Die Klägerin verlangte von den Beklagten die Räumung und Herausgabe von zwei Räumen in einem Büropark sowie Miete. Im Mietvertrag wurden die angemieteten Räume als Büroräume bezeichnet. In 2020 bis 2023 leistete die Beklagte keine Mietzahlungen; eine Kündigung des „Gewerbemietvertrages“ (so die Angabe im Kündigungsschreiben) erfolgte mit Schreiben vom 07.09.2020 und wurde mit der 2023 erhobenen Klage wiederholt. Die Beklagten wandten ein, die Parteien seien bei Mietvertragsabschluss übereingekommen, dass die Räume zu einer Wohnung ausgebaut werden; sie hätten sich über die Falschbezeichnung als „Geschäftsräume“ im Vertrag keine Gedanken gemacht.
Das Landgericht wies die Parteien auf die von ihm angenommene fehlende sachliche Zuständigkeit hin und wies mangels eines Verweisungsantrages der Klägerin (auf Verweisung an das Amtsgericht, § 23 Nr. 2a GVG) als unzulässig ab. Die dagegen erhobene Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an das Landgericht, da dieses ausschließlich zuständig sei.
Unabhängig vom Streitwert ist nach § 23 Nr. 2a GVG, § 29a Abs. 1 ZPO das Amtsgericht für alle Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis und über Streitigkeiten über das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses ausschließlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der Wohnraum befindet. Die sachliche Zuständigkeit, so das OLG als Berufungsgericht, beruhe auf dem zweistufigen ortsnahen Instanzenzug, wie er regelmäßig nur durch die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Eingangsgericht und des Landgerichts als Rechtsmittelinstanz gewährleistet erscheine (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.07.2005 - I-24 W 20/05 -). Damit korrespondiere die örtliche Zuständigkeit nach § 29a Abs. 1 ZPO.
Die Klärung, ob für die Zuständigkeit ein Wohnraum- oder ein Geschäftsraummietverhältnis zugrunde zu legen ist, ist in den Fällen zu klären, in denen der Streitwert des Verfahrens den Wert von € 5.000,00 überschreitet, § 23 Abs. 1 GVG. Dies war vorliegend der Fall. In diesem Fall käme es für die Zuständigkeitsbestimmung auf den schlüssigen Sachvortrag des Klägers, nicht dessen Rechtsauffassung, an, da sich danach der Streitgegenstand bestimme (so die hM, so z.B. KG, Beschluss vom 06.03.2008 - 2 AR 12/08 -). Ein Bestreiten des entsprechenden Sachvortrags durch den Beklagten sei insofern unbeachtlich, da dies ohne Einfluss auf den Streitgegenstand bleibe. Der dem entgegenstehenden Rechtsansicht des OLG Düsseldorf (im Beschluss vom 08.11.2007 - 24 U 117/07 -) schloss sich das OLG ausdrücklich nicht an. Das OLG Düsseldorf sah in der schlüssigen Geltendmachung von Gegenrechte aus einem Wohnraummietverhältnis die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG als begründet an. Vom OLG wurde im vorliegenden Verfahren (zutreffend) darauf verwiesen, dass dann, wenn die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen eine doppelrelevante Tatsache ist, also diese zugleich auch Voraussetzung für die Begründetheit der Klage, das Vorbringen des Klägers über die Zulässigkeit der Klage als wahr zu unterstellen sei (RGZ 29, 371m 373 f; BGH, Urteil vom 25.11.1993 – IX ZR 32/93 -). Diese „Erleichterung für den Kläger“ für den Kläger sei gerechtfertigt, da für den Fall, dass sich das Vorbringen des Beklagten als wahr erweise und die (auch) die zuständigkeitsbegründende Tatsache nicht vorliege, die Klage als unbegründet abzuweisen sei. Letztlich würde so der Kläger nicht gänzlich von seiner Beweislast bezüglich (auch) der zuständigkeitsbegründenden Tatsache befreit, vielmehr beschränke sich sein Vorteil nur darauf, dass er an einem für ihn (Anm.: zumindest nach seiner subjektiven Auffassung) günstigeren Gerichtsstand streiten dürfe. Zudem wäre es auch für den Beklagten von Nachteil, wenn die Klage nur als durch Abweisung wegen Unzulässigkeit als klageabweisendes Prozessurteil statt als klageabweisendes Sachurteil ergehen würde.
Erhebe also der Kläger wie vorliegend eine Räumungsklage vor dem Landgericht mit der Behauptung der wirksamen Kündigung eines Geschäftsraummietvertrages und wendet der Beklagte ein, es bestünde ein nicht (wirksam) gekündigter Wohnraummietvertrag, läge eine doppelrelevante Tatsache vor. Es müsse sowohl zur Zulässigkeit als auch zur Begründetheit geprüft werden, ob ein Wohnraummietverhältnis vorliege.
Vor diesem Hintergrund sei das Vorbringen der Klägerin für die Zuständigkeit als wahr zu unterstellen. Da die Klägerin bestritten hebe, es habe niemals ein Wohnraummietverhältnis vorgelegen, ermangele es an einem Vortrag in Bezug auf ein Wohnraummietverhältnis und ergäbe sich damit auch keine amtsgerichtliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG. Der Vortrag der Beklagten könne nur dann zu einer Zuständigkeit des Amtsgerichts für Wohnungsmietsachen führen, wenn die Klägerin dem nicht entgegen getreten wäre (OLG Köln, Urteil vom 12.06.2015 – 1 U 16/14 -), was hier allerdings erfolgt sei.
Das Amtsgericht würde auch nach §
23 Nr. 2a GVG nicht zuständig, da das Bestehen eines Mietverhältnisses (Geschäfts-
oder Wohnraum) geprüft werden müsse. Dies würde zu einer ungerechtfertigten
Bevorzugung des Beklagten führen, da dieser dem Kläger durch unrichtige
Behauptungen einen bestimmten Gerichtsstand aufzwingen könne. Eines
entsprechenden Schutzes bedürfe der Beklagte auch nicht, da die Klage im
falschen Gerichtsstand zur Abweisung der Klage als unbegründet führe.
Anmerkung: Auch wenn eine Räumungsklage z.B. Kündigung wegen Zahlungsrückständen erhoben wird, ist es von Bedeutung, ob es sich um einen Geschäftsraum oder um Wohnraum handelt, da z.B. der Gewerberaummieter keinen Rechtsanspruch auf die Einräumung einer Räumungsfrist nach § 771 ZPO hat.
Brandenburgisches OLG,
Urteil vom 13.02.2024 - 3 U 96/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das
Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26.06.2023, Az. 18 O 375/23,
aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Frankfurt (Oder)
zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Der Berufungsstreitwert beträgt 13.391,34 €.
Gründe
I.
Die Klägerin
klagt gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe von zwei Räumen in einem
Büropark sowie Zahlung ausstehender Miete für diese.
Mit Vertrag vom
11.01.2017 mieteten die Beklagten von der Klägerin befristet bis zum 31.01.2027
zwei im 2. OG gelegene, als Büroräume bezeichnete Räumlichkeiten im Gebäudes
(„Adresse 01“). Die Nettokaltmiete betrug zunächst 135,00 € und erhöhte sich
nach Ablauf der ersten zwei Vertragsjahre auf 180,00 € netto.
Für die Jahre
2020, 2021, 2022 und 2023 leisteten die Beklagte keine Zahlungen an die
Klägerin für die Nutzung der genannten Räumlichkeiten.
Mit Schreiben
vom 07.09.2020 erklärte die Klägerin die Kündigung „des ....
Gewerbemietvertrages“ wegen Zahlungsverzuges, die sie mit der
streitgegenständlichen Klage wiederholt hat.
Die Klägerin
hat bereits erstinstanzlich behauptet, die Beklagten hätten die Räume als
Gewerberäume angemietet, da sie für ihre Tätigkeit als Bauingenieure ein Büro
benötigten. Die Räume seien zu Wohnzwecken nicht geeignet, da sie keine Küche
und kein Bad hätten.
Die Beklagten
haben sich darauf berufen, die Parteien seien bei Vertragsschluss dahingehend
übereingekommen, dass die Mieträume zu einer Wohnung ausgebaut werden sollten;
über die Falschbezeichnung als „Geschäftsräume“ hätten sie, die Beklagten, sich
keine Gedanken gemacht. Die im Vertrag enthaltene Befristung sei angesichts der
vereinbarten Nutzung zu Wohnzwecken unwirksam. Das Vertragsverhältnis sei im
übrigen bereits dadurch wirksam beendet worden, dass die Klägerin das Objekt
mit Vertrag vom 12.07.2017 an die („Firma 01“) (neu vermietet habe, die die
streitgegenständlichen Wohnräume ihnen anschließend untervermietet habe;
aufgrund dessen hätten sie weitere Zahlungen stets an die („Firma 01“) und
nicht an die Klägerin geleistet.
Das
Landgericht, das die Parteien auf seine mutmaßlich fehlende sachliche
Zuständigkeit hingewiesen hatte, hat die Klage nach Ausbleiben eines
Verweisungsantrags im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
als unzulässig abgewiesen.
Zur Begründung
seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, die sachliche
Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG für
Wohnraummietsachen hänge nicht von der zufälligen Verteilung der Parteirollen
ab bzw. davon, wer zuerst klage. Es reiche aus, dass zwischen den Parteien eine
„Streitigkeit“ über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses bestehe. Die
Zuständigkeit des Amtsgerichts werde deshalb auch dann begründet, wenn der
beklagte Mieter das Bestehen eines Wohnraummietverhältnisses einwende, selbst
wenn ein solches vom klagenden Vermieter bestritten werde (OLG Düsseldorf,
Hinweisbeschluss vom 08.11.2007 - 24 U 117/07; LG Berlin Beschl. v. 13.2.2020 –
67 O 78/19, BeckRS 2020, 1676, beck-online). Dabei komme es nicht darauf an, ob
es sich um ein Haupt- oder Untermietverhältnis handele. Klage der Vermieter
unmittelbar gegen den Untermieter, etwa auf Herausgabe nach § 546
Abs. 2 BGB oder auf Nutzungsentschädigung, sei ebenfalls nach § 23
Nr. 2a GVG die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben, und
zwar auch dann, wenn das Hauptmietverhältnis ein gewerbliches sei. So sei es
hier. Die Beklagten trügen vor, einen Untermietvertrag für Wohnraum mit der
(„Firma 01“) geschlossen zu haben. Es handele sich bei den Beklagten auch nicht
um juristische Personen, bei denen man von einer gewerblichen Vermietung
ausgehen könnte. Zudem habe die Klägerin in ihrer Klageschrift die Adresse der
streitgegenständlichen Räume als zustellungsfähige Adresse angegeben, so dass
es sich insoweit - es handele sich um natürliche Personen - gemäß § 130
Nr. 1 ZPO um den Wohnort gehandelt haben werde.
Gegen diese
Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Die Klägerin
rügt eine Falschanwendung der Vorschriften zur sachlichen Zuständigkeit. Ihrer
Meinung nach kommt es allein darauf an, "ob sich die sachliche
Zuständigkeit des Gerichtes aus dem zur Begründung des Anspruchs vom Kläger
vorgebrachten Tatsachen ergibt." (BGH Urteil vom 09.07.14 - VIII ZR
376/13; BGH Urteil vom 25.11.93 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237; OLG Karlsruhe
OLGR Karlsruhe 2006, 206 KG NJW-RR 2001, 1509). Für die doppelt relevanten
Tatsachen sei maßgeblich auf den Klägervortrag abzustellen. Das vom Landgericht
zur Begründung seiner Gegenauffassung zitierte Urteil vom 13.02.20 wolle
offensichtlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht folgen. Darauf
komme es allerdings hier nicht an. Ein schlüssiger Vortrag der Beklagten
dahingehend, dass ein Wohnraummietvertragsverhältnis begründet wurde, fehle, da
kein entsprechender schriftlicher Vertrag vorgelegt und auch kein Zeugenbeweis
angeboten worden sei. Das weitere Argument, mit dem das Landgericht seine
Entscheidung begrün- det habe, dass unter der Anschrift der Beklagten die Klage
zugestellt worden ist, überzeuge ebenfalls nicht. Die Klage gegen die Beklagten
als Gewerbemieter habe selbstverständlich in den Gewerberäumen zugestellt
werden können, wie hier geschehen. Die Zustellung der Klage sage nichts darüber
aus, ob es sich um ein Wohn- oder ein Gewerberaummitverhältnis handele.
Maßgeblich sei vielmehr der zwischen den Parteien vereinbarte Vertragszweck,
der vorliegend, wie durch Vorlage der Mietvertragsurkunde bewiesen, eine
gewerbliche Vermietung belege (feste Vertragslaufzeit, Umsatzsteuerpflicht,
ohne Bad und Küche).
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten unter Abänderung des
Urteils des Landgerichtes Frankfurt/Oder vom 26.06.23, Az.: 18 O 375/23,
1. zu verurteilen, die Gewerbefläche im
Büropark („Adresse 01“) 2.Obergeschoss, die in beiliegender Anlage A 1
schraffierten zwei Räume, zu räumen und geräumt an sie herauszugeben,
2. gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 10.049,82 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozent punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 2.129,70 € seit dem 04.12.20 sowie aus 3.341,52 € seit dem 06.12.21 sowie aus 3.662,88 € seit dem 06.12.22 und aus 915,72 € seit dem 06.03.23 zu zahlen,
und den Rechtsstreit insoweit gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt die
erstinstanzliche Entscheidung: Da Ansprüche über den Bestand eines
Wohnraummietverhältnisses streitig seien, habe das Landgericht zurecht seine
sachliche Unzuständigkeit angenommen. Für die Frage, ob ein
Wohnraummietverhältnis vorliege, komme es nach der Rechtsprechung nicht nur auf
den Tatsachenvortrag des Klägers, sondern ebenso auf ein erhebliches
Gegenvorbringen an, denn die Beurteilung der Frage der sachlichen Zuständigkeit
des Amtsgerichts für Wohnraummietsachen könne nicht von der zufälligen
Verteilung der Parteirollen abhängen, nämlich davon, wer zuerst klage (OLG
Düsseldorf, LG Berlin aaO): Dementsprechend sei die Zuständigkeit des
Amtsgerichts auch dann begründet, wenn der beklagte Mieter das Bestehen eines
Wohnraummietverhältnisses einwende, selbst wenn ein solches vom klagenden
Vermieter bestritten werde. Unerheblich sei insofern auch, ob es sich um ein
Haupt- oder Untermietverhältnis handele. Hinzu komme, dass die Beklagte
überhaupt keiner gewerblichen Tätigkeit nachgegangen sei und der Beklagte zu 2
seiner gewerblichen Tätigkeit als Architekt ausschließlich in anderen als den
streitgegenständlichen Räumen ausgeübt habe. Unter Berücksichtigung der
Einzelfallumstände lasse sich jedenfalls kein Schwerpunkt der gewerblichen
Nutzung feststellen, so dass auch mit dem BGH die Vorschriften über
Wohnraummietverhältnisse gern. §§ 549 ff. BGB aufgrund der
Schutzbedürftigkeit von Wohnraummietern anzuwenden seien, weil ansonsten die
zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen,
insbesondere die eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters
(§§ 573, 543, 569 BGB) und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des
Amtsgerichts, unterlaufen werden würden (BGH Urt. v. 09.07.2014 - VIII ZR
376/13; LG Köln, Urt. v. 08.12.2020-14 O 191/20). Demgegenüber könne die
Klägerin nicht mit Erfolg mit ihrer Rechtsauffassung unter Berufung auf das
BGH-Urteil vom 09.07.14 - VIII ZR 376/13 durchdringen, wonach es ,,allein
darauf ankomme, ob sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichtes aus dem zur
Begründung des Anspruchs vom Kläger vorgebrachten Tatsachen " ergäbe.
Diese durch den BGH geäußerte Rechtsauffassung dürfte nicht nur unglücklich und
im Widerspruch zu seinen sonstigen Entscheidungsgründen gewählt, sondern durch
die Rechtsprechung der Instanzgerichte mit durchgreifenden rechtsdogmatischen
Erwägungen auch widerlegt worden und damit überholt sein. So habe sich das LG
Berlin - Az.: 67 O 78/19 - mit Beschluss vom 13.02.2020 in einem dem
vorliegenden Rechtsstreit vergleichbaren Fall mit dogmatisch überzeugender
Begründung (u.H.a auf das Genügen eines Streits über das Vorliegen eines
Wohnraummietverhältnisses) für sachlich unzuständig erklärt.
II.
Das zulässige
Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das
Landgericht ist für den vorliegenden Rechtsstreit erstinstanzlich
ausschließlich zuständig.
Gemäß § 23
Nr. 2a GVG, § 29a I ZPO ist das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den
Streitwert (nur) für alle Streitigkeiten über Ansprüche aus einem
Wohnraummietverhältnis oder über das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses
ausschließlich sachlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Wohnraum
gelegen ist. Die vorgeschriebene sachliche Zuständigkeit in Wohnraummietsachen
(§ 23 Nr. 2a GVG) beruht auf dem Gedanken eines zweistufigen
ortsnahen Instanzenzugs, wie er regelmäßig nur durch die ausschließliche
Zuständigkeit des Amtsgerichts als Eingangsgericht und des Landgerichts als
Rechtsmittelinstanz gewährleistet erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 2006, 327
= ZMR 2006, 274 m.w. Nachw.) und korrespondiert mit der örtlichen
Zuständigkeitsnorm (§ 29a I ZPO), die dafür sorgt, dass derartige
Streitigkeiten von den genannten Gerichten der belegenen Mietsache entschieden
werden.
Ob für die
Zuständigkeit ein Wohnraum- oder ein Geschäftsraummietverhältnis
zugrundezulegen ist, ist allerdings allein nach dem Antrag und dem schlüssigen
Sachvortrag des Klägers - nicht hingegen nach dessen bloßer Rechtsauffassung -
zu entscheiden, da sich hiernach der Streitgegenstand bestimmt (KG NZM 2008,
837; OLG Düsseldorf NZM 2007, 799; OLG Karlsruhe BeckRS 2006, 0032; OLG München
MDR 1077, 497; 1979, 939; LG Köln BeckRS 204630; Bub/Treier, Hdb d Gesch.- u
Wohnraummiete, 4. Aufl. IX Rz. 13; Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Aufl § § 23
GVG Rn. 8; aA OLG Düsseldorf NZM 2008, 479). Das diesbezügliche Bestreiten des
Beklagten ist insofern unbeachtlich, da es ohne Einfluss auf den
Streitgegenstand bleibt.
Der Senat teilt
nicht die abweichende Auffassung des OLG Düsseldorf vom 8.11.2007 - 24 U 117/07
(NZM 2008, 479), wonach eine Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG schon
dadurch begründet werde, dass sich der Beklagte in schlüssiger Weise mit Gegenrechten
aus einem wohnraummietrechtlichen Vertragsverhältnis verteidigt. Sofern die
zuständigkeitsbegründende Tatsache eine doppelrelevante Tatsache – also die
zuständigkeitsbegründende Tatsache zugleich Voraussetzung für die Begründetheit
der Klage – ist, wird über das Vorliegen dieser Tatsache kein Beweis erhoben,
sondern ist das Vorbringen des Klägers für die Entscheidung über die
Zulässigkeit als wahr zu unterstellen (vgl. RGZ 29, 371 (373 f.); BGH IX ZR
32/93, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413 f.; BGH IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237 = NJW
1994, 1413; BGH VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 = NJW 2014, 2864 (2866) Rn. 23;
Münch.Komm./Wöstmann, ZPO, § 1 Rn. 26; Zöller/Schulzky, ZPO, 34. Aufl.
§ 1 Rn. 14; anders aber LG München BeckRS 2010, 29506). Diese
Erleichterung zugunsten des Klägers ist deshalb gerechtfertigt, weil – sollte
sich das Vorbringen des Beklagten als wahr erweisen und die (auch)
zuständigkeitsbegründende Tatsache doch nicht vorliegen – die Klage als
unbegründet abgewiesen wird. Der Kläger wird deshalb nicht etwa gänzlich von
der Beweislast bezüglich der (auch) zuständigkeitsbegründenden Tatsache
befreit; sein Vorteil beschränkt sich vielmehr darauf, dass er über das
Vorliegen dieser Tatsache am für ihn günstigeren Gerichtsstand streiten darf.
Zudem wäre es für den Beklagten auch nachteilig, wenn er nur ein
klageabweisendes Prozessurteil, nicht aber ein klageabweisendes Sachurteil
erstreiten könnte (Münch.Komm. ZPO/Wöstmann, § 1 Rn. 26).
Erhebt demnach
der Kläger - wie hier - beim Landgericht die Räumungsklage mit der Behauptung,
der ursprünglich bestandene Gewerbemietvertrag sei wirksam gekündigt und
verteidigt sich der Beklagte mit dem Einwand, es bestehe ein nicht (wirksam)
gekündigter Wohnraummietvertrag, so liegt eine doppelrelevante Tatsache vor.
Denn sowohl in der Zulässigkeit als auch in der Begründetheit muss geprüft
werden, ob ein Wohnraummietverhältnis vorliegt.
Deshalb ist in
diesem Fall das Vorbringen des Klägers für die Zuständigkeit als wahr zu
unterstellen und da der Kläger vorgetragen hat, ein Wohnraummietverhältnis habe
niemals vorgelegen, fehlt nach diesem Vortrag ein Bezug zu einem
Wohnraummietverhältnis und ergibt sich damit auch keine amtsgerichtliche
Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG (vgl. Schmidt-Futterer/Fervers,
Mietrecht, 15. Auflage 2021, Vorbemerkungen zu § 535 BGB Rn. 327-328). Der
Vortrag des Beklagten kann nur dann zu einer Zuständigkeit für Wohnungsmietsachen
führen, wenn der Kläger dem (anders als vorliegend) nicht näher entgegentritt
(vgl. OLG Köln Urt. v. 12.6.2015 – 1 U 16/14, BeckRS 2015, 14328). Das
Amtsgericht wird in einem solchen Fall auch nicht deshalb nach § 23
Nr. 2a) GVG zuständig, weil im Rahmen der Klage das Bestehen eines
Mietverhältnisses geprüft werden muss. Denn dies würde zu einer
ungerechtfertigten Bevorzugung des Beklagten führen, der – obwohl er eines
Schutzes aus den genannten Gründen nicht zwingend bedarf – dem Kläger durch die
uU unrichtige Behauptung über das Vorliegen eines Wohnraummietvertrags einen
„falschen“ Gerichtsstand aufzwingen könnte (Schmidt-Futterer/Fervers aaO Rz.
331).
2. Der
Senat verweist die Sache vor diesem Hintergrund zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, antragsgemäß gemäß
§ 538 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurück, um den Parteien den
vollständigen Instanzenzug zur Entscheidung in der Sache zu erhalten, da das
Instanzgericht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat.
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