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Samstag, 16. September 2023

Geschäftswert im Erbscheinerteilungsverfahren bei Rückübertragungsrecht an Grundstück

Der Mutter des Erblassers (die Beteiligte) wurde auf deren Antrag am 20.09.2021 ein Erbschein als Alleinerbin erteilt; der Erblasser war kinderlos. Zum Nachlass gehörte ein Grundstück, welches die Beteiligte mit notariellen Vertrag auf ihren Sohn übertrug und an dem sie sich einem lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vorbehielt; ferner war in dem notariellen Vertrag geregelt, dass sich die Beteiligte für den Fall, dass ihr Sohn ohne Hinterlassung von Abkömmlingen versterben würde. Am 25.10.2021 schloss die Beteiligte einen notariellen Vertrag, bei dem sie als Rückforderungsberechtigte (genannt Erwerberin) als auch als Alleinerbin (genannt Veräußerer) auftrat und erklärte die Einigung, dass das Grundstück auf die Erwerberin übergeht und bewilligte die dann auch im Grundbuch vollzogene Einigung.

Das Nachlassgericht schätzte den Wert des Grundstücks mit € 350.000,00, den Wert des Gesamtnachlasses mit € 375.000,00. Die Beteiligte legte insoweit Beschwerde ein, als der Wert mit mehr als € 25.000,00 festgesetzt wurde. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab. Das zur Entscheidung über die Beschwerde berufene OLG gab der Beschwerde statt.

Bei dem von der beteiligten durch Abschluss des notariellen Vertrages vom 25.10.2021 handele es sich um die Erfüllung des Rückübertragungsanspruchs und mit diesem um die Erfüllung einer vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeit iSv. § 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG. Erblasserschulden seien Verbindlichkeiten, die vom Erblasser herrühren und ihm gegenüber bereits bestünden. Abzugrenzen seien sie von Erbfallschulden, bei denen es sich um Verbindlichkeiten handeln würde, die den Erben als solche treffen (§ 1967 Abs. 2 BGB), insbesondere Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse und Auflagen.

Der Rückübertragungsanspruch habe der Beteiligten nicht aus Anlass des Erbfalls zugestanden, sondern da sich durch den Tod des Erblassers ein vertraglicher Rückübertragungsanspruch verwirklicht habe. Dieser sei Gegenstand eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden gewesen (notarieller Übertragungsvertrag auf den Sohn), der eine vorweggenommene Erbfolge regele und eine Vereinbarung für den Fall des Vorversterbens des Sohnes enthalte, mit der der Verbleib des Grundbesitzes im Familienbesitz gesichert werden sollte (BGH, Beschluss vom 05.12.1996 - V ZB 27/96 -).

Nicht entgegenstehen würden der Annahme einer Erblasserschuld die aufschiebenden Bedingungen.

Der Anspruch war durch den Tod des Sohnes aufschiebend bedingt. Erblasserschulden könnten aber nicht nur bereits fest begründete Pflichten sein, sondern grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Beziehungen, auch „unfertige“, noch werdende oder schwebende Rechtsbeziehungen, also auch bedingte, befristete oder künftige Bindungen und Lasten. Entscheidend sei lediglich, dass der Verpflichtungsgrund zu Lebzeiten des Erblassers gegeben war. Soweit teilweise aus dem Urteil des BGH vom 07.06.1991 - V ZR 214/89 -, Erblasserschulden seien auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche auch dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht verstorben wäre, abgeleitet würde, es würde sich um eine Erbfallschuld handeln, da sie ohne das Ablebend es Erblassers nicht entstanden wäre, teilweise eine Erblasserschuld angenommen würde, es handele sich um eine Erblasserschuld, da der Anspruch auf Rückforderung der Leistung wegen des Todes des Erblassers ihren Zweck verfehle (§ 812 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 BGB). Der hier erkennende Senat des OLG folgert aus dem vom Erblasser eingegangene, auf seinen Tod aufschiebend bedingte Verpflichtung zur Rückübertragung eine aus dem Wesen des bedingten Rechtsgeschäfts, das tatbestandlich vollendet und voll gültig sei und nur seine Rechtswirkungen bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung offen halte, eine Erblasserschuld.

Die weitere Bedingung bestünde darin, dass der „Veräußerer“ (hier die Mutter) das Rückforderungsrecht ausüben würde. Dies würde der Annahme der Erblasserschuld nicht entgegenstehen, da für die Entstehung des Rückübertragungsanspruchs eine weitere Willenserklärung von Seiten des Erblassers nicht erforderlich gewesen sei. Dass vorliegend die an Rückübertragungsanspruch geltend machende Beteiligte auch Alleinerbin des Erblassers war, ändere daran nichts. Als Erbin habe sie, nachdem der Erblasser im Übertragungsvertrag bereits die entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben habe, nichts weiter zu tun gehabt, als in Erfüllung des Rückübertragungsanspruchs die Rückauflassung zu erklären.

Da aber die aus der Rückauflassung Berechtigte und die Erbin des Erblassers dieselbe Person sei, mithin Forderung und Schuld in der Person der Beteiligten vereinigt worden seien, läge ein Erlöschen des Rückübertragungsanspruchs qua Konfusion vor. Das aber habe nicht zur Folge, dass Verbindlichkeiten bei der Kostenermittlung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2, S. 2 GNotKG nicht zu berücksichtigen seien (BGH, Beschluss vom 26.11.1952 - V BLw 62/52 -). Das folge daraus, dass das Verfügungsrecht, welches durch Erteilung eines Erbscheins dem Erben erteilt würde, für ihn wirtschaftlich und wertmäßig nur insoweit Bedeutung habe, als er nicht ohnehin als Inhaber von Ansprüchen gegen den Erblaser verfügungsberechtigt gewesen sei.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2023 - I-3 Wx 74/23 -

Samstag, 17. Dezember 2022

Ergänzungspflegschaft für minderjähriges Kind für Erbscheinverfahren

Die Mutter der 14-jährigen Betroffenen verstarb 2021. Die Eheleute hatten ein gemeinsames Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten, Vermächtnisanordnungen trafen, und u.a. Testamentsvollstreckungsanweisungen niederlegten. Sein Vater beantragte als Alleinerbe nach seiner verstorbenen Frau einen Erbschein. Das Nachlassgericht regte die Bestellung einer Ergänzungspflegschaft für den Minderjährigen im Erbscheinverfahren an.

Nachdem die Rechtspflegerin dem beschwerdeführenden Vater die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Anregung gegeben hatte, die von diesem abgelehnt wurde, ordnete sie die Ergänzungspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 2. zum Ergänzungspfleger. Dagegen legte der Vater Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Beschwerde nach Anhörung der minderjährigen Betroffenen zurück. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde sei unbegründet, da die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft nach §§ 1909 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 1. Alt. BGB vorlägen.

§ 1909 Aabs. 1 S. 1 BGB bestimme, dass derjenige, der (wie die Minderjährige) unter elterlicher Sorge stünde, für Angelegenheiten, an denen die verhindert seien, einen Pfleger erhalte. Erforderlich sei eine tatsächliche oder rechtliche Verhinderung. Von einer gesetzlichen Vertretung sei der Vater nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1 iVm. § 1795 BGB nicht ausgeschlossen; bei der Beantragung eines Erbscheins handele es sich nicht um ein Rechtsgeschäft iSv. § 1795 Abs. 1 BGB. Da auch ein Insichgeschäft bei der Beantragung eines Erbscheins nicht in Betracht käme, würde der Vertretung auch § 181 BGB nicht entgegenstehen.

Allerdings sei dem Vater als allein Sorgeberechtigten gem. § 1680 Abs. 1 BGB die Vertretungsmacht für das Erbscheinverfahren nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3 Hs. 1, 1796 BGB zu entziehen. Die vertretungsmacht könne danach entzogen werden und soll auch entzogen werden, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse des Sorgeberechtigten in erheblichem Gegensatz stünde. Dies sei hier der Fall. Es sei anzunehmen, wenn die unterschiedlichen Belange, Nutzen oder Vorteile der beiden Interessensträger ein rechtsgeschäftliches Verhalten in gegensätzlichem Sinne beeinflussen könnten, also das eigene Interesse nur auf Kosten des anderen gefördert werden könne und dies objektiv feststehen würde.

Vorliegend wolle der Vater seine Alleinerbenstellung erreichen. Dem würde der Geltendmachung eines möglichen Interesse seiner Tochter an der Feststellung eines anderen als vom Vater angestrebten Verfahrenszieles entgegenstehen.

Der Tochter und ihren Bruder seien als Vermächtnis im Testament € 800.000,00 zugewandt worden. Das OLG verweis auf die durch Auslegung vorzunehmende Abgrenzung von Vermächtnisnehmerstellung und Erbenstellung, § 2087 BGB. Die Auslegung könne zu einem anderen als vom Vater gewünschten Ergebnis führen und danach die beiden Kinder der Eheleute Miterben seien, was vom Vater bestritten würde.  Hieraus resultiere der objektive Gegensatz zwischen den Interessen von Vater und Tochter, da er die von seinen Interessen abweichenden Interessen seiner Tochter an der Feststellung etwa einer Miterbenstellung nicht fördern könne. Damit sei nicht der Vorwurf verbunden, er verfolge nicht subjektiv das Wohl seiner Tochter.

Der Sorgerechtsentzug sei nur insoweit zulässig, als der Interessensgegensatz erheblich sei. Dies sei der Fall, wenn er eine genügende Vertretung des Kindes nicht erwarten lasse. Auch das sei hier zu bejahen. Der Vaters sei gehindert, im Erbscheinverfahren zugleich die Feststellung seiner Alleinerbschaft und eine etwaige davon abweichende Feststellung, den Belangen seiner Tochter gegebenenfalls objektiv besser gerecht werdenden Feststellung anzustreben.  Die Prognose, die hier geboten sei, könne nicht dem Ergebnis des Erbscheinverfahrend vorweggreifen.

Die Entscheidung zur Bestellung eines Ergänzungspflegers sei auch verhältnismäßig, da ein milderes Mittel zur Wahrung der Interessen der Tochter nicht ersichtlich sei. Mit dem Argument, mit einem Ergänzungspfleger würde der Familienfriede gestört, sei der Vater ausgeschlossen; die unabhängige Prüfung der Interessen der Minderjährigen durch einen Unbeteiligten (dem Beteiligten zu 2.) und ggf. deren Geltendmachung im Erbscheinverfahren verspräche eine mindestes nebens hohe Eignung, den Familienfrieden zu erhalten, wie ein Verzicht auf eine umfassende unabhängige (rechtliche) Prüfung der kindlichen Interessen.

Auch wenn das Erbscheinverfahren vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägt sei und die Auslegung des Testaments letztlich Sache des Nachlassgerichts sei, würde dadurch die Bedeutung der Anhörung der am Verfahren (kann-) beteiligten Jugendlichen (§ 345 FamFG) nicht reduziert. Auch in diesem Verfahren könnten Mitteilungen von außerhalb des Testaments liegende Umständen Einfluss haben , wie auch argumentativ auf die zu treffende Entscheidung Einfluss genommen werden.  Dem würden die Vorschriften über die Gewährung rechtlichen Gehörs dienen (vgl. §§ 345 Abs. 1 S. 2m 7 Abs. 4, 37 Abs. 2 FamFG). Es bestünde zunächst ein recht der beteiligten darauf, von allen entscheidungserheblichen Grundlagen Kenntnis zu erlangen, was auch für minderjährige und nicht verfahrensfähige Personen gelte, die auf die Wahrnehmung ihrer Interessen durch gesetzliche Vertreter angewiesen seien.

Der hier einer Ergänzungspflegschaft entgegenstehende Wille der Tochter stünde der Entscheidung vorliegend nicht entgegen. Es würde hier nicht -wie der Vater meint - um die Entziehung des Sorgerechts gehen, sondern ausschließlich um die Vertretung im Erbscheinverfahren und damit einem Vermögensbelang. Der Ergänzungspfleger dürfe die Minderjährige auch nicht gegen deren Interessen vertreten. Zweck sei, ihre objektiv zu beurteilenden Interessen zu ermitteln und im Verfahren zur Geltung zu bringen und sie möglichst aus dem Erbscheinverfahren ergebenden familiären Meinungsverschiedenheiten herauszuhalten. Zudem habe die Jugendliche im Hinblick auf Umfang und Wirkung der Ergänzungspflegschaft Vorstellungen geäußert, die außerhalb jeglicher Realität und Rechtslage lägen

OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.10.022 - 13 WF 53/22 -

Dienstag, 5. Mai 2020

Zum Widerruf des Verzichts auf Aufnahme einer Erbquote im gemeinsamen Erbschein


Der Erblasser war der Ehemann der Beteiligten zu 1. (seiner 2. Ehefrau) und der Beteiligten zu 2. und 3. (seiner Töchter aus 1. Ehe). In gemeinsamer notarieller Urkunde beantragten die Beteiligten einen gemeinschaftlichen Erbschein als gesetzliche Erben und verzichteten ausdrücklich auf die Aufführung der Erbteile im Testament gem. „§ 325a Abs. 2 S. 2 FamFG“. Am 29.09.2016 wurde der Erbschein erlassen. Gegen diesen wandte sich die Beteiligte zu 1. Mit Schreiben vom 21.11.2016 und erklärte den Erbschein „zurückzurufen“. Das Nachlassgericht hatte den Antrag zurückgewiesen. Einer eingelegten Beschwerde half es nicht ab; das Beschwerdegericht wies die Beschwerde zurück.

Wenn die Erklärung, den „Erbschein zurückzurufen“ als Rücknahme des Antrags zu verstehen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Der Antrag sei sowohl von der Beschwerdeführerin als auch den Beteiligten zu 2. und 3. am 09.09.2016 wirksam beantragt worden. Die Beteiligte zu 1. könne diesen nicht wirksam zurücknehmen.

Auch könne die Beteiligte zu 1. nicht eine Unrichtigkeit des Erbscheins deshalb geltend machen, da in ihm keine Erbquoten angegeben wurden. Dies sei gem. § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG nicht erforderlich, wenn  - wie hier -  alle Antragsteller in dem Antrag darauf verzichten würden. Auch soweit in der Urkunde auf eine nicht existente Norm des § 325a Abs. 2 S. 2 FamFG verwiesen worden sei, sei dies unschädlich; das Notariat habe hier glaubhaft ein Schreibversehen dargelegt.

Wollte man überhaupt von der Möglichkeit eines Widerrufs des Verzichts auf Aufnahme einer Erbquote ausgehen, so sei dies im Übrigen allenfalls bis zum Erlass des Erbscheins möglich.

OLG München, Beschluss vom 10.04.2020 - 321 Wx 354/17 -