Sonntag, 13. April 2025

Beschränkte persönliche Dienstbarkeit „Wohnen und/oder Büro“

Im Grundbuch war für den Berechtigten eine „beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnnutzung gemäß § 1093 BGB“ für die Berechtigte mit dem Zusatz eingetragen, dass das Recht auch zur Benutzung als Büro unter „Ausschluss des Eigentümers berechtige.“ Die Eigentümerin regte die Löschung von Amts wegen an, da die Nutzung des Gebäudes oder eines Teils von diesen zu Bürozwecken nur ein untergeordneter Nebenzweck des Wohnungsrechts sein solle wofür sich aus der Eintragungsbewilligung keine Anhaltspunkte ergeben würden, weshalb der Berechtigte das Grundstück auch ausschließlich zu Bürozwecken nutzen könne. Ein solches Recht könne nur als gewöhnliche beschränkte Dienstbarkeit eingetragen werden, weshalb die erfolgte Eintragung unzulässig gewesen sei.

Geltend gemacht wurde damit der Umstand, dass nach § 1093 lediglich ein persönliches Wohnungsrecht für den berechtigten eingetragen werden kann, nach § 1090 BGB auch andere Rechte für den Berechtigten eingetragen werden können. Da explizit auf § 1093BGB abgestellt sei, sei mithin eine Büronutzung (als Hauptzweck) ausgeschlossen, da dies einer Eintragung nach § 1090 BGB bedurft hätte.

Das Grundbuchamt hat die Anregung zur Löschung nach § 53 GBO zurückgewiesen, Hiergegen legte die Eigentümerin direkt bei dem OLG Beschwerde ein, welches die Beschwerde als unbegründet zurückwies. 

Die Eintragung als beschränkte persönliche Dienstbarkeit sei keine unzulässige Eintragung iS. § 53 Abs. 1 S. 2 GBO. Eine inhaltliche Unzulässigkeit läge nur vor, wenn ein Recht mit dem Inhalt oder der Ausgestaltung, wie eingetragen, aus Rechtsgründen nicht bestehen könne (BGH, Beschluss vom 06.11.2014 - V ZB 131/13 -). Wobei sich die Unzulässigkeit aus dem Eintragungsvermerk oder in zulässiger Weise der in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen ergebe (BGH, Beschluss vom 13.07.2017 - V ZB 136/16 -). Das träfe insbesondere auf nicht eintragungsfähige Rechte (wie z.B. eines Mietrechts) zu, ferner bei der Eintragung eines Rechts ohne den gesetzlich gebotenen Inhalt oder ohne Angabe des Berechtigten, und weiterhin bei Eintragung eines Erbbaurechts zur nicht ersten Rangstelle.    

Die Eintragung eines dinglichen Wohnrechts nach § 1093 BGB sei in diesem Sinne nicht unzulässig. Das Recht sei auch nicht mit einem unzulässigen Inhalt eingetragen worden.  Bei einem dinglichen Wohnrecht sei die Mitbenutzung zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken solange erlaubt, wie der Wohnzweck Hauptzweck bleibe. Dass das bewilligte Recht mit dem eingetragenen Recht nicht identisch, also möglicherweise unrichtig sei, führe nicht zur Unzulässigkeit nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO, nach der eine Löschung von Amts wegen erfolgen müsse.

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30.04.2024 - 5 W 26/24 -

Freitag, 11. April 2025

Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages im Kostenfestsetzungsverfahren

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Kläger (als Kostenschuldner) sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagten und seinem Prozessbevollmächtigten A sei nichtig, da eine Interessenkollision des A bestünde. Er sei sowohl dem Beklagten wie auch dem Kläger als freier Mitarbeiter verbunden. Damit hätte er nicht für den einen Dienstherrn gegen den anderen vorgehen dürfen. Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem Oberlandesgericht (OLG) vor.  Dieses wies sie zurück.

Unter Bezugnahme auf einen Beschluss des BGH vom 09.03.2006 - V ZB 164/05 – verwies das OLG darauf, dass das Kostenfestsetzungsverfahren eine Fortsetzung der Kostengrundentscheidung sei und mir dem Kostenfestsetzungsbeschluss abschließe. Es sei lediglich zu entscheiden, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten sei, weshalb keine materiell-rechtlichen Fragen zu klären seien. Für streitige Tatsachen und komplizierte Rechtsfragen sei das Verfahren nicht vorgesehen, daher nicht zu berücksichtigen und einer möglichen Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) vorbehalten.

Ausnahmsweise könnten es verfahrensökonomische Gründe angezeigt erscheinen lassen, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf eine Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen gehen würde, die keiner Tatsachenaufklärung bedürfen und mit den in einem Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne weiteres geklärt werden könnten (BGH, Beschluss vom 23.03.2006 - V ZB 189/05 -.

Diesen Ausnahmefall verneint das OLG bereits deshalb, da streitig sei, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch für diesen tätig sei.

Dem stünde nicht entgegen, dass der Rechtspfleger prüfen müsse, ob die zur Festsetzung angemeldeten Kosten entstanden seien.  Damit verbunden sei nicht die Prüfung aller materiell-rechtlicher Fragen, vielmehr beschränke sich die Prüfung auf rein prozessuale und gebührenrechtliche Gesichtspunkte. Dies sei Folge des Umstandes, dass mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss die betragsmäßige Umsetzung der Kostengrundentscheidung erreicht werden soll. Die materiell-rechtliche Frage, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten die Gebühren im Innenverhältnis schulde, gehöre nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren (OLG Hamm, Beschluss vom 15.01.1999 – 23 W 534/98 -; BGH, Beschluss vom 22.11.2006 – IV ZB 18/06 -).

Zudem sei der Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages wegen Verstoßes gegen § 134 BGB bzw. gem. § 138 ZPO keine einfache Rechtsfrage, die für das Kostenfestsetzungsverfahren geeignet sei.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.02.2025 - 30 W 20/25 -

Freitag, 4. April 2025

Unberechtigte Datenweitergabe an SCHUFA und Entschädigung nach Art. 82 DSGVO

Die Parteien hatten einen Telekommunikationsvertrag geschlossen. Mehrere in Rechnung gestellte Beträge soll die Beklaget nicht gezahlt haben, weshalb die Klägerin einen Eintrag bei der SCHUFA bewirkte. Die Klägerin klagte auf Zahlung und due Beklaget erhob Widerklage auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von € 6.000,00 nach Art. 82 DSGVO und Information der SCHUFA darüber, dass die Voraussetzungen für die Meldung personenbezogener Daten und eines Zahlungsverzugs der Beklagten nicht vorgelegen hätten und sämtliche von der Klägerin mitgeteilten Daten zu löschen seien. Der Klage wurde vom Landgericht stattgegeben, die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Oberlandesgericht (OLG) das Urteil ab, wies die Klage zurück und gab der Widerklage mit einem auf die Widerklage zu zahlenden Betrag von € 500,00, mit Anrechnung auf einen von der Beklagten an die Klägerin zu zahlenden, von ihr anerkannten Betrag von € 54,74 statt. Die Beklagte verfolgte das Klageziel der Zahlung von insgesamt € 6.000,00 mit der zugelassenen Revision weiter.

Der BGH wies die Revision zurück. Er folgte nicht der Ansicht der Beklagten, das OLG habe bei der Bemessung des Schadensersatzes einer abschreckenden Wirkung größeres Gewicht einräumen müssen; Es hätte vielmehr diese überhaupt nicht berücksichtigen dürfen, sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes berücksichtigen dürfen.

Der Terminus des „immateriellen Schadens“ in Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist mangels eines Verweises in der Norm auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedsstaaten autonom unionsrechtlich zu definieren /EuGH, Urteil vom 20.06.2024 - C-590/22 -). Nach den ErwG 146 S. 2 DSGVO solle der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, und zwar in einer den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entsprechenden Art und Weise (BGH, Urteil vom 18.11.2024 – VI ZR 10/24 -). Der EuGH würde in dem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ausschließlich eine Ausgleichfunktion sehen (EuGH aaO.).

Da dem Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 DSGVO eine Ausgleichsfunktion zukäme, sei eine auf Art. 82 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld als „vollständig und wirksam“ anzusehen, wenn sie es ermögliche, den aufgrund des Verstoßes gegen die Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen (EuGH aaO.).

Das OLG habe auf die Weitergabe von personenbezogenen Daten der Beklagten an die SCHUFA , die bei dortigen Abfragen zu einer einsehbaren Eintragung zu Lasten der Beklagten führen können, abgestellt, zum anderen beachtet, dass der Eintrag bei der SCHUFA die Kreditfähigkeit  der Beklagten beeinträchtige und sich dies auch bereits zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt habe (zeitweises Anhalten einer Kreditvergabe an die Beklagte durch deren Hausbank). Auch die Dauer der Eintragung sei berücksichtigt worden. Es sei von der Revision nicht geltend gemacht noch ersichtlich, dass die zugesprochenen € 500,00 nicht ausreichend seien.

Anmerkung: Es ist allgemein bekannt, dass Schmerzensgelder in den USA ein vielfaches von dem betragen, die in Deutschland zugesprochen werden. Während sie in Deutschland eine „billige Entschädigung in Geld“ darstellen, soll der Geschädigte in den USA unabhängig von den daraus noch zu zahlenden (ebenfalls exorbitant hohen) Anwaltskosten einen merkbaren Vermögenszuwachs als Ausgleich haben. Auch wenn hier nicht dem amerikanischen Modell für Schmerzensgeld gefolgt wenn soll und kann: Was nun aber die Rechtsprechung zu Ersatzansprüchen bei unzulässiger Datenweitergabe anbelangt, so heißt offenbar das Motto „klein, kleiner am kleinsten“. Ob dies dem Umstand der Vielzahl von entsprechenden Verstößen geschuldet ist, die sich bei höheren Beträgen im Einzelfall durch meist fahrlässige und grob fahrlässige Verstöße bei Unternehmen (aber auch der öffentlichen Hand) schnell zu größeren Beträgen addieren können, kann nur spekuliert werden. Ein Ausgleich mit € 500,00 bei (durch SCHUFA-Eintragung nicht weiter prüfbarer) öffentlicher Diskreditierung, welche auch schon Auswirkungen zeigte, ist zu niedrig.

BGH, Urteil vom 28.01.2025 - VI ZR 183/22 -

Sonntag, 30. März 2025

Streitwert der Auflassungsklage bei geringer Restforderung

Die Klägerin schloss mit der zwischenzeitlichen insolvenzreifen Bauträgergesellschaft (Beklagte) einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung nebst Kellerraum und Pkw-Stellplatz. Der Kaufpreis von € 287.400,00 wurde mit Ausnahme der letzten Rate in Höhe von € 17.205,10 bezahlt. Die Beklagte befand sich mit der Beseitigung einer Vielzahl von Mängeln in Verzug, deren Beseitigungskosten ein mehrfaches der offenen Forderungen betrugen. Da im Kaufvertrag bereits die Auflassung erklärt wurde, forderte die Klägerin die Beklagte zur Anweisung des Notars auf, die Eigentumsumschreibung bei dem Grundbuchamt zu beantragen, dem die Beklagte nicht nachkam. Auf die Klage erließ das Landgericht gegen die Beklagte ein (rechtskräftiges) Versäumnisurteil, die Auflassung gegenüber der Klägerin zu erklären und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.

Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 27.01.2025 den Streitwert auf bis zu € 290.000,00 fest. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Klägerin, die eine Reduzierung des Streitwertes auf € 17.305,10 anstrebte (Hinweis: Zwar hatte die Beklagte nah dem Versäumnisurteil die Kosten des Verfahrens zu tragen, doch müsste hier die Klägerin die Gerichtskosten als Zweitschuldner und ihre eigenen Kosten - hier in Form der Rechtsanwaltsgebühren - tragen, wenn die Beklagte nicht zahlen würde/kann, was in Ansehung deren Insolvenzreife zu befürchten stand, weshalb es im Interesse der Klägerin lag, den Streitwert, aus dem sich die Gebühren berechnen, zu reduzieren). Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab, da nach seiner Auffassung gem. § 6 ZPO auf den Grundstückswert abzustellen sei, da nur so eine berechenbare und einheitliche Bewertung ermöglicht würde.

Das OLG gab der Beschwerde statt und reduzierte den Streitwert auf € 17.305,10.

Die Streitfrage, ob bei einer Auflassungsklage der Streitwert generell gemäß § 6 ZPO nach dem Verkehrswert (Hinweis: Bei einem Kaufvertrag wird der Kaufpreis grundsätzlich als Verkehrswert angenommen) oder in bestimmten Ausnahmefällen gem. § 3 ZPO auf den Wert einer noch streitigen Restforderung festzusetzen sei, würde in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Für die Bewertung gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG iVm. § 6 ZPO, auch wenn die Auflassung wegen eines verhältnismäßig geringen Gegenanspruchs verweigert würden, hätten sich u.a. das OLG Köln mit Beschluss vom 20.09.2004 - 22 W 49/04 -, das OLG München mit Beschluss vom 10.03.1997 - 28 W 2542/06 – ausgesprochen ; zum Meinungsstand Herget in Zöller, ZPO 35. Aufl. zu § 3 Rn. 16.22 „Auflassung“ ausgesprochen. Durch die Anwendung von § 6 ZPO würde dem Umstand Rechnung3 getragen, dass Einwendungen und Gegenrechte der Beklagtenseite ohne Einfluss zu bleiben hätten.

Nach der u.a. vom OLG Celle mit Beschluss vom 20.04.2023 - 5 W 15/23 -, OLG Zweibrücken mit Beschluss vom 11.07.2017 - 6 W 56/17 – vertretenen Ansicht würde bei einer nur geringen Restforderung, die streitig sei,  nur deren Bestehen oder Nichtbestehen für die Erfolgsaussicht der Klage entscheidend sein und wäre daher der Streitwert nach § 3 ZPO entsprechend zu begrenzen.  

Das OLG Koblenz folgte hier (m.E. zutreffend) der letztgenannten Auffassung. Zwar würde § 6 ZPO grundsätzlich auch für die Festsetzung des Gebührenstreitwertes gelten, doch sei von der Klägerin zurecht darauf hingewiesen worden, dass in Fällen wie hier, in denen aufgrund der konkreten Umstände eindeutig zu erkennen sei, dass der wirtschaftliche Wert des Verfahrens weit unter dem sich aus § 6 ZPO ergebenden Streitwert liege, schon von Verfassungs wegen die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits bei der Streitwertfestsetzung  zu berücksichtigen sei (BVerfG, Beschluss vom 16-11-2999 – 1 BvR 1821/94; BGH, Beschluss vom 14.06.2016 – IX 72/14 -). Der Zugang zu den Gerichten dürfe nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden; dies verstoße gegen den Justizgewährungsanspruch (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2922 – 8 W 38/21 -). Nur durch ein Abstellen auf die wirklichen Interessen der Parteien und die wirtschaftlichen Hintergründe können ansonsten untragbare Ergebnisse einer aus dem Verkehrswert zu bestimmenden Streitwertfestsetzung vermieden werden; die formale Betrachtung, alleine auf § 6 ZPO abstellend, müsse dahinter zurücktreten.

Hier sei die Klägerin durch eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert und die Auflassungsverpflichtung stünde außer Streit. Der offene Restkaufpreis betrage nur 6,02% des Gesamtkaufpreises. Ein nach § 6 ZPO bemessener Streitwert würde (mutmaßlich von der Klägerin infolge der Insolvenzreife der Beklagten selbst zu tragende Kosten) völlig außer Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung stehen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 17.02.2025 - 3 W 53/25 -

Freitag, 28. März 2025

Verhaftungsauftrag des Gerichtsvollziehers und Gebühr für versuchte Einigung

Der Schuldner erschien nicht zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft (in dessen Rahmen der Gerichtsvollzieher bereits einen Versuch einer gütlichen Einigung nach § 802b ZPO unternahm, wobei der Schuldner vereinbarte Ratenzahlungen nicht einhielt), woraufhin der Gerichtsvollzieher die Akte gemäß Weisung des Gläubigers dem Vollstreckungsgericht zwecks Erlass eines Haftbefehls vorlegte. Der Haftbefehl wurde erlassen. Es kam dann nicht zu einer Vollstreckung, da der Schuldner unbekannt verzogen war. Im Rahmen des Verhaftungsverfahrens war dem Schuldner vom Gerichtsvollzieher eine Mitteilung mit der „Aufforderung zur gütlichen Einigung gemäß § 802b ZPO“ überlassen worden. Bei seiner Kostenrechnung machte der Gerichtsvollzieher eine Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG zuzüglich Auslagenpauschale für den Versuch einer gütlichen Einigung während des Verhaftungsverfahrens geltend.

Gegen diesen Kostenansatz erhob die Bezirksrevisorin Erinnerung, der der Gerichtsvollzieher nicht abhalf. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin und weitere Beschwerde wurden zurückgewiesen. Schließlich wurde die Beschwerde dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Dieses sah die zulässige (auch wenn sie zugunsten des Gläubigers erfolgte) weitere Beschwerde als begründet an, da die Gebühren nach Nr. 207 KV GvKostG nebst Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG nicht angefallen seien.  Das OLG konstatierte, dass der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedachts ein müsse, wofür er dann auch die Gebühren nach Nr. 207 und 208 KV GvKostG beanspruchen könne. Umstritten sei allerdings in der Rechtsprechung. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine solche gebühr auch für den Versuch einer gütlichen Erledigung im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft vom Gerichtsvollzieher berechnet werden dürfe (bejahend z.B. OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2022 – 17 W 136/20 -; verneinend z.B. OLG Celle, Beschluss vom 10.12.2021 – 2 W 183/21 -).

Maßgeblich sei, dass gem. § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses bei Durchführung desselben Auftrages nur einmal erhoben werden dürfe.  Hier sei bereits diese Gebühr im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Vermögensauskunft entstanden gewesen; insoweit läge ein einheitlicher Auftrag vor. Der Verhaftungsauftrag sei als bloßes Beugemittel subsidiär und setze einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft voraus. Ein in dessen Rahmen vorgenommener Versuch der gütlichen Erledigung erfolge deshalb immer im zeitlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Vermögensauskunft, weshalb der begonnene und mit dem Haftbefehl fortgesetzte Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft „derselbe Auftrag“ iSv. § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG sei.

Das OLG wies darauf hin, dass dem § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG , wonach die Vollziehung eines Haftbefehls einen besonderen Auftrag darstelle, nicht entgegen stehen würde. Der Umstand, dass § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG den Verhaftungsauftrag zu einem gesonderten Auftrag erhebe, bedeute nicht, dass in einem einheitlichen Vollstreckungsverfahren wiederholt vorgenommene Einigungsversuche kostenrechtlich jeweils auf einem neuen Auftrag beruhen würden. Die Erlaubnis des Gerichtsvollziehers zur Vornahme eines gütlichen Einigungsversuchs basiere auf dem ursprünglichen Vollstreckungsauftrag.

Anmerkung: Der Gläubiger kann dem Gerichtsvollzieher untersagen, einen Versuch zur gütlichen Einigung vorzunehmen. Dies wird häufig von den Gerichtsvollziehern nicht beachtet mit Hinweis darauf, sie hätten nach § 802a ZPO eine Pflicht, einen Einigungsversuch zu unternehmen. Dem ist nicht so, weshalb auch die Gebühr nicht zu zahlen ist (LG Hannover, Beschluss vom 25.07.2017 - 55 T 43/17 -).

Hinweis: Eine andere Ansicht vertritt das > OLG Oldenburg.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.11.2024 - 2 W 88/24 -

Montag, 24. März 2025

Mangel der Mietsache durch Rauchen des Nachbarn auf Balkon ?

Die Kläger machten gegenüber den Beklagten, ihren Mietern, klageweise Mietrückstände aufgrund Mietminderungen der Beklagten geltend. Die Mietminderungen wurden von den Beklagten vorgenommen, da ein Mietmieter in dem Wohngebäude (dessen Wohnung sich eine Etage versetzt und in einem Winkel von 90°  zur Wohnung der Beklagten lag) auf dem Balkon seiner Wohnung rauchte. Das Amtsgericht gab der Klage statt.

Die Beklagten machten geltend, dass sie sich durch den Rauh belästigt fühlen würden. Der Rauch würde in ihre Wohnung ziehen und so es ihnen nicht ermöglichen, die Wohnung in einem gewünschten Maß zu lüften. Infolgedessen sei eine Minderung der (Kalt-) Miete von 10% im Monat gerechtfertigt. Das sah das Amtsgericht anders.

Voraussetzung für die Minderung sei, dass die Wohnung einen Mangel aufweise, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mehr als nur unerheblich mindere, § 536 Abs. 1 BGB. Auch bei einem nach vorgelegten „Rauchtagebüchern“ dokumentierten Rauchverhalten sah das Amtsgericht diese Voraussetzung nicht. Dabei hat es die weiteren Umstände berücksichtigt:

Grundsätzlich gehöre Rauchen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Das gelte auch, wenn ein Mitbewohner im Haus auf seinem Balkon rauche. Der Mieter könne von dem Vermieter nicht verlangen, den rauchenden Mitmieter zu einer Einschränkung seines Rauchverhaltens zu veranlassen. Anders sei dies nur dann, wenn bei dem gestörten Mieter Rauch bzw. Gerüche in die Wohnung ziehen würde, ohne dass dies verhindert werden könne oder der Rauch bzw. die Gerüche fast unmöglich aus der Wohnung herauszubekommen seien.

Ein Einziehen von Rauch oder Gerüchen in die Wohnung, ohne dass dies verhindert werden könne, läge z.B. vor, wenn diese durch Zwangsöffnungen in die Wohnung gelangen würde (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 13.10.2022 - 122 C 156/21 -). Im fall des LG Hamburg (Urteil vom 15.06.2012 - 311 S 92/10 -) verfing sich Rauch in der Dachgaube des betroffenen Mieters und drang bei geöffneten Fenster in die Wohnung ein, ohne dass er die Möglichkeit gehabt habe durch sonstiges Lüften den Rauch wieder loszuwerden.

Die konkreten Umstände sah das Amtsgericht als anders gelagert an.  Rauch würde im Wesentlichen über das Fenster des kleinen Bades und zwei bodentiefe Fenster im Esszimmer eindringen. Doch verfüge die Wohnung über zahlreiche andere Zimmer mit zehn weiteren Fenstern. Das Eindringen des Rauches könne mithin verhindert werden (durch schließen der drei Fenster) als auch könne er zumutbar entfernt werden (durch Querlüften).

Zudem läge kein exzessives Rauchverhalten vor, aus dem eine Unzumutbarkeit abgeleitet werden könne (ähnlich wie bei einem Rauchpavillon einer Gaststätte. In dem sich viele Menschen aufhalten würden).  

AG Remscheid, Urteil vom 02.05.2024 - 7 C 5/24 -

Freitag, 21. März 2025

Schmerzensgeld: Substantiierung einer psychischen Beeinträchtigung

Die Klägerin machte im Rahmen einer offenen Teilklage nach einem Verkehrsunfall ein weiteres Teilschmerzensgeld in Bezug auf eine behauptete psychische Beeinträchtigung infolge der schweren Verletzungen (Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung, ein zusammengeklappter Lungenflügel) ihres sechs Wochen alten Sohnes bei dem Verkehrsunfall geltend. Das Berufungsgericht hatte psychische Beeinträchtigungen der Klägerin bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts durch den BGH und Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses. Dies stützte der BGH auf die Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG durch das Berufungsgericht.

Voraussetzung für eine entschädigungspflichtige psychische Störung, die bei dem Geschädigten mittelbar durch die Verletzung eines Rechtsgutes bei einem Dritten verursacht worden sei (sogen. „Schockschaden“), eine Gesundheitsverletzung wie im Falle unmittelbarer Einwirkung darstelle, wenn sie pathologisch fassbar sei, mithin einen Krankheitswert habe (BGH, Urteil vom 06.12.2022 - VI ZR 168/21 -). Würde es sich bei der psychischen Beeinträchtigung um einen Primärschaden handeln, sei das strenge Beweismaß des § 286 ZPO zu beachten, also der Vollbeweis erforderlich. 

Hier habe allerdings das Berufungsgericht überhöhte Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Klägerin gestellt. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften habe, verstoße sie gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie offenkundig unrichtig sei (BGH, Urteil vom 16.02.2021 - VI ZR 1104/20 -).

Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs sei dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich seien, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Nähere Einzelheiten seien nicht erforderlich, soweit nicht für die Rechtsfolgen von Bedeutung. Seien diese Anforderungen erfüllt, sei in die Beweisaufnahme einzutreten (BGH, Urteil vom 06.02.2024 - VI ZR 526/20 -).

Im Hinblick auf Schadensersatz wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit verwies der BGH darauf, dass von einem Kläger bei Geltendmachung eines Schadensersatzspruchs wegen Körper- oder Gesundheitsschäden nicht verlangt werden könne, genaue Kenntnisse medizinischer Zusammenhänge zu haben und dies auch nicht gefordert werden könne. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen (BGH, Urteil vom 28.05.2019 - VI ZR 328/17 -).

Die Klägerin habe psychische Beschwerden beschrieben und in der Berufungsbegründung die Behauptung aufgestellt, dass es sich bei diesen um „pathologisch feststellbare Gesundheitsbeeinträchtigungen im psychischen Bereich“ handele; ferner habe sie aus Berichten zitiert, wonach ihre psychische Situation das „gesundheitliche Hauptproblem“ sei und dort von deutlichen Hinweisen auf Anpassungsstörungen die Rede sei, weshalb auch eine Verhaltenstherapie empfohlen worden sei. Auf Behandlungen verwies sie ebenfalls, die „medizinisch geboten“ gewesen seien. Dies alles reiche für eine gebotene Substantiierung, die von einem medizinischen Laien erwartet werden könne, der in seinen Beschwerden Symptome einer unfallbedingten psychischen Erkrankung vermute.  Es war also nicht erforderlich, dass die Klägerin vorträgt, dass eine fachkundige Person die Klassifikation nach ICD-10 vorgenommen habe und sie habe auch nicht eine entsprechende Bescheinigung ihrer Psychotherapeutin vorlegen müssen. Vielmehr sei nach diesem Vortrag zu ihrer Behauptung, dass es sich bei den Beschwerden um pathologisch feststellbare Gesundheitsbeeinträchtigungen im psychischen Bereich handele“, durch Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Würde dies bejaht, wäre weitere Haftungsvoraussetzung die Kausalität und er Zurechnungszusammenhang, der bei mittelbaren Schädigungen wie hier gesondert zu prüfen sei (BGH, Urteil vom 06.12.2022 – VI ZR 168/21 -).

BGH, Beschluss vom 11.02.2025 - VI ZR 185/24 -

Dienstag, 18. März 2025

Fehlende Eigensicherung des Fahrgastes bei Busfahrt

Der 76-jährige schwerbehinderte Kläger war Fahrgast in einem Busanhänger. Durch ein Fahrmanöver des Beklagten mit dessen Pkw musste der Bus eine Vollbremsung vornehmen, aufgrund der der Kläger stürzte.  Der Kläger begehrte vom Beklagten (und seinem Haftpflichtversicherer, § 115 Abs. 2 Nr. 1 VVG) wegen der durch den Sturz erlittenen Verletzungen Schmerzensgeld. Beklagtenseitig wurde u.a. bestritten, dass sich der Kläger einen ausreichenden Halt im Busanhänger verschafft hätte; er habe in der rechten Hand seinen Einkaufstrolley gehalten und den linken Arm und die linke Hand lediglich locker auf einem im Bus angebrachten Handlauf gelegt gehabt. Andere Fahrgäste seien auch nicht gestürzt. Die Mithaftung des Klägers nach § 14 Abs. 3 Nr. 4 BOKraft, § 4 Abs. 3 BefBedV wäre so hoch, dass eine Haftung der Beklagten ausscheide.

Das Amtsgericht nahm grundsätzlich eine Gefährdungshaftung des Beklagten und seines Versicherers nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 2, 1 PflVG, § 115 VVG gegenüber dem Kläger an, da die Fahrweise des Beklagten zum Sturz geführt habe. Nach der Videoaufzeichnung aus dem Innenraum des Busses sei ersichtlich, dass der Pkw nicht bei Beginn der kurzen Abbiegespur , sondern erst danach auf diese gewechselt habe und den Spurwechsel auch erst mit Beginn desselben mit dem Blinker abgekündigt habe, worauf der Busfahrer mit einer heftigeren Bremsung als aufgrund der roten Ampel ohnehin nötig reagiert habe. Es läge bei dem Beklagten ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO vor.

Dies sah das Amtsgericht nicht als entscheidend an. Vielmehr ging es davon aus, dass auf Seiten des Klägers ein Mitverschulden (§§ 9 StVG, 254 BGB) vorläge, welches die Haftung des Beklagten vollkommen entfallen lassen würde. Dies folgerte das Amtsgericht aus der Pflicht des Fahrgastes nach § 14 Abs. 3 Nr. 4 BOKraft, demzufolge sich ein Fahrgast stets einen festen Halt zu verschaffen habe. Es handele sich hier um eine dem Schutz des Fahrgastes dienende Vorschrift, mit der insbesondere der Fahrgast davor bewahrt werden solle, bei Gefahrenbremsungen zu Fall zu kommen und sich zu verletzen; die Norm habe haftungsrechtliche Konsequenzen bei Nichtbeachtung.

Dabei käme es bei jedem einzelnen Fahrgast auf die individuellen Besonderheiten und Gegebenheiten an, die im Zeitpunkt des Bremsmanövers vorgelegen hätten (OLG München, Urteil vom 02.03.2006 - 24 U 617/05 -). Vorliegend habe der Beklagte, wie der Beklagte bewiesen habe, nicht in zumutbarer Weise für die eigene Sicherheit Sorge getragen:

Die von ihm eingenommene stehende Position sei nicht geeignet gewesen, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Nach der Videoaufzeichnung hielt er sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf fest und seine rechte Hand habe auf dem Einkaufstrolley geruht. Dies ei kein stabiler Stand und die linke Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen: der Trolley biete keinen Halt, da er bei einer Vollbremsung selbst herumgewirbelt würde 8wi auch das Video belege). Der Trolley sei eher eine Behinderung gewesen, da er vom Kläger auch nicht losgelassen worden sei, um auch mit der rechten Hand Halt zu finden.

Andere Fahrgäste seien auch nicht gestützt. Eine ältere Passagierin, die einen Sitzplatz direkt hinter dem Kläger belegte, soll sich an einer Stange festgehalten habe und (anders als ihre Tasche) nicht vom Sitz gerutscht sei. In Ansehung seines Alters (und einer Schwerbehinderung, allerdings nach seiner Angabe nur im Hinblick auf Asthma) und des Mitführens des Trolleys sei dem Kläger vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt habe, obwohl nach der Videoaufzeichnung direkt hinter dem Kläger ein Sitzplatz frei gewesen sei.  Da der Kläger geistig fit sei, hätte er die Situation auch richtig einschätzen können.

Es habe sich auch nicht um eine völlig überraschende Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr mit solchen zu rechnen sei. Zudem sei 50 m vorher der Bus leicht abgebremst worden, wodurch der Kläger bereits hätte feststellen können, dass er nur ungenügenden Halt habe.  

Damit habe sich der Kläger grob fahrlässig verhalten, weshalb die Betriebsgefahr demgegenüber zurücktrete.

AG München, Urteil vom 18.10.2024 - 338 C 15281/24 -

Samstag, 15. März 2025

Verweis auf Referenzwerkstatt statt Vertragswerkstatt bei Eigenreparatur durch Geschädigte

Damit musste sich das Amtsgericht Chemnitz (AG) nach einem Verkehrsunfall auseinandersetzen. Die Klägerin begehrte Schadensersatz u.a. in Form von fiktiven Reparaturkosten, nachdem sie die Reparatur selbst vornahm (konkret: ihr Ehemann hatte das Fahrzeug repariert). Von der Beklagte wurde unter Verweis auf eine Referenzwerksatt eine Überhöhung der fiktiven Reparaturkosten geltend gemacht, die auch (unstreitig) von ihr gezahlt wurden.  Von der Klägerin wurde im Hinblick auf die beklagtenseits benannte Referenzwerkstatt eingewandt, seit dem Erwerb des Fahrzeugs habe sie dieses immer in einer Markenwerkstatt warten lassen.

Das Amtsgericht wies die Klage im Hinblick auf den Differenzbetrag zwischen beklagtenseits gezahlten und von der Klägerin geforderten Reparaturkosten ab. Es ging zwar mit der Klägerin davon aus, dass grundsätzlich der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten habe, die bei einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt anfallen würden, ohne dass es darauf ankäme, ob der Geschädigte das Fahrzeug vollständig, minderwertig oder gar nicht reparieren lassen würde. Begehre er fiktiven Ersatz der Reparaturkosten, würde es im Regelfall ausreichend sein, diesen auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens zu berechnen.

Allerdings habe der Geschädigte die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu beachten. Er müsse sich au ein für ihn ohne weiteres zugängliche und gleichwertige Werkstattverweisen lassen, wenn der Schädiger darlege und nachweise, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt der Qualität in einer markengebundenen Werkstatt entspreche und ggf. vom Geschädigte aufgezeigte Umstände widerlege, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würde (BGH, Urteil vom 25.09.2018 - VI ZR 65/18 -), wobei der verweis auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgen könne (BGH, Urteil vom 14.05.2013 - VI ZR 320/12 -).

Zwar habe die Klägerin auf Wartungen in einer Vertragswerkstatt verwiesen, was ggf. die Vermutung für ein besonderes Interesse an einer Reparatur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt hätte begründen können. Eine solche mögliche Vermutung und daraus zu folgernde Unzumutbarkeit habe sie aber selbst dadurch widerlegt, dass sie das Fahrzeug in Eigenregie instand gesetzt habe (so auch OLG Köln, Beschluss vom 09.01.2017 - I-5 U 81/16 -).  Da im Übrigen keine anderen Umstände von der Klägerin aufgezeigt seien, die eine Reparatur in der Referenzwerkstatt unzumutbar erscheinen ließen, seien die dortigen Kosten (die von der Beklagten gezahlt waren) in Ansatz zu bringen.

Anmerkung: Das OLG Köln, dem sich das AG Chemnitz anschloss, hatte in seinem Beschluss, mit dem es die Berufung des Geschädigten gegen ein seine Klage zurückweisendes Urteil zurückwies, darauf verwiesen, infolge der Eigenreparatur könne sich der Geschädigte nicht mehr auf die Vermutungsgrundlage berufen, da dies im Widerspruch zur Eigenreparatur stünde; die Wahlfreiheit des Geschädigten, Reparieren zu lassen oder nicht, sei davon nicht tangiert.

AG Chemnitz, Urteil vom 16.08.2024 - 16 C 284/24 -

Freitag, 14. März 2025

Einholung einer Auskunft durch das Finanzgericht und rechtliches Gehör

Das Finanzgericht (FG) hatte von dem beklagten Finanzamt (FA) Umsätze des Klägers in den Jahren 2005 bis 2007 angefordert, ohne dies dem Kläger mitzuteilen oder auch die entsprechenden Unterlagen zu überlassen. Auf diese Unterlagen stützte sich das FG auch im Urteil.  Dies wurde im Rahmen seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) durch den Kläger gerügt, der geltend machte, es sei ihm deshalb die Möglichkeit genommen worden, sich dazu zu äußern (Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO).

Der BFH verwies darauf, dass das Gericht sich in einem Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen dürfe, zu denen sich die Beteiligten hätten äußern können, § 96 Abs. 2 FGO. Dabei handele es sich um eine Ausgestaltung des durch Art. 103 Abs. 1GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör, dessen Verletzung einen absoluten Revisionsgrund darstelle. § 119 Nr. 3 FGO.  

Die Beteiligten seien gem. § 79 Abs. 2 FGO darüber zu benachrichtigen, wenn das Gericht iSv. § 79 Abs. 1 S. 2 N. 3 FGO in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Auskünfte einhole. Die Mitteilung über die Einholung einer Auskunft könne auch dann nicht entfallen, wenn der Inhalt derselben den Prozessbeteiligten vollständig bekannt sei, da alleine die Kenntnis nicht bedeute, dass sich die Beteiligten dazu hätten äußern können. Nur bei einer Mitteilung über die mögliche Verwertung einer eingeholten Auskunft, bestünde Anlass zur Stellungnahme (BFH, Beschluss vom 10.05.2022 - VIII B 35/21 -).

Auf entsprechende telefonische Aufforderung zur Mitteilung der Betriebseinnahmen des Klägers seien diese dem FG durch das FA per Mail überlassen worden und vom FG zur Akte genommen worden. Eine Mitteilung an den Kläger sei ausweislich der Gerichtsakte und auch des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen; der Kläger habe davon erst durch das Urteil erfahren.  

Der Kläger habe vorliegend auch schlüssig vorgetragen, was er bei Gewährung rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und dass danach eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Da unter Berücksichtigung dieses Vorbringens nicht sicher auszuschließen sei, dass das Urteil ohne Verwertung der Tatsache, zu der der Kläger sich nicht habe erklären können, anders ausgefallen wäre, beruhte das Urteil auf der Verletzung rechtlichen Gehörs und wurde vom BFH daher das angefochtene Urteil, soweit es damit im Zusammenhang stand, aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen.

BFH, Beschluss vom 16.01.2025 - VIII B 110/23 -

Montag, 10. März 2025

Pflicht des Verkäufers zur Beibringung von Löschungsunterlagen

Der Beklagte zu 1 hatte einen notariellen Kaufvertrag über Wohnungs- und Teileigentumseinheiten abgeschlossen. Im Grundbuch war eine nicht mehr valutierende Briefgrundschuld eingetragen, die die Käuferin (Klägerin) nicht übernahm.  Der Kaufpreis sollte fällig werden u.a. nach Mitteilung des Notars von der „Sicherheit der Löschung nicht übernommener Belastungen“. Die Mit der Einholung der Löschungsunterlagen und er Löschung wurde der Notar betraut. Nunmehr stellte sich heraus, dass der Grundschuldbrief bei der Beklagten zu 2 nicht mehr auffindbar war.  Es wurde ein Aufgebotsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom 13.02.2020 setzte die Klägerin dem Beklagten zu 1 eine Frist zur lastenfreien Auflassung bis zum 27.02.2020. Am 15.09.2020 erging der rechtskräftige Ausschließungsbeschluss, mit dem der Grundschuldbrief für kraftlos erklärt wurde. Der Beklagte trat seine Kaufpreisforderung an die Beklagte zu 2 ab und teilte dies der Klägerin mit. Die Klägerin erklärte gegenüber der Beklagten zu 2 Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung, u.a. wegen entgangenen Gewinns im Hinblick darauf, dass sie wegen der Verzögerung bei der Lastenfreistellung an einem Weiterverkauf gehindert gewesen sei. Schließlich zahlte die Klägerin den Kaufpreis und Vorbehalt der Rückforderung und erhob nach Auflassung u.a. Klage gegen den Beklagten zu 1 auf Feststellung dessen Pflicht zum Ersatz weiteren Verzögerungsschadens (soweit nicht gegenüber der Beklagten zu 2, auch erfolglos, geltend gemacht).

Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin die vom OLG zugelassene Revision. Diese wurde vom BGH ebenfalls zurückgewiesen.

Ein Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens gegen den Beklagte 1 aus § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286 BGB scheide dem Grunde nach aus, weshalb der entsprechende Antrag der Klägerin abzuweisen sei. Der beklagte zu 1 habe zwar seine Leistungspflicht aus dem Kaufvertrag nicht rechtzeitig erfüllt. Zwar sei mangels der Mitteilung des Notars die Pflicht zur Lastenfreistellung (noch) nicht fällig gewesen, wobei dies unterblieben war, da der Grundschuldbrief nicht auffindbar war und daher die Voraussetzungen für die Mitteilung nicht vorlagen.

Allerdings habe dem Beklagten zu 1 die weitere Pflicht gehabt, für die Sicherheit der Löschung nicht übernommener Belastungen Sorge zu tragen.  Für die Löschung nicht übernommener Lasten sei die Vorlage der Löschungsunterlagen erforderlich; bei einer Briefgrundschuld dürfe die Löschung derselben nur erfolgen, wenn auch der Grundschuldbrief vorgelegt würde, § 41 Abs. 1, § 42 GBO. Bei Abhandenkommen trete an Stelle des Grundschuldbriefes der Ausschließungsbeschluss (§ 41 Abs. 2 GBO, §§ 1162, 1192 BGB, § 478 FamFG). Dieser Pflicht zur Vorlage sei der beklagte zu 1 nicht rechtzeitig nachgekommen.

Rechtsprechung und Literatur würden den Inhalt der Pflicht des Verkäufers zur Vorlage der für die Lastenfreistellung erforderlichen Unterlagen unterschiedlich bewerten. Teileisweise würde eine Bemühenspflicht, teilweise eine Erfolgspflicht angenommen. Auch würde vertreten der Verkäufer sei verpflichtet, dem Notar die Kontaktdaten der Gläubiger zu benennen und erst dann, wenn für ihn ersichtlich würde, dass das Einholen durch den Notar nicht zum Erfolg führe, müsse er selbst tätig werden und hafte im Sinne einer Erfolgspflicht.

Richtig sei die eine Erfolgspflicht annehmende Ansicht.  Bei dem sogen. Direktzahlungsmodell hänge die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon ab, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt habe, weshalb die Löschungsunterlagen dem Notar innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt werden müssten. Es würde nicht genügen, dass der Verkäufer alles tun würde, um die Vorlage herbeizuführen, die Vorlage selbst aber unterbliebe. Der Verkäufer habe nach § 433 Abs. 1 S. 2, § 435 BGB die Pflicht, rechtsmangelfreies und damit lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Unterbleibe dies, läge eine Nichterfüllung einer vertraglichen Primärpflicht vor (BGH, Urteil vom 14.01.2022 - V ZR 245/20 - zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform). Damit handele es sich bei den Lastenfreistellungsunterlagen nicht lediglich um eine bloße Vorbereitungshandlung. Die geschuldete rechtsmangelfreie Übereignung des Grundstücks sei erst mit den Löschungsunterlagen möglich. Würde man eine Bemühenspflicht als ausreichend ansehen, sei der mit dem Direktzahlungsmodell bezweckte Ausgleich des Interesse des Käufers, keine ungesicherte Vorleistung zu erbringen, mit dem Interesse des Verkäufers, den Kaufpreis für die Ablösung zu verwenden, verfehlt.

Wie häufig bei Grundstückskaufverträgen sei eine ausdrückliche Leistungsbestimmungszeit für die Pflichten des Verkäufers nicht bestimmt worden. Damit sei gem. § 271 Abs. 1 BGB die Fälligkeit aus den Umständen zu entnehmen und richte sich nach dem typischerweise für die Beschaffung der Unterlagen zu erwartenden Zeitraum. Dieser würde überwiegend mit vier Wochen bis zwei Monaten angenommen. Sollte bei Vertragsschluss bekannt sein, dass der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist, erst noch in Aufgebotsverfahren durchgeführt werden müsse, käme eine deutlich längere Frist in Betracht.

Der Beklagte zu 1 habe die Sicherstellung der Lastenfreiheit hier bis Fälligkeit nicht herbeigeführt. Den Parteien war nicht bekannt gewesen, dass der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist, weshalb die Fälligkeit zur Vorlage zwei Monate nach Vertragsschluss eintrat. Tatsächlich habe der Ausschließungsbeschluss erst über ein Jahr nach Vertragsabschluss vorgelegen.

Das Schreiben der Klägerin mit Fristsetzung hätte der Beklagte zu 1 dahingehend verstehen müssen, dass er bis zu dem genannten Zeitpunkt die erforderlichen Lastenfreistellungsunterlagen vorlegt.

Gleichwohl scheide ein Schadensersatzanspruch gegen ihn aus. Nach § 286 Abs. 4 BGB käme ein Schuldner nicht in Verzug, wenn die Leistung infolge eines nicht von ihm zu vertretenen Umstandes unterbleibe. Was vom Schuldner zu vertreten sei würden die §§ 276 bis 278 BGB regeln. Danach habe er Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung nicht bestimmt sei noch sich aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, anderes ergebe. Allerdings hafte der Schuldner nach § 278 S. 1 BGB auch für ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bediene. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Er habe keine Garantie erklärt und auch nicht das Beschaffungsrisiko übernommen. Ein eigens Verschulden läge nicht vor. Da die Grundschuld nicht mehr valutierte, habe der Beklagte zu 1 die Löschung von der Beklagten zu 2 verlangen können. Der Notar sei mit der Einholung beauftragt gewesen und dem Beklagten zu1 sei das Abhandenkommen des Grundschuldbriefes nicht bekannt gewesen und von ihm auch nicht zu vertreten, weshalb ein eigens Tätigwerden des Beklagten zu 1 nicht veranlasst gewesen sei.  Das Abhandenkommen sei zeitnah nach der Protokollierung festgestellt worden und das Aufgebotsverfahren eingeleitet worden.

Ein Verschulden der Beklagten 2 müsse sich der Beklagte 1 nicht zurechnen lassen. § 278 BGB greife nicht ein. Bei dem Grundpfandgläubiger handele es sich nicht um einen Erfüllungsgehilfen des Verkäufers. Die Zurechnung nach § 278 BGB beruhe darauf, dass der Schuldner gegenüber dem Gläubiger für die Erweiterung seines Geschäfts- und Gefahrenbereichs verantwortlich sei; im Verhältnis zu Gläubiger übernehme die eingesetzte Hilfsperson die die Stelle des Schuldners, weshalb der Schuldner das Risiko tragen, dass die Hilfsperson schuldhaft handele. Diese Grundsätze würden auch greifen bei der Frage, welche Personen zu den Erfüllungsgehilfen zählen. So sei der Hersteller bzw. Lieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, der nicht für deren Mängel hafte, da dies auf einem Verschulden des Herstellers oder Lieferanten beruhe (BGH, Urteil vom 02.04.2024 - VIII ZR 46/13 -). Die Pflicht des Verkäufers bestünde in der mangelfreien Verschaffung, aber nicht in der mangelfreien Herstellung. Der Grundschuldgläubiger sei danach nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers eines Grundstücks, da der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB die erfolgreiche Lastenfreistellung schulde und er auf die Mitwirkung des Grundpfandgläubigers benötige. Die Mitwirkungshandlung des Grundschuldgläubigers falle nicht in das vertraglich geschuldete Gesamtverhalten des Verkäufers. Von vornherein könne die Löschungsbewilligung nebst Grundschuldbrief bzw.  Ausschließungsbeschluss nur der Grundschuldgläubiger zur Verfügung stellen.

BGH, Urteil vom 06.12.2024 - V ZR 229/23 -

Mittwoch, 5. März 2025

Trotz fehlender 2. Rückschau bei Abbiegevorgang keine Mithaftung bei faktischen Überholverbot

Vor und hinter dem Beklagten fuhr innerorts jeweils ein (am späteren Verkehrsunfall unbeteiligtes) Fahrzeug. Vor der Unfallstelle befanden sich zwei Fußgängerquerungshilfen, die durch eine durchgezogene Linie (Zeichen 295) verbunden waren. Vor den jeweiligen Fußgängerinseln befand sich ein Pfeil (Zeichen 220-20, vorgeschriebene Fahrtrichtung rechts), hinter der zweiten Fußgängerinsel befand sich eine spitz auslaufende Sperrfläche (Zeichen 298). Die Kolonne musste abbremsen, da das erste Fahrzeug nach der Sperrfläche auf das dortige Grundstück einfahren wollte. Auch der Beklagte wollte nach links abbiegen und begann den Abbiegevorgang am Ende der Sperrfläche. Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad hinter den vorgenannten Fahrzeugen und setzet im Bereich der durchgezogenen Linie zum Überholen an. Auf der Gegenfahrspur kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers.

Das Landgericht wies die Klage ab. Das OLG wies den Kläger darauf hin, dass es beabsichtige seien Berufung zurückzuweisen (was in der Folge dann auch mit Beschluss vom 13.11.2024 erfolgte).

Für beide Unfallbeteiligte habe kein unabwendbares Ereignis vorgelegen, § 17 Abs 2 StVG, weshalb auf die Verursachungsbeiträge gegeneinander abgewogen werden müssten, § 17 Abs. 1 StVG. Dabei sei unter Berücksichtigung der jeweils von den Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr darauf abzustellen, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei. Unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr dürften dabei nur unstreitige, zugestandene und bewiesene Umstände berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 21.06.2006 - VI ZR 115/05 -). Die Beweislast trage jeder Beteiligte für Verschulden des jeweils anderen und für eigene günstige Umstände.

Bei dem Beklagten sei das Unterlassen der 2. Rückschau zu berücksichtigen. Der Kläger hatte bereits zum Zeitpunkt des Beginns des Abbiegevorgags einige Zeit die durchgezogene Mittellinie vor der Fußgängerquerungshilfe überfahren gehabt und befand sich mithin seither auf der Gegenfahrspur. Die Pflicht zur doppelten Rückschau dient gerade der Verhinderung einer Kollision mit einem überholenden Fahrzeug.  Diese Pflicht zur (zweiten) Rückschau sei auch nicht infolge der Zeichen 295, 298 und 222, entfallen, die zu einem faktischen Überholverbot führen würden; § 9 Abs. 1 S. 4 StVO sei „eng auf die Fälle beschränkt, in denen eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs aus baulichen Gründen ausgeschlossen ist“, nicht schon – wie bei Zeichen 295 – aus rechtlichen Gründen. Weitere Sorgfaltsverstöße des Beklagten schoss das OLG aus (was es auch im Beschluss näher darlegte). Dabei wies das OLG auch darauf hin, dass der Anscheinsbeweis zu Lasten des Linksabbiegers nur greifen würde, wenn es zu einer Kollision zwischen einem ordnungsgemäß Überholenden käme, und dies auch nur dann, wenn der Überholer (wie hier nicht) dem Linksabbieger unmittelbar gefolgt wäre.

Der Kläger selbst habe bei unklarer Verkehrslage überholt, § 5 Abs. 2 StVO. Abzustellen sei hier auf die objektiven Umstände. Unklar sei danach die Verkehrslage, wenn nach allen Umständen mit einen gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden könne.  Dies sei der Fall, wenn nicht verlässlich beurteilt werden könne, was der Vorausfahrende sogleich tun würde. Das schließe nicht bereits ein Überholen einer Kolonne aus (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.09.2018 - 1 U 155/17 -). Unklarheit im benannten Sinne läge aber vor, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug die Sicht auf den Verkehrsraum vor ihm verdecke (BGH, Urteil vom 26.09.1995 - VI ZR 151/94 -). Dieser Fall habe vorgelegen: So habe der Kläger vorgetragen, er sie in en Ort hineingefahren und habe dort eine auf der rechten Fahrspur stehende Fahrzeugkolonne vorgefunden, wobei er den Grund nicht erkannt habe. Da er dann bereits vor der ersten Verkehrsinsel auf die Gegenfahrbahn gefahren sei, sei die Unklarheit des Grundes der Staubildung für ihn noch gegeben gewesen. Aber auch nach seiner erstinstanzlichen Schilderung (wonach die Kolonne stand, das erste Fahrzeug abbog, die anderen stehen geblieben seien und er angenommen habe, der Fahrzeugführer würde träumen) sei die Situation unklar gewesen, warum das 2. Fahrzeug nicht anfuhr. Er hätte mithin in beiden Fällen das Überholen zurückstellen müssen.

Hinzu käme, dass er die faktischen Überholverbote durch die Zeichen 295, 298 und 222 missachtet habe, § 5 Abs. 1 StVO. Das könne nicht aus Unachtsamkeit geschehen sein, schon kaum im Hinblick auf die durchgezogene Linie (Zeichen 295) und jedenfalls nicht im Hinblick auf die Sperrfläche und ferner das linksseitige Vorbeifahren an der Fußgängerquerungshilfe unter Missachtung von Zeichen 222 (gar wenn man den klägerischen Vortrag ernst nehmen würde, er sei an beiden Querungshilfen linksseitig vorbeigefahren). Hier zeige sich ein besonders grober Verkehrsverstoß, da der Kläger sein möglichst schnelles Fortkommen über die Sicherheit des Straßenverkehrs stelle und andere Verkehrsteilnehmer gefährde.

Aus diesem Verhalten des Klägers folgert das OLG, dass die Verletzung der Pflicht des Beklagten zur 2. Rückschau gegenüber dem Verhalten des Klägers bei der Abwägung nichtmehr ins Gewicht falle. Auch wenn die Rückschaupflicht aus Rechtsgründen nicht entfallen sei, sei wegen der baulichen Situation innerorts euch ein über eine erhebliche Fahrstrecke angeordnetes faktisches Überholverbot mit mehrfachen verschiedenen Anordnungen, nach denen die Nutzung der Gegenfahrbahn ausgeschlossen werden sollte, und die einen einfachen Fahrfehler eines anderen Verkehrsteilnehmers nicht erwarten ließen, für den Beklagten kaum damit zu rechnen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer überholt, zumal hier bereits ein anderes Fahrzeug abgebogen sei. Die Markierung schütze, wo sie sich wegen der Enge der Fahrbahn faktisch wie ein Überholverbot auswirke, auch das Vertrauen des Vorausfahrenden, an dieser Stelle nicht überholt zu werden (BGH, Urteil vom 28.04.1987 - VI ZR 66/86 - zur ununterbrochenen Mittellinie, Zeichen 295, und Sperrfläche, Zeichen 298). Das besonders grob verkehrswidrige Verhalten des Klägers ließe es vorliegend angemessen erscheinen, die (Mit-) Haftung des Beklagten ausnahmsweise zurücktreten zu lassen (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.01.2017 - 16 U 116/16 -; OLG München, Urteil vom 17.09.1974 - 5 U 3417/73 -).

OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 08.10.2024 - 12 U 78/24 -

Sonntag, 2. März 2025

Gebührenstreitwert bei Klage auf Beseitigung von Baumängeln durch Bauunternehmer

Die Parteien stritten um die Beseitigung von klägerseits geltend gemachten Baumängeln, deren Beseitigung der Kläger durch die Beklagte begehrte. Der Kläger ging unter Bezugnahme auf zuvor in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten von Kosten in Höhe von€ 6.806,60 für die Beseitigung der Mängel zuzüglich einer Preissteigerung von 20% aus (€ 8.168,16). Das Landgericht übernahm für den Klageantrag den Wert von € 8.168,18. Die Beklagte legte dagegen Beschwerde ein mit der Begründung, Preissteigerungen seien irrelevant, da die Ausführung durch die Beklagte und nicht einen Dritten klägerseits begehrt worden sei. Die Beschwerde wurde nach Nichtabhilfe durch das Landgericht vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Der Ansatz der Beklagten, Preissteigerungen hätten außer Ansatz zu bleiben, da sie selbst die klägerseits benannten Ausbesserungen vornehmen sollte, treffe rechtlich nicht zu. Der Wert der Klage richte sich nach den objektiven Kosten einer Mangelbeseitigung. Die hier zum Klageantrag erforderliche Streitwertschätzung nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG iVm. § 3 ZPO orientiere sich alleine nach dem Interesse des Klägers (sogen. Angreiferinteresseprinzip). Dessen Interesse war nach dem Betrag zu bewerten, den er selbst hätte aufwenden müssen, um die Mängel beseitigen zu lassen; mithin seien die Marktpreise dafür relevant.

Unabhängig davon sei auch die Annahme der Beklagten verfehlt, bei eigener Ausführung sei eine Preissteigerung nicht relevant. Gestiegene Material- und Lohnkosten würden sie auch treffen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie während der Zeit, in der sie die Nacherfüllungsarbeiten für den Kläger verrichte, keine anderen Aufträge zu aktuellen Preisen ausführen könne.

Die vom Kläger vorgenommene Schätzung, die vom Landgericht übernommen worden sei, im Hinblick auf Preissteigerungen zwischen der Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren und dem maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung, sei nicht zu beanstanden. Nach dem Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes für Wohngebäude läge der Index im Basisjahr 2021 bei 100, im Jah 2023 dann bei 130,5. Daher sei eine Preissteigerung von 20% für die Zeit vom 30.07.2021 (Gutachtenerstattung) bis 13.09.2023 (Klageerhebung) angemessen.

Eine von Klägerseite ebenfalls eingelegte Beschwerde mit dem Ziel der Erhöhung des Wertes des Klageantrages wurde, wurde ebenfalls zurückgewiesen, da die Mindestbeschwer nicht erreicht sei. Im Übrigen wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass entgegen der Ansicht des Klägers, eine Preissteigerung nach der Klageeinreichung nicht den Gebührenwert nicht tangiere, da diese Preissteigerung nach § 40 GKG nicht berücksichtigungsfähig sei.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.12.2024 - 19 W 80/24 -

Freitag, 28. Februar 2025

Pflichtteilsstrafklausel: Stets Erbscheinvorlage im Grundbuchverfahren ?

In dem notariellen Testament der Eheleute heißt es, dass dann, wenn einer der Söhnen oder beide nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, sie nach dem Tod des Längstlebenden ebenfalls den Pflichtteil, erhalten. In diesem Fall soll der Überlebende neu testieren können. Sollte der Überlebende nicht eine neue Verfügung von Todes wegen machen, würde es bei der Erbeinsetzung „hier in diesem Testament“ verbleiben.

Nachdem beide Eheleute verstorben sind, beantragte der Beteiligte unter Bezugnahme auf das Testament und die Eröffnungsniederschrift die Berichtigung des Grundbuchs. Das Grundbuchamt verlangte mit der angefochtenen Zwischenverfügung eine eidesstattliche Versicherung über das Nichtgreifen der Pflichtteilsklausel, um danach mit weiterer Zwischenverfügung unter Hinweis darauf, das Grundbuchamt sie für eidesstattliche Versicherungen nicht zuständig, nur noch den Erbschein haben wollte. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Grundbuchamt nicht ab; das Kammergericht gab ihr schließlich statt, da ein Eintragungshindernis nicht bestünde, weshalb eine Zwischenverfügung nicht veranlasst gewesen sei.

Die Berichtigung einer (hier vorliegenden) Grundbucheintragung erfolge auf Antrag (§ 13 Abs. 1 GBO), wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunde (§ 29 GBO) nachgewiesen würde (§ 22 Abs. 1 GBO). Grundsätzlich würde der Nachweis der Unrichtigkeit bei Tod der Nachweis der Erbfolge durch Erbschein geführt werden (§ 35 Abs. 1 S. 1 GBO). Läge eine Verfügung von Todes wegen vor, die wie hier in einer öffentlichen Urkunde enthalten sei, genüge idR. die Vorlage der Niederschrift über deren Eröffnung (§ 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO). Zu prüfen sei vom Grundbuchamt, ob sich daraus das behauptete Erbrecht ergäbe, wobei es die Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen habe. Das entfalle nur, wenn für die Auslegung erst noch zu ermittelnde Umstände maßgeblich seien ( KG, Beschluss vom 29.10.2020 - 1 W 1463/20 -).

Unter Verweis auf seien eigene Entscheidung vom 06.03.2012 – 1 W 10/12 – wies das KG darauf hin, dass bei vorliegen einer sogen. Pflichtteilsstrafklausel (wie hier) der Nachweis der negativen Tatsache des Nichteintritts dieser Klausel eine eidesstattliche Versicherung ausreichend sei., wenn auch das Nachlassgericht eine solche Versicherung ohne weitere Ermittlung zugrunde legen würde. Das habe zunächst das Grundbuchamt auch so gesehen, dann aber mit der weiteren Zwischenverfügung in Ansehung des Beschlusses des BGH vom 10.02.2022 - V ZB 87/20 - zur (fehlenden) Befugnis der Grundbuchämter zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung davon Abstand genommen.

Die Pflichtteilsstrafklausel würde hier aber keine Lücke für einen Erbnahweis durch öffentliches Testament bilden. Denn die Erbfolge ergäbe sich hier trotz der Pflichtteilsstrafklausel aus dem Testament. Nach dessen Inhalt sollte der überlebende Ehegatte bei Geltendmachung des Pflichtteils durch die oder einen der Söhne berechtigt sein, neu zu testieren und sollte es bei der bisherigen testamentarischen Regelung auch im zweiten Erbfall verbleiben, wenn er nicht neu testiere. Damit sei der Verlust der Schlusserbenstellung nicht schon durch das Verlangen des Pflichtteils begründet, sondern hätte einer zusätzlichen Handlung (Erstellung eines neuen Testaments) des überlebenden Ehegatten bedurft.

Lediglich entfernt liegende Möglichkeiten würden das Verlangen nach Vorlage des Erbscheins nicht rechtfertigen können. Dass die Letztversterbende neu testiert haben könnte, stelle sich als eine solche Möglichkeit dar, die für die Anforderung eines Erbscheins nicht ausreichend sei; solche seien nur bei (hier nicht vorliegenden) konkreten Anhaltspunkten zu berücksichtigen (Scheidungsklausel, BGH, 17.02.2022 - V ZB 14/21 -).

Kammergericht, Beschluss vom 28.01.2025 - 1 W 37/25 -

Donnerstag, 27. Februar 2025

Selbstentzündung des Benzinkanisters und Betriebsgefahr nach § 7 StVG

Der Beklagte zu 2 wollte in einer Tiefgarage Benzin aus einem Plastikkanister in sein Fahrtzeug einfüllen. Nachdem der Kanister durch eine Stichflamme in Brand geriet kam es zu erheblichen Verrußungsschäden am Objekt der Versicherungsnehmerin der Klägerin; das Fahrzeug des Beklagten zu 2 nahm keinen Schaden. Die Klägerin, Gebäudeversicherer, regulierte den Schaden gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin und machte Regressansprüche nach § 86 VVG gegen die Beklagte zu 1 als Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs und deren Versicherungsnehmer, den Beklagten zu 2 geltend. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten war erfolgreich und führte zur Klageabweisung. 

Die Klägerin hatte ihren Anspruch auf § 7 StVG gestützt (wohl da von vornherein ein Verschulden des Beklagten zu 2 und damit eine Haftung nach § 823 BGB ausschied). Das OLG ordnete den Vorgang allerdings entgegen dem Landgericht nicht dem Betrieb eines Fahrzeugs zu, was für eine Haftung nach § 7 StVG des Halters (und nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG des Versicherers) in diesem Fall Voraussetzung wäre.

Die Schadensverursachung müsse nach § 7 StVG durch den Betrieb des Fahrzeugs bedingt sein, ohne dass es darauf ankäme, ob sich der Fahrzeugführer verkehrswidrig verhalten habe (sogen. Gefährdungshaftung). Ein Schaden sei bereits dann beim Betrieb eines Fahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren verwirklicht hätten. Also das Schadensgeschehen durch das Fahrzeug (mit)geprägt worden sei. Dabei sei der Begriff des Betriebs weit zu fassen, über die frühere maschinentechnische Auffassung hinaus hin zur verkehrstechnischen Auffassung. Die Gefahren gingen nicht nur vom Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern zunehmend von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden maschinenrechtlichen Auffassung nicht im Betrieb seien (BGH, Urteil vom 04.12.1958 – III ZR 117/57 -). Seither beschränke sich die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeugs nicht auf Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr oder privaten Verkehrsraum, sondern bestünde bei allen mit seinem Betrieb oder seinen Betriebseinrichtungen zusammenhängenden Unfällen, soweit ein örtlicher und zeitlicher Kausalzusammenhang mit dem Betrieb des Kraftahrzeuges oder dem Versagen seiner Betriebseinrichtung bestünde.

Danach sei eine Schadensentstehung beim Betrieb des Fahrzeugs hier zu verneinen, auch wenn das Betanken eines Kraftfahrzeugs hinreichend eng mit dessen Betrieb zusammenhänge und das Öffnen des Benzinkanisters diesem Vorgang dienen sollte. Erforderlich sei aber, dass sich die vom Fahrzeug ausgehende Gefahr irgendwie ausgewirkt haben müsse und das Schadensgeschehen durch das Fahrzeug mitgeprägt wurde. Hier allerdings sei das Fahrzeug bei dem Brand selbst unbeteiligt gewesen und habe keine Ursache für den Brand gesetzt. Damit habe sich keine dem Fahrzeug innewohnende Gefahr verwirklicht. Da mit dem Betanken des Fahrzeugs mittels des Benzinkanisters noch nicht begonnen worden sei, zeige auch das Urteil des BGH vom 21.01.2024 - VI ZR 253/13 – (dort: Selbstentzündung des Fahrzeugs infolge eines technischen Defekts an diesem) keine andere Wertung auf, da dort darauf abgestellt worden sei, dass Tanken ein Betriebsvorgang und der Tank ein Betriebsteil sei, grds. geeignet das Merkmal „beim Betrieb“ auszufüllen, doch sei noch nicht mit dem Betanken begonnen worden, so dass sich die entsprechenden Gefahren hier nicht verwirklicht hätten.

OLG Dresden, Urteil vom 01.10.2024 - 4 U 446/24 -

Mittwoch, 26. Februar 2025

Mieterhöhung bei Wohnraummietvertrag mit Stellplatz

Die Beklagte hatten eine Wohnung und einen Stellplatz von der Vermieterin gemietet. Der Mietzins für die Wohnung und den Stellplatz war in dem Mietvertrag nicht als einheitlicher Mietzins ausgewiesen, vielmehr war er gesondert für die Wohnung und den Stellplatz benannt. Im Rahmen einer Mieterhöhung bezog sich die Klägerin zur Begründung der Erhöhung der Miete für den Wohnraum auf den Mietspiegel, für die Stellplätze auf vier Vergleichsmieten.

Der BGH wies darauf hin, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision zurückweisen zu wollen, da kein Grund für eine Revisionszulassung vorläge. Für die Einordnung des Mietverhältnisses als Wohnraummietverhältnis nach § 549 Abs. 1 BGB, auf welches die Vorschriften der Wohnraummiete Anwendung finden würden und mithin auch §§ 558 ff BGB, oder als ein sonstiges Mietverhältnis, sei der prägende Vertragszweck entscheidend, als die Vorstellung der Parteien über die Nutzung des Mietobjekts. Entscheidend sei, was im Vordergrund stehen würde. Hier sei dies die Anmietung zu Wohnzwecken gewesen, wobei als Indiz auch die Flächen in Betracht kämen und deren Verhältnis zueinander. Hier sei der Schwerpunkt nach zutreffender Erwägung des Berufungsgerichts bei einer Wohnungsgröße von rund 94qm, dem nur ein Stellplatz gegenüberstünde, die Wohnnutzung.

Vorliegend sei das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vorschriften der §§ 558 ff BGB auch hinsichtlich des auf den Stellplatz entfallenden Mietanteils anwendbar seien.  Der Vermieter könne nach § 558 Abs. 1 S. 1 BGB die Zustimmung zur Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung ein treten soll, 15 Monate unverändert gewesen sei. Das Mieterhöhungsverlangen habe die formellen Anforderungen erfüllt.

Das Mieterhöhungsverlangen müsse auch begründet werden, damit der Mieter dieses überprüfen könne und sich schlüssig werden könne, ob er dem zustimme oder nicht.  Dazu müsse das Erhöhungsverlangen Angaben über Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleite, und zwar in dem Umfang, die der Mieter benötige, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und zumindest ansatzweise überprüfen zu können.

Dem sie die Klägerin nachgekommen. Sie habe die Erhöhung der Miete für den Wohnraum auf den Mietspiegel gestützt, bei dem es sich gem. § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB um ein zulässiges Begründungsmittel handele. Aber auch die Heranziehung der monatlich zu zahlenden Entgelte für vier Vergleichsstellplätze zur Erhöhung der Stellplatzmiete sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Zwar würde derartige Entgelte in § 558a Abs. 2 BGB nicht explizit genannt, doch enthalte die Norm keine abschließende Aufzählung (BGH, Urteil vom 13.11.2013 - VIII ZR 413/12 -).

Die ortsübliche Vergleichsmiete würde nach § 558 Abs. 2 S. 1 BGB aus den üblichen Entgelten gebildet.

Offen bleibe, ob die ortsübliche Vergleichsmiete iSv. § 558 Abs. 2 S. 1 BGB bei Vorliegen eines einheitlichen Mietverhältnisses über eine Wohnung und einen Stellplatz – wie hier – durch die Heranziehung eines Mietspiegel für die Wohnung und unter Zugrundelegung der ortsüblichen Stellplatzmiete für den Stellplatz bestimmt werden könne (so LG Rottweil, Urteil vom 03.04.1998 - 1 S 29/97 -), oder ob auf die ortsübliche Vergleichsmiete für das gesamte Mietobjekt (Wohnung und Stellplatz) abzustellen sei (so AG Koblenz, Urteil vom 25.01.2024 - 142 C 1742/23 -; AG Köln, Urteil vom 27.01.2026 - 220 C 409/15 -). Vorliegend würde dies auf den selben Mietzins hinauslaufen.

Nach den Hinweisen wurde die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen.

BGH, Hinweisbeschluss vom 22.10.2024 - VIII ZR 249/23 -

Samstag, 22. Februar 2025

Garagenräumung: Streitwert und ordnungsgemäße Berufungsbegründung

Die Klage richtete sich auf Räumung und Herausgabe einer Garage und Herausgabe einer Garage nach Kündigung derselben. Die Monatsmiete betrug € 26,00 und das Amtsgericht hat einen Wert von bis zu € 500,00 festgesetzt. Das Landgericht hatte die vom Amtsgericht nicht zugelassene Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) des Beklagten wegen Unterschreitens der Berufungssumme (sie muss € 600,00 überschreiten, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), verworfen. Dagegen wandte sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, die der BGH verwarf.

Die Rechtsbeschwerde sei zwar statthaft (§§ 522 Abs. 21 S. 4, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), aber nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt seien.

Allerdings könne nicht alleine auf die Unterschreitung des nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Wertes abgestellt werden, da entscheidend das Interesse des Beklagten an der Abänderung des angefochtenen Urteils hier die Wertgrenze von € 600,00 überschritten sei. Der Wert des Beschwerdegegenstandes sei nach §§ 2, 3 ZPO nach freien Ermessen des Berufungsgerichts zu bestimmen und im Rahmen der Rechtsbeschwerde müsse vom BGH geprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der Ausübung des Ermessens die in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte  umfassend berücksichtigte (BGH, Beschluss vom 21.05.2019 - VIII ZB 66/18 -). Hier würde sich der Wert nicht nach dem allein für die Bemessung der Gerichtsgebühren maßgeblichen Gerichtskostengesetz, sondern denjenigen der Zivilprozessordnung (ZPO) orientieren, vorliegend nach §§ 8 f ZPO (BGH, Beschluss vom 26.11.2015 - III ZB 84/15 -). Bei einem Räumungsrechtstreit der Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses ungewiss oder ließe sich der Zeitpunkt der Beendigung nicht bestimmen, sei § 9 ZPO anwendbar, mithin der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Entgelts (BG, Beschluss vom 23.01.2019 - XII ZR 95/17 -). Damit läge der Wert vorliegend über € 600,00. Da sich der Beklagte auf eine Fortdauer des Mietvertrages berufen habe, sei der Beendigungszeitpunkt streitig.

Die landgerichtliche Entscheidung beruhe aber nicht auf diesen Rechtsfehler. Es würde an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Berufungsbegründung ermangeln. Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO müssten in der Berufungsbegründung die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und ihre Erheblichkeit ergeben würden. Zudem müssten konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden, bezeichnet werden (§ 530 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO) sowie etwaige neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel und die Tatsachen benannt werden, auf Grund derer die neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach § 531 ZPO zuzulassen seien (§ 530 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO). Anmerkung: Dies muss innerhalb der (ggf. verlängerten) Berufungsbegründungsfrist erfolgen.

Diesen Anforderungen habe die Berufungsbegründung nicht genügt. Es sei lediglich gerügt worden, es fehle dem Urteil  mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 313a ZPO an dem notwendigen Tatbestand (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Das Amtsgericht habe die Beschwer unzutreffend auf einen Wert von unter € 600,00 bemessen, deshalb die Berufung zu Unrecht für unstatthaft gehalten und damit den Anspruch des Beklagten auf effektiven Rechtsschutz verkürzt. Es würde sich aber nicht ergeben, weshalb in der Sache eine andere Entscheidung hätte ergehen müssen bzw. materiell-rechtlich die amtsgerichtliche Entscheidung unrichtig sein soll. Der Verweis auf den fehlenden Tatbestand zeigt für sich keinen Umstand auf, aus dem sich eine Erheblichkeit der Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung ergeben könne. Die angefochtene Entscheidung beruhe nicht auf dem Fehlen des Tatbestandes, vielmehr läge der Verfahrensfehler in der amtsgerichtlichen Entscheidung selbst.

Anmerkung: Nach § 313 Abs. 2 ZPO müssen im Tatbestand „die erhobenen Ansprüche und dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden“. Fehlt es daran, liegen aber – wie offenbar hier – Entscheidungsgründe vor, so kann sich ein Berufungsführer mit den Entscheidungsgründen auseinandersetzen. Inwieweit der fehlende Tatbestand auf die Entscheidung Einfluss hat, wäre ggf. darzulegen.

BGH, Beschluss vom 07.08.2024 - XII ZB 121/24 -

Dienstag, 18. Februar 2025

Haftung des auf falscher Straßenseite und Gehweg fahrenden Radfahrers

Die Klägerin befuhr mit ihrem Fahrrad einen Gehweg auf der linken Seite der Sch-Straße. Dabei fuhr sie Richtung Stegeweg, der auf die Sch-Straße mündet; der Verkehr auf der Sch-Straße ist bevorrechtigt; im Stegeweg ist ein Stoppschild. Der Beklagte fuhr den Stegweg und kollidierte im Einmündungsbereich zur Sch-Straße mit der Klägerin, die sich verletzte und deren Fahrrad beschädigt wurde. Da der Beklagte (und sein Versicherer) nicht den Schaden regulierten, erhob die Klägern Klage, die abgewiesen wurde. Dabei ging das Landgericht nach Beweisaufnahme davon aus, dass die Klägerin den Verkehrsunfall durch ein grob verkehrswidriges Verhalten selbst und allein verschuldet habe.

Die Klägerin hätte den Gehweg als Erwachsene nicht befahren dürfen, § 2 Abs. 5 StVO, weshalb sie hier schon grob verkehrswidrig gehandelt habe. Zudem sei sie auf der Sch-Straße links statt rechts gefahren, was ebenfalls grob verkehrswidrig gewesen sei.

Verfehlt sei zudem die Annahme der Klägerin, sie sei gegenüber dem Kraftfahrer, der aus der Straße Stegeweg kam, vorfahrtsberechtigt gewesen. Zwar sei der Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn der Sch-Straße gegenüber dem Verkehr auf dem Stegeweg vorfahrtsberechtigt. Dieses Vorfahrtsrecht habe aber die Klägerin, die verbotswidrig und in falscher Richtung auf dem Gehweg der Sch-Straße fuhr, nicht für sich beanspruchen können. Durch die Nutzung des Gehweges habe für sie § 10 StVO (Einfahren und Anfahren) gegolten. Sie gelte hie als in die Fahrbahn Einfahrende und habe sich mithin so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Weiterhin habe sie als Nutzerin des Gehweges § 25 StVO (Fußgänger) halten und dürfe die Straße danach letztlich nur überqueren, wenn kein Verkehr käme, denn dieser habe gegenüber einem Fußgänger Vorrang. Nach eigene Angaben habe die Klägerin den Pkw am Stoppschild des Stegeweg stehen gesehen; sie habe nicht gewartet, bis das Beklagtenfahrzug abgefahren sei, sondern sei einfach auf den Stegeweg aufgefahren und fuhr dort ungebremst gegen den Pkw, der dabei gewesen sei, sich in die Sch-Straße, aufgrund schlechter Einsehbarkeit, hineinzutasten.  

Damit habe die Klägerin massiv gegen bestehende Verkehrsregeln verstoßen, weshalb die Betriebsgefahr des Pkw völlig zurücktreten würde. Der Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin sich verkehrsgerecht verhalten würde und von dem Gehweg nur auf die Fahrbahn auffährt, wenn sie den Fahrzeugverkehr nicht behindert.

LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 19.07.2024 - 12 O 23/23 -

Freitag, 14. Februar 2025

Software-Vertrag: Gerichtsstand bei Beteiligten aus zwei Mitgliedsstaaten der EU

Die Klägerin, ein österreichisches Unternehmen, schloss mit einem in Deutschland ansässigen Unternehmen (Beklagte) einen Softwarevertrag. Die Klägerin entwickelte Software und die Parteien schlossen einen Vertrag über die Entwicklung und den Betrieb dieser Software in Deutschland. Es entstand Streit darüber, ob die Software allen rechtlichen Vorgaben entspricht. Die Klägerin klagte ihre Vergütung in Österreich ein; die Parteien hatten keinen Erfüllungsort und auch keinen Gerichtsstand vereinbart. Das Erstgericht verneinte die internationale Zuständigkeit, da der Erfüllungsort am Sitz des deutschen Unternehmens läge. Das Rekursgericht folget dem. Im Revisionsverfahren fragte sich der Oberste Gerichtshof (Österreich), ob für die Bestimmung des Erfüllungsortes bei Distanzdienstleistungen der Ort maßgeblich ist, an dem der Dienstleistungserbringer schöpferisch tätig ist, oder der Ort, an dem dies erbracht wurde bzw. wo sie den Gläubiger derselben erreiche.

Grundlagen des sogen. Vorabentscheidungsverfahrens zur Frage des örtlich und in der EU zuständigen Gerichts war die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, wonach sich die Zuständigkeit grundsätzlich der Wohnsitz des Beklagten richten soll (Erwägungsründe 15 und 16 der Verordnung).     Art. 7 der VO sehe vor, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates habe, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden könne, u.a. (Z.1b) 2. Spiegelstrich) für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedsstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder nach dem Vertrag hätten geliefert werden sollen.

Das vorlegende Gericht würde mit seiner Frage wissen wollen, ob Art. 7 Nr. 1 b) 2. Spiegelstrich dahin auszulegen sei, dass Erfüllungsort bei einem Vertrag über die Entwicklung und den anschließenden Betrieb einer Software, die nach den Bedürfnissen des Bestellers ausgerichtet sei, der in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sei als das für die Schöpfung, Erstellung und Programmierung zuständige Unternehmen, der Ort sei, an dem die Schöpfung pp. stattgefunden habe oder der Ort, an dem die Software dem Besteller erreiche, von diesem also abgerufen und eingesetzt werden könne.  

Die Verordnung bezwecke, so der EuGH, die Vorschriften in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften zu vereinheitlichen. Es soll ohne weiteres für in der EU ansässige Personen möglich sein, festzustellen, welches Gericht sie anrufen könne, wie auch ein potentieller Beklagter feststellen könne, vor welchem Gericht er verklagt werden könne. Die in Art. 7 Nr. 1 enthaltende Regel eines Gerichtsstandes für Streitigkeiten zu einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem solchen entspräche dem Ziel der räumlichen Nähe und habe ihren Grund in der engen Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht.

In Art. 7 Nr. 1 b) 2. Spiegelstrich würde das Anknüpfungskriterium für den Gerichtsstand autonom der Ort in einem Mitgliedsland angesehen, an dem die Dienstleitung erbracht werden soll oder würde, weshalb dieses autonome Anknüpfungskriterium für sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag für Dienstleistungen anwendbar sei. Es käme damit darauf an, an welchem Ort die hauptsächliche Leistungserbringung nach dem Vertrag, mangels einer dortigen Bestimmung aus dessen tatsächliche Erfüllung, erfolge. Bei einer Mehrzahl von vertraglichen Verpflichtungen sei die charakteristische Verpflichtung zu bestimmen.

Die Erstellung und Programmierung einer Software sei keine charakteristische Verpflichtung eines solchen Vertrages über die Lieferung von Software (wie hier), da die vertragsgegenständliche Dienstleistung dem betreffenden Besteller nicht tatsächlich erbracht würde, solange diese nicht einsatzbereit sei. Die Dienstleistung würde erst erbracht, wenn sie einsatzbereit und ihre Qualität geprüft werden könne. Da die charakteristische Verpflichtung eines Vertrages über die Online-Lieferung von Software wie im Ausgangsverfahren darin bestünde, diese dem Besteller zur Verfügung zu stellen, sei Erfüllungsort der Ort, an dem die Software dem Besteller erreichte, d.h. der Ort, an dem sie von ihm abgerufen und zum Einsatz gebracht würde. Würde die Software an verschiedenen Orten zum Einsatz gebracht, befände sich dieser Ort am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Bestellers, da es sich für Kläger und Beklagten um einen feststehenden und feststellbaren Ort handele, der geeignet sei, die Beweiserhebung und Geltung des Prozesses zu vereinfachen.

Nicht entscheidend sei, dass – wie die Beklagte geltend mache – die Vorgaben, an die sich die Klägerin hätte halte müssen, in den Rechtsvorschriften des Mitgliedslandes BRD zu sehen seien. Zwar entspräche dieser Anknüpfungspunkt den in den Erwägungsgründen der VO genannten Zielen der Vorhersehbarkeit und räumlichen Nähe. Da sich die Parteien aber uneins über die Tragweite dieser Vorgaben seien, dies zur inhaltlichen Klärung des zuständigen Gerichts gehöre, könne dies nicht berücksichtigt werden, da die Bestimmung des Erfüllungsortes nicht von Kriterien abhängen dürfe, die Teil der inhaltlichen Prüfung der Klage seien.

EuGH, Urteil vom 28.11.2024 - C-526/23 -