Die Klägerin machte im Rahmen einer offenen Teilklage nach einem Verkehrsunfall ein weiteres Teilschmerzensgeld in Bezug auf eine behauptete psychische Beeinträchtigung infolge der schweren Verletzungen (Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung, ein zusammengeklappter Lungenflügel) ihres sechs Wochen alten Sohnes bei dem Verkehrsunfall geltend. Das Berufungsgericht hatte psychische Beeinträchtigungen der Klägerin bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts durch den BGH und Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses. Dies stützte der BGH auf die Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG durch das Berufungsgericht.
Voraussetzung für eine entschädigungspflichtige psychische Störung, die bei dem Geschädigten mittelbar durch die Verletzung eines Rechtsgutes bei einem Dritten verursacht worden sei (sogen. „Schockschaden“), eine Gesundheitsverletzung wie im Falle unmittelbarer Einwirkung darstelle, wenn sie pathologisch fassbar sei, mithin einen Krankheitswert habe (BGH, Urteil vom 06.12.2022 - VI ZR 168/21 -). Würde es sich bei der psychischen Beeinträchtigung um einen Primärschaden handeln, sei das strenge Beweismaß des § 286 ZPO zu beachten, also der Vollbeweis erforderlich.
Hier habe allerdings das Berufungsgericht überhöhte Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Klägerin gestellt. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften habe, verstoße sie gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie offenkundig unrichtig sei (BGH, Urteil vom 16.02.2021 - VI ZR 1104/20 -).
Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs sei dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich seien, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Nähere Einzelheiten seien nicht erforderlich, soweit nicht für die Rechtsfolgen von Bedeutung. Seien diese Anforderungen erfüllt, sei in die Beweisaufnahme einzutreten (BGH, Urteil vom 06.02.2024 - VI ZR 526/20 -).
Im Hinblick auf Schadensersatz wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit verwies der BGH darauf, dass von einem Kläger bei Geltendmachung eines Schadensersatzspruchs wegen Körper- oder Gesundheitsschäden nicht verlangt werden könne, genaue Kenntnisse medizinischer Zusammenhänge zu haben und dies auch nicht gefordert werden könne. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen (BGH, Urteil vom 28.05.2019 - VI ZR 328/17 -).
Die Klägerin habe psychische Beschwerden beschrieben und in der Berufungsbegründung die Behauptung aufgestellt, dass es sich bei diesen um „pathologisch feststellbare Gesundheitsbeeinträchtigungen im psychischen Bereich“ handele; ferner habe sie aus Berichten zitiert, wonach ihre psychische Situation das „gesundheitliche Hauptproblem“ sei und dort von deutlichen Hinweisen auf Anpassungsstörungen die Rede sei, weshalb auch eine Verhaltenstherapie empfohlen worden sei. Auf Behandlungen verwies sie ebenfalls, die „medizinisch geboten“ gewesen seien. Dies alles reiche für eine gebotene Substantiierung, die von einem medizinischen Laien erwartet werden könne, der in seinen Beschwerden Symptome einer unfallbedingten psychischen Erkrankung vermute. Es war also nicht erforderlich, dass die Klägerin vorträgt, dass eine fachkundige Person die Klassifikation nach ICD-10 vorgenommen habe und sie habe auch nicht eine entsprechende Bescheinigung ihrer Psychotherapeutin vorlegen müssen. Vielmehr sei nach diesem Vortrag zu ihrer Behauptung, dass es sich bei den Beschwerden um pathologisch feststellbare Gesundheitsbeeinträchtigungen im psychischen Bereich handele“, durch Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Würde dies bejaht, wäre weitere Haftungsvoraussetzung die Kausalität und er Zurechnungszusammenhang, der bei mittelbaren Schädigungen wie hier gesondert zu prüfen sei (BGH, Urteil vom 06.12.2022 – VI ZR 168/21 -).
BGH, Beschluss vom 11.02.2025 - VI ZR 185/24 -