Streitig war der von der beklagten Mieterin nicht gezahlte Mietzins für das aufgrund der Corona-Epidemie nach Verordnung zu schließende angemietete Ladenlokal der Beklagten für April 2020. Die verordnungsbedingte Schließung dauerte vom 18.03. bis 20.04 2020. Von der beklagten wurde geltend gemacht, sie habe bei allen Filialen bundesweit gegenüber 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzverlust von 54%, im April 2020 von 41% gehabt und die Schließung der Filialen führe zu einer erheblichen Liquiditätslücke, weshalb sie die Miete April nicht zahlen könne. Si e nutze die Kurzarbeit; staatliche Unterstützung erhalte sie nicht. Sie sei daher zur Mietzahlung nicht verpflichtet.
Das Landgericht gab der Zahlungsklage der vermietenden Klägerin statt.
Weder sei die Beklagte nach §$ 536 Abs. 1 S. 1 BGB von einer Mietzahlungsverpflichtung befreit noch nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB zur Herabsetzung der Miete berechtigt. Denn die staatlich angeordnete Maßnahme stelle sich nicht als Mangel der Mietsache nach § 536 BGB dar. Ein Mangel sei die Abweichung der Ist- von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit. Zwar könnten auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse einen Mangel bewirken, doch setze dies voraus, dass die Beschränkung der konkreten Mietsache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt habe und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Hoheitliche Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen würden, würden in den Risikobereich des Mieters fallen. Der Vermieter sei nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nur verpflichtet, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehen Nutzung ermögliche, wobei das Verwendungsrisiko bei dem Mieter verbliebe. Damit aber scheide ein Sachmangel aus, da die hoheitliche Maßnahme dem Schutz der Bevölkerung gedient habe und nicht an die Beschaffenheit der Mietsache als solche anknüpfe.
Eine Befreiung von der Mietzahlungsverpflichtung ergebe sich auch nicht aus § 326 Abs. 1 S. 1 iVm. § 275 Abs. 1 BGB da durch die staatlich verordnete Schließung kein Fall der Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung durch den Vermieter vorläge. Die Schließung stelle sich als Verwendungsrisiko dar, welches alleine bei dem Mieter läge.
Letztlich könnte der Mieter auch nicht auf der Grundlage des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) eine Anpassung des Mietzinses verlangen. Es sei dazu nicht einmal klar, ob die Parteien den Vertrag (abgeschlossen 2015) nicht oder anders abgeschlossen hätten, wenn sie sich damals bewusst gemacht hätten, dass die Verkaufsstätte auf Grund staatlicher Maßnahmen für einen Monat geschlossen würde. Darauf käme es aber auch nicht an, da jedenfalls der Beklagten das Festhalten am bisherigen Vertrag nicht unzumutbar sei.
Die Vertragsanpassung habe zur Voraussetzung, dass dies zur Vermeidung eines ansonsten untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich erscheine. Dies sei hier nicht der Fall. Zu berücksichtigen sei bei der Abwägung die vertragliche Risikoverteilung. Die Mieterin trage danach das Verwendungsrisiko. Dieses Risiko könne sie nicht, abgesehen von extremen Ausnahmefällen, über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise abwälzen.
Dass die staatlich erzwungene Schließung hier zu existenziell bedeutsamen Folgen für die Beklagte geführt habe, sei von dieser nicht dargelegt. Es würden lediglich Liquiditätsengpässe benannt, denen hier Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB Rechnung trage, insoweit der Mieter vor Kündigungen geschützt wird, soweit er (in einem bestimmten Zeitraum, nämlich 01.04. – 30.06.2020) seine Miete vorübergehend nicht pünktlich zu leisten im Stande gewesen sei. Zudem habe die Schließung nur einen Monat angedauert und in dieser Zeit habe die beklagten durch Kurzarbeit Kosteneinsparen können und nach Ablauf des Monats ihren Geschäftsbetrieb wieder ohne wesentliche Einschränkungen aufnehmen können. Es sei auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte immer noch einen Liquiditätsengpass habe.
LG Frankfurt am Main, Urteil vom
02.10.2020 - 2-15 O 23/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Das Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 25.06.2020 wird unter Wegfall des Vorbehalts aufrechterhalten.
Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Gewerberaummiete für den Monat April 2020.
Die Klägerin vermietet an die Beklagte gemäß dem Mietvertrag vom 26./27.06.2020 sowie dessen Nachträgen vom 03.12.2013 und 11./17.11.2015 Gewerberäume in der A-Straße in B „zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie aller Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Auf die Vertragsunterlagen in Anlage K 1 (Bl. 7 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Die Beklagte betreibt in den Räumlichkeiten ein dem entsprechendes Einzelhandelsgeschäft. Sie betreibt darüber hinaus mehrere Tausend weiterer solcher Märkte in Deutschland und einigen europäischen Ländern.
Die monatliche Miete einschließlich des Betriebskostenvorschusses und der Umsatzsteuer betrug zuletzt 6.170,04 €, fällig bis zum 5. eines Monats.
Im Zuge der Corona-Epidemie verordnete das Land Hessen die Schließung sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels, also auch des Geschäfts der Beklagten, in der Zeit vom 18.03. bis zum 20.04.2020.
Die Beklagte verzeichnete unternehmensweit gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzrückgang um 54 % und im April 2020 einen solchen von 41 %. Die Schließung der Filialen führte zu einer erheblichen Liquiditätslücke, so dass ihr die Mietzinszahlung im April 2020 nicht möglich war.
Die Beklagte nutzte für sämtliche Filialen in Deutschland Kurzarbeit. Darüber hinausgehende staatliche Unterstützungsleistungen erhielt die Beklagte nicht.
Für den Monat April entrichtete die Beklagte die Miete nicht.
Die Klägerin hat im Urkundsprozess ein dem Klageantrag entsprechendes Anerkenntnisvorbehaltsurteil über die Zahlung von 6.170,04 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2020 erlangt.
Das Anerkenntnisvorbehaltsurteil ist der Beklagten am 25.06.2020 zugestellt worden.
Im Nachverfahren beantragt die Klägerin,
das Vorbehaltsurteil vom 25.06.2020 für vorbehaltlos zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, für die Zeit der Schließung nicht zur Mietzinszahlung verpflichtet zu sein.
Sie erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer behaupteten Forderung i.H.v. 2.786,46 €. Sie meint, dass ihr in dieser Höhe ein Erstattungsanspruch wegen der von ihr für den Monat März 2020 entrichteten Miete zustehe, da das Mietobjekt - was unstreitig ist – auch im März 2020 aufgrund der staatlich verordneten Schließung an 14 von 31 Tagen nicht geöffnet gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 23.09.2020 (Bl. 97 f. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 25.06.2020 war für vorbehaltlos zu erklären.
Die Klage ist begründet.
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten Anspruch auf Mietzahlung und Betriebskostenvorschuss für den Monat April 2020 i.H.v. 6.170,04 € brutto, § 535 BGB, sowie auf Verzugszinsen vom 04.04.2020 an.
Der Anspruch ist entstanden.
Insoweit ist das Gericht im Nachverfahren gemäß § 318 ZPO an die im Wege des Anerkenntnisvorbehaltsurteils getroffene Entscheidung gebunden. Denn diesbezüglich beruht die Entscheidung nicht auf der dem Urkundenprozess eigentümlichen Beschränkung der Beweismittel.
2.
Die Beklagte ist nicht gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB von der Entrichtung der Miete befreit oder gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB zur Entrichtung nur einer herabgesetzten Miete verpflichtet.
In der staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels liegt kein Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB.
Ein Mangel setzt voraus, dass der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Wenn – wie hier – Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (vgl. BGH, NJW 2013, 680). Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel bedeuten. Insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen können privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse zu einem Mangel führen. Voraussetzung ist aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (vgl. BGH, NJW 2011, 3151). Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen können deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen; Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, Az. 5 O 66/20, juris).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben liegt im vorliegenden Fall kein Sachmangel vor. Die hoheitlichen Maßnahmen dienen hier dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allgemein an die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden (vgl. LG Heidelberg, a.a.O., m.w.N.).
3.
Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen.
Durch die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels ist der Klägerin die Gebrauchsgewährung nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden.
Zwar konnte die Beklagte die Mietsache während der behördlich angeordneten Schließung nicht als Verkaufsraum nutzen. Damit hat sich jedoch lediglich das Verwendungsrisiko verwirklicht, welches allein die Beklagte zu tragen hat. Die Kläger haben der Beklagten die Mietsache, wie es ihrer Hauptleistungspflicht entspricht, in gebrauchstauglichem Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die Beklagte nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, liegt nicht an der Sache selbst (vgl. LG Heidelberg, a.a.O.; Schmidt, COVID-19, § 3 Rn. 71, beck-online).
4.
Die Beklagte hat schließlich keinen Anspruch auf Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.
Es steht bereits nicht fest, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie sich bewusst gemacht hätten, dass es für die Dauer eines Monats zu einer staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels kommen würde.
Jedenfalls ist der Beklagten das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht unzumutbar.
Eine Vertragsanpassung unter diesem Gesichtspunkt setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint (vgl. BGH, NJW 2012, 1718 m.w.N.).
Dies lässt sich hier nicht sagen.
Gemäß § 313 Abs. 1 BGB ist bei der anzustellenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das wichtigste Kriterium das der vertraglichen Risikoverteilung. Wie oben ausgeführt, geht diese hier dahin, dass die Beklagte als Mieterin das Verwendungsrisiko der Mietsache trägt, also das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. BGH, NZM 2000, 492).
Dass die erzwungene Schließung hier zu existentiell bedeutsamen Folgen für die Beklagte geführt hätte, ist nicht dargelegt. Die Beklagte beschränkt sich darauf, Liquiditätsengpässe für den Zeitraum der Schließung geltend zu machen. Solchen Liquiditätsengpässen trägt jedoch bereits Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB Rechnung, der den Mieter vor der Kündigung schützt, soweit er, bedingt durch die Corona-Pandemie, seine Miete vorübergehend nicht pünktlich zu leisten im Stande war.
Hinzu kommt, dass der Zeitraum der Schließung letztlich nur etwa einen Monat betrug. In dieser Zeit konnte die Beklagte Kurzarbeit einführen und dadurch beträchtliche Einsparungen verbuchen. Seit dem Ende der Schließung hat sie ihre Geschäftstätigkeit ohne wesentliche Einschränkungen wiederaufgenommen. Der Umsatzrückgang ist demnach vorübergehend geblieben. Dass ihre Liquiditätssituation auch heute noch angespannt wäre, trägt die Beklagte nicht vor. Dann ist es ihr aber auch zumutbar, die rückständige Miete nunmehr zu begleichen.
5.
Die Hilfsaufrechnung der Beklagten greift nicht durch. Ihr steht hinsichtlich der Miete für März 2020 kein Erstattungsanspruch zu, da sie die Märzmiete aus den oben genannten Gründen in vollem Umfang schuldete.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 5, 709 S. 2, 711 ZPO.
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