Die Entscheidung betrifft im Kern
die Frage, wann der Lauf der Verjährung für mögliche Schadensersatzansprüche
(Verschlechterung oder Veränderung der Mietsache; Verjährungsfrist gem. 548 BGB: 6 Monate) zu laufen beginnt und mag
ein gewisse Pikanterie deshalb haben, da ein Bundesland beklagt (Beklagter;
Land Brandenburg) war und es um einen Anspruch der klagenden Vermieterin gegen
das Land nach Ende eines vom Land angemieteten Mietvertrages über ein
Gerichtsgebäude ging.
Der Beklagte hatte das
Mietverhältnis aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 05.07.2012 (mit einer
Auslauffrist) zum 30.09.2912 gekündigt. Nach § 16 des Mietvertrages (MV) hatte
er die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses geräumt, gesäubert und
fachgerecht renoviert sowie instandgesetzt zurückzugeben oder auf Verlangen der
Vermieterin einen angemessenen Geldbetrag zu zahlen und zudem vorgenommene Einbauten
unter Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu entfernen, wenn sie die
Vermieterin nicht gegen Erstattung des Zeitwertes behalten wollte.
Die Räumung durch den Beklagten
erfolgte, ohne dass die Einbauten entfernt worden wären, im Oktober 2012. Mit
Anwaltsschreiben vom 09.11.2012 ließ der Beklagte erklären, dass der Klägerin
hiermit die Rückgabe der Räume ab sofort angeboten würde und schlug im Hinblick
auf von der Klägerin beabsichtigte Sanierungs-und Umbaumaßnahmen einen
Vor-Ort-Termin vor, der auch zur Abstimmung nach § 16 MV denkbaren
Interessenslagen dienen sollte. Am 14.12.2012 fand eine gemeinsame Besichtigung
statt, am 18.12.2012 ein Gespräch. Unter dem 24.01.2013 teilte die Klägerin dem
Beklagten mit, welche Einbauten noch zurückgebaut werden müssten und welche
Instandsetzungsarbeiten vom Beklagten vorzunehmen seien, wobei sie eine Frist
bis zum 05.02.2013 setzte. Nach Durchführung dieser Arbeiten erfolgte die Rückgabe
am 08.02.2013; das von der Klägerin gefertigte Rückgabeprotokoll wurde nicht
unterschrieben. Die Klägerin forderte in der Folge den Beklagten zu weiteren
Mängelbeseitigungsarbeiten auf, die endgültig am 13.06.2013 vom Beklagten
abgelehnt wurden. Mit ihrer Klage forderte die Klägerin Zahlung von € 96.843,00,
der das Landgericht in Höhe von € 19.423,00 (für Renovierungsanstrich)
stattgab. Auf die Berufung beider Parteien wurde vom OLG Brandenburg die Klage
insgesamt wegen Verjährung abgewiesen. Das
Urteil wurde vom BGH aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zu materiellen
Prüfung der Schadensersatzansprüche zurückverwiesen.
Die Verjährung von Ansprüchen
wegen Verschlechterung der Mietsache verjähren gem. § 548 Abs. 1 BGB in sechs
Monaten, berechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter die Mietsache
zurückerhält. Der BGH verwies auf seine Rechtsprechung, wonach der Rückerhalt
grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters erfordere,
da er sich erst dann ungestört ein vollständiges Bild über etwaige
Veränderungen oder Verschlechterungen machen könne. Dazu sei auch erforderlich,
dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgebe. Ein
möglicherweise zwischenzeitliches Recht des Vermieters zur Besichtigung genüge
nicht.
Anders als das OLG angenommen
habe würde vorliegend die Verjährungsfrist erst mit der Rückgabe vom 08.02.2013
zu laufen begonnen haben (weshalb die Klage noch fristwahrend innerhalb der
Verjährungsfrist erhoben worden sei). Das vom OLG für den Lauf der
Verjährungsfrist als maßgeblich angesehene Anwaltsschreiben vom 09.11.2012
ändere daran nichts, da sich die Klägerin in Ansehung dieses Schreibens nicht
so behandeln lassen müsse, als habe sie die Mietsache bereits zu diesem
Zeitpunkt zurückerhalten.
Der BGH konstatiert, dass es
verschiedene Rechtsansichten in Literatur und Rechtsprechung gebe, unter
welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist beginne, wenn der Mieter
dem Vermieter die Mietsache anbiete, der Vermieter diese aber nicht
zurücknehme. Dies sei zwar vom BGH noch nicht entschieden worden, doch käme es
vorliegend darauf auch nicht an. Denn es würde nicht nur an einer vollständigen
und endgültigen Besitzaufgabe vor dem 08.02.2013 fehlen, sondern der Beklagte
habe auch kein tatsächliches oder wörtliches Angebot gemacht.
Auch wenn es in dem Schreiben vom
09.11.2012 heißt, dass die „Rückgabe der Mieträume ab sofort“ angeboten würde,
ergäbe sich aus dem Schreiben, dass es sich nicht um eine vorbehaltlose
Besitzaufgabe handele. So sei in dem Schreiben ergänzend ausgeführt worden,
dass eine nähere Abstimmung bezüglich der § 16 MV bestehenden Interessenslage
gewollt war, also bezüglich der Renovierungspflicht und der Entfernung der
Einbauten. Es ließe sich aus dem Schreiben nicht entnehmen, dass der Beklagte
seine Sachherrschaft über die Mieträume bereits vor Klärung dieser Fragen
vollständig und endgültig habe aufgeben wollen.
Auch am 14.12.2012 habe die
Klägerin die Mieträume nicht iSv. § 548 BGB zurückerhalten. Die gemeinsame
Besichtigung habe in der nachfolgenden Besprechung vom 18.12.2012 gemündet und
der Aufforderung der Klägerin vom 14.01.2013 zur Durchführung von Arbeiten, die
dann auch bis zum 08.02.2013 von der Beklagten bis zum 08.02.2013 durchgeführt
worden seien. Bis zum 08.02.103 sei die Klägerin nicht im ungestörten Besitz
der Mietsache gewesen, sondern diesen hatte noch der Beklagte. Auch das OLG
habe festgestellt, dass der Beklagte bis zum 08.02.2013 den Besitz bis zum
08.02.2013 nicht vollständig aufgegeben habe und die Klägerin zu keinem
Zeitpunkt bis zum 08.02.2013 den Alleinbesitz erlangt habe, der es ihr
ermöglicht hätte, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen
Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache zu machen.
BGH, Urteil vom
27.02.2019 - XII ZR 63/18 -