe der Senat noch zur Konkretisierung auf eine frühere Geschäftsdresse der Schuldnerin in diesem Ort mit mehreren in Betracht kommenden Amtsgerichten abgestellt. Daran würde ausdrücklich nicht mehr festgehalten. Es sei bei dieser Entscheidung nicht berücksichtigt worden, dass die Sitzbestimmung als notwendiger Satzungsbestandteil von der Geschäftsadresse (hier der Verwaltungssitz) abzugrenzen sei, die mit dem Sitz nicht übereinstimmen müsse. Nicht zu entscheiden sei der Fall (und offen bleibt daher), ob bei einer noch bestehenden Geschäftsadresse in der als Sitz bestimmten Gemeinde nach § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO („gilt“) konkretisiert werden könne, da sie ohne Widerspruch zur Satzung bestimme, was sich aus dieser an näherer Bestimmung nicht ergebe.

Von einer Vorlage an den BGH sah das OLG ab, § 36 Abs. 3 ZPO. Zur Begründung führte das OLG aus, die von der eigenen Auffassung abweichende Ansicht des Kammergerichts sei für die dortige Entscheidung nicht tragend gewesen, da dorr (anders als hier) ein bindender Verweisungsbeschluss vorgelegen habe und damit die Verweisung des zuerst angerufene Amtsgericht Gültigkeit hatte.

Anmerkung: Der Entscheidung des OLG Frankfurt ist zuzustimmen. Würde man sich der als obiter dictum zu bewertenden Annahme des Kammergerichts anschließen, hätte dies zur Konsequenz, dass die Zuständigkeit des örtlichen Gerichts im Hinblick auf den Sitz einer Gesellschaft von dem Streitwert abhängig wäre. Bei einem Streitwert von bis zu € 5.000,00 müsste am Verwaltungssitz, bei einem Streitwert ab € 5.000,00 bei dem Gericht des Sitzes geklagt werden. Das Auseinanderklaffen der Gerichtsstände nach dem Streitwert wäre aber prozessual nicht zu vertreten.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.04.2021 - 11 SV 16/21 -