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Freitag, 17. Januar 2020

Fiktiver Schadensersatz und Beilackierungskosten bei Unfallschaden


Die Entscheidung betrifft seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum streitige Fragen: Können im Rahmen der Geltendmachung von fiktiven Schadensersatzansprüchen für Schäden am Fahrzeug auch Beilackierungskosten gelten gemacht werden, oder können diese nur nach Durchführung einer Reparatur, wenn es zur Beilackierung kommen musste und kam, als Schadensersatz geltend gemacht werden ? Nach welchem Beweismaß ist festzustellen, ob Beilackierungskosten bei fiktiver Schadensberechnung erstattungsfähig sind  ?

Das „phantomschwarz Perleffekt“ lackierte Fahrzeug des Klägers wurde bei einem Unfall beschädigt. Er rechnete mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung den Schaden auf der Grundlage eines Gutachtens fiktiv ab. Diese regulierte auch, strich allerdings den im Gutachten mit netto € 643,39 benannten Betrag für Beilackierungskosten. Das Landgericht hatte, nachdem ihr das Amtsgericht noch stattgegeben hatte, die Klage diesbezüglich abgewiesen. Es vertrat die Auffassung,  bei Karosserieschäden  würden die zur Vermeidung möglicher Farbtonabweichungen erforderlichen Kosten einer Beilackierung angrenzender, nicht unmittelbar unfallgeschädigter Teile nicht zu dem im Rahmen fiktiver Schadensberechnung erstattungsfähigen Herstellungskosten. Kosten würden nur anfallen, wenn sich nach Reparatur und Lackierung des beschädigten Teils eine Farbabweichung ergebe und daher die Beilackierung der angrenzenden Teile notwendig mache. Ob etwas anders gelten würde, wenn nach den Umständen zwingend davon ausgegangen werden müsse, dass bei Durchführung einer Reparatur eine Beilackierung erforderlich sei, ließ das Berufungsgericht offen.

Dem folgt der BGH nicht. Grundsätzlich habe der Geschädigte einen Anspruch auf dem zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes erforderlichen Geldbetrag. Ziel sei die Herstellung des Zustandes, der (wirtschaftlich) dem entspräche, der ohne das Schadensereignis bestehen würde.

Der Geschädigte sei in der Disposition (Verwendung) des vom Schädiger zu zahlenden Schadensersatzes frei. Daher sei er nicht verpflichtet, dieses reparieren zu lassen, sondern könne auch fiktiv (wie hier auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens) abrechnen. Eine Verbindlichkeit der Angaben des Sachverständigen bestünde nicht; zu erstatten sei der zu ermittelnde, zur Herstellung objektiv erforderliche Betrag. Das Gericht habe diesen nach § 287 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung zu ermitteln. Revisionsrechtlich könne die dem Tatrichter obliegende Ermittlung nur dahingehend geprüft werden, ob Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt wurden, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen wurden oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt wurden. Vorliegend habe das Landgericht (Berufungsgericht) die Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt und wesentlichen Vortrag des Klägers nicht berücksichtigt.

Richtig sei, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten träfe. Allerdings sei vom Landgericht das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO, welches geringere Anforderungen als § 286 ZPO stelle, verkannt. Während nach § 286 ZPO eine Gewissheit erreicht sein müsse, die Zweifeln Schweigen gebietet, sei im Rahmen des § 287 ZPO ein Ermessen ausreichend, bei dem auch in Kauf genommen würde, dass dieses mit der Wirklichkeit nicht in Überstimmung stünde (BGH, Urteil vom 06.12.2012 - VII ZR 84/10 -). Von daher könne das Landgericht hier nicht eine (selbst im Rahmen des § 286 ZPO überspannte) absolute Gewissheit für die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten für den Fall tatsächlicher Durchführung der Schadensbeseitigung fordern. Bei fiktiver Abrechnung verbleibe immer eine gewisse Unsicherheit, ob der objektiv erforderliche (ex ante zu bemessende) Betrag demjenigen entspräche, der bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur auch anfällt. E käme auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit an.

Die Auffassung des Landgerichts sei unzutreffend, dass die Beilackierung mit der Beseitigung des Unfallschadens nichts zu tun habe. Wenn eine solche als notwendig angesehen würde, um einen Zustand widerherzustellen, der vor dem Unfall bestand, so sei sie ebenso Teil der Beseitigung des durch den Unfall verursachten Schadens.

Ferner habe das Landgericht ein wesentliches Beweisangebot des Klägers übergangen (Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 GG). So habe er unter Beweis gestellt, dass die Beilackierung auf Grund des Farbtons des Fahrzeugs technisch zwingend erforderlich sei. Diese Darlegung sei auch entgegen der Annahme des Landgerichts ausreichend (substantiiert) gewesen, da eine Partei nur insoweit Tatsachen vortragen müsse, als diese in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet seien, das geltend gemachte Recht in seiner Person als entstanden erscheinen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund hob der BGH die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

BGH, Urteil vom 17.09.2019 - VI ZR 396/18 -

Dienstag, 9. April 2019

Fiktiver Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers für Schaden am Leasinggegenstand ?


Die Klägerin machte gegenüber dem Haftpflichtversicherer (Beklagte) des Unfallgegners Schadensersatzansprüche in Form von fiktiven Reparaturkosten für ein von ihr geleastes Fahrzeug geltend. Dabei berief sie sich zur Berechtigung („Aktivlegitimation“) auf die ihrem Leasingvertrag zugrunde liegenden Bedingungen, denen zufolge sie im Schadensfall die erforderlichen Reparaturarbeiten unverzüglich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen lassen müsse.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die vom Landgericht zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht.

Der BGH wies darauf hin, dass auch der Besitz ein nach § 823 BGB geschütztes Rechtsgut sei, ebenso wie sich eine Haftung wegen Verletzung des berechtigten unmittelbaren Besitzes aus § 7 StVG ergeben könne, da § 7 StVG neben dem Eigentum u.a. auch den berechtigten unmittelbaren Besitz in seinen Schutzbereich einschließen würde.  Des Weiteren könne bei Schädigung eine sgeleastem Fahrzeuges der Schaden des Leasingnehmers neben dem evtl. Haftungsschaden auch im Entzug der Sachnutzung bestehen (BGHZ 116, 22, 26f).

Nicht entschieden sei bisher, ob der Leasingnehmer als berechtigter unmittelbarer Besitzer aufgrund der Verletzung seines Besitzrechts durch den Schaden an dem Leasinggegenstand wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Substanzschaden (die Reparaturkosten) geltend machen könne. Wolle man von einem Anspruch des Eigentümers als auch Besitzers ausgehen, würde sich das Problem der Anspruchskonkurrenz ergeben. Dies wie auch die Frage einer eventuellen Lösung der Anspruchskonkurrenz könne aber hier auf sich beruhen. Wenn, wie hier, der Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber für den Schadensfall die Pflicht übernommen habe, den Leasinggegenstand instand zu setzen, könne er im konkreten Schadensfall nicht ohne Zustimmung (§ 182 BGB) des Eigentümers gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangen. Das Recht, statt der Herstellung die Herstellungskosten zu verlangen sei eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, die den Geschädigten davon befreien solle, die Schadensbeseitigung dem Schädiger anzuvertrauen. Es handele sich um eine Dispositionsfreiheit des Geschädigten, die Naturalrestitution in eigener Regie durchzuführen, was auch bedeute, dass es ihm freistehenden würde, ob er überhaupt eine Reparatur durchführen lasse oder Ersatzbeschaffung vornehme.  Diese Ersetzungsbefugnis könne bei Sachbeschädigungen nur einheitlich ausgeübt werden. Im Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer läge die Entscheidungsbefugnis, soweit es um den Substanzschaden gehen würde, bei dem Eigentümer als Inhaber des umfassenden Herrschaftsrechts über die Sache nach § 903 BGB. Damit könne der Leasingnehmer nicht ohne Einwilligung des Eigentümers die fiktiven Reparaturkosten verlangen. Dieses Recht sei ihm auch nicht übertragen worden; vielmehr sei er im Leasingvertrag verpflichtet worden, im Schadensfall eine Reparatur durchführen zu lassen.

Auch wenn die Klägerin einen Haftungsschaden geltend mache, würde dies keine Berechtigung zur Geltendmachung der fiktiven Reparaturkosten begründen. Da das Fahrzeug noch nicht repariert worden sei, bestünde weiterhin diese Verpflichtung gegenüber dem Leasinggeber (Eigentümer). Damit würde der Anspruch hier auf Schuldbefreiung gerichtet sein, wobei es dem Schuldner freistehen würde, wie er den Befreiungsanspruch erfüllt. Dieser Befreiungsanspruch sei (mit der Klage auf Zahlung der fiktiven Reparaturkosten) nicht geltend gemacht worden.

Nach der Zurückverweisung sei vom Landgericht zu prüfen, ob die Klägerin ihren Anspruch aus fremden Recht geltend machen könne, der von der Klägerin hilfsweise geltend gemacht worden sei.

BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 481/17 -