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Sonntag, 2. März 2025

Gebührenstreitwert bei Klage auf Beseitigung von Baumängeln durch Bauunternehmer

Die Parteien stritten um die Beseitigung von klägerseits geltend gemachten Baumängeln, deren Beseitigung der Kläger durch die Beklagte begehrte. Der Kläger ging unter Bezugnahme auf zuvor in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten von Kosten in Höhe von€ 6.806,60 für die Beseitigung der Mängel zuzüglich einer Preissteigerung von 20% aus (€ 8.168,16). Das Landgericht übernahm für den Klageantrag den Wert von € 8.168,18. Die Beklagte legte dagegen Beschwerde ein mit der Begründung, Preissteigerungen seien irrelevant, da die Ausführung durch die Beklagte und nicht einen Dritten klägerseits begehrt worden sei. Die Beschwerde wurde nach Nichtabhilfe durch das Landgericht vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Der Ansatz der Beklagten, Preissteigerungen hätten außer Ansatz zu bleiben, da sie selbst die klägerseits benannten Ausbesserungen vornehmen sollte, treffe rechtlich nicht zu. Der Wert der Klage richte sich nach den objektiven Kosten einer Mangelbeseitigung. Die hier zum Klageantrag erforderliche Streitwertschätzung nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG iVm. § 3 ZPO orientiere sich alleine nach dem Interesse des Klägers (sogen. Angreiferinteresseprinzip). Dessen Interesse war nach dem Betrag zu bewerten, den er selbst hätte aufwenden müssen, um die Mängel beseitigen zu lassen; mithin seien die Marktpreise dafür relevant.

Unabhängig davon sei auch die Annahme der Beklagten verfehlt, bei eigener Ausführung sei eine Preissteigerung nicht relevant. Gestiegene Material- und Lohnkosten würden sie auch treffen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie während der Zeit, in der sie die Nacherfüllungsarbeiten für den Kläger verrichte, keine anderen Aufträge zu aktuellen Preisen ausführen könne.

Die vom Kläger vorgenommene Schätzung, die vom Landgericht übernommen worden sei, im Hinblick auf Preissteigerungen zwischen der Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren und dem maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung, sei nicht zu beanstanden. Nach dem Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes für Wohngebäude läge der Index im Basisjahr 2021 bei 100, im Jah 2023 dann bei 130,5. Daher sei eine Preissteigerung von 20% für die Zeit vom 30.07.2021 (Gutachtenerstattung) bis 13.09.2023 (Klageerhebung) angemessen.

Eine von Klägerseite ebenfalls eingelegte Beschwerde mit dem Ziel der Erhöhung des Wertes des Klageantrages wurde, wurde ebenfalls zurückgewiesen, da die Mindestbeschwer nicht erreicht sei. Im Übrigen wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass entgegen der Ansicht des Klägers, eine Preissteigerung nach der Klageeinreichung nicht den Gebührenwert nicht tangiere, da diese Preissteigerung nach § 40 GKG nicht berücksichtigungsfähig sei.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.12.2024 - 19 W 80/24 -

Mittwoch, 15. Januar 2025

Unfallversicherung: Mitwirkungsanteil einer Vorerkrankung nach Bagatellunfall

Der Kläger litt zum Unfallzeitpunkt an Erkrankungen des arteriellen Systems. Durch den Bagatellunfall, auf dessen Grundlage er Ansprüche gegen seine private Unfallversicherung geltend machte, erlitt der Kläger eine Prellung mit Bluterguss  (Bagatelltrauma). Der Sachverständige habe ausgeführt, dass in der weiteren Folge der zweite Zeh rechts amputiert werden musste.

Offen blieb, ob die bestehende Erkrankung des Klägers mitursächlich (oder alleine ursächlich) für doe Amputation war. Darauf würde es so das OLG -  nicht ankommen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass bei einem normal gesunden Menschen die Unfallverletzung kein hinreichender Grund für einen Zehenverlust sei.  Auf dieser Beurteilungsgrundlage habe das Landgericht bei seiner Entscheidung nach § 287 ZPO den Mitwirkungsanteil der Vorerkrankung mit 100% geschätzt, was nach Auffassung des OLG nicht zu beanstanden sei. Zwar könne es sein, dass der Unfall der Auslöser für den zur Amputation führenden Verlauf war, nicht aber die eigentliche Ursache. Damit sie von einer Vorerkrankung mit einem unfallfremden Mitwirkungsanteil von 100% auszugehen (LG Heilbronn, Urteil vom 24.09.2015 – 4 O 181/14 -; LG Dortmund, Urteil vom 13.09.2013 – 2 O 213/22 betreffend Vorerkrankung Diabetis mellitus).

Vor diesem Hintergrund wies das OLG den Kläger darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil im Beschlussweg zurückzuweisen, § 522 ZPO, woraufhin der Kläger die Berufung zurücknahm.

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 02.07.2024 - 1 U 19/24e -

Donnerstag, 16. November 2023

Kaskoversicherung: Verschweigen von und fehlende Angaben zu Vorschäden durch Versicherungsnehmer

Vorliegend wurde die beklagte Vollkaskoversicherung von ihrer Versicherungsnehmerin, der Klägerin, nach dem Diebstahl von Kraftfahrzeugteilen im Januar 2019 aus ihrem Fahrzeug in Anspruch genommen und die Beklagte hatte einen Sachverständigen beauftragt, der das Fahrzeug besichtigte und Reparaturkosten von € 18.098,28 ermittelt. Aufgrund von Zweifeln wohl infolge eines ähnlichen Schadensfalls und stellte Nachfragen, im Rahmen der die Klägerin u.a. angab, keine Kenntnis von  Vorschäden zu haben. Nachdem die Klage abgewiesen wurde, legte die Klägerin Berufung ein. Das OLG erließ unter dem 19.04.2023 einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO, mit der es die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung als offensichtlich unbegründet mitteilte vor dem Hintergrund, dass es davon überzeugt sei, dass die Klägerin arglistig ihre Obliegenheit gegenüber der Beklagten verletzt habe, da sie wahrheitswidrig angegeben habe, ihr sei kein Vorschaden bekannt gewesen. Nach der Stellungnahme erließ das OLG einen weiteren (hier besprochenen) Hinweisbeschluss, in dem es darauf hinwies, weiterhin die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückweisen zu wollen.

Im Rahmen ihrer Stellungnahme überließ die Klägerin ihre Schadensanzeige vom 23.01.2018, in der sie mitgeteilt habe, dass ihr von einem Vorschaden nichts bekannt sei. Abzustellen sei auf die zugrundeliegenden AKB Abschnitt E 2.2 der Beklagten (die § 28 Abs. 3 S. 2 VVG entsprechen würden). Diese Angabe sei in Ansehung des Kaufvertrages über das Fahrzeug vom 22.11.2018 offensichtlich falsch, weshalb die Klägerin gegen ihre sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Obliegenheit zu wahrheitsgemäßen Angaben verstoßen habe. Auch wenn die Klägerin ihren Angaben zufolge bei Kauf kein Interesse an der Art von Vorschäden gehabt haben sollte, wäre sie aufgrund der Nachfrage des Versicherers zur Erkundigung zu den ihr offenbarten Vorschäden verpflichtet gewesen. Offen ließe es das OLG, ob die Erkundigungspflicht nicht bereits bei Erstellung der Schadensanzeige eine entsprechende Erkundigungspflicht gehabt habe, insbesondere vor der Begutachtung durch den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen.

Die falsche Angabe stelle sich auch als ein arglistiges Verschweigen von Tatsachen dar; insoweit verwies das OLG auf seinen Hinweisbeschluss vom 19.04.2023. Dort hatte das OLG ausgeführt, eine arglistige Täuschung setze eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus, wobei der Versicherungsnehmer vorsätzlich handeln müsse, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirke (BGH, Beschluss vom 04.05.2009 - IV ZR 62/07 -). Eine Bereicherungsabsicht müsse nicht vorliegen. Es genüge, dass sein Verhalten den Versicherer möglicherweise bei der der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen könne (BGH, Urteil vom 22.11.2012 – IV ZR 97/11 -). Ausreichend sie daher auch, etwaige Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, um die Regulierung zu beschleunigen oder allgemein auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen zu wollen. In dem Verschweigen der Vorschäden läge angesichts des späteren Verkaufs des Fahrzeugs durch die Klägerin eine erhebliche Beeinträchtigung des Schadensfeststellung.

Ergänzend wies das OLG darauf hin, dass die Berufung (wie vom Landgericht zutreffend erkannt) keine Aussicht auf Erfolg habe, da die Reparatur der Vorschäden nicht dargelegt worden sei und auch eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO unmöglich sei.

Die Klägerin rechnet den Schaden auf der Grundlage eines Privatgutachtens, welches einen wirtschaftlichen Totalschaden ausweise, fiktiv ab. Sowohl der Wiederbeschaffungswert wie auch der Restwert könnten durch Vorschäden beeinflusst werden. Eine entsprechende Abrechnung sie möglich, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO auszuschließen sei, dass im Falle von Vorschäden mit dem späteren Schadensereignis kompatible Schäden bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden seien. Dazu müsse der Geschädigte insbesondere im Fall von Schadensüberlagerungen den Umfang des Vorschadens und gegebenenfalls deren Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstrecke, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich seien (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2017 - I-1 U 31/16 -).  Den Geschädigten treffe die Darlegungs- und Beweislast, dass das Gutachten, auf welches er seinen  Anspruch stütze, im Hinblick auf den Wiederbeschaffungswert richtig sei (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.02.2022 - 4 U 94/21 -).Ohne detaillierte Kenntnis vom Umfang etwaiger Vorschäden und deren Reparatur sei eine Schätzung des Wiederbeschaffungswertes nicht möglich. Die Bezugnahme auf das Privatgutachten sei ungenügend, wenn dem Sachverständigen die Vorschäden nicht offengelegt worden seien. Die Klägerin habe weder die ordnungsgemäße Reparatur des Vorschadens hinreichend dargelegt noch Tatsachen für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Vorschäden vorgelegt.

Dem von der Klägerin in Bezug genommenen Privatgutachten sei zu entnehmen, dass sich dieses auf die Annahme bezöge, das Fahrzeug sie mit Originalteilen vollständig und fachgerecht repariert worden. Zum nach weis der Reparatur habe die Klägerin eine ihr vom Vorbesitzer überlassene Rechnung vom 12.11.20188 vorgelegt, aus der sich nicht ergäbe, dass Originalteile eingebaut worden seien. Eine Schadensschätzung käme nur bei Vorliegen hinreichender greifbarer Tatsachen in Betracht; auch § 287 ZPO erlaube keine völlig abstrakte Form der Schätzung eines Mindestschadens (BGH, Beschluss vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 -). Erforderliche Tatsachen für die Schätzung seien nicht vorgetragen und könnten infolge des Verkaufs auch nicht mehr bewiesen werden.

Hanseatische OLG Bremen, Hinweisbeschluss vom 14.06.2023 - 3 U 41/22 -