Die Parteien waren Mitglieder
einer Teileigentümergemeinschaft, die aus sieben Einheiten bestand. Nach der Teilungserklärung
„dürfen“ die Einheiten „zur beruflichen oder gewerblichen Nutzung“ dienen, „insbesondere
als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden“. Der Beklagte war Eigentümer einer
als Arztpraxis vermieteten Einheit im Erdgeschoss; nach Errichtung eines
Ärztehauses in der Nachbarschaft kündigte der Mieter. Er bildete die Einheit um
und vermiete sie als Wohnraum. Das Amtsgericht wies die auf Unterlassung der
Vermietung als Wohnraum gerichtete Klage zurück. Die Berufung dagegen war
erfolgreich. Mit seiner Revision bei dem BGH drang der Beklagte nicht durch.
Es bestünde ein
Unterlassungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG. Danach könne jeder
Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile
und des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechend der Vereinbarung (Teilungserklärung,
Gemeinschaftsordnung) verlangen. Die Nutzung der Einheit des Beklagten zu
Wohnzwecken widerspreche der Teilungserklärung (TE) bzw. im weiteren Sinne den
in der Teilungserklärung enthaltenen Regelungen der Gemeinschaftsordnung.
Soweit es in der TE heiße, die
Einheiten „dürfen“ beruflich oder gewerblich genutzt werden, würde es sich
trotz des verwandten Verbs „dürfen“ um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter
handeln iSv. § 15 Abs. 1 WEG handeln (BGH, Urteil vom 27.10.2017 - V ZR 193/16
-). Dies ergäbe sich aus der Vorbemerkung zu der TE, demzufolge das gesamte Gebäude
„zur beruflichen und gewerblichen Nutzung dienen wird“.
Der BGH wies darauf hin, dass eine
nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung sich aber als zulässig
erweisen können, wenn sie „bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört
als die vorgesehene Nutzung“. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, auch wenn die
Teilungserklärung jegliche berufliche oder gewerbliche Nutzung als lediglich
für Apotheke und Arztpraxis erlauben sollte. Dabei sei hier zu berücksichtigen,
dass die Anlage ausschließlich aus Teileigentumseinheiten bestünde und das
gesamte Gebäude gewerblichen oder beruflichen Zwecken diene. Es könne
dahinstehen, wie es sich bei einer Anlage mit Wohnungs- und Teileigentum
verhalte. Bei der notwendigen typisierenden Betrachtungsweise sei die Nutzung
eines Teileigentums zu Wohnzwecken in einem lediglich beruflichen oder gewerblichen
Zwecken dienenden Gebäude schon deshalb störender als die vorgesehene
Nutzungsart, da eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen (Küchengerüche,
Freizeit- und Kinderlärm, Musik pp.) sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums
(wie im Hausflur herumstehender Gegenstände) verbunden sei und ganztägig, auch
an Wochenenden, erfolge. Nicht entscheidend sei, on durch die Wohnnutzung ein
geringerer Besucherandrang vorläge oder sich die Anlage in einem reinen
Wohngebiet befinde. Die Teileigentümer hätten ein berechtigtes Interesse daran,
dass der professionelle Charakter der Anlage erhalten bleibe, um mögliche Konflikte
durch eine in der TE nicht angelegte gemischte Nutzung von vornherein zu
vermeiden. Sie dürften darauf vertrauen, dass sich alle Teileigentümer an die
vereinbarten Zweckbestimmungen halten.
Der Umstand, dass eine
Heimnutzung, die typischerweise dem Aufenthalt von Menschen rund um die Uhr
dient, als in Teileigentumseinheiten grundsätzlich statthaft angesehen würde (BGH
aaO.), spreche hier nicht gegen das Unterlassen. Eine Heimnutzung müsse von
einer reinen Wohnnutzung abgegrenzt werden, da sie sich von dieser
unterscheide.
Der Beklagte könnte einen Anspruch
auf eine Änderung der TE gem. § 10 Abs. 3 S. 2 WEG haben. Dieser fall läge vor,
wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und
Interessen der anderen Eigentümer, unbillig erscheine. Dies ließe sich hiernach
den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneinen. Dabei sei
zu berücksichtigen, dass die Kodifizierung des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG die Hürden
an die Anpassung bewusst abgesenkt habe, indem nun nur noch „schwerwiegende
Gründe“ und nicht mehr „außergewöhnliche Umstände“ erforderlich seien. Solche
schwerwiegenden Gründe könnten vorliegen, wenn (wie der beklagte behauptet)
eine dauerhafte gewerbliche Vermietung angesichts der Lage und Ausstattung des Gebäudes
nicht ernsthaft zu erwarten sei. Darüber hinaus müsse geprüft werden, welche
Interessen aus Sicht der anderen Eigentümerneben dem formalen Interesse gegen
die Anpassung sprechen würden. Hier könnten bauliche Gegebenheiten bedeutsam
sein, da die Einheit des Beklagten im Erdgeschoß läge und so möglicherweise den
Eindruck von der Anlage prägen könnte, wobei allerdings auch zu berücksichtigen
sei, dass der Beklagte dafür gesorgt haben soll, dass die zwei aus dem
Teileigentum hervorgegangenen Wohnungen über einen hinter der Eingangstür gelegenen
gemeinsamen Windfang betreten würden. Auch müsse bei der Abwägung nach § 10
Abs. 2 S. 3 WEG bedacht werden, dass sich ein dauerhafter Leerstand für die
gesamte Anlage nachteilig erweisen könnte.
Allerdings könne der Beklage einen
eventuell danach bestehenden Anpassungsanspruch nach § 10 Abs. 2 S. 4 WEG dem
Unterlassungsanspruch nicht einredeweise entgegenhalten (BGH, Beschluss vom
13.07.1995 - V ZB 6/94 -). Die Gemeinschaftsordnung würde solange gelten, bis
sie durch Vereinbarung aller Eigentümer oder durch richterliche Entscheidung
ersetzt worden sei. Berechtigte Anpassungsbegehren müssten in der
Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden, damit klar und eindeutig ist, welche
Vereinbarungen im Verhältnis der Wohnungs-/Teileigentümer untereinander gelten.
Dieses Ziel könne nicht erreicht werden, wenn eine entsprechende Einrede
geltend gemacht werden könne. Durch eine die Einrede berücksichtigende Entscheidung
würde auch nicht eine Anpassung in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden
können. Keiner Entscheidung bedürfe es, wie zu verfahren gewesen wäre, wenn der
Beklagte Widerklage auf Anpassung der Gemeinschaftsordnung erhoben hätte (da
eine Widerklage nicht vorlag).
BGH, Urteil vom 15.07.2022
- V ZR 127/21 -