Der Schuldner erschien nicht zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft (in dessen Rahmen der Gerichtsvollzieher bereits einen Versuch einer gütlichen Einigung nach § 802b ZPO unternahm, wobei der Schuldner vereinbarte Ratenzahlungen nicht einhielt), woraufhin der Gerichtsvollzieher die Akte gemäß Weisung des Gläubigers dem Vollstreckungsgericht zwecks Erlass eines Haftbefehls vorlegte. Der Haftbefehl wurde erlassen. Es kam dann nicht zu einer Vollstreckung, da der Schuldner unbekannt verzogen war. Im Rahmen des Verhaftungsverfahrens war dem Schuldner vom Gerichtsvollzieher eine Mitteilung mit der „Aufforderung zur gütlichen Einigung gemäß § 802b ZPO“ überlassen worden. Bei seiner Kostenrechnung machte der Gerichtsvollzieher eine Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG zuzüglich Auslagenpauschale für den Versuch einer gütlichen Einigung während des Verhaftungsverfahrens geltend.
Gegen diesen Kostenansatz erhob die Bezirksrevisorin Erinnerung, der der Gerichtsvollzieher nicht abhalf. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin und weitere Beschwerde wurden zurückgewiesen. Schließlich wurde die Beschwerde dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Dieses sah die zulässige (auch wenn sie zugunsten des Gläubigers erfolgte) weitere Beschwerde als begründet an, da die Gebühren nach Nr. 207 KV GvKostG nebst Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG nicht angefallen seien. Das OLG konstatierte, dass der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedachts ein müsse, wofür er dann auch die Gebühren nach Nr. 207 und 208 KV GvKostG beanspruchen könne. Umstritten sei allerdings in der Rechtsprechung. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine solche gebühr auch für den Versuch einer gütlichen Erledigung im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft vom Gerichtsvollzieher berechnet werden dürfe (bejahend z.B. OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2022 – 17 W 136/20 -; verneinend z.B. OLG Celle, Beschluss vom 10.12.2021 – 2 W 183/21 -).
Maßgeblich sei, dass gem. § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses bei Durchführung desselben Auftrages nur einmal erhoben werden dürfe. Hier sei bereits diese Gebühr im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Vermögensauskunft entstanden gewesen; insoweit läge ein einheitlicher Auftrag vor. Der Verhaftungsauftrag sei als bloßes Beugemittel subsidiär und setze einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft voraus. Ein in dessen Rahmen vorgenommener Versuch der gütlichen Erledigung erfolge deshalb immer im zeitlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Vermögensauskunft, weshalb der begonnene und mit dem Haftbefehl fortgesetzte Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft „derselbe Auftrag“ iSv. § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG sei.
Das OLG wies darauf hin, dass dem § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG , wonach die Vollziehung eines Haftbefehls einen besonderen Auftrag darstelle, nicht entgegen stehen würde. Der Umstand, dass § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG den Verhaftungsauftrag zu einem gesonderten Auftrag erhebe, bedeute nicht, dass in einem einheitlichen Vollstreckungsverfahren wiederholt vorgenommene Einigungsversuche kostenrechtlich jeweils auf einem neuen Auftrag beruhen würden. Die Erlaubnis des Gerichtsvollziehers zur Vornahme eines gütlichen Einigungsversuchs basiere auf dem ursprünglichen Vollstreckungsauftrag.
Anmerkung: Der Gläubiger kann dem Gerichtsvollzieher untersagen, einen Versuch zur gütlichen Einigung vorzunehmen. Dies wird häufig von den Gerichtsvollziehern nicht beachtet mit Hinweis darauf, sie hätten nach § 802a ZPO eine Pflicht, einen Einigungsversuch zu unternehmen. Dem ist nicht so, weshalb auch die Gebühr nicht zu zahlen ist (LG Hannover, Beschluss vom 25.07.2017 - 55 T 43/17 -).
Hinweis: Eine andere Ansicht vertritt das > OLG Oldenburg.
OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.11.2024 - 2 W 88/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der
Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 11.07.2024
wie folgt abgeändert:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duderstadt vom 20.12.2023 wird der Kostenansatz des Obergerichtsvollziehers A. vom 23.05.2023 unter dem Geschäftszeichen DR II 78/23 auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Landeskasse insoweit aufgehoben, als eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung gemäß Nr. 207 KV Gv-KostG Höhe von 17,60 € zuzüglich der darauf entfallenden Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG in Höhe von 3,52 € erhoben worden ist.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der
Obergerichtsvollzieher A. wurde mit Vollstreckungsauftrag des Gläubigers vom
07.09.2021 mit der Abnahme einer Vermögensauskunft beauftragt (Geschäfts-Nr.:
DR II 639/21); gleichzeitig sind die Zustimmung des Gläubigers zu einem
Verfahren gemäß § 802b ZPO erklärt und zur Erzwingung der
Vermögensauskunft der Erlass eines Haftbefehls sowie die Verhaftung des
Schuldners beantragt worden. Die Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe
der Auskunft enthielt eine „Aufforderung zur gütlichen Erledigung gemäß § 802b
ZPO“. Noch vor dem vorgesehenen Termin wurde ein Ratenzahlungsplan vereinbart,
den der Schuldner allerdings nicht eingehalten hat, was zu einem erneuten
Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft geführt hat. Zu dem anberaumten Termin
zur Abgabe der Vermögensauskunft ist der Schuldner nicht erschienen, woraufhin
der Obergerichtsvollzieher die Akte dem Vollstreckungsgericht zwecks Erlass
eines Haftbefehls vorgelegt hat, welches den Haftbefehl antragsgemäß erließ. Da
der Schuldner unbekannt verzogen ist, ist es nicht zu seiner Verhaftung
gekommen. Im Rahmen des Verhaftungsverfahrens (Geschäfts-Nr.: DR II 78/23) war
dem Schuldner ebenfalls eine Mitteilung mit „Aufforderung zur gütlichen
Einigung gemäß § 802b ZPO“ überlassen worden.
Die im
Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft erstellte Kostenrechnung des
Obergerichtsvollziehers vom 25.01.2022 enthält eine Gebühr nach Nr. 208 KV
GvKostG für den Versuch der gütlichen Erledigung sowie die darauf entfallende
Auslagenpauschale nach Nr. 716 GvKostG. Mit Kostenansatz vom 23.05.2023
hat der Obergerichtsvollzieher im Verhaftungsverfahren unter anderem eine
Gebühr nach Nr. 207 KV Gv-KostG in Höhe von 17,60 € sowie die darauf
entfallende Auslagenpauschale nach Nr. 716 GvKostG in Höhe von 3,52 €
berechnet.
Die gegen den
letztgenannten Kostenansatz gerichtete Erinnerung der Bezirksrevisorin vom
26.10.2023, welcher der Obergerichtsvollzieher unter dem 03.11.2023 nicht
abgeholfen hat, hat das Amtsgericht Duderstadt mit Beschluss vom 20.12.2023
zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Bezirksrevisorin ist
ebenfalls erfolglos geblieben und vom Landgericht Göttingen, welches die
weitere Beschwerde zugelassen hat, mit Beschluss vom 11.07.2024 zurückgewiesen
worden.
Mit Schriftsatz
vom 18.07.2024 hat die Bezirksrevisorin weitere Beschwerde eingelegt. Sie trägt
zur Begründung vor: Der Gebührentatbestand gemäß Nr. 207 KV GvKostG komme
im Verfahren zur Verhaftung des Schuldners nicht zum Tragen, weil diese Gebühr nur
für isolierte Aufträge gelte. Zudem diene das Verhaftungsverfahren der
Erzwingung der Abnahme der Vermögensauskunft und setze deshalb einen darauf
bezogenen Auftrag voraus. Es gelte § 10 Abs. 1 GvKostG, wonach eine
Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses bei Durchführung
desselben Auftrags nur einmal entstehe.
Das Landgericht
hat der weiteren Beschwerde mit Beschluss vom 12.08.2024 nicht abgeholfen und
die Sache dem Oberlandgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur
Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat die Vollstreckungsakten DR II 639/21 und
DR II 78/23 beigezogen.
II.
1. Die
weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Landgerichts
Göttingen vom 11.07.2024 ist gemäß §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66
Abs. 4 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann die
Staatskasse nicht nur Erinnerung bzw. Beschwerde einlegen, wenn ihr der
Kostenansatz als zu niedrig erscheint, sondern auch dann, wenn er zu hoch
vorgenommen wurde oder schlicht unrichtig ist. Das Rechtsmittel ist dann keines
zugunsten des Schuldners, sondern eines zugunsten der sonst mit einer Rückforderung
bedrohten Kasse (vgl. Uhl in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., § 5
GvKostG, Rn. 20 m. w. N.).
2. Die
weitere Beschwerde ist auch begründet.
Die geltend
gemachte Gebühr gemäß Nr. 207 KV GvKostG nebst darauf entfallender
Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG ist nicht angefallen, so dass
die Kostenrechnung vom 23.05.2023 entsprechend zu berichtigen ist.
a) Nach
§ 802b Abs. 1 ZPO soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des
Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. Eines diesbezüglichen
gesonderten Auftrags bedarf es nur, wenn sich der Auftrag hierauf beschränkt
(§ 802a Abs. 2 S. 2 ZPO). Unternimmt der Gerichtsvollzieher den
Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache, kann er hierfür grundsätzlich die
Gebühren nach Nr. 207 und 208 KV GvKostG beanspruchen. b) Ob und unter
welchen Voraussetzungen eine solche Gebühr auch für den Versuch einer gütlichen
Erledigung im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls zur Erzwingung der
Abgabe der Vermögensauskunft von einem Gerichtsvollzieher in Rechnung gestellt
werden darf, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (bejahend z. B. OLG
Köln, Beschluss vom 20.01.2022 – 17 W 136/ 21, DGVZ 2022, 90; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 08.12.2020 – 10 W 90/20, BeckRS 2020, 38140; OLG Celle, Beschluss
vom 13.07.2020 – 4 W 37/ 20, DGVZ 2020, 208; Uhl in: Toussaint, Kostenrecht,
54. Aufl., § 3 GvKostG, Rn. 38; verneinend: OLG Celle, Beschluss vom
10.12.2021 – 2 W 183/ 21, DGVZ 2022, 69; Herrfurth in: BeckOK Kostenrecht, 46.
Edition, 208 KV Gv-KostG, Rn. 17 f.; Kawell in: Kindl/Meller/Hannich, Gesamtes
Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., KV GvKostG Nr. 207-208, Rn. 18
f.). Der Senat folgt der Auffassung, wonach bei Durchführung des Auftrags zur
Verhaftung des Schuldners zwecks Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft
keine erneute Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung entsteht.
aa)
Maßgeblich ist, dass gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG eine Gebühr
nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses bei Durchführung desselben
Auftrags nur einmal erhoben wird. Das zweimalige Abrechnen einer Gebühr nach
Nrn. 207, 208 KV Gv-KostG, nämlich einmal im Verfahren auf Abgabe der
Vermögensauskunft und ein weiteres Mal im Verhaftungsverfahren, ist vor diesem
Hintergrund ausgeschlossen. Unternimmt der Gerichtsvollzieher in Ausübung des
Verhaftungsauftrags den Versuch einer gütlichen Erledigung, stellt sich dies
als eine Tätigkeit im fortgesetzten Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft
dar (vgl. Kawell, a. a. O., Rn. 19). Denn der Verhaftungsauftrag nach
§ 802g Abs. 2 ZPO ist als bloßes Beugemittel subsidiär, dient der
zwangsweisen Durchsetzung des eigentlichen Auskunftsanspruchs des Gläubigers
und setzt einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft voraus. Ein in diesem
Rahmen vorgenommener Versuch der gütlichen Erledigung erfolgt deshalb immer im
zeitlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Vermögensauskunft (vgl.
Herrfurth, DGVZ 2022, 90 (93)), so dass eine versuchte oder erfolgte gütliche
Erledigung dem Verfahren der Vermögensauskunft zuzuordnen ist (so Herrfurth in:
BeckOK Kostenrecht, 46. Edition, 208 KV GvKostG Rn. 17). Derselbe Auftrag im Sinne
von § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG ist deshalb der begonnene und mit
dem Haftbefehl fortgesetzte Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft (vgl.
Kawell, a. a. O. Rn. 19).
bb) Die
Regelung des § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG, wonach die Vollziehung
eines Haftbefehls einen besonderen Auftrag darstellt, steht dem nicht entgegen.
Die kostenrechtliche Folge dieser Ausnahmeregelung besteht nur darin, dass
ausschließlich die dem Verhaftungsverfahren zuzuordnenden Kosten aus dem
Zusammenhang des § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG herausgelöst werden,
also etwa Wegegeld gesondert in Ansatz gebracht werden kann. Im Übrigen bleibt
es jedoch bei der Einheit der auf Vermögensauskunft und gütliche Erledigung zielenden
Vollstreckungsanträge (vgl. a. dazu Herrfurth, DGVZ 2022, 90 (94)). Dass
§ 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG den Verhaftungsauftrag kostenrechtlich
zu einem gesonderten Auftrag erhebt, bedeutet nicht, dass im
Verhaftungsverfahren und damit verfahrensrechtlich in einem einheitlichen
Vollstreckungsverfahren wiederholt vorgenommene Einigungsversuche
kostenrechtlich ebenfalls auf einem gesonderten Auftrag beruhen. Die Befugnis
des Gerichtsvollziehers zur Vornahme eines gütlichen Erledigungsversuchs
resultiert aus dem ursprünglichen Vollstreckungsauftrag. Denn mit der
Beauftragung zur Einholung der Vermögensauskunft wird die gleichzeitige
Beauftragung zur gütlichen Erledigung gemäß § 802a ZPO fingiert, während
die Verhaftung gerade nicht zu den Regelbefugnissen des § 802a ZPO gehört.
Aus dem Haftauftrag selbst kann deshalb keine Beauftragung zur gütlichen
Erledigung gemäß § 802a Abs. 2 ZPO abgeleitet werden (ebenso
Herrfurth in: BeckOK Kostenrecht, 46. Edition, 208 KV GvKostG Rn. 17). Die Gebühr
für den Versuch einer gütlichen Einigung wird daher bei einem
Verhaftungsauftrag nicht erneut erhoben, es sei denn, der Haftauftrag wurde
nach Ablauf der Frist des § 3 Abs. 4 GvKostG erteilt oder die
Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 S. 2 GvKostG liegen vor (vgl. OLG
Celle, Beschluss vom 10.12.2021 – 2 W 183/ 21, DGVZ 2022, 69, Rn. 18; Kawell,
a. a. O., Rn. 20; Herrfurth BeckOK Kostenrecht, 46. Edition, 208 KV GvKostG,
Rn. 17), was vorliegend beides nicht der Fall ist.
3. Die
Kostenentscheidung folgt aus §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG.
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