
Vorliegend wurde die beklagte
Vollkaskoversicherung von ihrer Versicherungsnehmerin, der Klägerin, nach dem
Diebstahl von Kraftfahrzeugteilen im Januar 2019 aus ihrem Fahrzeug in Anspruch
genommen und die Beklagte hatte einen Sachverständigen beauftragt, der das
Fahrzeug besichtigte und Reparaturkosten von € 18.098,28 ermittelt. Aufgrund
von Zweifeln wohl infolge eines ähnlichen Schadensfalls und stellte Nachfragen,
im Rahmen der die Klägerin u.a. angab, keine Kenntnis von Vorschäden zu haben. Nachdem die Klage
abgewiesen wurde, legte die Klägerin Berufung ein. Das OLG erließ unter dem
19.04.2023 einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO, mit der es die beabsichtigte
Zurückweisung der Berufung als offensichtlich unbegründet mitteilte vor dem
Hintergrund, dass es davon überzeugt sei, dass die Klägerin arglistig ihre
Obliegenheit gegenüber der Beklagten verletzt habe, da sie wahrheitswidrig angegeben
habe, ihr sei kein Vorschaden bekannt gewesen. Nach der Stellungnahme erließ das
OLG einen weiteren (hier besprochenen) Hinweisbeschluss, in dem es darauf hinwies,
weiterhin die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückweisen zu wollen.
Im Rahmen ihrer Stellungnahme
überließ die Klägerin ihre Schadensanzeige vom 23.01.2018, in der sie
mitgeteilt habe, dass ihr von einem Vorschaden nichts bekannt sei. Abzustellen
sei auf die zugrundeliegenden AKB Abschnitt E 2.2 der Beklagten (die § 28 Abs.
3 S. 2 VVG entsprechen würden). Diese Angabe sei in Ansehung des Kaufvertrages
über das Fahrzeug vom 22.11.2018 offensichtlich falsch, weshalb die Klägerin
gegen ihre sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Obliegenheit zu
wahrheitsgemäßen Angaben verstoßen habe. Auch wenn die Klägerin ihren Angaben
zufolge bei Kauf kein Interesse an der Art von Vorschäden gehabt haben sollte, wäre
sie aufgrund der Nachfrage des Versicherers zur Erkundigung zu den ihr
offenbarten Vorschäden verpflichtet gewesen. Offen ließe es das OLG, ob die
Erkundigungspflicht nicht bereits bei Erstellung der Schadensanzeige eine
entsprechende Erkundigungspflicht gehabt habe, insbesondere vor der
Begutachtung durch den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen.
Die falsche Angabe stelle sich
auch als ein arglistiges Verschweigen von Tatsachen dar; insoweit verwies das
OLG auf seinen Hinweisbeschluss vom 19.04.2023. Dort hatte das OLG ausgeführt, eine
arglistige Täuschung setze eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen
wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder
Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus, wobei der Versicherungsnehmer
vorsätzlich handeln müsse, indem er bewusst und willentlich auf die
Entscheidung des Versicherers einwirke (BGH, Beschluss vom 04.05.2009 - IV ZR
62/07 -). Eine Bereicherungsabsicht müsse nicht vorliegen. Es genüge, dass sein
Verhalten den Versicherer möglicherweise bei der der Schadensregulierung
möglicherweise beeinflussen könne (BGH, Urteil vom 22.11.2012 – IV ZR 97/11 -).
Ausreichend sie daher auch, etwaige Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, um die
Regulierung zu beschleunigen oder allgemein auf die Entscheidung des
Versicherers Einfluss nehmen zu wollen. In dem Verschweigen der Vorschäden läge
angesichts des späteren Verkaufs des Fahrzeugs durch die Klägerin eine
erhebliche Beeinträchtigung des Schadensfeststellung.
Ergänzend wies das OLG darauf
hin, dass die Berufung (wie vom Landgericht zutreffend erkannt) keine Aussicht
auf Erfolg habe, da die Reparatur der Vorschäden nicht dargelegt worden sei und
auch eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO unmöglich sei.
Die Klägerin rechnet den Schaden
auf der Grundlage eines Privatgutachtens, welches einen wirtschaftlichen
Totalschaden ausweise, fiktiv ab. Sowohl der Wiederbeschaffungswert wie auch
der Restwert könnten durch Vorschäden beeinflusst werden. Eine entsprechende
Abrechnung sie möglich, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 287
ZPO auszuschließen sei, dass im Falle von Vorschäden mit dem späteren
Schadensereignis kompatible Schäden bereits im Rahmen eines Vorschadens
entstanden seien. Dazu müsse der Geschädigte insbesondere im Fall von
Schadensüberlagerungen den Umfang des Vorschadens und gegebenenfalls deren
Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz
derjenigen Kosten erstrecke, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden
Zustandes erforderlich seien (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2017 - I-1 U
31/16 -). Den Geschädigten treffe die
Darlegungs- und Beweislast, dass das Gutachten, auf welches er seinen Anspruch stütze, im Hinblick auf den Wiederbeschaffungswert
richtig sei (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.02.2022 - 4 U 94/21 -).Ohne detaillierte
Kenntnis vom Umfang etwaiger Vorschäden und deren Reparatur sei eine Schätzung
des Wiederbeschaffungswertes nicht möglich. Die Bezugnahme auf das
Privatgutachten sei ungenügend, wenn dem Sachverständigen die Vorschäden nicht offengelegt
worden seien. Die Klägerin habe weder die ordnungsgemäße Reparatur des Vorschadens
hinreichend dargelegt noch Tatsachen für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO
unter Berücksichtigung der Vorschäden vorgelegt.
Dem von der Klägerin in Bezug
genommenen Privatgutachten sei zu entnehmen, dass sich dieses auf die Annahme
bezöge, das Fahrzeug sie mit Originalteilen vollständig und fachgerecht repariert
worden. Zum nach weis der Reparatur habe die Klägerin eine ihr vom Vorbesitzer
überlassene Rechnung vom 12.11.20188 vorgelegt, aus der sich nicht ergäbe, dass
Originalteile eingebaut worden seien. Eine Schadensschätzung käme nur bei Vorliegen
hinreichender greifbarer Tatsachen in Betracht; auch § 287 ZPO erlaube keine völlig
abstrakte Form der Schätzung eines Mindestschadens (BGH, Beschluss vom
15.10.2019 - VI ZR 377/18 -). Erforderliche Tatsachen für die Schätzung seien
nicht vorgetragen und könnten infolge des Verkaufs auch nicht mehr bewiesen werden.
Hanseatische OLG Bremen,
Hinweisbeschluss vom 14.06.2023 - 3 U 41/22 -