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Freitag, 26. August 2022

(Un-) Selbständiger Stellplatzmietvertrag neben Wohnraummietvertrag

Die Klägerin zu 1. mietete zunächst eine Wohnung vom Rechtvorgänger des Beklagten an. In dem Mietvertrag befand sich auch eine Regelung, wonach dem Mieter die jederzeit widerrufliche Nutzung eines PKW-Stellplatzes auf dem Grundstück. Dieses Recht wurde durch den Beklagten widerrufen, der einen Stellplatz an die Kläger gegen einen Mietzins von € 23,00. Die Beklagte kündigte 2019 unter Beachtung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist den Stellplatzmietvertrag. Die Kläger begehrten die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und Fortbestand des Stellplatzmietvertrages.  Die Klage wurde ab- und die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision bot dem BGH noch einmal die Möglichkeit, seine Rechtsprechungsgrundsätze zu diesem Komplex  darzulegen.

Beide Verträge würden sich als AGB-verträge darstellen, also als Verträge, die vorformuliert sind für eine Vielzahl von Fällen, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei der Auslegung der Klausel eines solchen Vertrages sei der gesamte Inhalt des Formularvertrages zu berücksichtigen und dürfe eine Klausel nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden. Entgegen der Annahme des Landgerichts würde es sich hier aber nicht um eine Klauselinterpretation handeln. Vielmehr würde es darum gehen, ob der Stellplatzmietvertrag aus 2005 mit zu dem regelungskomplex des Wohnraummietvertrages aus 1988 zähle, es sich also bei den beiden Verträgen in Wirklichkeit um einen Vertrag handele.

[Anmerkung: Wird die Regelung zum Stellplatz nebst gesondertem Mietzins für diesen in einem Wohnraummietvertrag mitgeregelt, ist - auch bei abweichender Bestimmung in dem Wohnraummietvertrag, der Stellplatzmietvertrag nur zusammen mit der Wohnung kündbar und sind die Kündigungsschutzvorschriften des Wohnraumrechts zu berücksichtigen].

Der BGH verwies auf seine dezidierte Rechtsprechung zu der streitentscheidenden Frage, ob ein einheitlicher vertrag vorliegt.

Würden der schriftliche Wohnraummietvertrag und der schriftliche Stellplatz-/Garagenmietvertrag in separaten Mietverträgen abgeschlossen, spräche eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der Vereinbarungen. In diesem Fall müsste derjenige, der sich gegen die rechtliche Selbständigkeit wendet die Vermutung durch Darlegung (und evtl. Beweis) besonderer Umstände des Einzelfalls widerlegen (so z.B. BGH, Urteil vom 12.10.2011 - VIII ZR 251/10  -; BGH, Beschluss vom 09.04.2013 - VIII ZR 245/12 -).

[Anmerkung: Widerlegen ließe sich die Vermutung, wenn in dem späteren Vertrag auf die Regelungen in dem Wohnraummietvertrag verwiesen wird und dieser so auch zum Bestandteil des Stellpatz-/Garagenvertrages gemacht würde. Auch wenn in dem Stellplatz-/Garagenmietvertrag ein Kündigungsrecht des Mieters davon abhängig gemacht würde, dass auch der Wohnraummietvertrag gekündigt wird, dürfte die gewollte Einheitlichkeit gegeben sein, auch wenn sich der Vermieter ein - dann unzulässiges - Sonderkündigungsrecht für den Stellplatz vorbehält. Es müsset auch möglich sein, ggf. durch Zeugenbeweis nachzuweisen, dass die Parteien den späteren Stellplatz-/Garagenmietvertrag als Einheit mit dem Wohnraummietvertrag verstanden wissen wollten.]

Vorliegend lagen zwei getrennte schriftliche Verträge vor. Besondere Gründe, die der Vermutung entgegenstehen würden, hätten auch nicht vorgelegen. Zwar könnte der Umstand, dass beide Mietobjekte auf dem gleichen Grundstück lägen, dass die Vermietung des Stellplatzes nach dem Willen der Parteien in den Wohnraummietvertrag mit einbezogen werden sollte (BGH, Urteil vom 12.10.2011 - VIII ZR 251/10 -). Dies sei aber dann nicht zwingend, wenn andere Umstände vorlägen, die die Vermutung für zwei Mietverträge bekräftigen würden. Hier sei im Stellplatzmietvertrag an keiner Stelle auf den Wohnraummietvertrag Bezug genommen worden, und der Stellplatzmietvertrag könne auch nicht unter den gleichen Voraussetzungen wie der Wohnraummietvertrag gekündigt werden. Zwar sei die Kündigungsmöglichkeit für den Mieter identisch, nicht aber für den Vermieter, da der Vermieter kein berechtigtes Interesse (§ 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB) für die Kündigung des Stellplatzmietertrages benötige. Dass lasse auf den fehlenden Willen der Parteien zu einer Einheitlichkeit schließen.

Nach dem Hinweis durch den BGH wurde die Revision zurückgenommen.

BGH, Beschluss vom 14.12.2021 - VIII ZR 95/20 -

Dienstag, 15. Juni 2021

Ausreichende Identifizierbarkeit des Kündigungsgrundes bei Wohnraumkündigung wegen Eigenbedarf

Die Kläger sprachen mit Kündigungsschreiben vom 30.07.2017 eine Eigenbedarfskündigung gegenüber der Beklagten aus und gaben dazu an, ihr Sohn benötige die (62qm große) Wohnung, da er einen größeren Wohnraumbedarf habe und insbesondere für seine regelmäßige Home-Office-Tätigkeit  ausreichend Platz benötige. Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab, da die Kündigung in Ermangelung ausreichender Begründung gem. § 573 Abs. 3 S. 1 BGB aus formellen Gründen unwirksam sei. Das Landgericht wies die dagegen von den Klägern eingelegte Berufung mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Es schloss sich der Rechtauffassung des Amtsgerichts an und vertrat die Auffassung, es hätten im Kündigungsschreiben Angaben zur Größe der bisherigen Wohnung und Anzahl der Zimmer gemacht werden müssen, damit der Mieter zumindest überschlägig die gemachten Angaben überprüfen könne.

Die Kläger erhoben Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Nach Beschwerdebegründung und -erwiderung erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Der BGH hob die Kosten gegeneinander auf. Für die Kostenentscheidung käme es darauf an, wie das Verfahren letztlich ohne das erledigende Ereignis ausgegangen wäre. Dann wäre, so der BGH, die Revision zugelassen, das landgerichtliche Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen worden.

Anders als Amts- und Landgericht sah der BGH die Angaben im Kündigungsschreiben als ausreichend an. Nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB seien im Kündigungsschreiben die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses mitzuteilen.  Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 6/1549, S. 6f zu § 564a Abs. 1 S. 2 BGB a.F.) solle dies dem Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition verschaffen und in die Lage versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Erforderlich und im Allgemeinen ausreichend sei, wenn der Kündigungsgrund identifizierbar bezeichnet würde, sich mithin von anderen Gründen unterscheiden könne. Ausreichend sei daher bei der Wohnraumkündigung wegen Eigenbedarfs die Angabe zur Person, für die die Wohnung benötigt würde, und die Angabe des Interesses, welches diese Person an der Erlangung der Wohnung habe.

Zwar habe das Berufungsgericht die rechtlichen Maßstäbe erkannt und zitiert. Allerdings habe es die Anwendung nahezu in das Gegenteil verkehrt, da es nicht den entscheidenden Gesichtspunkt der Individualisierung des Kündigungsgrundes bedacht habe. Die Individualisierung (Identifizierbarkeit) diene dazu, dass Kündigungsgründe voneinander unterschieden werden können und es so dem Vermieter verwehrt wird, nachträglich dem Kündigungsbegehren einen anderen Grund zu benennen (unzulässiges Auswechseln des Kündigungsgrundes). Diese Individualisierung sei durch die Angaben zur Bedarfsperson (Sohn der Kläger), Interesse (größerer Raumbedarf im Hinblick auf Home-Office) erfolgt. Mit diesen Angaben könne der Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund ausrichten, dessen Auswechseln durch das Begründungserfordernis der Kündigung ausgeschlossen sei.

Der BGH folgte ausdrücklich nicht dem Berufungsgericht, dass das Begründungserfordernis auch dazu diene, dem Mieter durch Angabe von Details eine Überprüfung des vom Vermieter geltend gemachten Bedarfs zu ermöglichen oder gar ihn schon im Vorfeld eines Kündigungsprozesses auf rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten hinzuweisen. Die Frage, ob der identifizierbare Kündigungsgrund tatsächlich besteht, sei eine Frage der materiellen Begründetheit der Kündigung, nicht einer formalen Voraussetzung für eine solche, und von daher im Falle des Bestreitens des Kündigungsgrundes im Prozess durch den Mieter durch Beweiserhebung des Gerichts zu klären.

Da hier die Zulassung der Revision zur Zurückverweisung des Verfahrens geführt haben würde, dort am Landgericht dann die materielle Berechtigung zur Kündigung (durch Beweisaufnahme) zu klären gewesen wäre, sei der Prozessausgang offen, was nach der Erledigungserklärung eine Kostenaufhebung rechtfertige.  

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - VIII ZR 346/19 -

Donnerstag, 4. April 2019

Einsichtsrecht des Miterben ins Grundbuch im Allgemeinen und Wirkung der Bestellung eines Testamentsvollstreckers


Der Beteiligte und Beschwerdeführer war Mitglied einer Erbengemeinschaft nach seinem Vater (Erblasser) geworden. Es bestand Testamentsvollstreckung. Vom Beteiligten wurde u.a. im Rahmen seines Antrags auf Erteilung von Grundbuchauszügen und Einsicht in Grundakten geltend gemacht, der Erblasser habe Wohnungen käuflich erworben (wobei er für seinen Vater den Kaufvertrag als Vertreter abgeschlossen habe und den Kaufpreis an den Verkäufer gezahlt habe), es seien für ihn auch Auflassungsvormerkungen gewahrt. Er benötige die Auskünfte im Zusammenhang mi einem Zivilrechtstreit mit dem Testamentsvollstrecker, in dem dieser ihn auf Zahlung angeblich durch ihn aus dem Nachlass entnommener Mieteinnahmen. Das Grundbuchamt teilte mit Schreiben vom 04.12.2018 mit, eine Auflassungsvormerkung sei nicht gewahrt und lehnte den Antrag des Beteiligten ab.

Der dagegen erhobenen Beschwerde half das Amtsgericht (Grundbuchamt) nicht ab. Das OLG wies die Beschwerde zurück.

Das Einsichtsrecht, welches auch Urkunden und den übrige Inhalt der Grundakten umfasse sowie die Übersendung von Abschriften, setze ein berechtigtes Interesse voraus, § 12 Abs. 1 S. 2 GBO. Dieses sei nicht nur gegeben, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse rechtlicher Natur habe (ihm namentlich ein - aktuelles - Recht am Grundstück zustünde), sondern auch, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan werde, das auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden könne. Das Einsichtsrecht sei begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert. Im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm, dass die Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen erfolgen kann, sei ein darauf bezogenes Interesse (abgesehen von Sonderfällen des Einsichtsrechts der Presse) erforderlich und habe unter diesem Gesichtspunkt das Grundbuchamt das Interesse an der Einsicht mit dem Recht des Betroffenen auf informelle Selbstbestimmung abzuwägen. Würden Ansprüche gegen den Eigentümer eines Grundstücks behauptet, so sei Einsicht zu gewähren, wenn die Ansprüche aus einem Recht des Einsichtnehmenden am Grundstück herzuleiten seien (z.B. des Mieters um festzustellen, ob dem Vermieter noch weiterer freiwerdender Wohnraum zur Verfügung stehe).

Diene die Grundbucheinsicht der Verwaltung eines Nachlasses, der einer Erbengemeinschaft zusteht, so sei dies von allen Miterben zu beschließen (arg. § 2038 BGB). Sei aber (wie hier) ein Testamentsvollstrecker eingesetzt, so stünde diesem nach § 2205 die Verwaltung des Nachlasses zu. Dies würde das Recht der Erbengemeinschaft verdrängen, die nur Rechte gegen den Testamentsvollstrecker geltend machen könnten (z.B. Auskunft nach § 666 BGB). Auch soweit der Beteiligte auf einen Rechtstreit verweist, könne sich daraus kein Anspruch ableiten lassen. Denn er lege nicht dar, dass er selbst ein Recht am Grundstück habe, eigene Ansprüche mit einem Recht am Grundstück in Zusammenhang stünden oder Ansprüche durch ein Recht am Grundstück im Grundbuch abgesichert werden sollten. Von ihm behauptete Mieteinnahmen, die vom Testamentsvollstrecker eingefordert worden seien, würden kein eigenes Interesse an der Einsicht begründen können, da dieser nach seinem Vortrag für den Nachlass Zahlungen entgegen genommen hätte, die nach Beendigung des Amtes an die Erbengemeinschaft herauszugeben wären. Nicht vorgetragen worden sei vom Beteiligten, dass auch Dritte Rechte an den Mieteinnahmen geltend machen würden, weshalb er zur Prüfung der Berechtigung Einsicht in das Grundbuch benötige. Sollte es im Zivilrechtsstreit (wie nicht behauptet worden sei) auf Rechte an dem Grundstück ankommen, könnte Urkundsbeweis nach § 432 ZPO durch den Antrag angetreten werden, das Grundbuchamt um Mitteilung des Grundbuchauszugs zu ersuchen.

OLG München, Beschluss vom 27.02.2019 - 34 Wx 28/19 -