Die Klage richtete sich auf Räumung und Herausgabe einer Garage und Herausgabe einer Garage nach Kündigung derselben. Die Monatsmiete betrug € 26,00 und das Amtsgericht hat einen Wert von bis zu € 500,00 festgesetzt. Das Landgericht hatte die vom Amtsgericht nicht zugelassene Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) des Beklagten wegen Unterschreitens der Berufungssumme (sie muss € 600,00 überschreiten, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), verworfen. Dagegen wandte sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, die der BGH verwarf.
Die Rechtsbeschwerde sei zwar statthaft (§§ 522 Abs. 21 S. 4, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), aber nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt seien.
Allerdings könne nicht alleine auf die Unterschreitung des nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Wertes abgestellt werden, da entscheidend das Interesse des Beklagten an der Abänderung des angefochtenen Urteils hier die Wertgrenze von € 600,00 überschritten sei. Der Wert des Beschwerdegegenstandes sei nach §§ 2, 3 ZPO nach freien Ermessen des Berufungsgerichts zu bestimmen und im Rahmen der Rechtsbeschwerde müsse vom BGH geprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der Ausübung des Ermessens die in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte umfassend berücksichtigte (BGH, Beschluss vom 21.05.2019 - VIII ZB 66/18 -). Hier würde sich der Wert nicht nach dem allein für die Bemessung der Gerichtsgebühren maßgeblichen Gerichtskostengesetz, sondern denjenigen der Zivilprozessordnung (ZPO) orientieren, vorliegend nach §§ 8 f ZPO (BGH, Beschluss vom 26.11.2015 - III ZB 84/15 -). Bei einem Räumungsrechtstreit der Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses ungewiss oder ließe sich der Zeitpunkt der Beendigung nicht bestimmen, sei § 9 ZPO anwendbar, mithin der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Entgelts (BG, Beschluss vom 23.01.2019 - XII ZR 95/17 -). Damit läge der Wert vorliegend über € 600,00. Da sich der Beklagte auf eine Fortdauer des Mietvertrages berufen habe, sei der Beendigungszeitpunkt streitig.
Die landgerichtliche Entscheidung beruhe aber nicht auf diesen Rechtsfehler. Es würde an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Berufungsbegründung ermangeln. Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO müssten in der Berufungsbegründung die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und ihre Erheblichkeit ergeben würden. Zudem müssten konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden, bezeichnet werden (§ 530 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO) sowie etwaige neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel und die Tatsachen benannt werden, auf Grund derer die neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach § 531 ZPO zuzulassen seien (§ 530 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO). Anmerkung: Dies muss innerhalb der (ggf. verlängerten) Berufungsbegründungsfrist erfolgen.
Diesen Anforderungen habe die Berufungsbegründung nicht genügt. Es sei lediglich gerügt worden, es fehle dem Urteil mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 313a ZPO an dem notwendigen Tatbestand (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Das Amtsgericht habe die Beschwer unzutreffend auf einen Wert von unter € 600,00 bemessen, deshalb die Berufung zu Unrecht für unstatthaft gehalten und damit den Anspruch des Beklagten auf effektiven Rechtsschutz verkürzt. Es würde sich aber nicht ergeben, weshalb in der Sache eine andere Entscheidung hätte ergehen müssen bzw. materiell-rechtlich die amtsgerichtliche Entscheidung unrichtig sein soll. Der Verweis auf den fehlenden Tatbestand zeigt für sich keinen Umstand auf, aus dem sich eine Erheblichkeit der Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung ergeben könne. Die angefochtene Entscheidung beruhe nicht auf dem Fehlen des Tatbestandes, vielmehr läge der Verfahrensfehler in der amtsgerichtlichen Entscheidung selbst.
Anmerkung: Nach § 313 Abs. 2 ZPO müssen im Tatbestand „die erhobenen Ansprüche und dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden“. Fehlt es daran, liegen aber – wie offenbar hier – Entscheidungsgründe vor, so kann sich ein Berufungsführer mit den Entscheidungsgründen auseinandersetzen. Inwieweit der fehlende Tatbestand auf die Entscheidung Einfluss hat, wäre ggf. darzulegen.
BGH, Beschluss vom
07.08.2024 - XII ZB 121/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 22. Februar 2024 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.
Wert: bis 500 €
Gründe
I.
Die
Rechtsbeschwerde des Beklagten richtet sich gegen die Verwerfung seiner
Berufung wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts.
Die Klägerinnen
nehmen den Beklagten nach Kündigung eines Mietvertrags über eine Garage auf
Räumung und Herausgabe in Anspruch. Das Amtsgericht hat den Beklagten
antragsgemäß verurteilt, den Streitwert auf der Grundlage einer Monatsmiete von
26 € auf einen Wert in der Streitwertstufe bis 500 € festgesetzt und
die Berufung nicht zugelassen. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten
wegen Unterschreitung des erforderlichen Beschwerdewerts verworfen. Hiergegen
wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die
Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die
Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht
zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt
sind. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einem
symptomatischen Rechtsfehler noch ist der Beklagte hierdurch in seinem
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1, 19
Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) verletzt.
2. Das
Landgericht hält sich mit seiner Entscheidung, die Berufung des Beklagten zu
verwerfen, im Ergebnis im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
a)
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung allerdings nicht
bereits wegen Unterschreitung des nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
erforderlichen Werts des Beschwerdegegenstandes unzulässig. Denn das insoweit
maßgebliche Interesse des Beklagten an der Abänderung des angefochtenen Urteils
übersteigt die Wertgrenze von 600 €.
aa) Die
gemäß §§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts liegende
Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes kann vom
Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das
Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden
Umstände nicht umfassend berücksichtigt, die Grenzen des Ermessens
überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH Beschluss vom 21. Mai 2019
- VIII ZB 66/18 - NZM 2019, 516 Rn. 9 mwN).
bb) Ein
solcher Ermessensfehler liegt hier vor. Anders als das Berufungsgericht meint,
richtet sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht nach den Vorschriften
des allein für die Bemessung der Gerichtsgebühren maßgeblichen
Gerichtskostengesetzes, sondern nach denjenigen der Zivilprozessordnung, im
Falle einer Räumungsklage namentlich nach §§ 8 f. ZPO (vgl. BGH
Beschluss vom 26. November 2015 - III ZB 84/15 - NZM
2016, 196 Rn. 5; Zöller/Heßler ZPO 35. Aufl. § 511 Rn. 20
mwN). Ist bei einem Räumungsrechtsstreit der Zeitpunkt der Beendigung des
Mietverhältnisses ungewiss oder lässt sich die streitige Zeit nicht ermitteln,
ist § 9 ZPO für die Bemessung der Beschwer entsprechend anwendbar und der
dreieinhalbfache Wert des einjährigen Entgelts anzusetzen (vgl. Senatsbeschluss
vom 23. Januar 2019 - XII ZR 95/17 - NJW-Spezial 2019,
220).
Danach
übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes vorliegend die nach § 511
Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Wertgrenze von 600 €. Dieser
richtet sich nach § 9 ZPO und bemisst sich damit auf den dreieinhalbfachen
Wert des einjährigen Entgelts, mithin ausgehend von einer monatlichen Miete von
26 € auf 1.092 €. Denn der Beendigungszeitpunkt des
streitgegenständlichen Mietvertrags ist, nachdem sich der Beklagte auf eine
Fortdauer des Mietvertrags auf unbestimmte Zeit berufen hat, zwischen den
Parteien streitig und damit ungewiss.
b) Auf
diesem Rechtsfehler beruht die angefochtene Entscheidung jedoch nicht. Denn die
Berufung ist im Ergebnis zu Recht und ohne Verletzung des Beklagten in seinem
Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verworfen worden, weil es an einer den
Anforderungen entsprechenden Berufungsbegründung fehlt.
aa) Nach
§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO müssen in der
Berufungsbegründungsschrift die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die
Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung
ergibt. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit
oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine
erneute Feststellung gebieten, bezeichnet (§ 520 Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 ZPO) sowie etwaige neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel und die
Tatsachen benannt werden, auf Grund derer die neuen Angriffs- und
Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind (§ 520
Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO).
bb)
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung - worauf die
Rechtsbeschwerdeerwiderung der Sache nach zu Recht hingewiesen hat - nicht
gerecht. Mit dieser hat der Beklagte lediglich geltend gemacht, es fehle der
angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung an dem mangels Vorliegens der
Voraussetzungen des § 313 a ZPO notwendigen Tatbestand. Das
Amtsgericht habe die Beschwer des Beklagten rechtsfehlerhaft auf der Grundlage
des Gerichtskostengesetzes auf einen Betrag von unter 600 € bemessen,
deshalb die Berufung zu Unrecht für unstatthaft gehalten und damit dessen
Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verkürzt. Aus der Berufungsbegründung
ergibt sich indes nicht, warum in der Sache eine andere Entscheidung hätte
ergehen müssen bzw. warum die amtsgerichtliche Entscheidung materiell-rechtlich
unrichtig sein sollte. Die Rechtsbeschwerde enthält keine den Anforderungen des
§ 520 Abs. 3 ZPO genügenden Angriffe gegen die Entscheidungsgründe
des Amtsgerichts. Insbesondere zeigt die bloße Beanstandung, es fehle der
angefochtenen Entscheidung am erforderlichen Tatbestand, keinen Umstand auf,
aus dem sich die Erheblichkeit der Rechtsverletzung für die angefochtene
Entscheidung ergeben kann. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf dem
Fehlen des Tatbestands, vielmehr liegt der Verfahrensfehler in der
amtsgerichtlichen Entscheidung selbst.
Von einer
weiteren Begründung der Entscheidung wird nach § 577 Abs. 6
Satz 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
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