Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Behörden den Versuch
unternehmen, privatrechtliche Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung
vorzunehmen. Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung können Verwaltungsakte
vollstreckt werden, die entweder bestandkräftig sind oder bei denen ein
eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und diese auch nicht
auf Antrag wiederhergestellt wurde (vgl. § 80 VwGO). Ansprüche
privatrechtlicher Natur muss auch die Behörde im ordentlichen Rechtsweg
titulieren lassen, um sodann im Rahmen der Zwangsvollstreckung daraus vorgehen
zu können.
Dem Verfahren vor dem OLG Koblenz
lag (verkürzt wiedergegeben) folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Verbandsgemeinde (Beklagte)
erneuerte im Dezember 2013 eine Wasseranschlussleitung auf dem Grundstück des
Klägers. Mit Rechnung vom 17.12.2013 forderte sie vom Beklagten dafür Zahlung
in Höhe von € 3.116,22. Nachdem Zahlung nicht erfolgte, mahnte sie den Betrag
mit zwei Schreiben (17.01.2014 und 18.02.2014) an und drohte im zweiten
Schreiben mit einer Beitreibung in einem „Verwaltungszwangsverfahren“. Mit
Schreiben vom 17.07.2014 teilte der Kläger mit, er habe eine Rechnung nicht
erhalten und auch sonst keine Unterlagen zur Erneuerung einer
Wasseranschlussleitung und bat um Information, was es damit auf sich habe. Darauf wurde mit Schreiben vom 23.07.2014
„Erstaunen“ geäußert, da die Rechnung zugesandt worden sei und mitgeteilt, dass
nunmehr eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen würde. Noch am
gleichen Tag wurde der entsprechende Antrag beim Grundbuchamt gestellt und die
Eintragung erfolgte am 24.07.2014. Am 30.07.2014 schrieb der Kläger erneut und
erklärte, er habe weder der Erneuerung der Leitung zugestimmt noch diese
beauftragt und er widerspreche der Forderung; dies verband er mit der
Aufforderung, die Zwangssicherungshypothek zu löschen. Mit Schreiben vom
04.08.2014 wurde ihm mitgeteilt, dass er zwar keinen Auftrag erteilt habe, die
Erneuerung aber notwendig gewesen sei
und „Kostenträger außerhalb des
öffentlichen Rechts … der Anschlussnehmer“ sei.
Im Rahmen des
Zwangsversteigerungsverfahrens beglich der Kläger die geltend gemachte
Forderung und der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde zurückgenommen. Dem
Kläger wurden von der Gerichtskasse die Kosten von € 1.156,83 berechnet. Diese
wurden vom Kläger beglichen, die er mit seiner Klage von der Beklagten
forderte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte
Berufung war erfolgreich.
Anspruchsgrundlage ist § 839 Abs.
1 BGB iVm. Art 34 GG (Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung).
Bei dem zuständigen Mitarbeiter
der Beklagten (Verbandsgemeindekasse als Vollstreckungsbehörde) handele es sich
um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Amtswalter,
der im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses tätig geworden
sei und damit hoheitlich gehandelt habe, weshalb es sich um einen Beamten im
haftungsrechtlichen Sinn des § 839 BGB gehandelt habe. Pflichtverletzungen
desselben, die er in Ausübung des hoheitlichen Amtes begehe, gehen im Sinne
einer befreienden Schuldübernahme auf den Staat (hier die Verbandsgemeinde) über.
Dem Mitarbeiter obliege die
allgemeine Rechtspflicht zu rechtmäßigen Handeln. Er habe die Normen des
Bundes- und Landesrechts zu beachten, unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen
oder dem privaten Recht zuzuordnen seien.
Vorliegend habe er die einschlägigen
Normen des rheinland-pfälzischen Landesvollstreckungsgesetzes (LVwVG) nicht
beachtet. Zwar stütze die Beklagte ihre Forderung auf ihre „Entgeltsatzung
Wasserversorgung“ und ihre „Allgemeine Wasserversorgungssatzung“, weshalb es
sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handele. Grundsätzlich sei dann
aber ein Verwaltungsakt zu erlassen.
Zivilrechtliche Ansprüche seien demgegenüber durch Mahnbescheid oder
Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels zu verfolgen, zu deren
Durchsetzung dann regelmäßig der Gerichtsvollzieher zu beauftragen sei.
Einzelne privatrechtliche Ansprüche würden allerdings nach Landesgesetzen auch
im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden können (vgl. § 71
Abs. 2 LVwVG), wobei in diesem Fall die Zahlungsaufforderung an die Stelle des
ansonsten notwendigen Verwaltungsaktes trete.
Vorliegend habe sich die Beklagte
nur auf sie Zahlungsaufforderung gestützt. Bei der zugrunde liegenden Forderung
handele es sich aber nicht um eine solche nach § 71 Abs. 1 LVwVG iVm. § 1 a),
b) der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen
(RhpfLVwGpFVO), da es nicht um die Lieferung von Gas, Wasser, Wärme und elektrischer
Energie gegangen sei (abschließende Aufzählung in der Verordnung). Von daher
sei eine Beitreibung nach dem LVwVG unzulässig. Dessen ungeachtet sei aber auch
dann, wenn die Verwaltungsvollstreckung zulässig gewesen wäre, diese jedenfalls
einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner, wie hier geschehen, schriftlich
oder zu Protokoll der Behörde Widerspruch erhebe, wobei er (was nicht erfolgt
sei) darüber auch zu belehren sei (§74 Abs. 1 S. 1 LVwVG). Im Falle des
Widerspruchs müsse der Gläubiger binnen eines Monats nachweisen, dass er
Zivilklage erhoben oder den Erlass eines Mahnbescheides beantragt habe; die
Vollstreckung könne nur nah den Grundsätzen der Zivilprozessordnung fortgesetzt
werden, § 74 Abs. 3 LVwVG. Obwohl der
Kläger nicht belehrt wurde, habe er sogar Widerspruch erhoben, da sich dieser
aus seinem Schreiben vom 30.07.2014 ableiten ließe („… widerspreche ich Ihrer Forderung ausdrücklich…“). Hier nun hätte
jedenfalls die Beklagte Zivilklage erheben müssen oder einen Mahnbescheid
beantragen müssen.
Bedeutsam sei in diesem
Zusammenhang, dass zwar grundsätzlich für die Eintragung einer
Zwangssicherungshypothek die Vorlage eines Titels mit Zustellungsnachweis
erforderlich sei; allerdings genüge der Antrag der Vollstreckungsbehörde (hier
der Verbandsgemeinde), der als Ersuchen nach § 38 GBO zu qualifizieren sei und
dem Grundbuchamt das Vorliegen der Voraussetzungen bindend bescheinige. Daraus
ergäbe sich die besondere Verantwortung des Mitarbeiters der Beklagten.
Eine weitere
Amtspflichtverletzung des Mitarbeiters habe darin bestanden, dass er den Antrag
auf Zwangsversteigerung stellte, obwohl die allgemeinen
Vollstreckungsvoraussetzungen in Form der Zustellung nicht vorgelegen hätten.
Die Beklagte habe den Zugang ihrer Rechnung bei dem Kläger nicht nachweisen
können.
Die allgemeine Amtspflicht eines
jeden beamten, rechtmäßig zu handeln, obliege gegenüber jedem als geschützten
Dritten, der durch die Verletzung der Amtspflicht geschädigt werden könnte.
Der Mitarbeiter habe auch
schuldhaft gehandelt. Der Amtsträger müsse die Kenntnisse und Einsichten
besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des Amtes erforderlich
seien. Er habe bei Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter
Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft und
sorgfältig zu prüfen und danach seine Entscheidung auf Grund vernünftiger
Überlegungen zu treffen (BGH, Urteil vom 09.12.2004 - II ZR 263/04 -). Die
Normen des LVwVG müssten einem Mitarbeiter der kommunalen Vollstreckungsbehörde
bekannt sein. Damit läge jedenfalls Fahrlässigkeit vor.
Eine Amtshaftung scheide nur dann
aus, wenn der Geschädigte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe. Dies sei
hier nicht der Fall.
Das Landgericht nahm allerdings
an, die Ersatzpflicht scheide hier nach § 839 Abs. 3 BGB aus, das es der Kläger
vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines
Rechtsmittels abzuwenden. Dem folgte das OLG nicht.
Auch die Ankündigung im Schreiben
vom 23.07.2014, zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek
eintragen zu lassen, reiche nicht aus, hier ein Verschulden des Klägers
anzunehmen. Zwar hätte er nach § 59 Abs. 2 LVwVG Eilrechtsschutz bei dem
zuständigen Verwaltungsgericht beantragen können. Doch sei § 59 Abs. 2 LVwVG
hier nicht anwendbar. Die Norm beträfe ausschließlich Verwaltungsakte, mit denen
Geldforderungen gefordert würden (§§ 1 – 60 LVwVG). Vorliegend war aber kein
Verwaltungsakt erlassen worden. Im Übrigen habe der Kläger, trotz fehlender
Belehrung, das zulässige Rechtsmittel des Widerspruchs iSv. § 74 Abs. 1 S. 1
LVwVG eingelegt (Schreiben vom 30.07.2014), der vom Mitarbeiter der Beklagten
schlicht nicht beachtet worden sei. Davon, dass die Beklagte den Widerspruch
nicht beachtet und gar die Zwangsgsversteigerung beantragte, erfuhr der Kläger
erst mit Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses durch das Gericht.
Damit aber war die hier streitige Gebühr bereits angefallen.
OLG Koblenz, Urteil vom 12.09.2019 - 1 U 135/19 -