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Samstag, 22. Februar 2025

Garagenräumung: Streitwert und ordnungsgemäße Berufungsbegründung

Die Klage richtete sich auf Räumung und Herausgabe einer Garage und Herausgabe einer Garage nach Kündigung derselben. Die Monatsmiete betrug € 26,00 und das Amtsgericht hat einen Wert von bis zu € 500,00 festgesetzt. Das Landgericht hatte die vom Amtsgericht nicht zugelassene Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) des Beklagten wegen Unterschreitens der Berufungssumme (sie muss € 600,00 überschreiten, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), verworfen. Dagegen wandte sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, die der BGH verwarf.

Die Rechtsbeschwerde sei zwar statthaft (§§ 522 Abs. 21 S. 4, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), aber nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt seien.

Allerdings könne nicht alleine auf die Unterschreitung des nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Wertes abgestellt werden, da entscheidend das Interesse des Beklagten an der Abänderung des angefochtenen Urteils hier die Wertgrenze von € 600,00 überschritten sei. Der Wert des Beschwerdegegenstandes sei nach §§ 2, 3 ZPO nach freien Ermessen des Berufungsgerichts zu bestimmen und im Rahmen der Rechtsbeschwerde müsse vom BGH geprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der Ausübung des Ermessens die in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte  umfassend berücksichtigte (BGH, Beschluss vom 21.05.2019 - VIII ZB 66/18 -). Hier würde sich der Wert nicht nach dem allein für die Bemessung der Gerichtsgebühren maßgeblichen Gerichtskostengesetz, sondern denjenigen der Zivilprozessordnung (ZPO) orientieren, vorliegend nach §§ 8 f ZPO (BGH, Beschluss vom 26.11.2015 - III ZB 84/15 -). Bei einem Räumungsrechtstreit der Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses ungewiss oder ließe sich der Zeitpunkt der Beendigung nicht bestimmen, sei § 9 ZPO anwendbar, mithin der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Entgelts (BG, Beschluss vom 23.01.2019 - XII ZR 95/17 -). Damit läge der Wert vorliegend über € 600,00. Da sich der Beklagte auf eine Fortdauer des Mietvertrages berufen habe, sei der Beendigungszeitpunkt streitig.

Die landgerichtliche Entscheidung beruhe aber nicht auf diesen Rechtsfehler. Es würde an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Berufungsbegründung ermangeln. Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO müssten in der Berufungsbegründung die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und ihre Erheblichkeit ergeben würden. Zudem müssten konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden, bezeichnet werden (§ 530 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO) sowie etwaige neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel und die Tatsachen benannt werden, auf Grund derer die neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach § 531 ZPO zuzulassen seien (§ 530 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO). Anmerkung: Dies muss innerhalb der (ggf. verlängerten) Berufungsbegründungsfrist erfolgen.

Diesen Anforderungen habe die Berufungsbegründung nicht genügt. Es sei lediglich gerügt worden, es fehle dem Urteil  mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 313a ZPO an dem notwendigen Tatbestand (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Das Amtsgericht habe die Beschwer unzutreffend auf einen Wert von unter € 600,00 bemessen, deshalb die Berufung zu Unrecht für unstatthaft gehalten und damit den Anspruch des Beklagten auf effektiven Rechtsschutz verkürzt. Es würde sich aber nicht ergeben, weshalb in der Sache eine andere Entscheidung hätte ergehen müssen bzw. materiell-rechtlich die amtsgerichtliche Entscheidung unrichtig sein soll. Der Verweis auf den fehlenden Tatbestand zeigt für sich keinen Umstand auf, aus dem sich eine Erheblichkeit der Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung ergeben könne. Die angefochtene Entscheidung beruhe nicht auf dem Fehlen des Tatbestandes, vielmehr läge der Verfahrensfehler in der amtsgerichtlichen Entscheidung selbst.

Anmerkung: Nach § 313 Abs. 2 ZPO müssen im Tatbestand „die erhobenen Ansprüche und dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden“. Fehlt es daran, liegen aber – wie offenbar hier – Entscheidungsgründe vor, so kann sich ein Berufungsführer mit den Entscheidungsgründen auseinandersetzen. Inwieweit der fehlende Tatbestand auf die Entscheidung Einfluss hat, wäre ggf. darzulegen.

BGH, Beschluss vom 07.08.2024 - XII ZB 121/24 -

Donnerstag, 28. September 2023

Verwerfung einer Berufung wegen unzureichender Berufungsbegründung

Der Kläger verklagte zunächst eine Autohaus P.A. GmbH & Co. KG auf Räumung und Zahlung rückständiger Pacht, nahm dann aber eine Berichtigung des Rubrums vor, demzufolge Herr P.A., der Geschäftsführer der Komplementärin der zunächst verklagten Gesellschaft als Beklagter bezeichnet wurde. Mit Teilurteil (Räumungsanspruch) gab das Landgericht der Klage statt. Der Beklagte legte Berufung ein. Nach deren Begründung erließ das Oberlandesgericht (OLG) einen Hinweisbeschluss und verwarf danach die Berufung als unzulässig. Dagegen wandte sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde zum BGH, die allerdings vom BGH als zwar statthaft und Frist- und Formgerecht angesehen wurde, aber als unzulässig.

Die Unzulässigkeit ergebe sich daraus, dass die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO  nicht erfüllt seien, insbes. eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei. Eine beklagtenseits angenommene Verletzung des Anspruchs auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip) als auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs negierte der BGH.

Das Landgericht hatte zur Begründung seiner Entscheidung u.a. darauf abgestellt, 

- dass der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten bestätigte, dass der Beklagte ein Pachtverhältnis mit dem Kläger habe, im Berufungsverfahren vom jetzigen Prozessbevollmächtigten lediglich ausführte, dass sich daraus nicht entnehmen lasse, der Beklagte würde sich immer noch darauf berufe, nicht Vertragspartner der Gesellschaft zu sein

- einen Verfahrensfehler des Landgerichts darin sah, dass dieses nur das Passivrubrum geändert habe, statt von einer Klagerücknahme gegen die Gesellschaft und neuen Klage gegen den Beklagten auszugehen, ohne allerdings die darin liegende Entscheidungserheblichkeit aufzuzeigen

- auf den entsprechenden Hinweisbeschluss lediglich die Mitteilung erfolgt sei, die Berufung würde nicht zurückgenommen und sich auch nicht dazu geäußert habe, ob in der Formulierung in der Berufungsbegründung, der Beklagte sei „zu Recht“ zur Räumung verurteilt worden, ein Schreibfehler zu sehen sei (Anm.: Dies wurde doch an sich gerade vom Beklagten angegriffen).

Verwundert schon die Berufung in Ansehung einer ersichtlich völlig unzureichenden Begründung, so auch die Rechtsbeschwerde gegen ihre Verwerfung, unabhängig von der vom BGH dargelegten Unzulässigkeit.

Der BGH wies darauf hin, dass die Berufungsbegründung nach § 520 Abs.3 S. 2 Nr. 2 ZPO die Umstände benennen müsse, die nach Ansicht des Rechtsmittelführers fehlerhaft seien, und er habe dazu darzulegen, weshalb sie fehlerhaft sein sollen und woraus sich die erforderliche Entscheidungserheblichkeit ergebe. Aus sich heraus verständlichen Angaben seien diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die als unzutreffend beurteilt angesehen würden, und dazu die Gründe anzugeben,  aus denen heraus die Fehlerhaftigkeit und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung folgen soll, wobei es nicht einmal darauf ankäme, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar seien (BGH, Beschluss vom 12.02.2020 - XII ZB 445/19 -). Die Berufungsbegründung müsse auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein; eine Rüge mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen genüge dem nicht. Es müsse auf die Erwägungen des Erstgerichts eingegangen werden und dargelegt werden, weshalb diese unzutreffend seien und die Begründung müsse - ihre Richtigkeit unterstellt, dass ganze Urteil (Anm.: soweit angefochten) in Frage zu stellen. Dem entspräche, wie vom Oberlandesgericht zutreffend festgestellt, die Berufungsbegründung nicht.

So lasse die Berufungsbegründung schon nicht erkennen, ob und welche Angriffe materiell-rechtlicher Art gegen den Räumungsanspruch erhoben würden. So lasse sich nicht erkennen, ob nun nach Auffassung des Beklagten er (wie im Pachtvertrag benannt) nicht oder nicht mehr Vertragspartner des Klägers sei; seine Verweise beziehen sich auf erstinstanzliche Ausführungen zur Frage der „Rubrumsberichtigung“ ohne erkenne zu lassen, dass der Beklagte weiterhin seine Parteistellung als Mieter bestreiten wolle, ohne dass es darauf ankäme, dass der Beklagte trotz Hinweises seine Formulierung, das Räumungsurteil sei „zu Recht“ gegen ihn ergangen, klarstellte.  

Zur beanstandeten „Rubrumsberichtigung“ machte der BGH Ausführungen zur Rechtsgrundlage einer solchen und verwies darauf, dass ein hier evtl. auftretender Fehler nicht gem. § 319 ZPO berichtigt werden könne.  Erfolge durch das Gericht eine fehlerhafte Auslegung zur Person der verklagten Partei und würde damit eine tatsächlich nicht betroffene Partei verurteilt („Scheinbeklagter“), so könne diese den Rechtsbehelf ergreifen, der zur Beseitigung des gegen sie ergangenen Titels vorgesehen sei. Ein solches Urteil müsse durch das Berufungsgericht aus prozessrechtlichen Gründen in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen werden, damit eine Sachentscheidung gegenüber dem in Wahrheit gemeinten Beklagten ergehen könne. Auf die Frage, ob der Kläger möglicherweise doch materiell-rechtliche Ansprüche gegen den Scheinbeklagten habe, käme es nicht an.

Hier sei das Landgericht nach dem „Berichtigungsbeschluss“ der Ansicht gewesen, es habe sich um eine unschädliche Falschbezeichnung gehandelt, was es auch (was im Einzelnen vom BGH dargelegt wurde) begründet habe. Eine Auseinandersetzung damit sei durch den Beklagten im Rahmen der Berufung nicht erfolgt, der lediglich auf „rechtlich völlig nicht nachvollziehbaren Gründe“ anmerkte und (im Hinblick auf die seinerzeit umstrittene Tatsachenbehauptung zur Person des richtigen Räumungsschuldners) davon sprach, dass dies „der Rechtslage nicht gerecht“ werde, ohne auf die Auslegung des Landgerichts einzugehen.

Zudem fehle auch eine ausreichende Darlegung des Beklagten, weshalb die „Rubrumsberichtigung“ den Bestand des Urteils in Frage stellen könne. Wenn man nicht von einer „Falschbezeichnung“ im Klagerubrum ausgehen wolle, sondern davon, dass die Klage gegen eine fehlerhafte Person erhoben wurde, hätte dieser Fehler (Anm.: durch den Kläger) durch einen  gewillkürten Parteiwechsel behoben werden können und müssen.  Wäre dies - ggf. konkludent - erfolgt, wäre auch ein Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten entstanden, welches Grundlage für das vorliegende Teilurteil sein könnte. Hier sei zudem der Beklagte vor Antragstellung darauf hingewiesen worden, welche Folgen eine rügelose Antragstellung (auf Klageabweisung) hätten, da dies dahingehend gewertet werden könne,   dass von ihm eine Sachentscheidung ihm gegenüber gewollt wäre, ohne dass zuvor die Zustellung einer Parteiänderungsschrift anhängig gemacht würde und ein Mangel nach § 295 Abs. 1 S. 1 ZPO geheilt würde. 

BGH, Beschluss vom 05.07.2023 - XII ZB 539/22 -