Posts mit dem Label softwarevertrag werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label softwarevertrag werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 14. Februar 2025

Software-Vertrag: Gerichtsstand bei Beteiligten aus zwei Mitgliedsstaaten der EU

Die Klägerin, ein österreichisches Unternehmen, schloss mit einem in Deutschland ansässigen Unternehmen (Beklagte) einen Softwarevertrag. Die Klägerin entwickelte Software und die Parteien schlossen einen Vertrag über die Entwicklung und den Betrieb dieser Software in Deutschland. Es entstand Streit darüber, ob die Software allen rechtlichen Vorgaben entspricht. Die Klägerin klagte ihre Vergütung in Österreich ein; die Parteien hatten keinen Erfüllungsort und auch keinen Gerichtsstand vereinbart. Das Erstgericht verneinte die internationale Zuständigkeit, da der Erfüllungsort am Sitz des deutschen Unternehmens läge. Das Rekursgericht folget dem. Im Revisionsverfahren fragte sich der Oberste Gerichtshof (Österreich), ob für die Bestimmung des Erfüllungsortes bei Distanzdienstleistungen der Ort maßgeblich ist, an dem der Dienstleistungserbringer schöpferisch tätig ist, oder der Ort, an dem dies erbracht wurde bzw. wo sie den Gläubiger derselben erreiche.

Grundlagen des sogen. Vorabentscheidungsverfahrens zur Frage des örtlich und in der EU zuständigen Gerichts war die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, wonach sich die Zuständigkeit grundsätzlich der Wohnsitz des Beklagten richten soll (Erwägungsründe 15 und 16 der Verordnung).     Art. 7 der VO sehe vor, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates habe, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden könne, u.a. (Z.1b) 2. Spiegelstrich) für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedsstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder nach dem Vertrag hätten geliefert werden sollen.

Das vorlegende Gericht würde mit seiner Frage wissen wollen, ob Art. 7 Nr. 1 b) 2. Spiegelstrich dahin auszulegen sei, dass Erfüllungsort bei einem Vertrag über die Entwicklung und den anschließenden Betrieb einer Software, die nach den Bedürfnissen des Bestellers ausgerichtet sei, der in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sei als das für die Schöpfung, Erstellung und Programmierung zuständige Unternehmen, der Ort sei, an dem die Schöpfung pp. stattgefunden habe oder der Ort, an dem die Software dem Besteller erreiche, von diesem also abgerufen und eingesetzt werden könne.  

Die Verordnung bezwecke, so der EuGH, die Vorschriften in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften zu vereinheitlichen. Es soll ohne weiteres für in der EU ansässige Personen möglich sein, festzustellen, welches Gericht sie anrufen könne, wie auch ein potentieller Beklagter feststellen könne, vor welchem Gericht er verklagt werden könne. Die in Art. 7 Nr. 1 enthaltende Regel eines Gerichtsstandes für Streitigkeiten zu einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem solchen entspräche dem Ziel der räumlichen Nähe und habe ihren Grund in der engen Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht.

In Art. 7 Nr. 1 b) 2. Spiegelstrich würde das Anknüpfungskriterium für den Gerichtsstand autonom der Ort in einem Mitgliedsland angesehen, an dem die Dienstleitung erbracht werden soll oder würde, weshalb dieses autonome Anknüpfungskriterium für sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag für Dienstleistungen anwendbar sei. Es käme damit darauf an, an welchem Ort die hauptsächliche Leistungserbringung nach dem Vertrag, mangels einer dortigen Bestimmung aus dessen tatsächliche Erfüllung, erfolge. Bei einer Mehrzahl von vertraglichen Verpflichtungen sei die charakteristische Verpflichtung zu bestimmen.

Die Erstellung und Programmierung einer Software sei keine charakteristische Verpflichtung eines solchen Vertrages über die Lieferung von Software (wie hier), da die vertragsgegenständliche Dienstleistung dem betreffenden Besteller nicht tatsächlich erbracht würde, solange diese nicht einsatzbereit sei. Die Dienstleistung würde erst erbracht, wenn sie einsatzbereit und ihre Qualität geprüft werden könne. Da die charakteristische Verpflichtung eines Vertrages über die Online-Lieferung von Software wie im Ausgangsverfahren darin bestünde, diese dem Besteller zur Verfügung zu stellen, sei Erfüllungsort der Ort, an dem die Software dem Besteller erreichte, d.h. der Ort, an dem sie von ihm abgerufen und zum Einsatz gebracht würde. Würde die Software an verschiedenen Orten zum Einsatz gebracht, befände sich dieser Ort am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Bestellers, da es sich für Kläger und Beklagten um einen feststehenden und feststellbaren Ort handele, der geeignet sei, die Beweiserhebung und Geltung des Prozesses zu vereinfachen.

Nicht entscheidend sei, dass – wie die Beklagte geltend mache – die Vorgaben, an die sich die Klägerin hätte halte müssen, in den Rechtsvorschriften des Mitgliedslandes BRD zu sehen seien. Zwar entspräche dieser Anknüpfungspunkt den in den Erwägungsgründen der VO genannten Zielen der Vorhersehbarkeit und räumlichen Nähe. Da sich die Parteien aber uneins über die Tragweite dieser Vorgaben seien, dies zur inhaltlichen Klärung des zuständigen Gerichts gehöre, könne dies nicht berücksichtigt werden, da die Bestimmung des Erfüllungsortes nicht von Kriterien abhängen dürfe, die Teil der inhaltlichen Prüfung der Klage seien.

EuGH, Urteil vom 28.11.2024 - C-526/23 -