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Samstag, 24. April 2021

Deliktische Haftung bei Schädigung anderer Bauteile durch fehlerhafte Werkleistung

Die klagende Versicherung machte aus übergegangenen Recht (§ 86 VVG) Ansprüche wegen eines Wasserschadens gegenüber dem beklagten Werkunternehmer geltend. Die Versicherungsnehmerin war Eigentümerin einer 1995 errichteten Sporthalle, bei der der Beklagte die Installationsarbeiten im Sanitärbereich durchgeführt hatte. In 2009 sollen seien Anzeichen eines Wasserschaden in Nassräumen im Untergeschoss und Leckagen an Wasserabnahmestellen festgestellt worden. Ursächlich dafür soll nach Vortrag der Klägerin eine unsachgemäße mechanische Kürzung der Hahnverlängerungen durch Absägen und eine unzulässige Eindichtung der Verbindungen durch den Beklagtengewesen sein. Mit der Klage würde Ersatz der aus dem Mangel resultierenden weitergehenden Schäden infolge der Durchnässung bereits zuvor vorhandener Gebäudeteile (Wände, Bodenplatte und Fußböden) verlangt. Die Kosten hätten sich auf € 243.944,72 belaufen; unter Abzug einer Wertverbesserung mit € 41.382,61 wurde von der Klägerin der Betrag von € 202.562,11 geltend gemacht.

Die Klage wurde abgewiesen, ebenso die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung. Auf die Revision wurde das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Oberlandesgericht (OLG) zurückverwiesen.

Der BGH stimmte dem OLG dahingehend zu, dass die Deliktsordnung nicht von der Vertragsordnung verdrängt würde und dass grundsätzlich jede Haftung ihren eigenen Regeln folge. Deliktische Verkehrspflichten hätten (anders als Gewährleistungspflichten aus dem Werkvertragsrecht) nicht den Erwerb einer mangelfreien Sache zum Inhalt und dienten nicht dem Schutz der Nutzungs- und Werteerwartungen. Sie seien vielmehr auf das Interesse gerichtet, durch die in Verkehr gegebene Sache nicht in Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (sogen. Integritätsinteresse). Decke sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhafte, dann sei er alleine auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen, weshalb insoweit kein Raum für deliktische Schadensersatzansprüche bestünde. Sei der Schaden hingegen nicht mit der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse stoffgleich, könne sich im Schaden (auch) das verletzte Integritätsinteresse des Eigentümer oder Besitzers niederschlagen und dieser könne dann grundsätzlich auch von der deliktischen Haftung aufgefangen werden, selbst wenn er mit vertraglichen Gewährleistungs- oder Ersatzrecht konkurriere.

Die Annahme des OLG, ein deliktischer Anspruch auf Ersatz von Kosten für den Austausch von Hahnverlängerungen bestehe nicht, sei nicht zu beanstanden. Nach dem Vortrag der Klägerin sei dieser bereits mangelhaft eingebaut worden. Es läge daher kein Eigentumsverletzung vor (allenfalls also ein hier verjährter Gewährleistungsanspruch). Allerdings würden hier diese Kosten (für den Austausch von Hahnverlängerungen) von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Der von dem OLG vertretenen Auffassung, bei den Schäden an den anderen Bauteilen (Bodenplatte, Wände und Fußböden) sei eine Stoffgleichheit anzunehmen, folgte der BGH nicht.

Stoffgleichheit liege vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung der Fehler von Anfang an die Gesamtsache, für deren Beeinträchtigung Schadensersatz begehrt wird, ergreife, etwa da die Sache als Ganzes wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zum vorgesehenen Zweck verwendbar sei. Hierzu würden auch die Fälle gehören, bei denen eine Beseitigung des (wenn auch nur einem Teil der Sache anhaftenden) Fehlers technisch nicht möglich sei oder wenn ein Mangel nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise behoben werden könne. Läge aber ein Mangel vor, der zunächst nur auf einen Teil der Sache beschränkt gewesen sei und entsprechend den benannten Grundsätzen behebbar war, und führe er erst später zu einer Zerstörung der Sache oder zur Beschädigung anderer Teile derselben, habe der von dem Fehler zunächst nicht erfasste Teil der Sache einen eigenen Wert und der Mangelunwert decke sich dann nicht mit dem Schaden. Nicht entscheidend sei, ob der Fehler vor dem Schadenseintritt bei normalen Lauf der Dinge entdeckt werden konnte oder nicht. Wesentlich sei nur, dass der Mangel aus objektiv technischer Sicht hätte aufgespürt werden können, sei es auch erst bei gezielter Suche, sofern diese nicht mit einem unverhältnismäßigen Aufwand an Kosten und Zeit verbunden gewesen wäre. Nur unter diesem letzten Gesichtspunkt könne es für den wirtschaftlichen Stellenwert darauf ankommen, unter welchen Umständen ein vermuteter Fehler erkannt werden kann, da nur in diesem Sinne schwer aufzuspürende Mängel die technische und wirtschaftliche Behebbarkeit in Frage stellen könnten. Die für die Produzentenhaftung entwickelten Grundsätze würden entsprechend auch für die deliktische Haftung des Werkunternehmers gelten, unabhängig davon, ob zwischen dem Werkunternehmer und dem Geschädigten vertragliche Beziehungen bestehen/bestanden. Der anfängliche Mangelunwert und Schaden decken sich mithin, wenn die Fehlersuche und Fehlerbeseitigung Kosten verursache, die etwa dem Wert des Gesamtsache entsprechen oder diese gar übersteigen.

Es käme also (anders als das OLG meinte) nicht darauf an, ob es sich bei der Neuerrichtung der Sporthalle um eine Gesamtbaumaßnahme mit Arbeiten verschiedener Gewerke zur Herstellung eines Funktionszusammenhangs gehandelt habe, wie es auch nicht darauf ankäme, ob die behaupteten Undichtigkeiten zwangsläufig zur Beschädigung der darunter- oder dahinterliegenden Bauteile geführt habe. Entscheidend sei, ob ein Auswechseln der Hahnverlängerungen weitgehend ohne Zerstörung anderer Bauteile möglich sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Sporthalle nicht oder nur in sehr eingeschränkten Maße verwendbar gewesen sei.

Auch aus der Entscheidung des BGH vom 27.01.2005 - VII ZR 158/03 - ließe sich nichts anderes herleiten, wobei offen bleiben könne, ob die dort benannten Beispiele und Erwägungen (dort Rn. 36 und 37) sich mit den benannten Abgrenzungskriterien vereinbaren lasse. Jedenfalls könne diese Entscheidung nicht dahingehend verstanden werden, dass im hier relevanten Zusammenhang eine vertragliche Leistung immer schon dann (zumindest auch) dem Schutz eines anderen Bauteils bezwecke, wenn es bei nicht vertragsgemäßer Leistung beschädigt würden oder werden könnte. Dies sei grundsätzlich bei jeder Leistung der Fall, da alle Gebäude auf das fehlerfreie Funktionieren und Zusammenwirken ihrer Einzelteile angelegt seien. Deshalb scheide eine Eigentumsverletzung an anderen Bauteilen der Sporthalle nicht deshalb aus, weil die fachgerechte Ausführung und Abdichtung der Hahnverlängerungen nicht nur der Funktion der Wasserabgabe diene, sondern darüber hinaus auch verhindern soll, dass Wasser unkontrolliert in die Sporthalle eindringt.  

Fehlerhaft sei auch die Annahme des OLG, dass, wenn nach klägerischem Vortrag der Mangel von Anfang an dem Bauwerk angehaftet habe, an den erst später eingebrachten Fußböden, Wandbekleidungen, Vormauern, Fliesen und Abdichtungen kein unversehrtes Eigentum habe erwerben können und die Kosten einer Schätzung nicht Beschädigungen am Rohbau, sondern offenbar später gefertigter Teile beträfen. Zum Einen ergäbe sich aus dem Tatbestand des Urteils des OLG, dass das Gebäude bereits errichtet gewesen sei (Wände, Bodenplatte und Fußböden), als die Installationen von dem Beklagten eingebracht worden seien. Zum Anderen erschließe sich nicht, weshalb eine Eigentumsbeeinträchtigung nicht vorliegen soll, soweit Gebäudeteile erst nach Einbau der Hahnverlängerungen errichtet wurden, da entscheidend sei, dass das Eigentum zunächst unbeeinträchtigt war und erst später durch austretendes Wasser beschädigt wurde (BGH, Urteil vom 05.05.1981 - VI ZR 280/79 -).  

Nach den bisherigen Feststellungen könne auch nicht von einer Verjährung der deliktischen Ansprüche ausgegangen werden. Die Klage ging am 31.12.2012 bei Gericht ein und wurde demnächst zugestellt. Damit war die Verjährung ab de, 31.12.2012 gehemmt gewesen. Unabhängig von eventuell anderen Hemmungstatbeständen käme es darauf an, ob der Anspruch vor Ablauf des 31.12.2012 entstanden sei. Die Rechtsgutsverletzung erfolgte nicht bereits durch die Installation der Wasserabnahmestellen in 1995, sondern erst durch das austretende Wasser.

BGH, Urteil vom 23.02.2021 - VI ZR 21/20 -

Donnerstag, 26. November 2020

Wann besteht Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kfz-Neupreises nach Verkehrsunfall ?

 

Am Unfalltag betrug der Kilometerstand des PKW des Klägers 571 Kilometer. Die Reparaturkosten beliefen sich nach Gutachten auf brutto € 5.287,43 bei einer Wertminderung von € 1.000,00. Der Kläger verlangte die Kosten für einen Neuwagen mit € 37.181,00 zuzüglich der Sachverständigenkosten für das Gutachten und eine Kostenpauschale mit € 30,00. Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von € 6.180,54 (nämlich Reparaturkosten auf Basis des Gutachtens mit netto € 4.443,22, Sachverständigenkosten, Minderwert und Kostenpauschale, diese mit € 25,00). Die zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH bekräftigte, dass bei einem fabrikneuen Fahrzeug mit eine Laufleistung von nicht mehr als 1.000km bei einer erheblichen Beschädigung des Fahrzeugs (und ausdrücklich auch nur dann) der Eigentümer berechtigt sei, Ersatz für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Fahrzeug erworben habe. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück, lasse den Anspruch auf den Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Es gelte das Wirtschaftlichkeitspostulat und das Bereicherungsverbot und es sei nicht ersichtlich, welche Gründe bei einer Beschädigung eines Neuwagens für deren Aufgabe sprechen könnten.

Vorliegend habe der Kläger keinen Neuwagen erworben. Die durch Erstattung der Kosten eines angeschafften gleichwertigen Neuwagens erfolgte Anhebung der „Opfergrenze“ des Schädigers erfolge allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und der Nutzung eines Neufahrzeuges. Dies setze aber ein solches Interesse des Geschädigten voraus, welches durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachzuweisen sei. Nur dann sei es gerechtfertigt, mehr als die Reparaturkosten und den merkantilen Minderwert zuzuerkennen.

BGH, Urteil vom 29.09.2020 - VI ZR 271/19 -

Sonntag, 8. November 2020

Wann kann der Mieter Schadensersatz wegen Verzugs mit der Mangelbeseitigung fordern ?

Es lag ein Wasserschaden in den vom Kläger angemieteten Räumen vor. Dieser wurde, wovon das OLG nach dem Vortrag des Klägers ausging, im Dezember 2020 durch eine innen liegende Dachentwässerung verursacht. Es handele sich damit um denselben Mangel wie bei einem ersten Schaden im Januar 2010.

Nach Auffassung des OLG, welches die Berufung des mietenden Klägers gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts aus offensichtlich unbegründet im Beschlussweg zurückwies, kommt eine Schadenshaftung des Vermieters aus § 280 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn der Schaden nicht auf der Beschaffenheit der Mietsache beruhe. Ansonsten würde § 536a BGB lex specialis sein.

Auch ein Schadensersatzanspruch nach § 536a Abs. 1 Fallgruppe 3 BGB käme nicht in Betracht. Ob ein Verzug des Vermieters mit der Mangelbeseitigung vorliege, richte sich nach § 286 BGB. Voraussetzung seien ein fälliger Anspruch des Mieters und grundsätzlich eine darauf gerichtete Mahnung. Eine Haftung des Vermieters scheide aus, wenn ihn an der Verzögerung kein Verschulden treffe.

Fällig würde der Beseitigungsanspruch bereits mit Entstehung des Mangels. Allerdings bedürfe es zur Geltendmachung der Rechte aus § 536a Abs. 1 BGB der Mängelanzeige durch den Mieter, § 536c Abs. 3 BGB. Um nun nach § 286 BGB einen Verzug zu begründen, bedarf es grundsätzlich der Mahnung. Dass diese hier nach § 286 Ab. 2 BGB entbehrlich sein könnte, konnte das OLG nicht erkennen. Die Mahnung müsse unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass dem Vermieter bei Nichtbeseitigung des mangels Nachteile drohen, ohne dass dabei zwingend eine Fristsetzung erforderlich sei. Die Mangelanzeige ersetze nicht die Mahnung. Wobei allerdings Mangelanzeige und Mahnung miteinander verbunden werden könnten. Ob eine derartige Verbindung vorläge, sei durch Auslegung zu ermitteln. Alleine die Behauptung des Klägers, mit der Anzeige des Mangels gleichzeitig gemahnt zu haben, reiche nicht aus. Mangels Vorlage der Mangelanzeige sah sich das OLG nicht in der Lage, eine Prüfung vorzunehmen. Da auch eine gesonderte Mahnung nicht schlüssig behauptet worden sei, den Kläger aber für den Verzugseintritt die Beweislast trifft, müsse ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 536a Abs. 1 Fallgruppe 3 BGB scheitern.

Darüber hinaus würde ein Verzug auch voraussetzen, dass der Vermieter nicht ohne schuldhaftes Zögern nach Zugang einer Mahnung die Beseitigung des mangels beauftragt hätte. Ein Verzug würde auch in diesem Fall mit der Beseitigung des mangels enden. Würden wiederholt gleichartige Mängel auftreten, könne der Vermieter gehalten sein die Ursachen zu beseitige. Sei allerdings nach Beseitigung der Symptome nicht mit einem erneuten Wiederauftreten zu rechnen, könne sich der Vermieter darauf beschränken Da nichts dazu vorgetragen wurde, dass es bereits vor Januar 2010 Durchfeuchtungen der Decke kam (obgleich der Kläger die Räume seit 1994 nutze), sei nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte nach Beauftragung einer Fachfirma im Januar 2010 mit einer erneuten Durchfeuchtung gerechnet habe. Damit ergäbe sich aus dieser Erwägung auch kein Schadensersatzanspruch nach § 536a Abs. 1 3. Fallgruppe BGB.

OLG Rostock, Beschluss vom 03.08.2020 - 3 U 91/18 - 

Freitag, 4. September 2020

Beweislast für fehlende Aufklärung offenbarungspflichtiger Umstände bei einem Grundstückskaufvertrag


Die Kläger verkauften den Beklagten mit notariellem Kaufvertrag ein Grundstück unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Das Grundstück war mit einem Wochenendhaus nebst einer Motorradgarage bebaut, wobei die Garage als Wohnraum mit genutzt wurde. Nach Eigentumsübergang wandte sich die Bauaufsicht an die Kläger und wies darauf hin, dass die Garage nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe und ein Rückbau angedacht sei. Die Kläger haben daraufhin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und den Kaufpreis (Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums) verlangt. Auf die Berufung wurde der Klage stattgegeben, da das Berufungsgericht von einer unterlassenen Aufklärung durch die Beklagten ausging. Dem folgte der BGH nicht, der das Urteil aufhob und den Rechtsstreits an das Berufungsgericht zurückverwies.

Von Grundsatz her kann auch nach Auffassung des BGH bei arglistiger Täuschung und wirksamer Anfechtung des Vertrages von den Klägern die Rückabwicklung des Vertrages (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) und Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Haftung bei Vertragsschluss (§ 280 Abs.1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) in Betracht kommen. Auch sei vom Berufungsgericht richtig davon ausgegangen worden, dass die arglistige Täuschung objektiv angenommen werden kann, wenn Räume als Wohnräume angepriesen würden, obwohl eine dafür erforderliche baurechtliche Genehmigung nicht vorliege. Dies deshalb da die Baubehörde die Nutzung jedenfalls bis zur Erteilung einer Genehmigung untersagen könne (BGH, Urteil vom 27.06.2014 – V ZR 55/13 -).

Die subjektive Seite des arglistigen Handelns bei der unterlassenen Aufklärung erfordere, dass der Verkäufer den Fehler jedenfalls für möglich hält und weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem Inhalt abgeschlossen hätte.

Allerdings würden die beklagten als Verkäufer nicht die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung tragen. Allerdings trage derjenige, der einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechte, die Darlegungs- und Beweislast für alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen. Dazu gehöre bei der Täuschung durch Verschweigen die fehlende Offenbarung. Da es sich dabei um eine negative Tatsache handele, kämen daher dem Käufer die Grundsätze der sekundären Beweislast zugute. Damit müsse der Verkäufer substantiiert in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht eine Aufklärung darlegen und es wäre Sache des Käufers, dies zu widerlegen.

Alleine die notarielle Form des Vertrages rechtfertige hier keine abweichende Sicht. Auch wenn hier im Vertrag aufgenommen worden sei, dass den Verkäufern unsichtbare Mängel nicht bekannt seien, würde dem kein Beweiswert in Bezug auf eine von den Verkäufern behauptete Aufklärung zulassen. Denn bei Aufklärung läge bereits kein „unsichtbarer“ Mangel mehr vor.

Anders als das Berufungsgericht, welches von einer Umkehr der Beweislast auf Grund der Bestimmungen im Kaufvertrag ausging, negierte der BGH eine Umkehr der Beweislast.  Die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Kaufvertragsurkunde erstrecke sich nicht auf bei Besichtigungen und Vertragsverhandlungen erteilte Informationen, die als solche nicht der notariellen Form bedürften (BGH, Urteil vom 15.07.2011 – V ZR 171/10 -).

Auch aus der Regelung im notariellen Kaufvertrag, der Grundbesitz werde in dem Zustand verkauft, in dem er sich bei der letzten Besichtigung befunden habe, würde sich keine Rechtfertigung für eine Beweislastumkehr herleiten lassen. Daraus würde sich nichts zu eine Zulässigkeit als Wohnraumnutzung vor Vertragsabschluss ergeben.

Die Rückverweisung durch den BGH erfolgte, da sich das Berufungsgericht nicht damit auseinandersetzte, ob es den Klägern gelungen sei, die beklagtenseits behauptete Aufklärung zu widerlegen.

BGH, Urteil vom 06.03.2020 - V ZR 2/19 -

Sonntag, 23. August 2020

Darlegungs- und Beweislast bei Lohnfortzahlung und Klage aus Forderungsübergang nach § 6 Abs. 1 EFZG


Die Klägerin war Arbeitgeberin der bei einem Verkehrsunfall verunfallten Zeugin W. Sie erbrachte nach Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Zeugin Lohnfortzahlungen für den Zeitraum vom 18. - 24.03.2016, zu denen sie nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) verpflichtet war. In Höhe dieser Zahlungen machte sie gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des den Verkehrsunfall verursachenden Fahrzeuges Ansprüche aus übergegangenen Recht gem. § 6 Abs. 1 EFZG geltend. In § 6 Abs. 1 EFZG heißt es:

„Kann der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer nach diesem Gesetz Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat.“

Nach der Behauptung der Klägerin sei die attestierte Arbeitsunfähigkeit Folge einer durch den Unfall bedingten HWS-Distorsion. Die Beklagte bestritt, dass der Unfall, bei dem es nur zu einem leichten Stoßimpuls gekommen sei, dass das benannte Verletzungsbild von dem Unfall hervorgerufen worden sei. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht hatte unter Aufhebung des Urteils die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.

Nach Auffassung des BGH sei die der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Auffassung, eine unfallbedingte Körperverletzung ließe sich nur dann feststellen, wenn die Klägerin die behauptete HWS-Distorsion beweisen könne, fehlerhaft. Dabei verwies es darauf, dass nach Angaben der erstinstanzlich vernommenen Zeugin W. diese starke Nacken- und Kopfschmerzen bekundet habe, welche ebenfalls als Primärverletzung in Betracht kämen; dies sei vom Landgericht nicht erwogen und geprüft worden, ob diese Beeinträchtigungen unfallbedingt seien uns zur Arbeitsunfähigkeit der Zeugin geführt haben.  

Der Arbeitgeber habe außer der Entgeltfortzahlung darzulegen und zu beweisen, dass der Zeugin W. als ihre Arbeitnehmerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens nach § 823 Abs. 1 BGB oder §§ 7 Abs. 1, 11 S. 1 StVG zugestanden habe, wobei keine anderen Grundsätze gelten würden, als wenn die Zeugin ihren Anspruch selbst geltend machen würde.

Eine Partei genüge ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen anführt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe weiterer Einzelheiten sei nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung seien. Dieser darlegungslast habe die Klägerin dadurch genügt, dass sie behauptete, die Zeugin habe infolge des Unfalls Verletzungen erlitten und sei deshalb im benannten Zeitraum arbeitsunfähig krank gewesen.

Für die haftungsausfüllende Kausalität, die den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung (dem ersten Verletzungserfolgt, die sogen. Primärverletzung) gelte das Beweismaß des § 286 ZPO, welches die volle Überzeugungsbildung des Gerichts verlange (sogen. Vollbeweis). Der Vollbeweis sei erbracht, wenn ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit vorläge, der Zweifeln Schweigen gebiete. Nur für die haftungsausfüllende Kausalität (die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutverletzung und weiteren Schäden des Geschädigten beträfe, sogen. Sekundärschäden) gelte das erleichterte Beweismaß des § 286 ZPO.

Vorliegend war damit das Beweismaß des § 286 ZPO anzuwenden. Danach negierte das Landgericht eine HWS-Distorsion als Folge des Unfalls. Nicht zu beanstanden sei, dass das Landgericht die Angabe der Zeugin, sie habe starke Nacken- und Kopfschmerzen gehabt und dies sei ärztlicherseits als Schleudertraume diagnostiziert worden, weshalb Physiotherapien verschrieben worden seien, anders als das Amtsgericht nicht als Beweis der Behauptung angesehen habe, da damit nicht die objektive Richtigkeit (wie bei einem Sachverständigengutachten) festgestellt würde. Die von der Zeugin mitgeteilte Diagnose des Arztes müsse nicht richtig sein, da der einen Unfallgeschädigten untersuchende Arzt nicht aus der Sicht eines Gutachters, sondern aus der Sicht eines Therapeuten vorgehe, und für ihn  die Notwendigkeit einer Therapie im Vordergrund stehe und die Diagnose zunächst untergeordnete Bedeutung habe. Von daher könnten derartige Untersuchungen nur Indizien darstellen (BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 113/17 -; BGH, Urteil vom 03.06.2008 - VI ZR 235/07 -).

Anderes ergäbe sich auch nicht aus der zeitgleich vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit (AU-Bescheinigung), da auch bei dieser nicht die objektiv richtige Diagnose im Vordergrund stünde. Die AU-Bescheinigung habe weder Angaben zur Diagnose (also Art der Erkrankung) enthalten noch gebe sie Aufschluss dazu, ob die Krankheit unfallbedingt sei. Da sie sich nicht auf Art und Umfang der Krankheit erstrecke, käme es vorliegend nicht darauf an, welche (formelle oder materielle) Beweiskraft einer Privaturkunde zukomme.

Die Revision würde allerdings zutreffend rügen, dass sich das Landgericht bezüglich unfallbedingter Verletzungen lediglich mit dem HWS-Syndrom auseinandergesetzt habe. Die von der Zeugin benannten starken Nacken- und Kopfschmerzen seien nicht beachtet worden. Es sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin diese bei der Beweisaufnahme zutage getretenen Umstände zumindest hilfsweise zu eigen gemacht habe, da der Begriff der Körperverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB, §§ 7 Abs. 1, 11 StVG weit gefasst sei und jeden Eingriff in die körperliche Integrität meint. Selbst wenn sich eine HWS-Distorsion nicht verifizieren ließe, könnten starke Nacken- und Kopfschmerzen eine Rechtsgutverletzung und nicht nur einen Verletzungsverdacht begründen. Ob diese unfallbedingt seien, ließe sich aus der landgerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen, weshalb diese insoweit unvollständig sei. Würde die Unfallbedingtheit im weiteren Verfahren vor dem Landgericht festgestellt, wäre nach dem Beweismaß des § 287 ZPO zu prüfen, ob diese eine Arbeitsunfähigkeit (und damit einen Verdienstausfallschaden) begründen.

BGH, Urteil vom 23.06.2020 - VI ZR 435/19 -

Freitag, 8. Mai 2020

Sachverständigenvergütung: Unwirksame Klausel zur erfüllungshalber erfolgten Abtretung


Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ließ von dem Sachverständigen B. (SV) ein Schadensgutachten für sein Fahrzeug erstellen. In dem vom SV dem Geschädigten vorgelegten und von diesem unterschriebenen Formular heißt es u.a. unter der Überschrift „Zahlungsanweisung und Abtretung (erfüllungshalber)“:

„Ich trete hiermit meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des … Sachverständigenbüros unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des beteiligten Fahrzeugs an das Sachverständigenbüro ab.
Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen den Anspruchsgegner durchzusetzen.“

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Sachverständige diese Forderung zum Zwecke der Einziehung weiter abtritt. Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen."

Der SV erstellte eine Rechnung, auf die vorgerichtlich von der Beklagten nur ein Teil gezahlt wurde. Die Klage war teilweise beim Amtsgericht erfolgreich, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob er BGH das Urteil auf und wies die Klage ab. Der BGH sah in den Regelungen in dem Auftragsformular einen zur Unwirksamkeit der Regelungen führenden Verstoß gegen § 307 Abs. 1BGB.

Eine Klausel stelle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn sie nicht klar und verständlich sei. Der Vertragspartner müsse ohne fremde Hilfe in der Lage sein, seine Rechte und Pflichten feststellen zu können. Dem entspräche die hier verwandte Klausel nicht. Für den durchschnittlichen Auftraggeber (hier den Unfallgeschädigten) sei nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen er den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurück erhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe.  Nach der Formulierung in den letzten zwei Sätzen kämen drei Varianten in Betracht sowie ggf. eine Vorleistungspflicht:  

1.     bereits bei Zahlungsanforderung durch den SV
2.     mit der Zahlung des Auftraggebers
3.     nach der Zahlung des Auftraggebers


Es könne nicht erwogen werden, dem Auftraggeber würde ein Zurückbehaltungsrecht zustehen wenn der SV nicht in der Lage sei, den Schadensersatzanspruch in Höhe der Inanspruchnahme des Auftraggebers zurückabzutreten. Denn diese Zug-um-Zug-Leistung könnten erst Ergebnis interessensbezogener Erwägungen sein, die so von einem durchschnittlichen Auftraggeber nicht erwartet werden könnten. Damit sei aber die Klausel intransparent zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber die erfüllungshalber abgetretene Forderung (teilweise) zurückerhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe und dies stünde im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abtretung selbst und führe daher nach § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit (BGH, Urteil vom 17.07.2018 -VI ZR 274/17 -).

Zur Thematik siehe auch
BGH, Urteil vom 17.07.2018 - VI ZR 274/17 -
BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 -

BGH, Urteil vom 18.02.2020 - VI ZR 135/19 -

Dienstag, 14. April 2020

Schadensersatz: Wiederbeschaffungswert und Umsatzsteuer für Taxi bei fiktiver Schadensberechnung


Die Parteien stritten (zweitinstanzlich) um die Frage der Berechnung des Wiederbeschaffungswertes im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Problematik im Zusammenhang mit einem Taxi des Klägers.  

Wiederbeschaffungswert, so das Landgericht (LG) sei der nach den Verhältnissen auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu ermittelnde Nettopreis eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, den der Geschädigte aufwenden müsse, um von einem seriösen Händler einen dem Unfallfahrzeug entsprechenden Ersatzwagen zu erwerben (BGH, Urteil vom 23.05.2017 - VI ZR 9/17 -). Dabei sei weiter zu ermitteln, ob diese Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt regelbesteuert nach § 10 UStG, differenzbesteuert nach § 25a UStG oder privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten würden. Entscheidend sei die überwiegende Wahrscheinlichkeit, § 287 ZPO (BGH, Urteil vom 13.09.2016 - VI ZR 654/15 -).

Es käme nicht darauf an, ob der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt sei oder nicht und ob das Fahrzeug zu seinem Betriebsvermögen gehöre, §§ 15, 15a UStG. Entscheidende Bezugsgröße sei stets der Nettowiederbeschaffungswert. Inwieweit bei einem fiktiven Ersatzkauf (wie hier) Umsatzsteuer anfalle, sei unabhängig davon zu ermitteln.

Erstinstanzlich habe ein Zeuge im Hinblick auf Internetrecherchen bzw. Angaben in der Schwacke-Liste ausgeführt, dass es bei 63%  der Fahrzeuge zu einer Regelbesteuerung käme, allerdings eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nur bei 2/3 bzw. 67% annehmen sei. Diesem erstinstanzlichen Ansatz würde die Kammer nicht folgen. Entscheidend sei, dass jedenfalls deutlich mehr als 50% der gefundenen Fahrzeuge regelbesteuert angeboten würden. Zwar gelte für die Lieferung bewegliche Gegenstände nach § 25a Abs. 1 UStG die Differenzbesteuerung, wenn der liefernde Unternehmer ein Wiederverkäufer sei (§ 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG), die Gegenstände an ihn ihm Gemeinschaftsgebiet (EU) geliefert worden seien (§ 25a Abs. 1 Nr.2.  S. 1 UStG), für die Lieferung an ihn keine Umsatzsteuer geschuldet würde oder beim Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben würde (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a UStG) oder ein Erwerb von einem anderen Wiederverkäufer vorläge (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG).

Vorliegend seien gewerblich genutzte Fahrzeuge nicht nur von Händlern zu erwerben. Vergleichbare Taxis würden nach der Internetrecherche des Zeugen auch von Privatanbietern oder Händlern ohne Umsatzsteuer zu verkauft. Das vom LG beauftragte Sachverständigengutachten käme aber zu dem eindeutigen Ergebnis, dass vergleichbare Taxis (hier ein Mercedes Benz E 200 CDI) sowohl außerhalb des regulären Gebrauchtwagenmarktes für Taxis als auch auf den gängigen Internetplattformen ganz überwiegend regelbesteuert angeboten würden, sowohl von auf Gebraucht-Taxis spezialisierten Händlern als auch ansonsten. Damit aber sei von einer Regelbesteuerung auszugehen mit der Folge, dass der Kläger hier, da er vorsteuerabzugsberechtigt sei, nur den Nettofahrzeugschaden geltend machen könne.

LG Saarbrücken, Urteil vom 03.04.2020 - 13 S 6/20 -

Donnerstag, 5. März 2020

Feststellung des Schadensersatzanspruchs für künftige Schäden auch ohne Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts ?


Die grundsätzliche Schadensersatzpflicht der Beklagten stand fest. Der Antrag des Klägers auf Feststellung, dass der Kläger ihm auch künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen habe, wurde vom Landgericht abgewiesen. Dabei stütze sich das Landgericht auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten, wonach ein unfallbedingter Dauerschaden mit funktionellen Auswirkungen nicht eingetreten sei und ein unfallbedingter Zukunftsschaden mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sei. Die Berufung war erfolgreich.

Ausreichend sei (wie der BGH in seinem Urteil vom 17.10.2017 – VI ZR 423/16 – festgehalten habe), dass ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben sei, der zu möglichen künftigen Schäden führen könne. Eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ sei danach als zusätzliches Begründetheitselement jedenfalls in den Fällen nicht erforderlich, in denen die Verletzung eines Rechtsguts iSv. § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 7 Abs. 1 StVG und darüber hinaus ein daraus resultierender Vermögensschaden bereits eingetreten sei.  Es gäbe nach der Rechtsprechung des BGH aaO. keinen Grund, die Feststellung für weitere (künftige) Schäden von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts abhängig zu mache. Materiellrechtlich käme der Anspruch ohnehin nur zum Tragen, wenn der Schaden eintreten würde, weshalb es unbedenklich sei, bereits hetzt für diesen Fall die Ersatzpflicht festzustellen. Es käme auch nicht darauf an, ob es wahrscheinlich ist, dass der Geschädigte im Falle eines Eintritts dieses weiteren Schadens einen Anspruch auf eine kongruente Sozialleistung habe.

Von Relevanz ist die Entscheidung für den Fall, dass der künftige Schaden erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eintritt und der Geschädigte keinen Feststellungsantrag gestellt hatte. 

OLG München, Urteil vom 21.02.2020 - 10 U 2345/19 -

Mittwoch, 4. März 2020

Kein Schadensersatz des Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft bei „Rechtsmissbrauch“


Die Entscheidung des BGH, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen wurde, ist kurz und in seiner Konsequenz nachhaltig.   

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Im Bereich des Wohnungseigentums des klagenden Wohnungs- bzw. Teileigentümers bestand Feuchtigkeit. Er verlangte von der Gemeinschaft Schadensersatz. Dem war vorangegangen, dass er einige Jahre zuvor (im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 14.04.2011) zwar keine konkrete Sanierungsmaßnahme, sondern eine Grundentscheidung der Gemeinschaft begehrte, dass sich diese mit der Feuchtigkeitssanierung seines Teileigentums befasst. Dieser Antrag in 2011 wurde abgewiesen und vom Kläger nicht angefochten.

Ob eine Anfechtungsklage Vorrang vor einem Schadensersatzanspruch habe (vgl. dazu auch Urteil des BGH vom 23.02.2018 - V ZR 101/16 -) könne dahinstehen.  Grundsätzlich zulässig sei es gewesen, dass der Kläger in 2011 keine bestimmte Sanierungsmaßnahme von der Gemeinschaft verlangt habe, sondern nur eine Grundentscheidung, sich mit der Sanierung des Feuchtigkeitsschadens zu befassen, § 21 Abs. 4 WEG. Ein Schadensersatzanspruch scheitere also nicht daran, dass der Kläger keine konkrete Sanierungsmaßnahme verlangt habe.

Entscheidend sei vorliegend, dass der Kläger den Negativbeschluss im Jahr 2011 nicht angefochten habe und darüber hinaus sechs Jahre lang seinen Anspruch auch nicht weiterverfolgt habe und auch keine Klage auf Ersetzung  des von ihm in 2011 angestrebten Grundsatzbeschlusses über die Sanierung seines Teileigentums gem. § 21 Abs. 8 WEG erhoben habe.

In seinem Urteil vom 23.02.2018 hatte der BGH festgehalten, dass grundsätzlich bei Ablehnung eines Beschlusses, eine Maßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum vorzunehmen, die ein Wohnungseigentümer zur Behebung von Schäden an seinem Sondereigentum verlangt, Schadensersatzansprüche des betroffenen Wohnungseigentümers wegen einer verzögerten Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht ausgeschlossen sind, wenn er Anfechtungsklage und gleichzeitig in Bezug auf die begehrte Maßnahme Beschlussersetzungsklage erhebt, auch wenn er nachfolgend nicht gegen Vertagungsbeschlüsse ebenfalls Anfechtungsklage erhebt.

In Ansehung auf die fehlende Anfechtung des ablehnenden Beschlusses in 2011 und dem Fehlen einer Beschlussersetzungsklage und dem langen zuwarten sei sein jetziges Begehren auf Schadensersatz rechtsmissbräuchlich.

Anm.: Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn zwar jemand formal ein einklagbares Recht hat, mit dessen Ausübung aber nur den Zweck verfolgt, einem anderen Schaden zuzufügen. Gleiches gilt nach der Entscheidung des BGH dann, wenn das Recht nicht ordnungsgemäß durchgesetzt wird, zu dem hier die Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer zum Handeln gehört und die Verzögerung durch die Gemeinschaft nicht durch ihn durch Unterlassen der gebotenen Rechtsmittel (mit) zu vertreten ist. Der Kläger hätte also bereits den Beschluss von 2011 anfechten und Beschlussersetzungsklage erheben müssen, damit er einen durch die Verzögerung der notwendigen Sanierung entstehenden Schaden von den Eigentümern ersetzt verlangen kann, die an der positiven Beschlussfassung nicht mitwirkten.

BGH, Beschluss vom 14.11.2019 - V ZR 63/19 -

Mittwoch, 26. Februar 2020

Verwaltungsvollstreckung wegen eines privatrechtlichen Anspruchs durch eine Behörde und daraus resultierender Amtshaftungsanspruch


Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Behörden den Versuch unternehmen, privatrechtliche Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung vorzunehmen. Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung können Verwaltungsakte vollstreckt werden, die entweder bestandkräftig sind oder bei denen ein eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und diese auch nicht auf Antrag wiederhergestellt wurde (vgl. § 80 VwGO). Ansprüche privatrechtlicher Natur muss auch die Behörde im ordentlichen Rechtsweg titulieren lassen, um sodann im Rahmen der Zwangsvollstreckung daraus vorgehen zu können.

Dem Verfahren vor dem OLG Koblenz lag (verkürzt wiedergegeben) folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Verbandsgemeinde (Beklagte) erneuerte im Dezember 2013 eine Wasseranschlussleitung auf dem Grundstück des Klägers. Mit Rechnung vom 17.12.2013 forderte sie vom Beklagten dafür Zahlung in Höhe von € 3.116,22. Nachdem Zahlung nicht erfolgte, mahnte sie den Betrag mit zwei Schreiben (17.01.2014 und 18.02.2014) an und drohte im zweiten Schreiben mit einer Beitreibung in einem „Verwaltungszwangsverfahren“. Mit Schreiben vom 17.07.2014 teilte der Kläger mit, er habe eine Rechnung nicht erhalten und auch sonst keine Unterlagen zur Erneuerung einer Wasseranschlussleitung und bat um Information, was es damit auf sich habe.  Darauf wurde mit Schreiben vom 23.07.2014 „Erstaunen“ geäußert, da die Rechnung zugesandt worden sei und mitgeteilt, dass nunmehr eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen würde. Noch am gleichen Tag wurde der entsprechende Antrag beim Grundbuchamt gestellt und die Eintragung erfolgte am 24.07.2014. Am 30.07.2014 schrieb der Kläger erneut und erklärte, er habe weder der Erneuerung der Leitung zugestimmt noch diese beauftragt und er widerspreche der Forderung; dies verband er mit der Aufforderung, die Zwangssicherungshypothek zu löschen. Mit Schreiben vom 04.08.2014 wurde ihm mitgeteilt, dass er zwar keinen Auftrag erteilt habe, die Erneuerung aber notwendig gewesen sei  und „Kostenträger außerhalb des öffentlichen Rechts … der Anschlussnehmer“ sei.

Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens beglich der Kläger die geltend gemachte Forderung und der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde zurückgenommen. Dem Kläger wurden von der Gerichtskasse die Kosten von € 1.156,83 berechnet. Diese wurden vom Kläger beglichen, die er mit seiner Klage von der Beklagten forderte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung war erfolgreich.

Anspruchsgrundlage ist § 839 Abs. 1 BGB iVm. Art 34 GG (Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung).

Bei dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten (Verbandsgemeindekasse als Vollstreckungsbehörde) handele es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Amtswalter, der im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses tätig geworden sei und damit hoheitlich gehandelt habe, weshalb es sich um einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn des § 839 BGB gehandelt habe. Pflichtverletzungen desselben, die er in Ausübung des hoheitlichen Amtes begehe, gehen im Sinne einer befreienden Schuldübernahme auf den Staat (hier die Verbandsgemeinde) über.

Dem Mitarbeiter obliege die allgemeine Rechtspflicht zu rechtmäßigen Handeln. Er habe die Normen des Bundes- und Landesrechts zu beachten, unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen seien.

Vorliegend habe er die einschlägigen Normen des rheinland-pfälzischen Landesvollstreckungsgesetzes (LVwVG) nicht beachtet. Zwar stütze die Beklagte ihre Forderung auf ihre „Entgeltsatzung Wasserversorgung“ und ihre „Allgemeine Wasserversorgungssatzung“, weshalb es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handele. Grundsätzlich sei dann aber ein Verwaltungsakt zu erlassen.  Zivilrechtliche Ansprüche seien demgegenüber durch Mahnbescheid oder Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels zu verfolgen, zu deren Durchsetzung dann regelmäßig der Gerichtsvollzieher zu beauftragen sei. Einzelne privatrechtliche Ansprüche würden allerdings nach Landesgesetzen auch im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden können (vgl. § 71 Abs. 2 LVwVG), wobei in diesem Fall die Zahlungsaufforderung an die Stelle des ansonsten notwendigen Verwaltungsaktes trete.

Vorliegend habe sich die Beklagte nur auf sie Zahlungsaufforderung gestützt. Bei der zugrunde liegenden Forderung handele es sich aber nicht um eine solche nach § 71 Abs. 1 LVwVG iVm. § 1 a), b) der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen (RhpfLVwGpFVO), da es nicht um die Lieferung von Gas, Wasser, Wärme und elektrischer Energie gegangen sei (abschließende Aufzählung in der Verordnung). Von daher sei eine Beitreibung nach dem LVwVG unzulässig. Dessen ungeachtet sei aber auch dann, wenn die Verwaltungsvollstreckung zulässig gewesen wäre, diese jedenfalls einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner, wie hier geschehen, schriftlich oder zu Protokoll der Behörde Widerspruch erhebe, wobei er (was nicht erfolgt sei) darüber auch zu belehren sei (§74 Abs. 1 S. 1 LVwVG). Im Falle des Widerspruchs müsse der Gläubiger binnen eines Monats nachweisen, dass er Zivilklage erhoben oder den Erlass eines Mahnbescheides beantragt habe; die Vollstreckung könne nur nah den Grundsätzen der Zivilprozessordnung fortgesetzt werden, § 74 Abs. 3 LVwVG.  Obwohl der Kläger nicht belehrt wurde, habe er sogar Widerspruch erhoben, da sich dieser aus seinem Schreiben vom 30.07.2014 ableiten ließe („… widerspreche ich Ihrer Forderung ausdrücklich…“). Hier nun hätte jedenfalls die Beklagte Zivilklage erheben müssen oder einen Mahnbescheid beantragen müssen.

Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, dass zwar grundsätzlich für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek die Vorlage eines Titels mit Zustellungsnachweis erforderlich sei; allerdings genüge der Antrag der Vollstreckungsbehörde (hier der Verbandsgemeinde), der als Ersuchen nach § 38 GBO zu qualifizieren sei und dem Grundbuchamt das Vorliegen der Voraussetzungen bindend bescheinige. Daraus ergäbe sich die besondere Verantwortung des Mitarbeiters der Beklagten.

Eine weitere Amtspflichtverletzung des Mitarbeiters habe darin bestanden, dass er den Antrag auf Zwangsversteigerung stellte, obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen in Form der Zustellung nicht vorgelegen hätten. Die Beklagte habe den Zugang ihrer Rechnung bei dem Kläger nicht nachweisen können.

Die allgemeine Amtspflicht eines jeden beamten, rechtmäßig zu handeln, obliege gegenüber jedem als geschützten Dritten, der durch die Verletzung der Amtspflicht geschädigt werden könnte.

Der Mitarbeiter habe auch schuldhaft gehandelt. Der Amtsträger müsse die Kenntnisse und Einsichten besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des Amtes erforderlich seien. Er habe bei Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft und sorgfältig zu prüfen und danach seine Entscheidung auf Grund vernünftiger Überlegungen zu treffen (BGH, Urteil vom 09.12.2004 - II ZR 263/04 -). Die Normen des LVwVG müssten einem Mitarbeiter der kommunalen Vollstreckungsbehörde bekannt sein. Damit läge jedenfalls Fahrlässigkeit vor.

Eine Amtshaftung scheide nur dann aus, wenn der Geschädigte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe. Dies sei hier nicht der Fall.

Das Landgericht nahm allerdings an, die Ersatzpflicht scheide hier nach § 839 Abs. 3 BGB aus, das es der Kläger vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Dem folgte das OLG nicht.

Auch die Ankündigung im Schreiben vom 23.07.2014, zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen, reiche nicht aus, hier ein Verschulden des Klägers anzunehmen. Zwar hätte er nach § 59 Abs. 2 LVwVG Eilrechtsschutz bei dem zuständigen Verwaltungsgericht beantragen können. Doch sei § 59 Abs. 2 LVwVG hier nicht anwendbar. Die Norm beträfe ausschließlich Verwaltungsakte, mit denen Geldforderungen gefordert würden (§§ 1 – 60 LVwVG). Vorliegend war aber kein Verwaltungsakt erlassen worden. Im Übrigen habe der Kläger, trotz fehlender Belehrung, das zulässige Rechtsmittel des Widerspruchs iSv. § 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG eingelegt (Schreiben vom 30.07.2014), der vom Mitarbeiter der Beklagten schlicht nicht beachtet worden sei. Davon, dass die Beklagte den Widerspruch nicht beachtet und gar die Zwangsgsversteigerung beantragte, erfuhr der Kläger erst mit Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses durch das Gericht. Damit aber war die hier streitige Gebühr bereits angefallen.

OLG Koblenz, Urteil vom 12.09.2019 - 1 U 135/19 -

Sonntag, 16. Februar 2020

Umfang des Versicherungsschutzes in der Kfz-Pflichtversicherung für beförderte Gegenstände des Fahrzeuginsassen


Die Klägerin, die mit dem Versicherungsnehmer mitfuhr,  machte gegen die Kfz-Versicherung (Beklagte) nach einem Unfall, der von dem Versicherungsnehmer der Beklagten verursacht wurde, Schadensersatzansprüche geltend.  U.a. befand sich in dem beschädigten Wohnwagen ein elektrischer Rollstuhl, der ebenfalls beschädigt wurde. Von der Beklagten wurde eine Regulierung abgelehnt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung dagegen wurde vom OLG Jena zurückgewiesen.

Der Anspruch wurde abgewiesen, da kein Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1, 8 Nr. 3 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG hergeleitet werden könne. Grundlage der Entscheidung des OLG war eine Klausel in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2008), die unter A.1.5.5 eine Ausschlussklausel enthalten. Danach besteht bei Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommen von Sachen, die mit dem Fahrzeug befördert werden, kein Versicherungsschutz , es sei denn, es handele sich um Gegenstände, die (wie Kleidung, Brille, Brieftasche) üblicherweise mit sich geführt würden.

Die aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers auszulegende Klausel sei dahingehend zu verstehen, dass damit mitgenommene Gegenstände, die unter die Klausel fallen würden, vom Versicherungsschutz ausgenommen würden. Befördern sei das Verbringen von einem Ort zum Anderen. Erfasst würden Transportschäden, die durch den zweckgerichteten Einsatz des Fahrzeugs als Transportmittel entstünden. Ausreichend sei, dass das Fahrzeug (wie hier im Hinblick auf den Rollstuhl, der am Urlaubsort zum Einsatz kommen sollte) auch als Transportmittel genutzt würde.

Entscheidend ist daher vorliegend, ob es sich bei dem Rollstuhl um eine Sache handelt, die „Insassen eines Fahrzeugs üblicherweise mit sich führen“.  Die enumerative Benennung von Gegenständen in der Klausel sei nicht abschließend, würde aber verdeutlichen, dass es sich um solche Sachen handelt, die es sich um solche Sachen handeln würde, die Fahrzeuginsassen typischerweise am Körper tragen oder zu denen zumindest eine engere Beziehung als zu gewöhnlichem Reisegepäck bestünde. Die Versicherung wolle allgemein keine allgemeine Sachversicherung für alle von Fahrzeuginsassen mitgeführten Gegenstände anbieten und müsse dies auch nicht; hier könne der Geschädigte den Schädiger in Anspruch nehmen oder diese Gegenstände gesondert versichern.

Der Begriff „üblicherweise“ sei objektiv und nicht subjektiv auszulegen. Dazu bestünden unterschiedliche Ansichten. Allerdings sei vorliegend zu berücksichtigen, dass der Rollstuhl im zusammengebauten und betriebsfähigen Zustand ca. 40kg wöge, zusammengefaltet der Rollstuhl zwischen 15 – 20 kg, due Antriebselemente ca. 20 – 35kg. Mit diesem Gewicht und seinen Ausmaßen stelle der Rollstuhl keine Sache mehr dar, die Fahrzeuginsassen üblicherweise und ohne Weiteres in Fahrzeugkabine oder Kofferraum transportieren würden, anders als bei einem klappbaren Stamdrd-Rollstuhl oder Rollator. Das gelte auch, wenn der Rollstuhl in einem Anhänger oder Wohnwagen verstaut würde.

Für diese Auslegung spräche auch die Gesetzesentwicklung. Bis 2002 hätte nur dann eine Haftung nach § 7 StVG bestanden, wenn eine entgeltlich und geschäftsmäßig beförderte die Sache getragen oder mit sich geführt habe. In 2002 sei die Haftung auch auf die Verletzung und Tötung von Fahrzeuginsassen, die nicht entgeltlich und geschäftsmäßig befördert wurden, ausgedehnt. Eine Erweiterung bezüglich der mitgeförderten Sachen für diesen Personenkreis wurde nicht aufgenommen; der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass sich entweder ein Anspruch aus dem Beförderungsvertrag oder aus dem allgemeinen Deliktsrecht ergeben könne, nicht jedoch aus dem Rechtsinstitut der Gefährdungshaftung hergeleitet werden soll (BT-Drs. 14/7752, S. 31).

OLG Jena, Urteil vom 19.09.2019 - 4 U 208/19 -

Freitag, 17. Januar 2020

Fiktiver Schadensersatz und Beilackierungskosten bei Unfallschaden


Die Entscheidung betrifft seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum streitige Fragen: Können im Rahmen der Geltendmachung von fiktiven Schadensersatzansprüchen für Schäden am Fahrzeug auch Beilackierungskosten gelten gemacht werden, oder können diese nur nach Durchführung einer Reparatur, wenn es zur Beilackierung kommen musste und kam, als Schadensersatz geltend gemacht werden ? Nach welchem Beweismaß ist festzustellen, ob Beilackierungskosten bei fiktiver Schadensberechnung erstattungsfähig sind  ?

Das „phantomschwarz Perleffekt“ lackierte Fahrzeug des Klägers wurde bei einem Unfall beschädigt. Er rechnete mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung den Schaden auf der Grundlage eines Gutachtens fiktiv ab. Diese regulierte auch, strich allerdings den im Gutachten mit netto € 643,39 benannten Betrag für Beilackierungskosten. Das Landgericht hatte, nachdem ihr das Amtsgericht noch stattgegeben hatte, die Klage diesbezüglich abgewiesen. Es vertrat die Auffassung,  bei Karosserieschäden  würden die zur Vermeidung möglicher Farbtonabweichungen erforderlichen Kosten einer Beilackierung angrenzender, nicht unmittelbar unfallgeschädigter Teile nicht zu dem im Rahmen fiktiver Schadensberechnung erstattungsfähigen Herstellungskosten. Kosten würden nur anfallen, wenn sich nach Reparatur und Lackierung des beschädigten Teils eine Farbabweichung ergebe und daher die Beilackierung der angrenzenden Teile notwendig mache. Ob etwas anders gelten würde, wenn nach den Umständen zwingend davon ausgegangen werden müsse, dass bei Durchführung einer Reparatur eine Beilackierung erforderlich sei, ließ das Berufungsgericht offen.

Dem folgt der BGH nicht. Grundsätzlich habe der Geschädigte einen Anspruch auf dem zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes erforderlichen Geldbetrag. Ziel sei die Herstellung des Zustandes, der (wirtschaftlich) dem entspräche, der ohne das Schadensereignis bestehen würde.

Der Geschädigte sei in der Disposition (Verwendung) des vom Schädiger zu zahlenden Schadensersatzes frei. Daher sei er nicht verpflichtet, dieses reparieren zu lassen, sondern könne auch fiktiv (wie hier auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens) abrechnen. Eine Verbindlichkeit der Angaben des Sachverständigen bestünde nicht; zu erstatten sei der zu ermittelnde, zur Herstellung objektiv erforderliche Betrag. Das Gericht habe diesen nach § 287 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung zu ermitteln. Revisionsrechtlich könne die dem Tatrichter obliegende Ermittlung nur dahingehend geprüft werden, ob Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt wurden, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen wurden oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt wurden. Vorliegend habe das Landgericht (Berufungsgericht) die Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt und wesentlichen Vortrag des Klägers nicht berücksichtigt.

Richtig sei, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten träfe. Allerdings sei vom Landgericht das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO, welches geringere Anforderungen als § 286 ZPO stelle, verkannt. Während nach § 286 ZPO eine Gewissheit erreicht sein müsse, die Zweifeln Schweigen gebietet, sei im Rahmen des § 287 ZPO ein Ermessen ausreichend, bei dem auch in Kauf genommen würde, dass dieses mit der Wirklichkeit nicht in Überstimmung stünde (BGH, Urteil vom 06.12.2012 - VII ZR 84/10 -). Von daher könne das Landgericht hier nicht eine (selbst im Rahmen des § 286 ZPO überspannte) absolute Gewissheit für die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten für den Fall tatsächlicher Durchführung der Schadensbeseitigung fordern. Bei fiktiver Abrechnung verbleibe immer eine gewisse Unsicherheit, ob der objektiv erforderliche (ex ante zu bemessende) Betrag demjenigen entspräche, der bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur auch anfällt. E käme auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit an.

Die Auffassung des Landgerichts sei unzutreffend, dass die Beilackierung mit der Beseitigung des Unfallschadens nichts zu tun habe. Wenn eine solche als notwendig angesehen würde, um einen Zustand widerherzustellen, der vor dem Unfall bestand, so sei sie ebenso Teil der Beseitigung des durch den Unfall verursachten Schadens.

Ferner habe das Landgericht ein wesentliches Beweisangebot des Klägers übergangen (Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 GG). So habe er unter Beweis gestellt, dass die Beilackierung auf Grund des Farbtons des Fahrzeugs technisch zwingend erforderlich sei. Diese Darlegung sei auch entgegen der Annahme des Landgerichts ausreichend (substantiiert) gewesen, da eine Partei nur insoweit Tatsachen vortragen müsse, als diese in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet seien, das geltend gemachte Recht in seiner Person als entstanden erscheinen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund hob der BGH die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

BGH, Urteil vom 17.09.2019 - VI ZR 396/18 -

Samstag, 11. Januar 2020

Nutzungsrisiko und Mangel der Miet-/Pachtsache bei fehlender behördlicher Genehmigung


Mit einem Pachtvertrag hatte der Pächter das Objekt „zur Betreibung von Paint-Ball-Spielen“ gepachtet. Nach einer behördlichen Nutzungsverfügung war der Betrieb einer Paint-Ball-Anlage auf dem Pachtgrundstück unzulässig. Im Pachtvertrag (§§ 1 und 7 Ziffer 2) wurde das Risiko der auch vollständigen Versagung einer Genehmigung zum Betrieb einer Paint-Ball-Anlage dem Pächter auferlegt. Der Kläger (Pächter) machte aus § 536a BGB, § 252 BGB Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Gewinns geltend und beantragte Prozesskostenhilfe für die Klage. Das Landgericht wies den Antrag zurück, da es der Klage keine Erfolgsaussichten beimaß. Auf die Beschwerde gab das OLG dem Antrag statt.

Das OLG ging in seiner Entscheidung davon aus, dass aufgrund der behördlichen Nutztungsuntersagungsverfügung der Betrieb einer Paint-Ball-Anlage auf dem Pachtgrundstück unzulässig sei. Daher kam es darauf an, ob eine solche Anlage zum vertragsgemäßen Gebrauch gehörte. Dieser richte sich nach Vertragsinhalt und Vertragszweck. Dies würde in gewerblichen Miet-/Pachtverträgen regelmäßig im Vertrag näher dargelegt. Hier sei der Betrieb dieser Anlage ausdrücklich im Vertrag vorgesehen gewesen. Der Verpächter (Vermieter) schulde damit die Eignung des Miet-/Pachtobjekts zu einem entsprechenden Gebrauch.

Das Fehlen der behördlichen Genehmigung stelle sich als Mangel da, da die Nutzung im Hinblick auf die fehlende Genehmigung nicht mehr möglich sei. Es würde sich um durch die baulichen Gegebenheiten bedingte Nutzungseinschränkungen handeln, die, da Gebäudebezogen, grundsätzlich in den Verantwortungs- und Risikobereich des Vermieters fallen würden (BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 189/09 -).

Zwar hätten hier die Parteien in dem Vertrag das Risiko der Versagung der Genehmigung abweichend von der gesetzlichen Reglung dem Pächter/Mieter (Beklagten) auferlegt. Danach habe sich der Beklagte verpflichtet, alle notwendigen Genehmigungen zum Betrieb von Paint-Ball-Spielen vorzulegen und für sämtliche Genehmigungen und Auflagen zu sorgen. Es sei auch bestimmt worden, dass dem Verpächter/Vermieter für die Einhaltung der Voraussetzungen für den Betrieb keine Haftung übernehme. Derartige Klauseln seien allerdings unwirksam, wenn es sich bei ihnen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB handele (also um Klauseln, die vom Verwender für mehrere Fälle genutzt würden oder werden sollen).  Nicht nur würden die Klauseln sowohl Gewährleistungsrechte ausschließen, sondern auch das Recht zur (fristlosen) Kündigung wegen des im Fahlen der Genehmigung liegenden Mangels der Miet-/Pachtsache gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, auch wenn (wie hier) das Risiko in die Sphäre des Vermieters/Verpächters fällt, es sei denn, es läge Arglist des Vermieters/Verpächters vor. Im Rahmen einer AGB-Prüfung würde ein derart weitreichender Haftungsausschluss den Pächter/Mieter entgegen Trau und Glauben unangemessen benachteiligen und sei daher unwirksam.

Die Unwirksamkeit würde dazu führen, dass der Mieter/Pächter wegen des im Fehlen der Genehmigung liegenden Mangels der Miet-/Pachtsache Schadensersatz verlangen können (wozu auch der entgangene Gewinn nach § 252 BGB gehöre); er müsse nicht kündigen, sondern könne am Vertrag festhalten und für die Laufzeit Schadensersatz begehren (BGH, Urteil vom 18.01.1995 - XII ZR 30/93 -); lediglich im Hinblick auf den entgangenen Gewinn würde dieser Anspruch nur bis zu dem Zeitpunkt geltend gemacht werden können, zu dem der Vermieter ordentlich hätte kündigen können.

Dies würde allerdings dann nicht gelten, wenn es sich um individualvertragliche Vereinbarungen handeln würde (OLG Frankfurt, Urteil vom 22.07.2016 - 2 U 144/15 -). Ob es sich um einen formularmäßigen Haftungsausschluss oder eine Individualvereinbarung handelt sei zwischen den Parteien streitig. Da die Möglichkeit besteht, dass es sich um Formularklauseln handelt, sei Prozesskostenhilfe zu gewähren (das Landgericht wird dies im streitigen Verfahren, ggf. nach Beweisaufnahme) zu klären haben.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.04.2019 - 3 W 95/18 -

Mittwoch, 18. September 2019

Schadensersatz: Verdienstausfallschaden und berufsbedingte Aufwendungen


Das OLG Nürnberg musste u.a. aus Anlass eines Verkehrsunfalls über einen vom Kläger geltend gemachten Verdienstausfallschaden entscheiden. Dabei handelt es sich um einen Anspruch nach § 252 BGB. Vorliegend ging es um die Frage, ob der Kläger den gesamten Verdienstausfall geltend machen kann. Das Landgericht hatte, wogegen sich insofern die Berufung der Beklagten richtete, diesen Schaden ohne jeden Abzug zuerkannt.

Geltend gemacht wurde vom Kläger ein Verdienstausfall vom 14.11.2016 (nach Ablauf der Lohnfortzahlung gem. § 3 EFZG durch den Arbeitgeber) bis Juli 2017 von € 3.141,79 nach Abzug des Krankengeldes; das Landgericht gab der Klage insoweit statt. Ferner machte er einen Verdienstausfall aus einer Nebentätigkeit mit € 2.543,80, der vom Landgericht abgewiesen wurde, da insoweit der Kläger seinen Lohnfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG gegenüber dem Arbeitgeber nicht geltend gemacht habe.

Beide Parteien hatten Berufung bzw. Anschlussberufung  gegen das Urteil eingelegt.

Der Verdienstausfall ist ein ersatzfähiger Schaden iSv. § 252 BGB. Das OLG führte aus, dass nach dem Zweck der Bestimmung (Beweiserleichterung) derjenige Gewinn als entgangenen gelten würde, der nach m gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden könne. In diesem Fall würde vermutet, dass er auch erzielt worden wäre. Einer vollen Gewissheit iSv. § 286 BGB bedürfe es nicht (BGH, Urteil 26.07.2005 - X ZR 134/04 -).

Der Kläger, der vier Monat vor dem Unfall den Nebenjob als Limousinenfahrer angenommen habe, habe durch den Unfall diesen Job verloren, weshalb auch insoweit ein Erstattungsanspruch bestünde. Der Umstand, dass er seinen Lohnfortzahlungsanspruch gem. § 3 EFZG nicht geltend gemacht habe, sei unschädlich, da es sich hier nicht um eine Obliegenheit des Klägers zum Schutze des Schädigers im Sinne einer Schadensminderung handele. Es handele sich hier um eine Abwälzung des Schadens des Klägers auf einen Dritten, der diesen dann selbst geltend machen könne, § 6 EFZG.

Zu prüfen blieb danach, ob hier bei den jeweiligen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Abzüge für ersparte Aufwendungen vorzunehmen sind.  Es handele sich, so das OLG, um eine Vorteilsausgleichung, da ersparte Aufwendungen in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden stünden. Würden keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragenden und ggf. zu beweisenden Umstände vorlägen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergäben, sei pauschal von Aufwendungen in Höhe von 10% des Nettoeinkommens auszugehen (so auch OLG München, Urteil vom 29.04.2011 - 10 U 4208/10 -; OL des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.09.1998 - 12 U 31/98 -).

Im Zusammenhang mit dem Hauptberuf des Klägers habe dieser dargelegt, dass er keine Aufwendungen erspart habe. Berufskleidung als Maler sei gestellt worden und er habe vom Arbeitgeber ein (einschließlich Benzin) finanziertes Fahrzeug gehabt, mit dem er zur Arbeitsstelle und zurück habe fahren können. Mitgliedsbeiträge für Berufsgenossenschaften oder andere Verbände und Kosten für Fachliteratur seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahm auch nicht angefallen. Auch habe der Kläger glaubhaft angegeben, dass er jeweils eine Brotzeit von zuhause zur Arbeit mitgenommen habe, weshalb er auch keinen Verpflegungsmehraufwand erspart habe. Vor diesem Hintergrund sei hier ein Abzug für ersparte Aufwendungen nicht vorzunehmen.

Anders allerdings sei dies bei dem Nebenjob. Zum Firmensitz habe er 13km zurückzulegen, wobei er nur bei schönen Wetter gefahren sei, weshalb, da ein Teil der Arbeitsunfähigkeit in die Winterzeit gefallen sei, davon auszugehen sei, dass er Fahrtkosten gehabt hätte. Auch habe er selbst für seine Arbeitskleidung (er selbst habe von einem Smoking gesprochen) aufkommen müssen, für die Reinigungskosten angefallen wären. Damit sei auf das Nettogehalt für den Nebenjob ein Abzug von 10% vorzunehmen.

OLG München, Urteil vom 26.03.2019 - 24 U 2290/18 -

Dienstag, 23. Juli 2019

Klagebefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Schadensersatz gegen Ex-Verwalter


Ein zwischenzeitlich der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nicht mehr angehörender Eigentümer hatte in drei Beschlussanfechtungsverfahren vom ehemaligen Verwalter (der Beklagten) erstellte Jahresabrechnungen erfolgreich angefochten, wodurch der WEG Kosten in Höhe von über € 45.000,00 entstanden, die auf die einzelnen Mitglieder der WEG gem. Teilungserklärung umgelegt und von ihnen gezahlt wurden. In 2016 fasste die WEG einen Beschluss, demzufolge die Beklagte in Regress genommen werden sollte und die neue Verwalterin den Vermögensschaden, ggf. auch gerichtlich, geltend machen sollte. Die darauf erhobene Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht gab ihr (mit Ausnahme eines Betrages von rund € 300,00) statt und ließ zur Frage der umstrittenen Aktivlegitimation der WEG die Revision zu. Die von der Beklagten daraufhin eingelegte Revision wurde vom BGH als unbegründet zurückgewiesen.

Würde die Klägerin einen eigenen Anspruch geltend machen, der ihr als teilrechtsfähigen Verband gem. § 10 Abs. 5 S. 2 WEG zustehen kann, bedürfte die Prozessführungsbefugnis der Klägerin keiner Erörterung, weshalb der BGB prüfte, ob eigene Ansprüche geltend gemacht wurden.

Die Klägerin habe nach Auffassung des BGH die von den einzelnen Wohnungseigentümern getragenen  Kosten geltend gemacht. Auch wenn der Verwaltervertrag mit dem Verband geschlossen worden war, kämen eigene Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer wegen Pflichtverletzung im Hinblick auf die Schutzwirkung des Vertrages gegen den Verwalter in Betracht (BGH, Beschluss vom 07.07.2016 - V ZB 15/14 -); um solche würde es sich vorliegend handeln und einzig darüber habe das Landgericht befunden. Mit der erstmals klägerseits im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptung zu einem unberechtigten Zugriff auf das Verbandsvermögen zur Deckung der Prozesskosten für die Beschlussanfechtungsverfahren habe das Landgericht offengelassen (und erscheine unwahrscheinlich, da sich die Kosten schließlich umlegen ließen).

Mache die Klägerin deshalb ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend, bedürfe sie einer besonderen Ermächtigung, § 10 Abs. 6 S. 3 WEG. Zu unterscheiden sei zwischen der so genannten geborenen Ausübungskompetenz gem. § 10 Abs. 6 S. 3 1. Halbs. WEG und der gekorenen Wahrnehmungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 2, Halbs. WEG.  

Die Ausübungskompetenz betreffe gemeinschaftsbezogene Rechte, also solche Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer oder aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern würden (BGH, Urteil vom 24.07.2015 - V ZR 167/14 -). Vorliegend würde es bereits deshalb daran ermangeln, da eine gemeinschaftliche Empfangszuständigkeit für die geschädigten Wohnungseigentümer nicht gegeben sei. Es handele sich um Individualansprüche. Damit läge der Fall anders als jener, bei dem es um die Schädigung von Gemeinschaftseigentum, gehen würde.  

Bei der gekorenen Ausübungsbefugnis übe der Verband die sonstigen Rechte der Wohnungseigentümer aus, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können. Dies sei der Fall, wenn die Rechtsausführung für den Verband förderlich sei. Wird dies bejaht, könne die Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechte der Eigentümer (im Rahmen einer gesetzlichen Prozessstandschaft) ausüben, wenn sie die Rechtsverfolgung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss ans sich gezogen habe (BGH, Urteil vom 24.07.2015 - V ZR 167/14 -). Der Beschluss der WEG habe vorliegend zu dieser Vergemeinschaftung der Ansprüche geführt.

Allerdings scheide die Vergemeinschaftung insoweit aus, als hier nicht der Verwalter die Beauftragung eines Rechtsanwalts koordiniert hätte, sondern ein Eigentümer - was ihm freistehe -einen eigenen Anwalt mit seiner Rechtsvertretung im Rahmen  der Beschlussanfechtungsverfahren beauftragt habe. Diese Kosten könnte die Gemeinschaft nicht an sich ziehen. Im übrigen würde aber der Vergemeinschaftung nicht der Umstand im Wege stehen, dass evtl. ein Eigentümer kein Interesse daran habe, dass der von ihm im Rahmen der Umlage gezahlte Betrag geltend gemacht wird.

BGH, Urteil vom 08.02.2019 - V ZR 153/18 -

Samstag, 15. Juni 2019

Beginn des Laufs der Verjährung nach § 548 BGB: Wann liegt die Besitzübergabe der Mietsache vor ?


Die Entscheidung betrifft im Kern die Frage, wann der Lauf der Verjährung für mögliche Schadensersatzansprüche (Verschlechterung oder Veränderung der Mietsache; Verjährungsfrist gem.  548 BGB: 6 Monate) zu laufen beginnt und mag ein gewisse Pikanterie deshalb haben, da ein Bundesland beklagt (Beklagter; Land Brandenburg) war und es um einen Anspruch der klagenden Vermieterin gegen das Land nach Ende eines vom Land angemieteten Mietvertrages über ein Gerichtsgebäude ging.

Der Beklagte hatte das Mietverhältnis aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 05.07.2012 (mit einer Auslauffrist) zum 30.09.2912 gekündigt. Nach § 16 des Mietvertrages (MV) hatte er die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses geräumt, gesäubert und fachgerecht renoviert sowie instandgesetzt zurückzugeben oder auf Verlangen der Vermieterin einen angemessenen Geldbetrag zu zahlen und zudem vorgenommene Einbauten unter Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu entfernen, wenn sie die Vermieterin nicht gegen Erstattung des Zeitwertes behalten wollte.  

Die Räumung durch den Beklagten erfolgte, ohne dass die Einbauten entfernt worden wären, im Oktober 2012. Mit Anwaltsschreiben vom 09.11.2012 ließ der Beklagte erklären, dass der Klägerin hiermit die Rückgabe der Räume ab sofort angeboten würde und schlug im Hinblick auf von der Klägerin beabsichtigte Sanierungs-und Umbaumaßnahmen einen Vor-Ort-Termin vor, der auch zur Abstimmung nach § 16 MV denkbaren Interessenslagen dienen sollte. Am 14.12.2012 fand eine gemeinsame Besichtigung statt, am 18.12.2012 ein Gespräch. Unter dem 24.01.2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, welche Einbauten noch zurückgebaut werden müssten und welche Instandsetzungsarbeiten vom Beklagten vorzunehmen seien, wobei sie eine Frist bis zum 05.02.2013 setzte. Nach Durchführung dieser Arbeiten erfolgte die Rückgabe am 08.02.2013; das von der Klägerin gefertigte Rückgabeprotokoll wurde nicht unterschrieben. Die Klägerin forderte in der Folge den Beklagten zu weiteren Mängelbeseitigungsarbeiten auf, die endgültig am 13.06.2013 vom Beklagten abgelehnt wurden. Mit ihrer Klage forderte die Klägerin Zahlung von € 96.843,00, der das Landgericht in Höhe von € 19.423,00 (für Renovierungsanstrich) stattgab. Auf die Berufung beider Parteien wurde vom OLG Brandenburg die Klage insgesamt wegen Verjährung abgewiesen.  Das Urteil wurde vom BGH aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zu materiellen Prüfung der Schadensersatzansprüche zurückverwiesen.

Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verschlechterung der Mietsache verjähren gem. § 548 Abs. 1 BGB in sechs Monaten, berechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Der BGH verwies auf seine Rechtsprechung, wonach der Rückerhalt grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters erfordere, da er sich erst dann ungestört ein vollständiges Bild über etwaige Veränderungen oder Verschlechterungen machen könne. Dazu sei auch erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgebe. Ein möglicherweise zwischenzeitliches Recht des Vermieters zur Besichtigung genüge nicht.

Anders als das OLG angenommen habe würde vorliegend die Verjährungsfrist erst mit der Rückgabe vom 08.02.2013 zu laufen begonnen haben (weshalb die Klage noch fristwahrend innerhalb der Verjährungsfrist erhoben worden sei). Das vom OLG für den Lauf der Verjährungsfrist als maßgeblich angesehene Anwaltsschreiben vom 09.11.2012 ändere daran nichts, da sich die Klägerin in Ansehung dieses Schreibens nicht so behandeln lassen müsse, als habe sie die Mietsache bereits zu diesem Zeitpunkt zurückerhalten.

Der BGH konstatiert, dass es verschiedene Rechtsansichten in Literatur und Rechtsprechung gebe, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist beginne, wenn der Mieter dem Vermieter die Mietsache anbiete, der Vermieter diese aber nicht zurücknehme. Dies sei zwar vom BGH noch nicht entschieden worden, doch käme es vorliegend darauf auch nicht an. Denn es würde nicht nur an einer vollständigen und endgültigen Besitzaufgabe vor dem 08.02.2013 fehlen, sondern der Beklagte habe auch kein tatsächliches oder wörtliches Angebot gemacht.

Auch wenn es in dem Schreiben vom 09.11.2012 heißt, dass die „Rückgabe der Mieträume ab sofort“ angeboten würde, ergäbe sich aus dem Schreiben, dass es sich nicht um eine vorbehaltlose Besitzaufgabe handele. So sei in dem Schreiben ergänzend ausgeführt worden, dass eine nähere Abstimmung bezüglich der § 16 MV bestehenden Interessenslage gewollt war, also bezüglich der Renovierungspflicht und der Entfernung der Einbauten. Es ließe sich aus dem Schreiben nicht entnehmen, dass der Beklagte seine Sachherrschaft über die Mieträume bereits vor Klärung dieser Fragen vollständig und endgültig habe aufgeben wollen.

Auch am 14.12.2012 habe die Klägerin die Mieträume nicht iSv. § 548 BGB zurückerhalten. Die gemeinsame Besichtigung habe in der nachfolgenden Besprechung vom 18.12.2012 gemündet und der Aufforderung der Klägerin vom 14.01.2013 zur Durchführung von Arbeiten, die dann auch bis zum 08.02.2013 von der Beklagten bis zum 08.02.2013 durchgeführt worden seien. Bis zum 08.02.103 sei die Klägerin nicht im ungestörten Besitz der Mietsache gewesen, sondern diesen hatte noch der Beklagte. Auch das OLG habe festgestellt, dass der Beklagte bis zum 08.02.2013 den Besitz bis zum 08.02.2013 nicht vollständig aufgegeben habe und die Klägerin zu keinem Zeitpunkt bis zum 08.02.2013 den Alleinbesitz erlangt habe, der es ihr ermöglicht hätte, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache zu machen.

BGH, Urteil vom 27.02.2019 - XII ZR 63/18 -