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Samstag, 15. Juni 2019

Beginn des Laufs der Verjährung nach § 548 BGB: Wann liegt die Besitzübergabe der Mietsache vor ?


Die Entscheidung betrifft im Kern die Frage, wann der Lauf der Verjährung für mögliche Schadensersatzansprüche (Verschlechterung oder Veränderung der Mietsache; Verjährungsfrist gem.  548 BGB: 6 Monate) zu laufen beginnt und mag ein gewisse Pikanterie deshalb haben, da ein Bundesland beklagt (Beklagter; Land Brandenburg) war und es um einen Anspruch der klagenden Vermieterin gegen das Land nach Ende eines vom Land angemieteten Mietvertrages über ein Gerichtsgebäude ging.

Der Beklagte hatte das Mietverhältnis aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 05.07.2012 (mit einer Auslauffrist) zum 30.09.2912 gekündigt. Nach § 16 des Mietvertrages (MV) hatte er die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses geräumt, gesäubert und fachgerecht renoviert sowie instandgesetzt zurückzugeben oder auf Verlangen der Vermieterin einen angemessenen Geldbetrag zu zahlen und zudem vorgenommene Einbauten unter Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu entfernen, wenn sie die Vermieterin nicht gegen Erstattung des Zeitwertes behalten wollte.  

Die Räumung durch den Beklagten erfolgte, ohne dass die Einbauten entfernt worden wären, im Oktober 2012. Mit Anwaltsschreiben vom 09.11.2012 ließ der Beklagte erklären, dass der Klägerin hiermit die Rückgabe der Räume ab sofort angeboten würde und schlug im Hinblick auf von der Klägerin beabsichtigte Sanierungs-und Umbaumaßnahmen einen Vor-Ort-Termin vor, der auch zur Abstimmung nach § 16 MV denkbaren Interessenslagen dienen sollte. Am 14.12.2012 fand eine gemeinsame Besichtigung statt, am 18.12.2012 ein Gespräch. Unter dem 24.01.2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, welche Einbauten noch zurückgebaut werden müssten und welche Instandsetzungsarbeiten vom Beklagten vorzunehmen seien, wobei sie eine Frist bis zum 05.02.2013 setzte. Nach Durchführung dieser Arbeiten erfolgte die Rückgabe am 08.02.2013; das von der Klägerin gefertigte Rückgabeprotokoll wurde nicht unterschrieben. Die Klägerin forderte in der Folge den Beklagten zu weiteren Mängelbeseitigungsarbeiten auf, die endgültig am 13.06.2013 vom Beklagten abgelehnt wurden. Mit ihrer Klage forderte die Klägerin Zahlung von € 96.843,00, der das Landgericht in Höhe von € 19.423,00 (für Renovierungsanstrich) stattgab. Auf die Berufung beider Parteien wurde vom OLG Brandenburg die Klage insgesamt wegen Verjährung abgewiesen.  Das Urteil wurde vom BGH aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zu materiellen Prüfung der Schadensersatzansprüche zurückverwiesen.

Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verschlechterung der Mietsache verjähren gem. § 548 Abs. 1 BGB in sechs Monaten, berechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Der BGH verwies auf seine Rechtsprechung, wonach der Rückerhalt grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters erfordere, da er sich erst dann ungestört ein vollständiges Bild über etwaige Veränderungen oder Verschlechterungen machen könne. Dazu sei auch erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgebe. Ein möglicherweise zwischenzeitliches Recht des Vermieters zur Besichtigung genüge nicht.

Anders als das OLG angenommen habe würde vorliegend die Verjährungsfrist erst mit der Rückgabe vom 08.02.2013 zu laufen begonnen haben (weshalb die Klage noch fristwahrend innerhalb der Verjährungsfrist erhoben worden sei). Das vom OLG für den Lauf der Verjährungsfrist als maßgeblich angesehene Anwaltsschreiben vom 09.11.2012 ändere daran nichts, da sich die Klägerin in Ansehung dieses Schreibens nicht so behandeln lassen müsse, als habe sie die Mietsache bereits zu diesem Zeitpunkt zurückerhalten.

Der BGH konstatiert, dass es verschiedene Rechtsansichten in Literatur und Rechtsprechung gebe, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist beginne, wenn der Mieter dem Vermieter die Mietsache anbiete, der Vermieter diese aber nicht zurücknehme. Dies sei zwar vom BGH noch nicht entschieden worden, doch käme es vorliegend darauf auch nicht an. Denn es würde nicht nur an einer vollständigen und endgültigen Besitzaufgabe vor dem 08.02.2013 fehlen, sondern der Beklagte habe auch kein tatsächliches oder wörtliches Angebot gemacht.

Auch wenn es in dem Schreiben vom 09.11.2012 heißt, dass die „Rückgabe der Mieträume ab sofort“ angeboten würde, ergäbe sich aus dem Schreiben, dass es sich nicht um eine vorbehaltlose Besitzaufgabe handele. So sei in dem Schreiben ergänzend ausgeführt worden, dass eine nähere Abstimmung bezüglich der § 16 MV bestehenden Interessenslage gewollt war, also bezüglich der Renovierungspflicht und der Entfernung der Einbauten. Es ließe sich aus dem Schreiben nicht entnehmen, dass der Beklagte seine Sachherrschaft über die Mieträume bereits vor Klärung dieser Fragen vollständig und endgültig habe aufgeben wollen.

Auch am 14.12.2012 habe die Klägerin die Mieträume nicht iSv. § 548 BGB zurückerhalten. Die gemeinsame Besichtigung habe in der nachfolgenden Besprechung vom 18.12.2012 gemündet und der Aufforderung der Klägerin vom 14.01.2013 zur Durchführung von Arbeiten, die dann auch bis zum 08.02.2013 von der Beklagten bis zum 08.02.2013 durchgeführt worden seien. Bis zum 08.02.103 sei die Klägerin nicht im ungestörten Besitz der Mietsache gewesen, sondern diesen hatte noch der Beklagte. Auch das OLG habe festgestellt, dass der Beklagte bis zum 08.02.2013 den Besitz bis zum 08.02.2013 nicht vollständig aufgegeben habe und die Klägerin zu keinem Zeitpunkt bis zum 08.02.2013 den Alleinbesitz erlangt habe, der es ihr ermöglicht hätte, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache zu machen.

BGH, Urteil vom 27.02.2019 - XII ZR 63/18 -