Die Klägerin war Arbeitgeberin
der bei einem Verkehrsunfall verunfallten Zeugin W. Sie erbrachte nach Vorlage
einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Zeugin Lohnfortzahlungen für den Zeitraum
vom 18. - 24.03.2016, zu denen sie nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG (Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall) verpflichtet war. In Höhe dieser Zahlungen machte sie gegen
die Beklagte als Haftpflichtversicherer des den Verkehrsunfall verursachenden
Fahrzeuges Ansprüche aus übergegangenen Recht gem. § 6 Abs. 1 EFZG geltend. In
§ 6 Abs. 1 EFZG heißt es:
„Kann der Arbeitnehmer auf Grund
gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des
Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden
ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem
Arbeitnehmer nach diesem Gesetz Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf
entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit,
Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung und zur
Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und
Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat.“
Nach der Behauptung der Klägerin
sei die attestierte Arbeitsunfähigkeit Folge einer durch den Unfall bedingten HWS-Distorsion.
Die Beklagte bestritt, dass der Unfall, bei dem es nur zu einem leichten
Stoßimpuls gekommen sei, dass das benannte Verletzungsbild von dem Unfall
hervorgerufen worden sei. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht
hatte unter Aufhebung des Urteils die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene
Revision hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies den
Rechtsstreit an dieses zurück.
Nach Auffassung des BGH sei die
der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Auffassung, eine
unfallbedingte Körperverletzung ließe sich nur dann feststellen, wenn die
Klägerin die behauptete HWS-Distorsion beweisen könne, fehlerhaft. Dabei
verwies es darauf, dass nach Angaben der erstinstanzlich vernommenen Zeugin W.
diese starke Nacken- und Kopfschmerzen bekundet habe, welche ebenfalls als
Primärverletzung in Betracht kämen; dies sei vom Landgericht nicht erwogen und
geprüft worden, ob diese Beeinträchtigungen unfallbedingt seien uns zur
Arbeitsunfähigkeit der Zeugin geführt haben.
Der Arbeitgeber habe außer der
Entgeltfortzahlung darzulegen und zu beweisen, dass der Zeugin W. als ihre
Arbeitnehmerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens
nach § 823 Abs. 1 BGB oder §§ 7 Abs. 1, 11 S. 1 StVG zugestanden habe, wobei
keine anderen Grundsätze gelten würden, als wenn die Zeugin ihren Anspruch
selbst geltend machen würde.
Eine Partei genüge ihrer
Darlegungslast, wenn sie Tatsachen anführt, die in Verbindung mit einem
Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person
entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe weiterer Einzelheiten sei nicht
erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung seien. Dieser
darlegungslast habe die Klägerin dadurch genügt, dass sie behauptete, die Zeugin
habe infolge des Unfalls Verletzungen erlitten und sei deshalb im benannten
Zeitraum arbeitsunfähig krank gewesen.
Für die haftungsausfüllende
Kausalität, die den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der
Rechtsgutsverletzung (dem ersten Verletzungserfolgt, die sogen.
Primärverletzung) gelte das Beweismaß des § 286 ZPO, welches die volle
Überzeugungsbildung des Gerichts verlange (sogen. Vollbeweis). Der Vollbeweis
sei erbracht, wenn ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit
vorläge, der Zweifeln Schweigen gebiete. Nur für die haftungsausfüllende
Kausalität (die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären
Rechtsgutverletzung und weiteren Schäden des Geschädigten beträfe, sogen.
Sekundärschäden) gelte das erleichterte Beweismaß des § 286 ZPO.
Vorliegend war damit das
Beweismaß des § 286 ZPO anzuwenden. Danach negierte das Landgericht eine
HWS-Distorsion als Folge des Unfalls. Nicht zu beanstanden sei, dass das Landgericht
die Angabe der Zeugin, sie habe starke Nacken- und Kopfschmerzen gehabt und
dies sei ärztlicherseits als Schleudertraume diagnostiziert worden, weshalb
Physiotherapien verschrieben worden seien, anders als das Amtsgericht nicht als
Beweis der Behauptung angesehen habe, da damit nicht die objektive Richtigkeit
(wie bei einem Sachverständigengutachten) festgestellt würde. Die von der Zeugin
mitgeteilte Diagnose des Arztes müsse nicht richtig sein, da der einen
Unfallgeschädigten untersuchende Arzt nicht aus der Sicht eines Gutachters,
sondern aus der Sicht eines Therapeuten vorgehe, und für ihn die Notwendigkeit einer Therapie im
Vordergrund stehe und die Diagnose zunächst untergeordnete Bedeutung habe. Von
daher könnten derartige Untersuchungen nur Indizien darstellen (BGH, Urteil vom
29.01.2019 - VI ZR 113/17 -; BGH, Urteil vom 03.06.2008 - VI ZR 235/07 -).
Anderes ergäbe sich auch nicht
aus der zeitgleich vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit (AU-Bescheinigung),
da auch bei dieser nicht die objektiv richtige Diagnose im Vordergrund stünde. Die
AU-Bescheinigung habe weder Angaben zur Diagnose (also Art der Erkrankung)
enthalten noch gebe sie Aufschluss dazu, ob die Krankheit unfallbedingt sei. Da
sie sich nicht auf Art und Umfang der Krankheit erstrecke, käme es vorliegend nicht
darauf an, welche (formelle oder materielle) Beweiskraft einer Privaturkunde
zukomme.
Die Revision würde allerdings
zutreffend rügen, dass sich das Landgericht bezüglich unfallbedingter
Verletzungen lediglich mit dem HWS-Syndrom auseinandergesetzt habe. Die von der
Zeugin benannten starken Nacken- und Kopfschmerzen seien nicht beachtet worden.
Es sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin diese bei der Beweisaufnahme
zutage getretenen Umstände zumindest hilfsweise zu eigen gemacht habe, da der
Begriff der Körperverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB, §§ 7 Abs. 1, 11 StVG weit
gefasst sei und jeden Eingriff in die körperliche Integrität meint. Selbst wenn
sich eine HWS-Distorsion nicht verifizieren ließe, könnten starke Nacken- und
Kopfschmerzen eine Rechtsgutverletzung und nicht nur einen Verletzungsverdacht
begründen. Ob diese unfallbedingt seien, ließe sich aus der landgerichtlichen
Entscheidung nicht entnehmen, weshalb diese insoweit unvollständig sei. Würde
die Unfallbedingtheit im weiteren Verfahren vor dem Landgericht festgestellt,
wäre nach dem Beweismaß des § 287 ZPO zu prüfen, ob diese eine Arbeitsunfähigkeit
(und damit einen Verdienstausfallschaden) begründen.
BGH, Urteil vom 23.06.2020 - VI ZR 435/19 -