Die Entscheidung betrifft seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum streitige
Fragen: Können im Rahmen der Geltendmachung von fiktiven
Schadensersatzansprüchen für Schäden am Fahrzeug auch Beilackierungskosten
gelten gemacht werden, oder können diese nur nach Durchführung einer Reparatur,
wenn es zur Beilackierung kommen musste und kam, als Schadensersatz geltend
gemacht werden ? Nach welchem Beweismaß ist festzustellen, ob
Beilackierungskosten bei fiktiver Schadensberechnung erstattungsfähig sind ?
Das „phantomschwarz Perleffekt“
lackierte Fahrzeug des Klägers wurde bei einem Unfall beschädigt. Er rechnete
mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung den Schaden auf der Grundlage
eines Gutachtens fiktiv ab. Diese regulierte auch, strich allerdings den im
Gutachten mit netto € 643,39 benannten Betrag für Beilackierungskosten. Das Landgericht
hatte, nachdem ihr das Amtsgericht noch stattgegeben hatte, die Klage
diesbezüglich abgewiesen. Es vertrat die Auffassung, bei Karosserieschäden würden die zur Vermeidung möglicher Farbtonabweichungen
erforderlichen Kosten einer Beilackierung angrenzender, nicht unmittelbar unfallgeschädigter
Teile nicht zu dem im Rahmen fiktiver Schadensberechnung erstattungsfähigen
Herstellungskosten. Kosten würden nur anfallen, wenn sich nach Reparatur und Lackierung des beschädigten Teils eine
Farbabweichung ergebe und daher die Beilackierung der angrenzenden Teile
notwendig mache. Ob etwas anders gelten würde, wenn nach den Umständen zwingend
davon ausgegangen werden müsse, dass bei Durchführung einer Reparatur eine
Beilackierung erforderlich sei, ließ das Berufungsgericht offen.
Dem folgt der BGH nicht. Grundsätzlich
habe der Geschädigte einen Anspruch auf dem zur Wiederherstellung des vorherigen
Zustandes erforderlichen Geldbetrag. Ziel sei die Herstellung des Zustandes, der
(wirtschaftlich) dem entspräche, der ohne das Schadensereignis bestehen würde.
Der Geschädigte sei in der
Disposition (Verwendung) des vom Schädiger zu zahlenden Schadensersatzes frei.
Daher sei er nicht verpflichtet, dieses reparieren zu lassen, sondern könne
auch fiktiv (wie hier auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens)
abrechnen. Eine Verbindlichkeit der Angaben des Sachverständigen bestünde
nicht; zu erstatten sei der zu ermittelnde, zur Herstellung objektiv
erforderliche Betrag. Das Gericht habe diesen nach § 287 Abs. 1 ZPO nach freier
Überzeugung zu ermitteln. Revisionsrechtlich könne die dem Tatrichter
obliegende Ermittlung nur dahingehend geprüft werden, ob Rechtsgrundsätze der
Schadensbemessung verkannt wurden, wesentliche Bemessungsfaktoren außer
Betracht gelassen wurden oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt
wurden. Vorliegend habe das Landgericht (Berufungsgericht) die Rechtsgrundsätze
der Schadensbemessung verkannt und wesentlichen Vortrag des Klägers nicht
berücksichtigt.
Richtig sei, dass den Kläger die
Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten
träfe. Allerdings sei vom Landgericht das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO,
welches geringere Anforderungen als § 286 ZPO stelle, verkannt. Während nach §
286 ZPO eine Gewissheit erreicht sein müsse, die Zweifeln Schweigen gebietet,
sei im Rahmen des § 287 ZPO ein Ermessen ausreichend, bei dem auch in Kauf
genommen würde, dass dieses mit der Wirklichkeit nicht in Überstimmung stünde (BGH,
Urteil vom 06.12.2012 - VII ZR 84/10 -). Von daher könne das Landgericht hier
nicht eine (selbst im Rahmen des § 286 ZPO überspannte) absolute Gewissheit für
die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten für den Fall tatsächlicher
Durchführung der Schadensbeseitigung fordern. Bei fiktiver Abrechnung verbleibe
immer eine gewisse Unsicherheit, ob der objektiv erforderliche (ex ante zu
bemessende) Betrag demjenigen entspräche, der bei tatsächlicher Durchführung
der Reparatur auch anfällt. E käme auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit an.
Die Auffassung des Landgerichts
sei unzutreffend, dass die Beilackierung mit der Beseitigung des Unfallschadens
nichts zu tun habe. Wenn eine solche als notwendig angesehen würde, um einen
Zustand widerherzustellen, der vor dem Unfall bestand, so sei sie ebenso Teil
der Beseitigung des durch den Unfall verursachten Schadens.
Ferner habe das Landgericht ein
wesentliches Beweisangebot des Klägers übergangen (Verletzung rechtlichen Gehörs,
Art. 103 GG). So habe er unter Beweis gestellt, dass die Beilackierung auf
Grund des Farbtons des Fahrzeugs technisch zwingend erforderlich sei. Diese
Darlegung sei auch entgegen der Annahme des Landgerichts ausreichend (substantiiert)
gewesen, da eine Partei nur insoweit Tatsachen vortragen müsse, als diese in Verbindung
mit einem Rechtssatz geeignet seien, das geltend gemachte Recht in seiner Person
als entstanden erscheinen zu lassen.
Vor diesem Hintergrund hob der
BGH die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das
Landgericht zurück.
BGH, Urteil vom 17.09.2019 - VI ZR 396/18 -