Damit musste sich das Amtsgericht
Chemnitz (AG) nach einem Verkehrsunfall auseinandersetzen. Die Klägerin
begehrte Schadensersatz u.a. in Form von fiktiven Reparaturkosten, nachdem sie
die Reparatur selbst vornahm (konkret: ihr Ehemann hatte das Fahrzeug
repariert). Von der Beklagte wurde unter Verweis auf eine Referenzwerksatt eine
Überhöhung der fiktiven Reparaturkosten geltend gemacht, die auch (unstreitig)
von ihr gezahlt wurden. Von der Klägerin
wurde im Hinblick auf die beklagtenseits benannte Referenzwerkstatt eingewandt,
seit dem Erwerb des Fahrzeugs habe sie dieses immer in einer Markenwerkstatt
warten lassen.
Das Amtsgericht wies die Klage im Hinblick auf den Differenzbetrag zwischen beklagtenseits gezahlten und von der Klägerin geforderten Reparaturkosten ab. Es ging zwar mit der Klägerin davon aus, dass grundsätzlich der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten habe, die bei einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt anfallen würden, ohne dass es darauf ankäme, ob der Geschädigte das Fahrzeug vollständig, minderwertig oder gar nicht reparieren lassen würde. Begehre er fiktiven Ersatz der Reparaturkosten, würde es im Regelfall ausreichend sein, diesen auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens zu berechnen.
Allerdings habe der Geschädigte die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu beachten. Er müsse sich au ein für ihn ohne weiteres zugängliche und gleichwertige Werkstattverweisen lassen, wenn der Schädiger darlege und nachweise, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt der Qualität in einer markengebundenen Werkstatt entspreche und ggf. vom Geschädigte aufgezeigte Umstände widerlege, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würde (BGH, Urteil vom 25.09.2018 - VI ZR 65/18 -), wobei der verweis auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgen könne (BGH, Urteil vom 14.05.2013 - VI ZR 320/12 -).
Zwar habe die Klägerin auf Wartungen in einer Vertragswerkstatt verwiesen, was ggf. die Vermutung für ein besonderes Interesse an einer Reparatur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt hätte begründen können. Eine solche mögliche Vermutung und daraus zu folgernde Unzumutbarkeit habe sie aber selbst dadurch widerlegt, dass sie das Fahrzeug in Eigenregie instand gesetzt habe (so auch OLG Köln, Beschluss vom 09.01.2017 - I-5 U 81/16 -). Da im Übrigen keine anderen Umstände von der Klägerin aufgezeigt seien, die eine Reparatur in der Referenzwerkstatt unzumutbar erscheinen ließen, seien die dortigen Kosten (die von der Beklagten gezahlt waren) in Ansatz zu bringen.
Anmerkung: Das OLG
Köln, dem sich das AG Chemnitz anschloss, hatte in seinem Beschluss, mit dem es
die Berufung des Geschädigten gegen ein seine Klage zurückweisendes Urteil zurückwies,
darauf verwiesen, infolge der Eigenreparatur könne sich der Geschädigte nicht mehr
auf die Vermutungsgrundlage berufen, da dies im Widerspruch zur Eigenreparatur
stünde; die Wahlfreiheit des Geschädigten, Reparieren zu lassen oder nicht, sei
davon nicht tangiert.
AG Chemnitz, Urteil vom
16.08.2024 - 16 C 284/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Beklagten werden
gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 145,00 € nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2022 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden
gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin weitere 90,96 € nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.3.2024 zu
bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin hat die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des jeweils aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.526,70 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien
streiten über Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall.
Am 5.7.20222
gegen 14:50 Uhr kam es zu einem Unfall zwischen dem von dem Sohn der Klägerin
geführten, in ihrem Eigentum stehenden Kraftfahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen … und dem von dem Beklagten zu 1. geführten, bei der Beklagten zu
2. haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …. Die
Alleinhaftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Ein von der
Klägerin beauftragter Gutachter bezifferte den für die Reparatur des Fahrzeugs
… erforderlichen Aufwand auf 5.523,17 € netto bei einer Reparaturdauer von vier
bis fünf Arbeitstagen. Der Ehemann der Klägerin reparierte das Fahrzeug in
Eigenleistung.
Die Klägerin
macht darüber hinaus einen Nutzungsausfall von 250,00 € und eine
Kostenpauschale von 40,00 € geltend. Für die Einzelheiten wird auf S. 3
der Klageschrift vom 21.2.2024 verwiesen. Die Beklagte zu 2. zahlte an die
Klägerin 4.286,47 €. Die Klägerin ließ die Beklagten vorgerichtlich anwaltlich
zur Zahlung des Differenzbetrags auffordern, die hierfür entstandenen Kosten
beziffert sie auf 280,60 €.
Die Klägerin
behauptet, sie habe das Fahrzeug seit dem Erwerb nur in einer markengebundenen
Werkstatt warten lassen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Schadenersatz in Höhe von 1.526,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20.10.2022 zu bezahlen,
2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 280,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte
meint, die von der Klägerin beanspruchten Kosten seien überhöht. Sie verweist
die Klägerin auf eine Referenzwerkstatt in …, unter Zugrundelegung dessen habe
die Beklagte die erforderlichen Reparaturkosten vollständig beglichen. Für die
Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 13.5.2024 verwiesen. Die Klage
wurde am 30.3.2024 zugestellt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige
Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet.
I.
Die Klage ist
zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Chemnitz nach §§ 23 Nr. 1,
71 GVG sachlich und nach § 32 ZPO, § 20 StVG örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist
nur teilweise begründet.
1.
Nach § 7
Abs. 1 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs, wenn bei dessen Betrieb
oder eine Sache beschädigt wird, verpflichtet, dem Verletzten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen. Im hier gegebenen Fall steht die
Alleinhaftung der Beklagten außer Streit.
2.
Die Klägerin
kann von der Beklagten keine über die geleistete Zahlung hinausgehenden
fiktiven Reparaturkosten verlangen.
Aus § 249
Abs. 2 BGB folgt in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der
in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig
davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder
überhaupt nicht reparieren lässt. Begehrt er den Ersatz fiktiver
Reparaturkosten, genügt es im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der
Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet.
Allerdings muss
sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und
gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf diese verweisen
lassen, soweit der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in
dieser Werkstatt der Qualität in einer markengebundenen Fachwerkstatt
entspricht, und er ggf. vom Geschädigten etwaige aufgezeigte Umstände
widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen
Fachwerkstatt unzumutbar machen (BGH, Urt. v. 25.9.2018 – VI ZR 65/18, NJW
2019, 852 Rn. 6). Dieser Verweis kann auch noch im gerichtlichen Verfahren
erfolgen (BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12, NJW 2013, 2817 Rn. 10).
Im hier
gegebenen Fall durften die Beklagten die Klägerin auf die von ihnen benannte
Referenzwerkstatt verweisen. Der Verweis ist für die Klägerin nicht unzumutbar.
Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe ihr Fahrzeug vor dem Unfall
regelmäßig in einer …-Vertragswerkstatt warten lassen, hätte dies zwar für sich
genommen die Vermutung hätte begründen können, sie habe ein besonderes
Interesse an einer Reparatur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt. Diese
Vermutung hat die Klägerin aber selbst dadurch widerlegt, dass sie den
Fahrzeugschaden in Eigenregie instandgesetzt hat (OLG Köln Beschl. v. 9.1.2017
– 5 U 81/16, BeckRS 2017, 106467 Rn. 3). Dass der Verweis aus anderen Gründen
unzumutbar sein könnte, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
3.
Die Klägerin
kann von den Beklagten noch Ersatz von Nutzungsausfall in Höhe von 140,00 €
geltend machen.
Der Anspruch
Schadenersatz umfasst auch den Nutzungsausfall für die erforderliche
Ausfallzeit, d.h für die im Gutachten ermittelte notwendige Reparaturdauer. Im
Fall der Reparatur in Eigenregie ist der Nutzungsausfallschaden auf die Dauer
begrenzt, die die Reparatur in einer Fachwerkstatt in Anspruch genommen hätte
(BGH, Urteil vom 17.3.1992 – VI ZR 226/91, NJW 1992, 1618, 1620). Diese Dauer
hat der von der Klägerin beauftragte Gutachter auf „ca. 4 – 5 Arbeitstage“
geschätzt. Welche Dauer die in Eigenregie durchgeführte Reparatur konkret in
Anspruch genommen hat, hat die Klägerin nicht vorgetragen, sondern nur
ausgeführt, es sei die „im Gutachten … angegebene Reparaturdauer“ in Anspruch
genommen worden. In Anbetracht der unklaren Angaben der Klägerin und des
Bestreitens der Beklagten geht das Gericht von einer Dauer von vier Tagen aus.
Dass ein Nutzungsausfall eingetreten ist, liegt mit Blick auf den Umstand, dass
die Reparatur tatsächlich durchgeführt wurde (Anlage K5) jedenfalls auf der
Hand. Da sich der konkrete Nutzungsverlust, den ein Fahrzeugeigentümer durch
die erzwungene Begutachtung und Reparatur seines Fahrzeuges erleidet, nur
schwierig und nicht zuverlässig ermitteln lässt, erfolgt die Schätzung des
Mindestschadens nach § 287 ZPO. Hiernach hält das Gericht in Anbetracht
des Alters des Fahrzeugs, eines im Jahr 2009 erstzugelassenen …, einen Betrag
in Höhe von 35,00 € je Tag für angemessen, mithin einen Nutzungsausfallschaden
von insgesamt 140,00 € für gerechtfertigt.
4.
Die
Nebenkostenpauschale ist nur in Höhe von 25,00 € berechtigt. Grundsätzlich ist
dem Geschädigten ein Anspruch auf Zahlung einer allgemeinen
Nebenkostenpauschale zuzuerkennen. Diese deckt kleinere Aufwendungen ab, die im
Zusammenhang mit Verkehrsunfällen entstehen und die typischerweise schwer oder
nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand nachweisbar sind, so insbesondere
Briefporto, Telefonkosten und kurze Fahrten, z.B. zu einer Reparaturwerkstätte
(NK-GVR/Sven Kuhnert, 3. Aufl. 2021, BGB § 249 Rn. 205). Die Pauschale ist
allerdings mit 25,00 € zutreffend angesetzt. Angesichts der allgemeinen
Entwicklung hin zu Telefon- und Internetflatrates und mit Blick auf die
geschwundene Bedeutung von Briefpost kann auch in Zeiten hoher Inflation noch
davon ausgegangen werden, dass dieser Betrag den Aufwand typischerweise
mindestens deckt. Es bleibt dem Geschädigten unbenommen, einen höheren Schaden
konkret darzulegen und geltend zu machen. Das ist hier nicht geschehen. Auf die
Nebenkostenpauschale hat die Beklagte zu 2. einen Betrag von 20 € geleistet, so
dass die Klägerin noch weitere 5 € verlangen kann.
5.
Die Klägerin
hat als Teil des geschuldeten Schadenersatzes gegen die Beklagte noch Anspruch
auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 90,96 €.
Da der Zeitpunkt der ersten anwaltlichen
Tätigkeit in dieser Sache nach der Zahlung der 4.286,47 € durch die Beklagte zu
2. lag, kann als Streitwert nur die Forderung in der nach Zahlung noch
berechtigten Höhe zugrunde gelegt werden. Das sind hier 145,00 €. Daraus
errechnet sich das folgende Honorar:
1,3-Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008
VV RVG: 63,70 €
Auslagen Nr. 7001, 7002 VV RVG: 12,74
€
MWSt. 19 %: 14,52 €
Gesamt: 90,96 €
6.
Die
Zinsforderung beruht hinsichtlich des Schadenersatzes auf § 286
Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB, im Hinblick auf die vorgerichtlichen
Anwaltskosten auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.
7.
Diesen Anspruch
kann die Klägerin nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auch direkt gegen
die Beklagte zu 2. als Versicherer geltend machen, weil es sich hier um eine
Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz
bestehenden Versicherungspflicht handelt.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in
§ 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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