Am Unfalltag betrug der Kilometerstand des PKW des Klägers 571 Kilometer. Die Reparaturkosten beliefen sich nach Gutachten auf brutto € 5.287,43 bei einer Wertminderung von € 1.000,00. Der Kläger verlangte die Kosten für einen Neuwagen mit € 37.181,00 zuzüglich der Sachverständigenkosten für das Gutachten und eine Kostenpauschale mit € 30,00. Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von € 6.180,54 (nämlich Reparaturkosten auf Basis des Gutachtens mit netto € 4.443,22, Sachverständigenkosten, Minderwert und Kostenpauschale, diese mit € 25,00). Die zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.
Der BGH bekräftigte, dass bei einem fabrikneuen Fahrzeug mit eine Laufleistung von nicht mehr als 1.000km bei einer erheblichen Beschädigung des Fahrzeugs (und ausdrücklich auch nur dann) der Eigentümer berechtigt sei, Ersatz für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Fahrzeug erworben habe. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück, lasse den Anspruch auf den Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Es gelte das Wirtschaftlichkeitspostulat und das Bereicherungsverbot und es sei nicht ersichtlich, welche Gründe bei einer Beschädigung eines Neuwagens für deren Aufgabe sprechen könnten.
Vorliegend habe der Kläger keinen Neuwagen erworben. Die durch Erstattung der Kosten eines angeschafften gleichwertigen Neuwagens erfolgte Anhebung der „Opfergrenze“ des Schädigers erfolge allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und der Nutzung eines Neufahrzeuges. Dies setze aber ein solches Interesse des Geschädigten voraus, welches durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachzuweisen sei. Nur dann sei es gerechtfertigt, mehr als die Reparaturkosten und den merkantilen Minderwert zuzuerkennen.
BGH, Urteil vom 29.09.2020 -
VI ZR 271/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt vom 6. Juni 2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14. November 2017 in Anspruch, für den die Beklagten unstreitig dem Grunde nach voll einstandspflichtig sind.
Der Kilometerstand des von dem Kläger für einen Kaufpreis in Höhe von 37.181 € neu erworbenen, am 25. Oktober 2017 erstmals zugelassenen und bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs Mazda CX-5 betrug am Unfalltag 571 Kilometer. Der Kläger holte ein Gutachten der DEKRA ein, das Reparaturkosten von 5.287,43 € brutto und eine Wertminderung von 1.000 € ausweist.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 37.923,32 € nebst Zinsen (Kosten für einen Neuwagen in Höhe von 37.181 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 € und eine Kostenpauschale in Höhe von 30 €). Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 37.918,32 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen wegen eines Teilbetrags der Kostenpauschale abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.180,54 € (Reparaturkosten netto in Höhe von 4.443,22 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 €, Wertminderung in Höhe von 1.000 € sowie Kostenpauschale in Höhe von 25 €) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den von ihm geltenden gemachten Anspruch auf Neuwagenentschädigung in Höhe von 31.787,78 € weiter. Mit in der Revisionsinstanz erstmals gestelltem Hilfsantrag begehrt er die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger gegen Vorlage einer Originalrechnung den Rechnungsbetrag bis zu einer maximalen Höhe des Listenpreises des Herstellers für ein identisch ausgestattetes Fahrzeug Mazda CX-5 (Typ: […]), welcher über den Betrag von 6.180,54 € hinausgeht, Zug um Zug gegen Übereignung des PKW Mazda […] zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Kläger könne Schadensersatz im Hinblick auf den Neuwagenpreis nicht geltend machen. Der Kläger habe unstreitig keinen Neuwagen angeschafft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne ein Geschädigter, dessen neues Fahrzeug erheblich beschädigt worden sei, den Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft habe. Eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis sei unzulässig. Für die Abrechnung auf Neuwagenbasis genüge auch nicht, dass der Kläger vortrage, bisher eine Neuanschaffung nur aus finanziellen Gründen unterlassen zu haben.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 8 mwN). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.
a) In zutreffender Anwendung der Senatsrechtsprechung geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km im Falle dessen - hier mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision zu unterstellender - erheblicher Beschädigung (nur dann) berechtigt ist, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat (Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 16 ff.; Almeroth in MünchKommStVR, 2017, BGB § 249 Rn. 231; Ekkenga/Kuntz in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 249 Rn. 169; J.W. Flume in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 249 Rn. 236 ff.; Funk/Froitzheim in BeckOK StVR, Stand 1. Juli 2020, BGB § 251 Rn. 15; Kuhnert in NK-GVR, 2. Aufl., § 251 BGB Rn. 13; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 9. Aufl., Rn. 192; Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. Aufl., Kap. 4 Rn. 42; Lemcke, NJW-Spezial 2013, 457, 458; Richter in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 6. Aufl., Kapitel 4, Rn. 672; vgl. auch Oetker in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 251 Rn. 26). Daran hält der Senat fest. Soweit die Rechtsprechung des Senats vereinzelt Kritik erfahren hat (Gsell NJW 2009, 2994 ff.; vgl. auch Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 3. Juli 2020, § 249 BGB Rn. 82), erweist sich diese entgegen der Ansicht der Revision nicht als durchgreifend. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück (Gsell NJW 2009, 2994, 2996), lässt den Anspruch auf Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Gründe, die bei der Beschädigung eines Neuwagens für die Aufgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats (vgl. nur Senat, Urteil vom 7. Juni 2005 - VI ZR 192/04, BGHZ 163, 180, 184, juris Rn. 8) und des Bereicherungsverbots sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
b) Von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger kein Neufahrzeug erworben hat.
aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der "Opfergrenze" des Schädigers allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs gerechtfertigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweist. Nur in diesem Fall ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzüglich des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren (Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 26).
bb) Entgegen der Ansicht der Revision folgt ein anderes Ergebnis nicht aus dem Einwand des Klägers, er habe einen Erwerb aus finanziellen Gründen unterlassen. Unbeschadet der Frage der Relevanz dieses Gesichtspunkts ist der diesbezügliche streitige Vortrag im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. Juli 2018 substanzlos, nicht unter Beweis gestellt und bereits deshalb nicht erheblich.
c) Schließlich greift auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Geschädigte einen Neuwagenkauf nachholen könne und deshalb die Klage nur derzeit unbegründet sei, nicht durch. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Neuwagen gekauft hat und es damit an einer Anspruchsvoraussetzung für die Kostenerstattung fehle. Mit der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn der Kläger einen Neuwagen kauft, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Ein solcher neuer Sachverhalt wird von der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht erfasst (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 27).
2. Mit dem in der Revisionsinstanz erstmals gestellten Hilfsantrag hatte sich der Senat inhaltlich nicht zu befassen, weil er unzulässig ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 23. Mai 1957 - II ZR 250/55, BGHZ 24, 279, 285; vom 7. November 1957 - II ZR 280/55, BGHZ 26, 31, 37; vom 18. September 1958 - II ZR 332/56, BGHZ 28, 131, 137; vom 21. Dezember 1960 - VIII ZR 145/59, NJW 1961, 777, juris Rn. 26; vom 28. September 1989 - IX ZR 180/88, WM 1989, 1873, juris Rn. 11).
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