Der Kläger hatte seine Ansprüche
gegen die Beklagte treuhänderisch an eine f-GmbH (einen Inkassodienstleister)
zur außer- und gerichtlichen Geltendmachung abgetreten. Diese machte die
Ansprüche des Klägers im Rahmen einer Sammelklage zusammen mit Ansprüchen
Dritter gerichtlich geltend. Ihre Klage wurde (wegen fehlender
Aktivlegitimation) abgewiesen; eine dagegen eingelegte Berufung nahm sie
zurück. Nunmehr klagte der Kläger, nach Rückabtretung seiner Ansprüche, selbst.
Das Landgericht wies seine Klage ab; auf seine Berufung hin gab das OLG ihr
statt. Auf die vom OLG zugelassene, von der Beklagten eingelegte Revision wurde
das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.
Der auf Erstattung des
Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung sei unzulässig (Antrag 1). Insoweit
würde dem die materielle Rechtskraft des Urteils im Verfahren der f-GmbH
entgegenstehen, §§ 322 Abs. 1, 325 Abs. 1 ZPO.
Die materielle Rechtskraft einer
gerichtlichen Entscheidung stünde (als negative Prozessvoraussetzung) einer
neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen (ne
bis in idem), weshalb die diesen Streitgegenstand beinhaltende Klage unzulässig
sei (BGH, Urteil vom 18.01.1985 - V ZR 233/93 -). Dieses Prozesshindernis sei
in jeder Lage des Verfahrens zu beachten (BGH, Urteil vom 23.02.2006 - I ZR
272/02 -).
Wird die Beklagte wie vorliegend
zunächst aus abgetretenen Recht in Anspruch genommen und sodann nach
Rückabtretung (wie hier) des Anspruchs vom ursprünglichen Zedenten mit
identischer rechtlicher Begründung erneut verklagt, beträfen beide Klagen
denselben Streitgegenstand (BGH, Urteil vom 16.10.2020 – V ZR 98/19 -). Bestimmt würde der von der Rechtskraft umfasste
Streitgegenstand vom Klageantrag, in dem sich die vom Kläger für sich in
Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiere, und dem Lebenssachverhalt, aus
dem der Kläger die Rechtsfolge herleite (BGH, Urteil vom 19.12.1991 - IX ZR
96/91 -). Alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der
Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassten
Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören würden
zum Anspruchsgrund zählen, den der Kläger zur Stützung seines Begehrens dem
Gericht vortrage (BGH, Urteil vom 25.10.2012 - IX ZR 207/11 -). Das gelte auch unabhängig davon, ob diese einzelnen
Tatsachen des Lebenssachverhaltes von den Parteien vorgetragen worden wären
oder nicht, ferner unabhängig davon, ob die Parteien im Vorprozess die nicht
vorgetragenen Tatsachen bereits kannten und hätten vortragen können (BGH,
Urteil vom 23.06.2015 - II ZR 166/14 -).
Zwischenanmerkung: Eine
andere Sichtweise würde dazu führen, dass ein beendeter Prozess stellt neu
aufgerollt werden könnte, wenn er auf neue Tatsachen gestützt würde, die
bereits beim Vorprozess mit zum Tatsachenkomplex gehören. Eine Ausnahme davon
sieht das Gesetz nur in § 580 ZPO zur Restitutionsklage vor, die z.B.
erfordert, dass das Urteil auf einer gefälschten Urkunde beruht oder auf einer
beeidigten Aussage des Gegner, die vorsätzlich oder fahrlässig falsch war.
Danach würde der Antrag 1
denselben Streitgegenstand betreffen, der von dem Inkassodienstleister bereits
im Vorprozess aus abgetretenen Recht geltend gemacht worden sei und sich der
Kläger zur Stützung seines Antrages auf denselben Lebenssachverhalt mit gleichem
Klageziel stütze (BGH, Urteil vom 16.10.2020 - V ZR 98/19 -).
Urteile
seien nur insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage oder
Widerklage geltend gemachten Anspruch entschieden worden sei. Die Rechtskraft
beschränke sich mithin auf den unmittelbaren Streitgegenstand, also die
Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der
mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bilde (BGH, Urteil
vom 17.02.1983 - III ZR 184/81 -). Nicht erfasst würden
einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen,
auf denen die Entscheidung aufbaue (BGH, Urteil vom 26.06.2003 - I ZR 269/00
-). Feststellungen von präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen
Vorfragen nähmen als bloße Urteilselemente damit nicht an der Rechtskraft teil.
Der Inhalt des Urteils und damit
der Umfang der Rechtskraft seien der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen.
Auszugehen sei dabei von der Urteilsformel, die allerdings bei einer
Klageabweisung regelmäßig nicht erkennen lasse, worüber entschieden worden sei.
Reiche die Urteilsformel nicht aus, um den Rechtkraftgehalt festzustellen,
seien Tatbestand und Entscheidungsgründe, ggf. auch das Parteivorbringen,
ergänzend heranzuziehen (BGH, Urteil vom 17.02. 1983 - III ZR184/81 -). Mit
einem Urteil auf Abweisung einer Leistungsklage würde grundsätzlich
festgestellt dass die begehrte Rechtsfolge unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt hergeleitet werden könne, selbst dann, wenn nicht alle
erheblichen Tatsachen und in Betracht kommenden Rechtsnomen vorgetragen und
geprüft worden seien (BGH, Urteil vom 12.12.2008 - V ZR 49/08 -). Anderes gelte
nur dann, wenn den Entscheidungsgründen unmissverständlich der Wille des
Gerichts zu entnehmen sei, über den zu Grunde liegenden Sachverhalt
abschließend zu entscheiden und so dem Kläger eine erneute Klage zu diesem
Anspruch auf der gleichen tatsächlichen Grundlage und aufgrund bereits zum
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen zu
ermöglichen (BGH, Urteil vom 17.09.2011 - II ZR 221/09 -).
Das Landgericht habe hier im
Vorprozess einen Anspruch uneingeschränkt verneint. Hierauf beschränke sich die
Rechtskraft. Bei den getroffenen Feststellungen zur fehlenden Aktivlegitimation
des Inkassodienstleisters (so wegen Unwirksamkeit der Abtretung wegen Verstoßes
gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gem. § 134 BGB iVm. §§ 3, 4 RDG) handele
es sich lediglich um Vorfragen, aus denen das Gericht den Schluss auf das
Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs gezogen habe. Sie würden als bloße
Urteileelemente nicht von der Rechtskraft des Urteils erfasst, auch wenn das
Gericht eine Beschränkung der mündlichen
Verhandlung auf die Frage der Aktivlegitimation
und angeordnet und nur hierüber in der mündlichen Verhandlung verhandelt
habe. Dies deshalb, da sich in dem auf die mündliche Verhandlung ergangenen
Urteil weder im Urteil noch in den Gründen eine entsprechende Beschränkung der
Klageabweisung (auch nicht durch Auslegung) als derzeit unbegründet entnehmen
ließe und es nicht ausreiche, dass die Klage ausschließlich mit der Begründung
der fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen worden sei.
Die Rechtskrafterstreckung wirke
nach § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den Kläger, da er nach Rechtshängigkeit der
Klage im Vorprozess infolge der Rückabtretung der Ansprüche Rechtsnachfolger
des Inkassodienstleisters geworden sei. Der (hier auch erkennende) Senat des
OLG habe nach Erlass des Urteils des Landgerichts im Vorprozess entschieden,
dass die Abtretung der Ansprüche der Kunden an den Inkassodienstleister weder
nach § 3 RDG iVm. § 134 BGB nach der bis 30.09.3021 geltenden Fassung von § 4
RDG (jetzt § 41 Abs. 1 RDG) iVm. § 134 BGB nichtig gewesen seien da die
Tätigkeit von der dem Inkassodienstleister erteilten Erlaubnis von
Rechtsdienstleistungen gedeckt waren. Die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess
ergäbe nichts anderes, da die Feststellung zur fehlenden Aktivlegitimation des
Inkassodienstleisters als bloßes Urteilselement nach § 322 Abs. 1 ZPO nicht an
der Rechtskraft teilnehme (s.o.).
Aufgrund er Bindungswirkung desrechtskräftigen
Urteils aus dem Vorprozess stünden auch die weiteren Anträge (Feststellung
Annahmeverzug, vorgerichtliche Anwaltskosten) dieser entgegen, ebenso
eventuelle Restschadensersatzansprüche des Klägers aus §§ 862, 852 S. 1 BGB
oder §§ 823 Abs. 2, 852 BGB iVm. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV -).
Eine Rückverweisung sah der BGH
als geboten an, da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung
bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt sei und danach die Sache zur
Endentscheidung reif sei (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Schlussbemerkung:
Der BGH hat sich vorliegend ausführlich mit der Frage der
Rechtskrafterstreckung unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung
auseinander gesetzt. Dabei lag die Besonderheit in der hier vorliegenden
Abtretung und der rechtskräftigen Abweisung der Klage des Zessionars, der sich
die Ansprüche wieder rückabtreten ließ, um sie selbst noch einmal geltend zu
machen. Die Reaktion des Zessionars war verständlich, hatte doch das
Landgericht im Vorprozess die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation
abgewiesen. Die fehlende Aktivlegitimation nahm das Landgericht wegen
Unzulässigkeit (Nichtigkeit, § 134 BGB) der Abtretung an. Würde man die
Nichtigkeit der Abtretung annehmen, wäre der Anspruch nie wirksam vom Kläger an
den Inkassodienstleister abgetreten worden und der Kläger wäre noch originär
Inhaber des eventuellen Anspruchs; die Rechtskraft des Vorprozesses würde ihn
dann nicht berühren, da die Klage von einem Nichtberechtigten erhoben worden
wäre. Indem aber der BGH die Zession an den Inkassodienstleister als wirksam
ansah, hier also der Kläger nur durch eine Rückabtretung den Anspruch selbst
(wieder) geltend machen konnte, traf ihn die Rechtskrafterstreckung aus dem
Vorurteil, der durch die Rückabtretung Rechtnachfolger des Inkassodienstleisters
wurde und sich in dem rechtkräftigen Vorurteil kein Vorbehalt befand, welches
eine neue Klage ermöglicht hätte. Damit zeigt das Urteil auf, dass Abtretungen
an Dritte, wie sie auch häufig vorgenommen werden, um einen Zeugen zu
generieren (damit dieser nicht Partei ist und damit als Zeuge
ausscheidet), rechtliche Unsicherheiten
bei einer Klageabweisung beinhalten, die auf die Zession im Hinblick auf eine
Aktivlegitimation zurückgehen.
BGH, Urteil vom 07.08.2024 - VIa ZR 930/23 -