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Mittwoch, 1. April 2020

Schadensersatz: Unbegründete Klage im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft bei Zession an Dritte ?


Unstreitig verschuldete der Versicherungsnehmer der beklagten Versicherung alleine einen Verkehrsunfall, an dem neben diesem der Kläger beteiligt war. Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten ein  und ließ sodann die Reparatur durchführen; seine Ansprüche diesbezüglich trat er an die Werkstatt bzw. den Sachverständigen in Höhe von deren jeweiligen Forderungen ab.  Teilweise wurde seitens der Beklagten auf die Rechnungen der Werkstatt und des Sachverständigen Zahlung geleistet. In Ansehung der Restforderungen erhob der Kläger Klage und machte geltend, er könne die Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft geltend machen.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Mit der Abtretung seiner Forderungen könne der Kläger nicht mehr Freistellung (§ 257 BGB) oder Zahlung an sich begehren (§ 250 S. 2 BGB). Zwar würde hier der Kläger dementsprechend auch nicht Zahlung an sich, sondern an die Werkstatt bzw. den Sachverständigen fordern, doch würde ihm hier die (von Amts wegen zu prüfende) Prozessführungsbefugnis fehlen und ein Fall gesetzlicher Prozessstandschaft nicht vorliegen. Aber auch einen Fall der gewillkürten Prozessstandschaft negierte das Amtsgericht.

Die gewillkürte Prozessstandschaft setze ein schutzwürdiges Interesse des Rechtsinhabers als auch des Dritten voraus. Es lägen nur die einseitigen Erklärungen der Zessionare vor, woraus das Amtsgericht mutmaßt, dass die Werkstatt und er Sachverständige mit einem „Abtretungsmodell“ arbeiten würden. De facto würde der Kläger den Prozess für die Werkstatt und den Sachverständigen führen, habe den Prozess vorfinanziert und trage das Prozessrisiko. Bemerkenswert sei, dass der Kläger den teuren Prozess „altruistisch (?)“ führe, was aber wohl der im Zuge des Abtretungsmodells getroffenen Vereinbarung geschuldet sei. Jedenfalls läge kein anzuerkennender Fall einer zulässigen Klage in gewillkürter Prozessstandschaft vor. Das Erfordernis, dass der Prozess im wohlverstandenem objektiven Interesse des Klägers als ursprünglicher Forderungsinhaber läge, sei nicht gegeben. Hier hätte der Kläger zeitnah nach dem Unfall in eigener Sache auf Freistellung klagen können. Statt dessen habe er sich aus unbekannten Gründen zur Abtretung entschlossen an Dritte entschlossen, deren Prozesse er nunmehr führe. Das schutzwürdige Interesse des Prozessstandschafters zur Geltendmachung fremder Rechte könne nur bejaht werden, wenn die Entscheidung de eigene Rechtslage beeinflusse (wozu nichts vorgetragen worden sei). Es bliebe offen, ob die Forderungen der Zessionare durch die Abtretungen endgültig erloschen sind (Abtretung an Erfüllungs statt, § 364 BGB). Da dann auch keine Ansprüche mehr gegen den Kläger geltend gemacht werden könnten, würde es ihm an einem eigenen Rechtsschutzinteresse ermangeln. Dies sei aber auch im Falle der Abtretung erfüllungshalber anzunehmen, auch wenn in diesem Fall der Kläger ein wirtschaftliches Interesse hätte, dass seine Zahlungspflicht gegenüber den Zedenten nicht wieder auflebt. Allerdings sei signifikant, dass das auf die Prozessebene erweiterte Abtretungsmodell zur Beeinträchtigung der Rechte des Prozessgegners führe: So seien geschwärzte Rechnungen vorgelegt worden und zum Beweis der Höhe auf das Zeugnis der Zessionare Bezug genommen worden, die im eigenen Prozess als Zeugen ausscheiden würden. Das hier verwandte gewerbsmäßige Abtretungsmodell dürfe nicht auf die prozessuale Ebene erweitert werden, da es die Versicherungswirtschaft bzw. Versichertengemeinschaft in deren schutzwürdigen Belangen beeinträchtige.

Anmerkung: Letztlich sieht das Amtsgericht (nicht zu Unrecht) die Gefahr, dass bestimmte Werkstätten und Sachverständige diesen Weg wählen, um überhöhte Forderungen nicht der Prüfung durch Gericht und Gegner auszusetzen. Bei veranlassen den Geschädigten zur Abtretung deren Forderung an sie, und soweit die Schädigerseite (idR. eine Versicherung) nicht zahlt, muss der Geschädigte (für die Zessionare) klagen. Damit muss keine Rechnung vorgelegt werden, aus der sich die Aufschlüsselung der (überhöhten) Forderung ergeben könnte, sondern kann zum Beweis der Leistungspflicht auf das Zeugnis der Zessionare abgestellt werden, zumal sich der klagende Geschädigte auch darauf berufen kann, dass er eine evtl. eingewandte Überteuerung jedenfalls nicht hätte erkennen können. Der rechtsdogmatische Weg des Amtsgerichts ist nachvollziehbar.

AG Bremen, Urteil vom 27.03.2020 - 9 C 513/19 -

Dienstag, 23. Juli 2019

Klagebefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Schadensersatz gegen Ex-Verwalter


Ein zwischenzeitlich der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nicht mehr angehörender Eigentümer hatte in drei Beschlussanfechtungsverfahren vom ehemaligen Verwalter (der Beklagten) erstellte Jahresabrechnungen erfolgreich angefochten, wodurch der WEG Kosten in Höhe von über € 45.000,00 entstanden, die auf die einzelnen Mitglieder der WEG gem. Teilungserklärung umgelegt und von ihnen gezahlt wurden. In 2016 fasste die WEG einen Beschluss, demzufolge die Beklagte in Regress genommen werden sollte und die neue Verwalterin den Vermögensschaden, ggf. auch gerichtlich, geltend machen sollte. Die darauf erhobene Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht gab ihr (mit Ausnahme eines Betrages von rund € 300,00) statt und ließ zur Frage der umstrittenen Aktivlegitimation der WEG die Revision zu. Die von der Beklagten daraufhin eingelegte Revision wurde vom BGH als unbegründet zurückgewiesen.

Würde die Klägerin einen eigenen Anspruch geltend machen, der ihr als teilrechtsfähigen Verband gem. § 10 Abs. 5 S. 2 WEG zustehen kann, bedürfte die Prozessführungsbefugnis der Klägerin keiner Erörterung, weshalb der BGB prüfte, ob eigene Ansprüche geltend gemacht wurden.

Die Klägerin habe nach Auffassung des BGH die von den einzelnen Wohnungseigentümern getragenen  Kosten geltend gemacht. Auch wenn der Verwaltervertrag mit dem Verband geschlossen worden war, kämen eigene Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer wegen Pflichtverletzung im Hinblick auf die Schutzwirkung des Vertrages gegen den Verwalter in Betracht (BGH, Beschluss vom 07.07.2016 - V ZB 15/14 -); um solche würde es sich vorliegend handeln und einzig darüber habe das Landgericht befunden. Mit der erstmals klägerseits im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptung zu einem unberechtigten Zugriff auf das Verbandsvermögen zur Deckung der Prozesskosten für die Beschlussanfechtungsverfahren habe das Landgericht offengelassen (und erscheine unwahrscheinlich, da sich die Kosten schließlich umlegen ließen).

Mache die Klägerin deshalb ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend, bedürfe sie einer besonderen Ermächtigung, § 10 Abs. 6 S. 3 WEG. Zu unterscheiden sei zwischen der so genannten geborenen Ausübungskompetenz gem. § 10 Abs. 6 S. 3 1. Halbs. WEG und der gekorenen Wahrnehmungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 2, Halbs. WEG.  

Die Ausübungskompetenz betreffe gemeinschaftsbezogene Rechte, also solche Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer oder aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern würden (BGH, Urteil vom 24.07.2015 - V ZR 167/14 -). Vorliegend würde es bereits deshalb daran ermangeln, da eine gemeinschaftliche Empfangszuständigkeit für die geschädigten Wohnungseigentümer nicht gegeben sei. Es handele sich um Individualansprüche. Damit läge der Fall anders als jener, bei dem es um die Schädigung von Gemeinschaftseigentum, gehen würde.  

Bei der gekorenen Ausübungsbefugnis übe der Verband die sonstigen Rechte der Wohnungseigentümer aus, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können. Dies sei der Fall, wenn die Rechtsausführung für den Verband förderlich sei. Wird dies bejaht, könne die Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechte der Eigentümer (im Rahmen einer gesetzlichen Prozessstandschaft) ausüben, wenn sie die Rechtsverfolgung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss ans sich gezogen habe (BGH, Urteil vom 24.07.2015 - V ZR 167/14 -). Der Beschluss der WEG habe vorliegend zu dieser Vergemeinschaftung der Ansprüche geführt.

Allerdings scheide die Vergemeinschaftung insoweit aus, als hier nicht der Verwalter die Beauftragung eines Rechtsanwalts koordiniert hätte, sondern ein Eigentümer - was ihm freistehe -einen eigenen Anwalt mit seiner Rechtsvertretung im Rahmen  der Beschlussanfechtungsverfahren beauftragt habe. Diese Kosten könnte die Gemeinschaft nicht an sich ziehen. Im übrigen würde aber der Vergemeinschaftung nicht der Umstand im Wege stehen, dass evtl. ein Eigentümer kein Interesse daran habe, dass der von ihm im Rahmen der Umlage gezahlte Betrag geltend gemacht wird.

BGH, Urteil vom 08.02.2019 - V ZR 153/18 -